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71. Iahr-arrg. AK «K0 MenS-Ausgabe Mittwoch, 22. Dezember 1»2> GegrUndel ISS« Drodlanlchrtft: Neckrlwle» Dr»«»«». Sernlprecher-Sammelnummer. S v Sckl Nur ckr Nachlgeipräch»! S0 011. « ckÜntzi'U,». o»m l«. l>l» 31. Dezemker 192« lx> lägllch zweimallaer guftrUuna Ire, »au» I.dv Mk. Poftl»»<ui>»pr«>s >ur Monai Dejemder Z Alark ob»? Po>lzu«,llunqs»edüdr Sl»z«l»»»«rr I» PI,«,»,. Dl» Anjeiqen werden nach Soldmark aerechnel . di» »inlpaltia« X» mm drelie Anzelgen-Pr-ile: LVwV'.IN«'FL SÄ»N". LZS SS auherkald 206 P>a VlserlenaedUkr lv PIq. A»sw Aulirii«» aeqen Doraueberakl. Schriftleiluno und Kauplorschäii,«»«»: «arienltrai» SS »2 Druck n. Verlag von Uteplch » »elchordl in Dreede». Voftlcheck-Äonto 10SS Drei»»». Nachdni» nur mii »euUicher SueUenan^od» „Dreodner Nachr - ,ulills>o Ui verlanvlr SchriKINick» werden mch> auldewakrl. ^.k.7r!Ä!?L!K^ O/^5 NKU5 veu ooiei^l VVLIdlk JerProtest gegen die Schandjustiz vonLandau Die Reichsregierung um Revision des unerhörten Fehlfpruches bemüht. Dr. Lukher über die Deukschsreun-lichkeil Südamerikas. — Starke Zunahme -er Belegung -es Flüchtlingslagers Schnei-emühl. Eine Erklärung -es Minislers für -ie befehlen Gebiete. Berlin, 22. Dez. Der Neichsmi niste r sitr Sic besetzten Ge biete. Dr. Bell, «ab einem Vertreter des M. T. B. gegen über folgende Erklärung über das französische Kricgsurteil in Landau ab: Mit Empiirnng und Entrüstung hat das ge samte dentschc Volk das ««erhörte Fehlurteil des französischen Kriegsgerichts in Landau vernommen. Roucier ist frei- gesprochen. Dc«tschc Bürger sind z« schweren Gefängnis strafen verurteilt, unter diesen auch ein Mann, der in einer Heidelberger Klinik an den Schüssen von Roucier schiver krank daniederliogt uwd in einem unserem Rechtsempfinden ins Ge sicht schlagenden A>dwcse»heitövcrfahrc>l zwei Fahre Gefängnis erhielt. Roucier hat eine» deutschen Bürger getötet und zwei andere Deutsche find durch Schüsse schwer verletzt, einer in lebensgefährlicher Weise. Jeder, der der Beweisaufnahme vor dem französischen Gericht folgte, sah di« Schuld Noucicrs klar hervortreten. Trotzdem dieser Freispruch, -er der Gerechtig keit Hohn spricht! Diele Ergebnisse sind einfach untragbar. Wen« das Leben der Einwohner dem Kriegsgericht so leicht wiegt, s, fühlt sich die Bevölkerung in einem Znstand der Rechts- > loflgkcit, der im schreiendsten Gegensatz steht zu den Be- i mühnngen der letzten zwei Jahre, eine Rechtsordnung des I Friedens zwischen Deutschland «nd Frankreich zu schassen, s Im ganzen Volke können solche nndegrcislichen Vorkomm- > «tsse nur als ei« Schlag gegen die Verständigungspolitik wirke«. Unser tiefstes Mitgefühl wendet sich de» schwergeprüf ten Volksgenosse» am Rhein zu. Wir wollen diesen mit allen Kräften Helsen. Wir wollen alles tun, uni in diesem Einzel- fa l l dem Recht zum Siege zn verhelfen. Wir wollen aber darüber hinaus gegen ein S y st e m kämpfen, dem ein solches Fehlurteil entspringen, konnte. Aste Dentschcn müssen a«S dem Landauer Urteil die Lehre ziehen, das, wir keine dringendere Anfgabc haben, OlS die, unseren Volksgenossen am Rhein die Freiheit und dem deutschen Staat die volle Souveränität in lenem Ge biete wieder z« erringen. Diesen Appell richte ich an das ganze deutsche Volk. Solange die Besatzung ans deutschem Boden weiter an- Lauert, ist immer die Gefahr solcher tiefbcdanerlicher Er eignisse gegeben, die die schärfste Bedrohung der Ver ständigungspolitik bedeuten. Unerläßliche Voraussetzung für die ersprießliche Fortführung dieser Verständigungspolitik ist daS Bewnsttsein eines gesicherten