Volltext Seite (XML)
70. Jahrgang. AS 14 Gegründet 1858 Drodlanlchrtft: Il«chrlchlr» D-»»-«». Yernipr»ch«r-S«»nm»linimm»r: 20 241 Nur tür Nach>g»IprLch«: so 011. Sonnabend, V. Januar 1S2S Schrtfil«ikinq und L>aupIg»IchSttdft«U» Ma-t»«Itr«b, 36 4 2. Dniäc u. 1t«r><>q ovn Ijteplch L «,lch»rd« >n Dresden. Pvft>che<t-!wnlo 1068 Dresden. Hachdrncti nur ml> deutlicher vuellennnnodr .Dresdner Nnchr " rvtölliq. Anverlnnqt» SchruINticke werden nicht duldewahrt. I-lolsI Vsilsvue tzlsotirnttlag-ss'«« eni? Konrvrl. d/>ttsg- „net /Ldonck-Tstsi ,no Tsressssn-Sss« sn cksc Sids. Sstesnnts vornsttens Tskslcnttsiie. kv»t»SIv ami Kon»ervi»»Immer. ulecjsti k/IMwoeli ^bsncl l^suiJioiJ Soll Marx in Gens triumphieren? „Keine Kreatoren -er Wilhelmslratze, sondern Pazifisten in das Völkerbunds-Sekretariat!" Noch kein Kabinelksauflrag für Dr. Lulher. — Die Banknolenjäljchang etn Racheakt für Trianon. — Tschechische Korruption. Eine Unverschämtheit ües „Journal de Genöoe". Gens, 8. Jan. Das „Journal de GcnLve" veröffentlicht einen umfnnareichcn Aufsatz über die Fraae der Bcr- Iretuna Deutschlands im Völkerbund. Dieser Aufsatz läßt nach den bekannten naben Beziehungen des ge nannten Blattes -uni Völkcrbnudörat daraus schließen, das? eS sich bter um eine LeSart bandelt dir entweder unmittelbar auS dem Bureau des Völkerbundes stammt, oder doch nach dessen Direktiven bcrqcstellt wurde. In diclcin Aussatz wird nach längeren sachlichen AuSsiibrui acn über die Vcrtrctuna Deutschlands tm VölkcrbnndSrat und tu der Vollversaininluna fesiaeftellt, daß et« Recht des Deutschen Reiches, Vertreter im BSlkerßnnbSsekrctariat zu besitzen iiberbauv« nicht eristiert. Sa diese lediaiich »och tbrer Geeignetheit vom Generalsekretär k«- Völkerbund» ernannt würben. To sollte man „«nächst 1« D^tMaud nicht alanbe« daß ein Deutscher an Stelle d-S «ach Danzig entsandte« Holländers van Hamei Vorsitzender Ser inristische« Lektion würde. Dafür sei bereits der Brasilianer Fernandez voraelcben. Im übriacn liefen tn Hirsen? Jahre die Anstcilunasverträae zweier böbercr Funktionäre ab. aber man könne doch nicht anuebmen. das? diesen verdienten Mitarbeitern der Stuhl vor die Tür acsc't werde nur um ..aän-liä, unberechtigte deutsche Antnrüchc" t!i zu befriedigen. DaS Blatt kommt dann zu der Hanvtiachc und sübrt auS: ES sei tm allaemctnen zwar üblich acwcscn. daN der Generalsekretär seine Mitarbeiter tm Einverständnis luit den betreffenden Negierungen auSacwäiilt habe und cs sei zwets-'sloS vraktjsch. Persönlichkeiten zu baden, die in tbrer Heimat Einfluß und Vertrauen genössen. Aber, so beißt cs wörtlich rvciter: Der Völkerbund hat selbst kein Interesse Sara«, kein Sekretariat von Kreaturen der Wilhelmstraße bc- »Slkert z« leben. Er bat vielmehr aroßes Interesse daran. Saß pazifistische und liberale Ideen, die einen Teil deS deut schen Volkes beleben, in Geni entsprechenden AnSdrnck linden. Iw allgemeinen genössen die aiisgcwnhltcn Persönlichkeiten zwar das Vertrauen tbrer Regierung. wickttaer aber sei Ibre ««bedingte Anhänglichkeit an den Völkerbund und die Idee», Seren Ausdruck er lei! Man will also In Gens die Kouseguenzcn auS dem Vor gehen, daö vom Zentrum und von sozialdemokratischer Seite ein geleitet wurde, ziehen. Man leugnet also nicht, daß Leute, die auf den Listen, die Herr Morr unterbreite» bat, prangen, den Angestellten deS Völkerbundes wett sympathischere Mit arbeiter sein würden, als Leute des Vertrauens der deutschen Regierung, die etwa den Ehrgeiz haben könnten, gewissen delikaten Dingen aus den Grund zu gehen So will man also die Taktik befolgen, die „wahrhast pazifistischen, ehrlich