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Dresdner Nachrichten : 08.05.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-05-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192705084
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19270508
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19270508
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-05
- Tag 1927-05-08
-
Monat
1927-05
-
Jahr
1927
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 08.05.1927
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U.- « M» isrr Sonniag Jubilate E7. r v.Hurnbolbt hat den 104. Psalm , ..n - als die Herr- dichte bezeichnet, dt« jemals geschrieben worden Sltna aber b« Sr «lerander ltchste Raturaes« sei.' Jeder Srühltna aber beginnt fse uns wieder auszulegen. .Nu« brechen aller Enden die Blumen aus grünem Plan, wo man sich hin »ag wenden, da hebt ein Klingen an." ES verbirgt sich ein« Ossenbaruna darin. So ost sie sich erneuert — von Iah» zu Jahr, von Jahrtausend zu Jahrtausend — beschleu- nlgt sle den Schlag des menschlichen Herzens. Ueber Knospen und Blüten sind leise, ewige Hände geschäftig. Bis eS in leuchtender Fülle scheint, als sei -er Saum des Kleides Gottes über die Erbe gebreitet. „Un- die Brust wird wieder weit. Frühling. Frühling, goldne Zeit." — So „Lobe den Herrn, meine Seele! Herr, mein Gytl.du bi st sehr herrlich: du bi st schön und prächtig geschmückt. Licht ist dein Kleid, das du anhakt: vu breitest den Himmel aus, wie eine» Depptch."(Ps. 104.1.2.1 Aber welch ein Gegensatz, wenn wir sein nach außen in die Erscheinung tretendes Leben dem gegenitberstellen, das in der Gegenwart, man darf wohl sagen, alle Völker des Erdkreises »ach innen bewegt! Seit der Gluthauch des Weltkrieges sengend und brennend über diesen dahin fuhr, ist es zu keinem neuen, gesegneten Leben mehr gekommen. Verwirrung, Auf lösung. Brrgiftung, Tod überall. Die Bilder in Feld und Garten mit ihrer reichen und reine» Schönheit wären beim Vergleichen geeignet, Bitternis i» uns zu wecken. Soll für unser Vaterland und unser Volk nie mehr ein sonniger, wonniger Frühling anbrechen? Wohl geht eS auch beim Frühling in der Natur nicht ohne Hemmungen. Wetter und Fröste ab. Mit ungewöhnlicher Heftigkeit haben sie znnial in diesem Jahre seinen Anbruch und seine Entfaltung vcrzögrt. Aber trotzdem dursten wir gewiß bleiben: „Es muß doch Frühling werden! Keine Rinde zu hart, kein Ast zu kahl, keine Wiese zu verdorrt, daß die Urkraft des Lebens nicht hätte durchbrechen können. Und wenn eS sich wie ein eiserner Ring um unsere Seele legen wollte, wenn kein Schwung mehr in ihr lebte, sondern Mattigkeit, ja Verzweiflung über sie käme, wenn sich in mitten kalter düsterer Nebel, der Blick trübte und wir je läng«», desto verzagter durch eine Zeit voller Rätsel schritten, wenn selbst religiöse Uebcrzcugung und Zuversicht in ihrer einstigen Untrüglichkeit zu versiegen begönnen — und wer hineinzuschauen Gelegenheit hat. erschrickt, in welchem Um- sänge daS jetzt geschieht — getrost, gleich der Urkraft im Leben der Natur wird eS die des heiligen Geistes für unsere Seele sichern: Es muß doch Frühling werden! Alles freilich, draußen und drinnen, hat seine Zeit. Nur daß Gottes Zelt immer die beste bleibt. Der