Rechtsschutzes. Wir 1 erwarte«, dast die berufenen französischen Instanzen gerade im Landauer Falle alles tun, um daS begangene Unrecht wieder gutznmachcn. Die einzige Sicherheit gegen die Wieder kehr solcher, die Gesamtpolitik beider Länder schwer ge- särdendcr Vorkommnisse bietet aber die alsbaldige Beseitigung der Besatzung. Wir können dazu noch Mitteilen, dast der deutsche Vot- schaster in Paris, v. Hocsch. sowohl, wie der Neickdkommissar für die besetzte« Gebiete. Freiherr Langwerth v. Simmer n. beanitragt worden sind, angesichts der iür icden Dentschcn tief bedauerlichen Borsall in Lanha«, alle Schritte zu tm». «m eine Revision des Prozesses herheiMsthren. ES wird dabei nach drücklich darauf hingewiesen werden, dast durch das Landauer Urteil die Ergebnisse der FrieüenSirktion von Locarno schwer beeinträchtigt würde. Eine Berusuna gegen das Urteil des französischen Kriegsgerichtes gibt es nicht, nur Revision, die 21 Stunde» nach Ablauf der Mitteilung des Urteils ron dem Angeklagten eingelegt werden must. Die Revision hat nicht die Feststellung des Tatbestandes znm Gegenstand, sondern lediglich die Prüfung der Frage, ob in folge formeller Verstöste bzw. nicht richtiger Anwendung der Gesetze das Urteil ausznheben und die Sache an ein anderes Kriegsgericht zu verweisen ist. Das Revisionsgericht ist in Mainz. Dentschcrseits werden, wie gesagt, alle jurstischcn Möglichkeiten a»^-"'schövst werden, »m eine Aufhebung des Urteils herbelznsühren. Empörung im Berliner amtlichen Kreisen. <T u r ch Funklvruch.l London. 22. Dezember. Alle Blätter verösscntlichen eine Rentermcldnng ans Berlin, worin es hcistt, die Rachricht «om Urteil des Landauer Kriegsgerichtes sei in amtlichen Kreisen in Berlin mit großer Empörnng ans genommen worden. Das Urteil werde sicherlich beträchtliche Erregung in de» deutschen öffentlichen Meinung hcroorrnfe«. «nd in verantwortlichen Kreisen befürchtet man, dast die ganze Angelegenheit «inen grasten Teil des in Locarno begonnenen Werkes für die Besserung der Be ziehungen zwischen Frankreich und Deutschland zunichte machen werde. sWTB.j Revision für -ie Deutschen beaniragi. La» da«, 22. Dezember. Wie der Berichterstatter des W. T. B. hört, hat die deutsche Bertcidiguna gegen die Urteile im Roneier-Prozcst. soweit die deutschen Angeklagten in Frage kommen. Revision angemeldet. fWTB.j Schärfster Prolest -er Berliner Presse. Berlin, 22. Dezember. Der Freispruch des Mörders Roucier durch das französische Kriegsgericht hat in der Ber liner Presse aller P a r t c l r i ch t n n g e n hellste Em pörung ausgelöst. Allgemein wird er als ein Schandurteil bezeichnet, das eine» unerhörten Schandfleck für die fran zösische Justiz darstellt. Die „Deutsche Tageszeitung" erklärt: Frecher und absichtlicher leien deutsches Recht »nd deutsches Ehrgefühl selbst von Franzosen nie mit Fitsten getreten worden. Man werde bas Urteil von Landau nicht vergessen, wenn man uns wieder von sranzösiichcr Seite mit Versprechungen irre zuführen sucht. Verurteilt worden sei gestern in Landau die französische Jnftiz, die sich in all ihrer Erbärmlichkeit vielleicht «och niemals so hüllenlos gezeigt habe. Die „K r e u - z e t tu n g" spricht die Hoffnung ans, dast die deutsche Retchsregternng sich diese unerhörte Provo kation nicht gefallen lassen werde und auf Revision dieses unglaublichen Fchlspruchs energisch dränge. Der Fall Non- cier beweise wieder einmal, dast fremde Kriegsgerichte im besetzten Gebtet einfach unerträglich seien. Sie lie ferten Freibrief« für Mörder und bestraften die Opfer — wenn sie Deutsche sind — Ruch die „Bö r s e n z e i