fried liebenden Teile des deutschen Volkes gegen die reaktionäre" Negierung aiiszufpielen. Man sollte aunchmcn. baß nnn auch gewisse Kreise in Dcntschiand endlich erkennen, daß sic außer dem Fluch der Lächerlichkeit auch die schwere Schuld aus sich laden, der Politik ihres eigenen Landes in den Rücken zu fallen, und wen» ein Blatt, dessen Beziehungen zu leitenden Kreisen deS Völkerbundes bekannt sind, es sogar fertig bringt, von „Kreaturen der Wi l hcl rn straße" zu sprechen, io ist das wieder einmal ein Zeichen dafür, wie man sich aus der anderen Seite die vielgerahmte Gleichberechtigung im so- genannten Geiste von Locarno vorstellt. Napoleon ln der Weslenlasche. Eine -euliche Antwort. Berlin. 8. Jan. Einem Londoner Firnkspruch zufolge soll sich Reichspräsident v. Hindcnbura geweigert habe», einem Vertreter des Atblet-nkliibS in Nomban, der seit „»ei Jahren durch die Welt reist, und Autogravbcn bevühmter Männer sammelt, sein Autogramm z» neben, angeblich, weil die englischen und indischen Klubs keine deutichcn Mit glieder ausnebmen. DaS Gesuch des Atblcren ist seinerzeit, tatsächlich im Vurcau des Reichspräsidenten eingcaangen. Es, war tn enalischcr Sprache sormuUcrl. wobei der Air« traastellcr das britische Generalkonsulat alS seine Adrclle an- aab, DaS Bureau deö Reichspräsidenten hat an den Athleten, der sich so als Engländer elnsiihrte, geantwortet, daß cS kein Gesuch dem Oberhaupt des Deutschen Reiches nicht vorlcaeu könne, solange tcntschc Sportölcntc in wichtigen Svortzwclaen. wie Tennis. Ruder» und Segeln, von internationalen Kon kurrenzen in England ausgeschlossen würden. Anders konnte die Antwort nicht gnssallcn. Es bleibt altes in -er Schwebe. Luthers Empfang beim ReichsyrSii-enlen. Besprechung mit den NcichSministern. Berlin, 8. Jan Der Reichspräsident hat heute Srittag 12 Uhr Reichskanzler Dr. Luther zu einer ctn- siünbtgen Besprechung über die innerpolitische Lage empfangen. Die Besprechung endete, ohne daß der Reichs präsident einen Rnstrag zur Regierungsbildung an Dr. Luther erteilt hat. Offenbar will der Reichspräsident aus den Rat Dr. Luthers hin mit weiteren Entscheidungen warten, bis die ZentrumSfra k t ion des Reichstags am Sonntag ihren Beschluß gefaßt bat. Dieses Verfahren wird nicht ln allen parlamentarischen Kreisen gebilligt, da man anntmmt, daß das Zentrum am Sonntag keinen ein deutigen Beschluß für oder gegen die Große Koalition fassen, sonder» die bekannten Gegensätze Innerhalb der Partei mit einem Kompromlßbeichius? Überdrücken wird, so daß auch an? DienStag noch keine klare Situation geschaffen ist. Hin?» kommt, daß die Demokraten, die wohl für die Bildung Ser Regierung der Mille, aber natürlich auch für die der Großen Koalition zu haben sind, ihre Fraktionsbcratnng eist am DienStag angesctzt haben. Der Reichspräsident würde, wem, er zunächst nochmals die Beschlüsse aller Fraktionen ab- wartct. kaumvorMtttwochetnenA» ftragzurRe- gierungSbildung erteilen können, und würde auch bann wahrscheinlich genau so unklare Beschlüsse der Fraktionen tn Händen haben, wie tn? Dezember, Man ist der Ansicht, das? der Reichspräsident nunmehr ohne Rücksicht ans die Beratun gen her Fraktionen Dr. Luther beauftragen müsse, und daß Dr. Luther bann in kurzer Zeit ein Kabinett der Mitte bilde» könne. Parteisührerbesprcchungen beim Reich-Präsidenten sind noch nicht angesetzt worden. » Nach der Besprechung mit Dr. Luther empfing der Reich-- Präsident tm Laufe des Nachmittags zu Besprechungen über die Regierungsbildung die RcichSminister Dr. Brauns, Dr. Gehler, Dr. Sircscmann und Stingl. Wie ine T. U. an