Mensch ist an kein unbeugsames Schicksal geschmiedet. Unter dessen Augen die Blumen erwachen, der hat solche sür jeden, um nicht bloß einen Garten, sondern um auch sei» Leben zu schmücken. Aber warum das so viele für ihr Volk und für sich selbst nicht achten oder nicht glauben wollen? Doch nur, weil sie de» nicht erkennen, von dem der Psalm rühmt: „Licht i st dcin Kleid. LaS du anhast!" cli. Ueber Nr. 214 »Seit»« — Ferien- und Erholungssürsorge für die lernende werktätig« J«ge«tz. Die seit vier Wochen zur Erholung in der Zweiten I u g e n d w o h l h e i m st ä t t e am Lilien- stctn weilende Gruppe Dresdner Berufsschüler kehrt am Montag nach Dresden zurück und trifft früh kurz vor 10 Uhr auf dem Hauptbahnhofe ein. Eine neue Gruppe Dresdner Jggendlicher reist dank der Unterstützung des städtischen Jugendamtes am Donnerstag nach der Heimstätte am Ltltcn- stein. Stellen früh 8 Uhr in der Südhalle des Hanptbahn- hoses. — Montag, den 18. Mai, kommt weiter erstmalig eine Gruppe Jugendlicher aus Leipzig zn vierwöchigem Er, holnngsaufenthalt in die Heimstätte am Lilicnstcin. — Die Ilini. und Erweiterungsbauten der Ersten Jugend woHl-Hsji«statte in Schellerhan t. Erzg. schreiten rüstig AtirwärtS:, es ist zu hoffen, daß diese Heimstätte in der zweiten Hälfte des Juni betriebsfertig ist. Auskunft über die Jugendwohl-Heimstätten erteilt der Vorsitzende des Ver eins Jugendwohl, Oberlehrer Artur Viewcg, Dresden- Altstadt, Leitmcritzer Straße 4 (Fernruf 80 061). — Wichtig sür Rordamerika-AnSwaudcrcr. Nachdem bis vor kurzem von den amerikanischen Konsulaten keine Anträge ans Ertctkutta von Einwanderungs-Sichtvermer ken sür in Deutschland geborene AusmanderungSlustige an genommen werden könnten, wird voraussichtlich Mitte Mai diese Sperre ihr Ende finden. Allen solchen Personen, die nach den Bereinigten Staaten vvn Amerika anSzuwandcrn gedenken, sei empfohlen, sich beim Norddeutschen Llvud in Bremen oder seinem Vertreter am Platze kostenlose Auskunft über den genauen Zeitpunkt der Wiedererteilung der Ein wanderungs-Sichtvermerke, wie über die sonstigen Einreise- und Beförderungsbedingungen etnzuholen. Bon Max Wenn sich die ersten warmen Tag« lächelnd über Frost und Februar erheben. Vorstadtgärten sich mit zarten Farben zur Parade stellen, junge Mütter ihre Kinder in die Sonne fahren, alte wetßbärttge Hsrren wieber ein ganz gewagtes Herz bekommen und sich erneut an die ewigen Wunder des Frühling» heranfühlen, dann rumoren Wanderlust und Wandersinn bedenklich in unserem Blute, wir schmieden Pläne zu kommenden Fahrten, empfinden stärker unsere Erd- gebundenheit und wissen, daß die Schwungkraft der Seelen und Gedanken aus Heimat und Scholle bricht. Da hat dann dt« Lausitz vor anderen deutschen Landschaften nicht jene hinreißend« Ursprünglichkeit und große Art. wie etwa dort, wo schneegekrvnte Gebirge politisch Deutschlands Grenze bilden, mit ihren Berg- und Talzügen aber deutschem Empfinden auch über die Grenze nachspüren, sie kann sich auch nicht mit den eindringlichen Weiten der Lüneburger Heide oder mit den grüne», ganz ins Abseits verlorenen Land strichen an der Küste vergleichen, was die Schönheiten der Landschaft, etwa im Böhmerwold, im Moseltal, in der Eifel (um Daun und Manderscheid), in