t n n g" er wartet. dast die deutsche Regierung dem Gefühl dcS deutschen Volkes in cinbcntigstcr Weise amtlich Ausdruck gibt. An gesichts des Landauer Urteils darf cs Erivägungen politischer Vorsicht und diplomatischer Bedenklichkeit nicht geben. Die „Tägliche Rundschau" schreibt: Die Frei- sprechuna sei ein Faustschlag Ins Gesicht des deutschen Volkes. Sine schlimmere Sabotage der Politik Vriands konnte wohl in diesem Angenblick nicht erdacht werden. Ans dem Ganzen ergebe sich ein neuer Beweis für die Unmög. ltchkeit der Ausrcchterhaltung der fremden Besatzung «ms deutschem «oben, wenn wirklich das Atel »er französischen Politik die Herbeiführung eines friedfertigen Zustandes in Europa und einer Verständigung der Völker nach vernünf tigen Grundsätzen bleiben solle. Auch die „ D e u t s ch e A l l g e in e i n e Z e i t n n g " nennt das Urteil einen blutigen Hohn auf das Rechtsempfinden aller Menschen, einen Akt der Selbsterniedrigung der fran zösischen Justiz, und sagt: Die Mzieliungen der Nationen dürfen nicht weiter dem blinden.Zufall, d. h. den feigen Herr chen mii der Reitpeitsche, anheimgcgeben bleiben. Es ist Europas unwürdig, dast die Bemühungen der Staatsmänner um die Wiederannäherung der Völker durch solche Zufälle bei »nd nach Wirtshallsbesiichen in irgendeinem friedlichen Städt chen gefährdet werben dürfen. Darum immer wieder: Es ist höchste Zeit; Schluss mit der Besetzung! Di« „Germania" sagt: Der unglaubliche Freispruch des Mörders Roncter könne nur allgemein tiefgehende Ent rüstung Hervorrufen. Das Militärgericht habe das Recht seinen nationalistischen »nd militärischen Instinkten geopfert. Eine wirkliche Annäherung zwischen Deutschland und Frank reich könne unmöglich elntreten, wenn die Engstirnigkeii lokaler Instanzen sich nngehemnrt »nd »»korrigiert aus toben dürfe. Das „Berliner Tageblatt" äustert: DaS Urteil werde die deutschen Bewohner des besetzten Gebietes in der Befürchtung bestärken, dass sie in ihrer Heimat nicht sicher seien, solange dort französische Militärdiktatur geübt iverde. Man könne sich nicht vorstelle», dass dieses Urteil bestehen bleibe. Die Bemühungen der Diplomaten müssten fruchtlos sein, so lange überhaupt die Okkupation Saure. Die „ Bossische Zeitung" sagt: Die „Würde Frank reichs". von der der Unterleutnant Roucier in seinem Tchlust- wort gesprochen hat. hat mit dem Urteil einen Schlag erhalten, den zn verwinden »nendlich schwer sei. Die französische Armee iverde mitschuldig an dem Germersheimer Mord. Die Frage der Ränmnng dürste »ach dem Urteil oon L«»da« auch nicht eiue St»nde mehr »»« dem tägliche« Arbeitsplan der deutsche» Regierung verschwinden. Frankreichs beleidigt« Würde werde aber nicht eher wieder hergestellt sein, che nicht der letzte Roucier deutschen Boden verlassen habe. Der „Vorwärts" zieht aus dem Schandurteil den Schlust, solange die Besetzung andauert, so lange würde man Gefahr lause», dast ähnliche Zwischenfälle und ähnliche Kriegsgerichtssehlnrteile die Kluft zwischen den beiden Völkern immer wieder vertiefe. Deshalb müsse mit der Besetzung Schlust gemacht werden, die Frankreich nichts nütze. Deutschland schade und de» Frieden erschwere. Im übrigen kann der „Vorwärts" sein Naturell, LaS ihm gebietet, nach Möglichkeit zuerst Deutschland zu beschmutzen und zu beschuldigen, nicht verleugnen. Er must den Mörder Roucier entschuldigen, und das tut er in folgendem Satzff: „Der erste menschliche, sympathische Zug bet diesem Leuinattt, den die Franzosen uns nachgcmacht haben, mar sein Schlnstwort. . ." Und weiter m u st er -ie deutsche Justiz schmähen: Er spricht davon, dast