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Reih« wären, zur «dvocatur gelassen werden sollen, außerdem aber im Allgemeinen um Gewährung der Plaidirfrrihrit, des Rechte« der Berthridigung vor Gerichten, an alle mit ihren Probeschriften nicht durchgefallenrn Rechtscandidaten gebeten wir». (W-Z) — Zu welch gräßlichem Entschluß oft Nahrungssorgen da« bekümmert« Herz eine« Familienvater« treiben können, zeigte sich vor ungefähr zehn Tagen auf der Bautzner Straße, wo der Copist T., seine« Alter« 44 Jahr« und Vater von sieben Kindern, sich in seiner Wohnung durch Ausschneiden der Puls adern den erwünschte« Tod zu geben suchte. Das traurig« Werk war nicht vollkommen gelungen, man entdeckte die Verwundung und schafft« den Mann ins Militatrhospital, wo denn auch im Laufe von 8 bis 9 Tagen di« Heilung der Wunde bewerk stelligt wa'd. Aber Einmal der Versuchung in solch Unheil- voller Stunde anheimgegeben, bricht am Sonnabend Nachmit tag, als sich der schon Genesene im Garten befindet, der Höl- lengedanke zur Vernichtung des Leben» aufs Neue hervor. Der Arme eilt in seine Stube, reißt «in Brodmeffer au- dem Schrank« und schlitzt sich damit den Unterleib auf, daß di« Gedärme heraustreten. Aber auch jetzt wollte der heißgewünschte Tod noch nicht kommen; erst nach 48 Stunden der furchtbarsten Qualen trat er an dir LeidenSstätt« und erlöste den schwerge- prüften Erdenpilger, der sich, wie man sagt, als «in geachte ter und accurater Arbeiter in seinem kletnen Beruft erwiesen und von seinen Vorgesetzten in Folge dieser Eigenschaften ge- schätzt wurde. — Nach Beendigung der Vorstellung im Hoftheater vor- gestern Abend ging noch rin Intermezzo in Scene, deffrn Cr- pofition am Theaterplatze begann. Es ging nämlich ein ge wöhnliches Frauenzimmer ohne Hut nach dem Packhof« zu, welches plötzlich von zwei jungen Menschen verfolgt und mit den Worten angepackt wurde: „Du gehst mit unsl" Dieser Aufforderung setzte die weibliche Person aber kräftigen Wider stand entgegen; sie mußte förmlich geschleppt werden und unter ließ nicht, di« Ausbrüche ihrer Wuth durch Heulen, Kratzen und Beißen zu vermehren. Die- verursachte natürlich «inen großen Menschenauflauf, unter dessen theilweiser Begleitung es über die Kuttelbrücke bi« zur Mittelgaffe in «in Haus ging. Hier requirirte man eine Droschke und unter gewaltigem Entzegenstemmen von Sei ten der Frauensperson wurde sie nach dem Stist-platz Nr. 2 gebracht. Wie man hörte, habe die Person den Entschluß gefaßt, in- Wasser zu gehen, um ihr Leben zu enden, wovon sie nur durch da- gewaltsame Einschreiten abgehalten wurde, was denn freilich nicht ohne Auf sehen und Spektakel abging. — In anderer G-ück sein eigene« finden, wie Vater Homer sagt, ist eigentlich die Devise eine- Lolterie-Collecteur«. Aber den Glücklichen aufzusuchen unter verwickelten Umständen, davon hier eine kleine Geschichte. Ein hiesiger Postbeamter, Namens H begab sich während der letzten Lotterieziehung fünfter Classe zu dem hiesigen Lotterie-Eollecteur Köhler hinterm Ehaisenhau- und kauft sich in Abwesenheit desselben von dem daselbst beschäftigten Mädchen Vx-Loo«. Der Name, ohne alle weitere Characterangabe wird in da« Buch getragen und — das Schicksal geht seinen Gang. Amtsgeschäfte lassen den Erwerber des Looses gar nicht an den Erfolg desselben gedenken, es steckt ruhig in der Brieftasche. Unterdessen aber hatte es zu Leipzig Göttin Fortuna mit 5000 Thlr. au- dem Glücksrad hervorrollen lassen. Der Lotterie-Col- lecteur findet wohl in seinem Buche den Namen H. aber wie nun unier der großen M«nge derselben den rechten Mann herausfinden. Wer den Namen H....... trägt, wird aufgeflöbert, aber Keiner will ein AchtellooS von ihm haben. Unter dieser Unruhe ver gehen vier Wochen; da fällt dem Mädchen «in, daß der Herr eine Dienstmütze der Postbeamten getragen habe. Mit der Mütze kommt man der Sache auf dir Svrünge. Herr K. geht auf die Post, ermittelt sofort den Glücklichen, dem er die Post überbringt, daß ca. 600 Thlr. für ihn bereit liegen, welch kleiner Posten noch an selbigen Tag« ankam. Daß in diesem Moment etwaiger Unmuth sogleich einen Laufzeit«! bekam und in Beider Antlitz die Heiterkeit «ine Francomark« aufsteckte, braucht wohl nicht erwähnt zu werden» — Die Freiberger Eisenbahn wird im