Schleswig-Holstein schließ lich, wo von Eutin bis Plön die Seen branden und träumen und hohe Buchenwälder tief aufströmende Gesänge rauschen, vermag sie mit den großen, herben und strengen, wie mit den milden, feinen, getönten Zügen nicht nachzuziehen, und den noch ist sie wert, vvn den Wanderern gesucht und in ihrer Eigenart verstanden und geliebt zu werden. In diesem Sinne ist es interessant, den Bcrgzug zu be trachten, der mit dem Klosterbcrg bei Demitz-Thumitz be ginnt, über den Pichow zum Mönchswalder Berg steigt, sich ins Spreetal bei Großpostwttz senkt, um über Czornebvh und Hochstein bis vor die Tore Lübaus zu ziehen. Der Einschnitt bei Großpostwitz wieder eröffnet jene Cunewalder Wanne, die nach Süden vom Bergzng des Biclcbohs abgegrenzt wird, und die selbst durchaus Südlausitzer Gepräge hat, während nördlich des erstgenannten Vergzuges, nach Westen hin noch abgeriegelt durch die Kam-cnzer Berge, jener Teil der Lausitz liegt, den man mit dem Namen Wendenland bezeichnen kann. Hier sind die Häuser beispielsweise, dem Charakter der Heide angepaßt, einfach, klein, oftmals ärmlich, reizlos, nüchtern in der Form, während im Cunewalder Tal das Haus mit den traulich geschwungenen Umgebinden und den bemusterten Schieferdächern freundlich in Erscheinung tritt. Vvn hier aus. etwa herabkommend vom Bieleboh, begin nen wir unsere Wanderung. Auf dem Berge hatten wir einen Blick inS böhmische Land getan. Seine Wunder lockten: aber wir blieben dem Spruch treu: Erst die Heimat, dann die Ferne. In Obercunewaldc erinnert «ns der Edclsitz an Wilhelm von Polenz, der bekanntlich hier seine prächtigen „Dorfgeschichten" schrieb, seinen „Büttnerbauer", den Tolstoi als einen der besten deutschen Romane rühmte, den „Pfarrer von Breitendors", „Wurzellocker", und wie sie heißen, die jene Probleme schon zn lösen »ersuche», um deren Lösung kulturbcwußte Land- pivnicre heute noch bemüht sind. Ein Gang über die Höhen im Abcndduukel deutet etwas von der leisen Melancholie aus, die, vielleicht ein Tropfen slawischen Blutes, durch das Werk des Dichters klingt. Im Schloßgarten, dicht an der Straße, trägt ein schlichter Stein das erinnernde Bronze- Relief. Arnold Kramer, der auch den lustigen Eulenspicgcl- Brnnnen in Braunschweig schuf, gab es der Heimat, den Dorf- lenten, un- es wird „ihren Herrn" ln Kindern, Enkeln und guten Deutschen leben lasten, auch wenn sie nicht mehr sind. Vom Dorfe wenden wir uns znm wetternms-ieltrn Höchster«. Polenz bewahrte seinen aussichtsreichen Gipfel vor einem verlärmten Wirtshaus, und so kann der besinnliche Wanderer unzcrstörte Waldeinsamkeit üüd Höhenfrieden in tiefen Atemzügen genießen. Herrlich ist's hier oben, wenn der Sturm sein wildes, brausendes Lied singt und uns bis aufs Blut durchpeitscht, herrlich aber auch im Licht und Glanz eines ersten Frühlingstages. Die Felder glänzen und leuchten in immer wechselndem Grün. Dazwischen prahlt die Goldflut eines NapSfeldes, und die roten Dächer der kleinen Wenden dörfer knallen ihre Farben förmlich über die bunte Palette. Die Apfelbäume stehen, vom Gewölk ihrer Blüten über schäumt. wie herrliche Verklärer über schmalen Hütten, zer- brcchltchen Zäunen und den kleinen Dingen des ländlichen Alltages. Und so mit der Freude unseres