unterrichteter Stelle hierzu erfährt, Satten die Besprechungen mit den Ministern den Zweck, daß der Reich-Präsident sich über die Stimmungen und Mei- nungen tn den Parteien unterrichten ließ. Die vier Herren gehören bekanntlich zum Zentrum, de» Demokraten, der Deutschen Volk-Partei und der Bayrischen Bolk»vartei. Auch Set diesen Empfängen wurde die Frage der sofortigen Be auftragung Dr. Luthers oder die Vertagung bis nach den Sitzungen der Parteien erörtert. Der Reichspräsident hat für morgen vormittag erneut Dr. Luther zu sich geladen. Bei dieser Besprechung dürste dann die Entscheidung über die heute erörterte Frage fallen. An unterrichteter Stelle wird weiter angenommen, daß die Beauftragung voraussichtlich bis Anfang nächster Woche htuauSgclchoben werden wird. Politische Zufammenfjötze in Berlin. Berlin, 8. Januar. Gestern abend hielt die National- sozialistischc Arbeiterpartei im KricgcrvereinShauS eine Versammlung ab. die von etwa lausend Personen besucht war. Nach Schluß marschierte ein D e m o n st r a t i o n s z u g von etwa 4M Personen durch die Ehausscestraßc und Jnvalt- denstraße, aus den Bürgersteigen durch Kommunisten und NctchSbannerlcute begleitet. Bald entwickelte sich eine Schlägerei. Die Schutzpolizei stellte die Ruhe wieder her. wobei sie von den Gummiknüppeln Gebrauch machte. Sie nahm den Kämpfenden sieben Eichenstöcke, zwei Gummi knüppel, etn Tesching und einen Schlagring ab und verhaftete zwei Teilnehmer an der Schlägerei. sW. T. B.) Keine Erschwerung amerikanischer Kred>l"ewiil,runa. Washington, 8. Jan. Vom Schatzamt wird mttgetetlt, Mellon habe bei seinen Besprechungen mit dem Repara- tionSagcnten Gilbert auch die Frage berührt, ob die bisherige Politik einer Förderung einer privaten Kreditgewährung an Deutschland für produktive Zwecke auch fernerhin befolgt wer den solle. Die Frage sei zusttmmend beantwortet worden und jedcnsallS werde von seiten der amerikanischen Negierung nichts nntcrnomme« werden, um die Kreditgewährung an Dcntschiand zu erschweren. Diese Erklärung ist immerhin be deutung-voll tm Hinblick auf die bisher nicht einmütig inter pretierte Tragweite der Priorität der deutschen Reparationen. Die beoorsiehenve Diskont-Kerabsetzuug der Reichsbank. Berlin, 8. Jan. Bekanntlich hat die ReichSbank ein« Ermäßigung deS Diskontsatzes für Januar in Aussicht ge stellt. Wie es heißt, wird der Di-kont wahrscheinlich zunächst um 8.75 Prozent herabgesetzt. Später »iv man nochmals «« 8,78 Prozent hernntergeheu. Es hat einmal eine Zeit gegeben ssie liegt noch gar nicht lange zurück), da sahen weite Kreise Deutschlands in Italiens Benito eine Art Benedctto, einen „Gelobten im Herrn", der nicht nur die Apcnnincn, sondern ganz Europa von Parla mentarismus und Internationalismus erlösen werde. Die verfluchte deutsche Objektivität kam dazu: wie einst zu Napo leons Zetten taten wir uns etwas daraus zugute, das Genie dieses Volkstribunen anzuerkenncn, auch wenn wir dafür eine Ohrfeige über die andere bezogen. Reisende aus Italien (du lieber Himmel, wer reist heute nicht alles nach Italien!) rühmten die Sauberkeit der italienischen Bahnhöfe, weil setzt endlich überall dort Spncknäpfe ausgestellt waren, wo sie in Deutschland schon seit Jahrzehnten standen — „das Werk Mussolinis! Ja. Ser weiß Ordnung zu schassen, wenn wir doch . . Andere entzückte dir stramme Haltung der römi schen Miliz, ihre verhältnismäßig saubere Uniform und ihr exakter Gruß gegenüber Vorgesetzten — daß diese Truppe mit barbarischer Roheit gegen die deutsche Minderheit in Süd tirol vorging, das? sich unter Ihnen zahllose Analphabeten be fanden und