ein gerechtes Urteil die deutsch-französische Verständigung gefördert hätte, und fährt fort: „Wahrscheinlich hätte es rin internationaler Ge richtshof mit neutralen Richtern gefällt. Bei einem deutschen Gericht ist das schon weniger wahr scheinlich. Bei einem Kriegsgericht war es a«S- geschlossc n." Die „Rote Fahne" sieht in dem Urteil des franzö sischen Kriegsgerichts ei» „krasses K l a s s c n u r t e I l. gegen das mit unö die französischen Kommunisten den schärfste» Widerspruch erheben werden". Im gleichen Sinn« eines »achdrücklicheii Protestes gegen das Landauer Kriegsgertchtsurteil änstert sich ainh »ie Press« der anderen denischen Großstädte. Eine scharfe französische Ablehnnng -es Schan-uneils. „Im voraus diktiert." Paris, 22. Dezember. Die gesamte Presse begnügt sich da mit, das Urteil des französischen Kriegsgerichts in Landau ab- zndrucken. Znm Teil bestehen die Berichte ans einer Po lemik gegen die deutschen Verteidiger. Am weiteste» geht hierbei der Korrespondent des „Journal". Nur „Oeuvre" änstert sich redaktionell zu dem Urteil. Das Blatt erklärt: Frankreich ist durch ein Kriegsgericht verurteilt. Als ich. so schreibt der Chefredakteur des Blattes, die Nachricht von diesem Urteil gehört habe, habe ich mii der Faust aus den Tisch geschlagen. Man hat mir gesagt: „Regen Sie sich doch nicht auf, dieses Urieil ist noch schlimmer als verbrecherisch." Jawohl, ich rege mich ans. Sie können mir glauben, daß mir der kleine Leutnant Roucier vollkommen gleichgültig ist. Er bildete sich ohne Zweifel gutgläubig eiv, dast unser Sieg daS Recht für ihn bedeute, die Besiegten mit Reitpeitschen zn traktieren, wenn sic ans einem Wirtshaus hcrauskommen. Was besonders ernst an dem Urteil von Landau ist. ist dies, dast es im oorans dikiiert zu sein scheint, cs ist ein politi'^-cS Urteil. Man braucht nur die Rede -es anklagende» Kapitäns Trvpct zu lesen. War cs eine Anklagerede gegen den Beschuldigten? Nein, es lvar eine Anklagerede gegen die äußere Politik Frankreichs. Man erkennt, dast es sich darum handelt, die Abkomme« von Locarno z« verurteile«. Dieser Prozeß ist der Prozeß gegen das pazisistiscin: Frank reich geworben, den auf deutschem Gebiete ein französischer Offizier geführt hat. In der Stunde, in der Deutschland in mitten einer ministeriellen Krise lebt, zwischen dem Frieden nnd der Revanche, hat man geglaubt, besonders geistreich z« sein, dast man sich nach der Seite des Hasses wandte, also jeden Versuch der Annäherung noch schwieriger machte. Der „Mali n" erklärt, Tribout habe sich, alS er von Lo carno und der Ordonnanz 308 gesprochen habe, in völliger Uebereinstimmilng mit den Führern der Rheinarmee be kunden. — Das „Echo de Paris" gibt seiner Genugtuung über den Freispruch RoucierS Ausdruck. — Das „Ivnrna l" geht ebenso wie die „Aktion Franc « is c" ausführlich auf die Verteidigungsreden von französischer und deutscher Seite ein. „Actton Franyalsc" meint, diese spiegelten die gegen wärtige deutsch - französische Lage wider. „Pe » ple" meint, es wäre besser gewesen, wenn man die Zwischenfälle von GcrmerSheim in die Hände eines europäi schen SchiedSgerichtShofes gelegt hätte. Das Blatt geißelt dann die nationalistische Haltung und erklärt, cS habe sich in Landau nicht um Jnstizdebattcn, sondern um eine osfensichtliche Offen sive gegen die Politik europäischer Beruhigung gehandelt. — Die „Human it^" bezeichnet das Urteil als eine weitere Ungeheuerlichkeit ans dem Schimpsbuch der Besatzung», armee. — „Quoti bien" schreibt, der FricdenSgcist von Lo carno sei von de» fünf Offiziere» des Kriegsgerichts nicht ver- standen worden.