aufjauchzenden Herzens wandern wir zu Tale. Aber nein, das ist nicht ganz richtig, zu Tale. Diese nördliche Lausitz ist eine Hochfläche auf gra nitenem Grund. Jahrtausende haben diesen Grund zersägt Schlachtfeld. Zeibig. und -ergraben, und so find Täler entstanden, die das Lausitzer Volk Skalen nennt, diese Täler sind von besonderer, stiller SchSnheit, sriedsam und tief in sich versunken, wie Gemälde eines Ludwig Richter oder Moritz von Schwind. Dort, wo dazu alte Nittersttze ihre Rechte anszctgen, und mächtige Schanzen, von denen man nie recht weiß, ob sie slawischen oder germanischen Ursprungs sind, ob sie als Kampf- ober Kultstätten dienten, sich über den Grund erheben, wie bet Niethen oder LauSke, erhält die Landschaft romantische Bedeutung. Dort kann man sich vom Mat bis zum milden September auch ganz in den Zauber einer stillen Stunde und in den Reichtum der Natur verliere», die Farbe, Tust und Klang hier in harmonischer Fülle verschenkt. < J„ Hochkirch müsse» wir eine Stunde verweile«. Im Gasthaus „Zum alten Fritz" stärke» wir uns vorerst und besichtigen dabei liebevoll gesammelte und bewahrte Erinne rungen an die Schlacht. Trüben der Kirchhof ist ja der Schau platz jenes Ueberfallcs tm Jahre 1768 gewesen, bei dem Major von Langen mit seinen dreihundert Brandenburger Grena dieren den Tod fand, bei dem Generalfeldmarschall Keith, Friedrichs des Große» Freund, siel, bei dem dem Alten Fritz selbst das Pferd unter dem Leib weggeschossen wurde, bet dem ... Ach, nun könnte man eine ganze Geschichte von Hochkirch erzähle». Aber das kann hier nicht geschehen. Sehen wir die Steine! Sie reden eine ernste Sprache. Singen ein Lied vom Heldentum. Ktrchmanern, Kirchturm und Kirch- tiiren tragen noch Spure» und Zeichen von Kanonenschüssen und Musketenkngeln. Denksteine rühmen die Namen ge fallener Helden. Und der Name „Blutgasse" spricht vom Granen des Ueberfalls. Aber da spielen Kinder Frühllngssptele in jener Blut gasse. Löwenzahn wuchert mit tausendfache» goldenen Blüten- körben am Wege. Kleine Bauerngürien prahlen mit ihrem bunten Schmuck, und immer wieder sind blühende Bäume die schimmernden Verklärer über dem Ganzen, und der ganze Weg, den mir nun gehen, über Pommritz zur Niethener Schanze, nach Lauskc, am Strvhmbcrg vorbei, bis Weißen- berg, ist ein übcrblühtcs Schlachtfeld, ein blühendes Heute über brennendem Gestern: denn noch immer erinnern Steine und Tafeln an eine Begebenheit aus dem Siebenjährigen Krieg, oder, man schaut, wenn man west, märts sieht, die drei Hügclkuppen der Kreckwitzer Höhen, von denen Blücher 1812 einst weichen mußte, als die erste sächsische reitende Batterie Probsthavn znm Sturm anritt. Von Hoch kirch bis Wcißenberg hatte Friedrich der Große seine Truppen 1768 ausgedehnt. Heute liege» die Dörfer, gut eingebettet in das gewellte Gelände, friedlich da. Ein genügsames Bauern volk schafft hier am deutschen Boden In fast abseitiger Stille. Und wer diesen Weg wandert, der bet jeder Biegung und Steigung neue Kulissen in die Landschaft stellt, empfindet etwas von jenem Stormschen Gefühl: „Kein Klang der auf geregten Zeit klang noch in diese Einsamkeit." Mit solcher Meinung beschließt man auch die Tages wanderung in Wcißenberg, einer ganz «naufgeregtcn, lieben kleinen