ihre Moral außerordentlich tief stand, wurde voll ständig übersehen, denn „das ist die Garde, mit der der große Mussolini die Wiedergeburt Italiens und den glänzenden Aufstieg zur Großmacht bewirkt hat". Daß wir doch endlich, endlich einmal lernten, die Dinge vom deutschen und nur vom deutschen Standpunkte auS zu betrachten! Nicht, daß wir andere Menschen und Völker nur mit unserem Maße messen und für ihre Vorzüge und Eigen arten blind sein sollten — wohl aber sollten wir unseren scheinbar unbändigen Drang zur Hcldcnvercbrung wenigstens dort unterdrücken, wo er sich aus höchst untaugliche Objekte erstreckt. Uns kann eS den Teufel kümmern, ob Mussolini das verrottete System bcS italienischen Parlamentarismus durch die Blut- und Gewaltordnung -cs Faschismus beseitigt und damit seinem Vatcrlande einen Dienst getan hat. Wir schulden ihin dafür keinen Dank und sind heute noch keines wegs sicher, ob die Treibhauskuitur des römischen Imperia lismus nicht zuletzt doch ein großes Unglück für Italien be deutet. Für uns hat das neue Regime nnr insofern Inter esse, als cö deutsche Fragen berührt, und da müssen wir scststcllen, das? seit VonapartcS Zeiten nie wieder ein so systematischer VcrnichtungSfcldzng gegen Teile der großen deutschen Völkerfamilie unternommen worden ist, wie der Mussolinis gegen Südtirol. Selbst Clcmenceau, selbst Poin- carS, die im Prinzip vielleicht noch dentschscin-lichcr als der Italiener gewesen sind, wagten auf dem Höhepunkte ihrer Gewaltherrschaft im Westen nicht, gegen gewisse kulturelle Grundlagen der Bevölkerung die Hand zu erheben. Erst Mussolini blieb cS Vorbehalten, die raffinierten Foltergualcn des Mittelalters wieder hervorzusuchen, »m ein seit tausend Jahren deutsches Land seines ursprünglichen Charakters zu berauben. Schrcckworte wie Gcßlers Hut oder die französi schen Dragonaden der Hngciiottcnzclt. oder jener ans den Religionskriegen bekannte Satz: Lujus rogio, ejus religio, finden in unseren Tagen buchstäbliche Erfüllung, ja, Peini gungen treten hinzu, die an die gewaltsamen Namcnsbei- legungen für Inden im Mittelalter erinnern: Die deutschen Familien sollen umgckanst werden, kein deutscher Laut, kein deutschcr Gedanke, keine deutsche Erinne rung sollen mehr in jenem Lande übrigblcibcn, in dem Ter von der Vogclwcidc und der kühne Wolkcn- stciner einen stolzen Gipfel unserer Literatur erklommen. Und der, der für dies alles allein verantwortlich ist — allein verantwortlich sein will, Mussolini, sollte nur eine einzige Stimme der Verteidigung finden, wenn die gcguälten Mütter Tirols anklagen, wenn die Blätter von Bozen, Meran und Brixen jäh verstummen und flüchtige Sohne Andreas Hoscrs tm AuSlande ihre leidenschaftlichen Vorwürfe erheben? Weg mit der beschwichtigenden Geste des Mannes, der über der Sache stehen will! Seitdem Deutschland Objekt der Welt geschichte geworden ist, kann eS sich die Kühle akademischer Gerechtigkeit nich. mehr leisten. Für un» ist Mussolini der Totengräber SttdtiroiS. und als solcher gehört er tn die Galerie jener SchreckenSmänner. die jedem echten deutschen Jungen tief ins Herz gegraben sein sollten. Totengräber SüdtirolS heute noch — wer kann sagen, was er morgen beabsichtigt? Längst streck! ja der faschistische Polyp selne Saugarn?, über den Brenner hinab in die Täler Nord- tiroiS, und soeben wird tm bäurischen Landtage die Bildung italicnijchcr Faichtstenverbändr in München erörtert. Deutsch- land wiegt sich in fröhlicher Sicherheit, wenn es glaubt, jede» Wort Mnssolini» sei Pose, bte zu seinem Amte gehör«, «er glaubte 18N, daß Vvnvpartr seinen Einzug in Mv-ka« halte«