Monat Oktober d. I. so weit vollendet sein, daß der Kohlentransport höherer An ordnung zufolge für di« Muldenrr Schmelzhüttrn-Werk« auf der selben vom Monat November an stattfinden soll. — An Beiträgen für den Vau eine«, dem Schutze unse rer Rordsreküsten geweihten deutschen Kanonenboote« find bi« jetzt bet Herrn v. Bortticher ringegangen: 10 l Thlr. 13 Ngr.; hierzu der Reinertrag de« .Deutschen Concerts- am 29. Mai: 31 Thlr. 13 Ngr. 7 Pf.;-im Ganzen also 132 Thlr. 28 Ngr. 7 Pf, welche Summe seit dem 1. Juni zin«trag«nd angelegt ist. — Sonnenschein und Himmelsblau, Vogelfang und Blü- thenduft, — endlich haben wir ihre Bekanntschaft auch ge macht, freilich in einer Zeit, in welcher der längste Tag des Jahres bereit« sehr nahe ist. Wir find recht unglücklich daran; da- Erwachen der Natur, dir köstlichen Eindrücke, welch« Be wohner anderer Gegenden von dem ersten Kindeialter der Blü- thenzeit empfangen, gehen uns gänzlich verloren, und wenn wir anfangen können, im Freien zu wandeln, den Arm geschlungen um di« Geliebte, oder den kräftigen Arm des Freunde« in dem unsrigrn, dann finden wir Alles schon fertig und geordnet, wir haben das Lieblichste versäumt. Seien wir denn zufrie den, wenn wir nur da« Gegebene vollständig genießen können und wenn wir, ohne vom kalten Nordwinde behelligt oder von Regen drohenden Wolken beängstigt, des Morgen« früh unser« Wanderung beginnen uud uns eine Stelle suchen können, wo wir unter einer stämmigen Lind« im Gras« liegen können, um vor dem Gewirr« des Lage- ins Blau« hinein zu philosophi- ren. Da« ist jetzt so recht di« Zeit der Morgenwanderungen! Molken und verschiedene abscheulich schmeckende Gewässer find die Mittel, welch« die Aerztt schlau benutzen, um ihren Patien ten eine Stund« Schlaf abzuknappen und ihnen di« nöthigr Be wegung zu schaffen. Wir find ja längst darüber klar, daß die wirkende Kraft aller Heilquellen am allerwenigsten in dem Ge tränk« besteht, sondern in Dem, was man nicht trinkt und nickt ißt, und in der Bewegung, welche angeblich zur Verdau ung jener Arzneien noihwendig ist Aber wenn die Mediciner einem Männlein oder Fräulein sagen, fi« sollten eine Stund« früher aufstehen, kein« Spirituosen trinken, kein« Fettsprisen, kein« Leckerbissen essen und Morgens ein« Stunde hintereinander marschiren, — so ist da« in den Wind gesprochen und weder Männlein noch Fräulein kehren sich daran. Da muß als poli- zeiliche« Brwachungsinstitut etwas hinzutrelen, was die Leute zu ihrem Glückt zwingt, und das heißt Molke. Wir sehen di« Männlein und Fräulein wandeln im Morgengrauen und mit ängstlicher Genauigkeit künstliche und natürliche Wässer zu sich nehmen, um sofort wieder ihre Marschbewegung anzütreten. Ah, e- ist amüsant, feine Studien da zu machen. Gewöhnlich tragen di« Damen ein Costüm, welches gerade so weit Ne gligee ist, um nicht als Toilette, und gerade so weit Toileitr ist, um nicht als Negligee zu gelten, eine eigenthümliche Zu sammenstellung von Eleganz und Einfachheit, und es ist «in« große Zahl darunter, weich« sich immer so kleiden würden, wenn sie wüßten, wie reizend sie darin au-fihen. Ganz ana log der Kleidung ist auch da- Benehmen, Herren und Damen, welche bei Tage steif grüßend an einander vorübergehen, wan dern beim Begegnen rin Streckchen mit einander, ohne daß di« böse Welt darüber raisonnirt, und ich kenne gar manchen glücklichen Ehestand, welcher seinen allerersten Ursprung in dem Befehl« de« Arztes findet, daß Herr A. nothwendig Molken trinken müsse. Herr A. sah Fräulein B-, di« er sonst nur in Gesellschaften getroffen, hier einfach, nicht .übertüncht von Eu- ropen» Höflichkeit-, fie gingen und plauderten mi» einander, und — da- Weitere will ich einem Novellenschreiber geben, der mit dem prächtigen Titel: »Die Molke- daraus für sich und die Leser ein angenehmes Opus machen kann. Ihnen aber, meine liebenswürdigen Leserinnen, rathe ich alles Ernstes, hin- zugehen und desgleichen zu thun, denn Sir haben alle Aus- ficht, auf diesem nicht mehr ungewöhnlichen Wege da« Ziel Ihrer Wünsche zu erreichen. — Für Reisende mit bescheidenem Geldbeutel dürste das nachstebend erzählte kleine Intermezzo von Interesse sein. Auf der Rückreise von Böhmen kommen vorgestern Mittag zwei junge Freunde im Bahnhof« zu Bodrnbach an, woselbst der län-