Stadt. Sie baut sich, man könnte fast sagen, dekorativ, etwa 187 Meier über dem Löbaucr Wasser, das ganz verträumt daherkommt, Sules?er8vnsl s 1 Ilsnsi, visi > I 8or»L« Im QssstiSIt ^nruk: 2SSS1 un6 L18S1 Sie veäeutung «es Klaviers als vegielttnstrnment Ü3ffl8fim sttirelbt NUS p ,Icd kllkle inl<1> verpMsitnt, Ibnen ktlr <ii« Neislellunz Uo» meinen besten vnnk susrusprecben. lcti tinöe seiden im Ion »»w» borvoeengsaN, e>ib«n»o »»»t, «I« StNrk« rnNebtig." H, die im Lauf der Jahre den Gatten und sämtliche Söhne an das Meer verloren hat, ist die Heldin. Sv wie der Operntext das Stück gibt, ist eS. wie man in der naturalistischen Epoche gesagt hätte, ein „Zustandsdrama", freilich ohne daß sein „Zustand" eine nennenswerte Entwicklung findet, cs sei denn, daß mir den von Anfang an geahnten Tod des letzten Sohnes mit erleben. Von Handluna kann man gar nicht sprechen, nur vvn SttmmungSschilderung. Die ist aber stark: sturmzerflederte KUstenmclancholie, religiöser Fatalismus, die Schauer des zweiten Gesichts zusammen mit krasser Realistik aus dem ewigen Kamps der Menschlein gegen allgewaltige Naturkräfte und doch schließlich mit einem versöhnenden Ausblick der Er gebung — man versteht, daß das einen Musiker, einen franzö sischen Musiker, reizen kvnnte. Denn StimmungSschildcrung ist nun einmal die ganz besondere Stärke der französischen Komponisten vvn jeher gewesen. Henri Rabaub gehört zu den Jungfranzosen: eigentlich „Nene Musik" hat er im „R»s des Meeres" nicht gegeben.*) Abgesehen vvn ein paar kühnere» Akkorden und Klangvcrbindungcn hätte diese Partitur recht wohl auch schon vor zwanzig Jahren geschrieben werden können. Es ist viel Debnssn drinnen, etwas Eharpcntier und sehr merklich sogar noch Massenet. zu dessen Schülerkreis der Komponist gehörte. Jener Eklektizismus also, der gerade Musikern eigen zu sein »siegt, bei denen Geist und kultiviertes Können (— Nabaud ist Direktor des Pariser Kvnservatv- riums —) stärker sind als die urwüchsige Schaffenskraft. Immerhin, der Eindruck hat etwas Bezwingendes. Eine stiebende musikalische Deklamation dcS Prosatcxtes gewinnt immer wieber einmal lyrische Linie, die Orchestcrunicrmalung verhältnismäßig schlicht, doch stets vvn feinster klingender Farbe, dabet das ganze Musizieren unmittelbar aus der Szene und Situation empfunden. Der Stofs bringt es freilich mit sich, daß lebendigere Gegensätze völlig anögeschlossen bleiben: es ist immer die eine Grundlinie schmerzvoller Melancholie, und dadurch bekommt daS Ganze eine etwas grau t„ grau gekleidete Eintönigkeit. Aber sogar in dieser liegt eine gewisse nervenrcizcndc Stimmungskraft. Jedenfalls war die Bekanntschaft mit dem Werk doch anregend. Nächst der sorgsamen, stilvolle» musikalischen Wiedergabe durch Gustav B r e ch c r hatte die Regie BrUgma » n s größten Anteil an der Wirkung der Neuheit: sie sing die schwingende Stim mung der Handlung im realistischen Bühnenbild der lampen- crleuchteten Fischcrhütte mit großer FenstcranSsicht auf stürmische Küstcnödc ein. nicht minder tm wohlabgewvgcnen Spiel der Lichter, Schalten, müden Bcivcgnngcn und stillen Gruppierungen. LotteDörmald gab in Ton und Haltung ergreifend die schicksalögezeichncte Mutter, Edla Muska ten k o und G. Wentschcr. Le h m a n » waren das Gegen paar der sansten blonden und resoluten schwarzen Schwester, Max Spilker machte glaubhafte Figur als todgeweihter letzter Sohn. Nach einem Augenblick besangen ergriffenen Schweigens setzte am Schluß achtungsvoller Premtcrcn- b sifall ein. *) Der gut spielbare KlovIeranSzng Ist Im Mustkverlag Max ' schig u. So., Paris, erschienen. Sehr viel lauter ging cs freilich nach dem zweiten Einakter zu. „Das Zauberwort" von Maurice Ravel nach einem Text von Colette ist ja auch ein ausgesprochener PublikumSspaß. Eine lustige Sache etwa im Stil von Dcbussys „Spiclzeugschachlel". Das ungezogene Kind, das bös gegen die Mama war, erlebt im Märchcntraum die Empörung des lebendig gewordenen Zimmer- und Garten inventars, bis cs schließlich, durch Mitleid mit einem ver wundete» Tierchen als eine Art Miniaiurparsifal zur Selbst besinnung geführt, reuig das Zauberwort „Mama!" ausrust un- damit den Spuk bannt. Dieser Spuk ist aber schrecklich ulkig und abwechslungsreich: da werden Lehnstuhl und Bergerc lebendig und tanzen, die Uhr wandelt tickend durchs Zimmer, die Märchcnprinzessin entsteigt dem zerrissenen Märchenbuch, aber auch der Quälgeist der Mathematik mit einem ganzen Zahlcnhccr scgt los. das Feuer hüpft drohend lodernd aus dem Kamin, um glücklich vom Aschcnmännchen gebannt zu werben, Kaffeetasse und -kanne tanzen Jazz, die schäfcrischcn Figuren der Tapete stimmen ein zartes Hirtenlied an. Kater und Mieze vollsühren ein KatzenlicbcSductt, im Garten am Brunnen gibt es ein rührendes Frosch-Gesangscnscmble, Libelle, Fledermaus, Nachtigall, Eichhörnchen mengen ihre Stimmen drein und so weiter und so weiter. Wie die Musik klingt*), die zu alledem nun ein geistvoller, an Schönbcrg und Strawinski geschulter Musiksatiriker wie Maurice Ravel ge macht hat. läßt sich ja leicht denken. So übermäßig kakvphvn ist sic gar nicht, natürlich aber ausgesprochen grotesk, und hierin hat sie ihre Stärke. Wenn -um Beispiel die .Kaffeegeschirre mit einem richtigen Blues loslegen oder das scharf dekla mierte Zahlenbombardement der Mathematik losgeht, oder die Naturlaute der Katzen-und Frösche zum Ensemblcsatz geballt werden, ist das wirklich witzig — natürlich auch nicht mehr. Auch altvaterische historische Farbe ist etliche Male nicht übel getroffen: dafür hat bas Orchester ein besonderes Instrument, ein „Lautenklavier", das wie ein etwas vergröbertes Cembalo klingt. Wenn freilich einmal gefühlvollere kindliche Poesie an- klingen sollte, wie in der Episode der Märchcnprinzcssin, ver sandet der Ausdruck in kühler Artistik: ebenso bei der „Läuterung durch Mitleid". Fürs Herz hat dieser ganze Musik stil »nn eben einmal nichts zu geben — will es ja natürlich auch gar nicht. Der geistreiche Witz der Musik muß natürlich durch die entsprechende szenische Umrahmung unterstützt werden. DaS geschah in Leipzig auSgiebigst. Urkomisch schon die Grundidee der Inszenierung: das Bühnenbild riesenhaft überlebensgroß z» geben, so daß die Soubrette, die das Kind singt, wirklich wie ein winziges siebenjähriges Schulbübchen wirkt, aber auch die kleine Sänger- und Tänzerschar, die als Katze», Frösche, Eichhörnchen usw. ihr Wesen treibt, durchaus das richtige Größenvcrhältnis hat. Im übrige» war die Inszenierung ci» tolles Durcheinandcrwirbeln von lebenden Darsteller», kunst vollen Marionetten, Handpuppen, beweglichen Requisiten und allem erdenklichen Bühnenzauber. Bis auf einige Kleinig- *> Sin deutscher, hübsch auSgestattcter Klavierauszug ist bei Otto Imine, G. m. b. H., Leipzig, erschienen. leiten klappt der verwirrend komplizierte Apparat vortreff lich. so daß man der Leipziger technischen Bühnenlettung Dobra-Jhrke wieder ein besonderes Kompliment machen muß. Aber auch Brügmanns Regie hatte das entfesselte Theater fest am Gängclbande klna gestaltender Disziplin, und Brecher witzelte und ulkte mit dem Orchester draus los, daß cs nur so die Art hatte: besonders die scharfe charakteristische Rhythmik der Musik — nächst dem Klangspiel ihre besondere Stärke — trat effektvoll in die Erscheinung. In den zahlreichen kleinen Gcsciiigsrollcn war mit Else Schulz-Dorenberg als Kind im Mittelpunkt ein großer Teil des gesamten Opern- pcrsonals teils hinter der Szene teils aus der Szene tätig, desgleichen auch Chor und Ballett. Cläre .Schultheß, Ilse Kocgcl. Hanns Fleischer, Oskar Laßner, Edla Mvökalcnko hatte» besonders hervortretende Episoden. Alle dürfen sich an dem errungenen Erfolg, der dem Nus der erneut kräftig auswärtSstrebcnden Leipziger Oper alle Ehre machte, ihren Anteil znschrcibe». Dr. EugenSchmitz. Kunst und Wissenschaft. Gastspiel Dassermann in der Komödie. Sic ist alt und verstaubt, diese tragische Komödie „Trau- m » l n s" von A r n o Hvlz und Oskar I e r s ch k e, die einstmals in die grvße Frage um die Erziehung der Jugend in Formstrenge oder Freiheit eingriff und rein theatralisch mit der Vorführung einer Verbindungskneipe der Gym nasiasten wie eine Kühnheit und Sensation wirkte, in jener seligen Zeit des Naturalismus, wo man der Reihe nach alle denkbaren „Milieus" auf die Bühne brachte. Der Reiz dieser Enthüllungen ist dahin und ein Mt wie die Kneipszene der Schüler wirkt fast nur noch unfreiwillig komisch und erscheint für den Aufbau des Dramas überflüssig. Die Geschichte, wie sie „geklappt" werden, könnte man wirklich mit einem Brief abmachcn. Auch der Kampf Müschen „Traumulus", dem herzcnsgüiigcn Pädagogen alter Schule, und dem Landrai. dem ostclbischen Typus der rücksichtslosen Schncidigkett, ist in seinen aktuellen Setten unwirksam geworden: dafür tritt die grundsätzliche Seite: Kamps des Herzens gegen den Ber- stand, in jenem Gegensatz zweier Männer aus verschiedenen Welten deutlicher heraus und gibt ihrer scharfen Auseinander setzung noch heilte einen dramatischen und weltanschaulichen Kraftaußdrnck. Was aber an dieser schon fast verschollenen .Komödie lebendig geblieben ist, das ist er selbst, Traumulus, der Gymiiasial-irckior Professor Dr. Nicmener. der Humanist und humane Erzieher, der Idealist und Gläubige, der wunder voll gütige Mensch, der an der rohen Offenbarung menschlicher Gemeinheit und jugendlicher Unzuverlässigkeit in sittlichen Fragen einfach zugrunde geht. Ob dieser Adel der Gesinnung ans der Well verschwunden ist, ob die Erziehnngsgrundsätze vvn heute solche Idealisten noch möglich macht, ist eine außer halb des Stückes liegende Frage. Daß aber unser Herz und unser Geist ans der Seite eines Traumulus stehen, wenn diese
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