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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 13.12.1927
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1927-12-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19271213011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1927121301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1927121301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-12
- Tag 1927-12-13
-
Monat
1927-12
-
Jahr
1927
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 13.12.1927
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1L Ve^vber 1M7 »Mt — M»F, ,1 Ls,i,lr »»E /TMyTTTyffUH» »r. srr s-»i» Kowno, die provisorische Hauptstadt. Siu DUd der litauischen Zeulrale. («»» ,»sr,«« »«rrespvndenten.i So»««, «m Dezember. Der Norbervreß Part»—Riga verlangsamt keine Fahrt Eine vom stävftgen Gebrauch hochprozentiger Getränke etwa» rinih geworbene Stimme verkündet mir — übrigens im leid, lichem Dsutkch — daß Sauna», da» früher« russische Kowno. in'Sicht sei. Soweit sich diese etwa» ländliche Stadt an einem Wintermorgen früh um S Uhr kür da» Auge bemerkbar macht. Und wenige Minuten später hält der Zug vor einem nicht allzusehr Vertrauen erweckenden BahnhosS- aebäude. Unwillkürlich zögere ich. Aber e» Hilst nicht». Ach «uh «Europa*, meinen schönen deutschen V.Zugwagen v«r> lasten ü»d dem Sprung nach dem vermeintlichen Alien bsvein wagen. An der Sperre schon beginnt e». und zwar manisestiert e» sich zunächst in Räumlichkeiten, die peinlich an vergangene Keifen erinnern, al» noch die slir die Instand- Haltung und Erneuerung dev Bahnhofsgebäude» von der Eisenbahndirektion bewilligten Rubel ihren Weg au» bei Tasche de» zuständigen Direktor» nicht mehr heranvsanden Aber schon ans dem Vorplatz de» Bahnhöfe» ist bas Bild Ireundlicher. Da warten ein paar nagelneue Matwagen aus die spärlichen fremden, die cv gewagt haben, sich diese heute In ganz Europa genannte Stabt einmal von der Nähe anzu. leben. , Lang ist der Weg vom Bahnhof in die Stadt. Fast eine halbe Stunde brauchte man damals, um seldmarichmäkia aiiSstassiert vom Bahnhof ins Quartier zu gelangen. Ja damal», vor zwölf Jahren! Lang ist S her! Aber noch immer stehen die gleichen krummen, schiefen und bncklichen Holz- hiinschcn recht» und links der sich endlos dehnenden Straße. deren Fahrdamm hcnte im wesentlichen an» , Löcher« und Fallgruben besteht. »m die aber der WagensUhrer mit erstaunlicher Geschlcklich, keil herum >«t so geschickt, dah ich ans dem Wege znm Hotel -u dem Hotel Sownos. nur zweimal bis an di«. Wagendecke geschlendert werde. ES ist nicht zu leugnen: Wilna ist eine prachtvolle Stadt Herrlich gelegen weitläufig, 'eich an nn- posantrn Kirchen und sonstigen Prachtbauten ES ist daher, abgesehen von Ressentiments und .historischen Erwägungen, nicht verwunderlich, dah sie die Litauer gcmissrrmahen „in «bzeotir* zur Landeshauptstadt gemacht haben. Trotzdem: auch Sowno kann sich leben lassen. Auch Kowno, die heutige «provisorische Hauptstadt* Litauens, ist reizvoll gelegen, ist reich an freilich osl rech» versteckten Schönheiten und Neberrasclninge». Ist nicht die große, sich schnurgerade durch die Neustadt hinziehcndc LaiüvcS Alcsa mii ihrem schönen Baumbestand, mit dem freien Blick aus die prachlvollc. massig und wuchtig htngebaute ehemals russische Kathedrale, ist diese Strake nicht wie geschossen, um die Seele eines hauptstädtischen Geschäfts- und BummelvcrkehrS z» werden? Freilich. heute ist sic ev noch nicht. Heute ist sie mit ih>cr vorsintflutlichen Straßenbahn, vor deren Wagen ein armseliges, abgemagertes Panjepfcrdchcn etuher- kemlit. mehr ei» Kuriosum als ein Krtstallisotionspnnkt haupt städtischen Lebens. Aber schon zeigen sich doch hier und da mancherlei Ansätze, die Aufbauarbeit verraten und zeigen daß die litauische Verwaltung cnlschlosie» ist. das ans russi scher Hand übernommene Erbe nicht unr gerade noch zu er halte», sondern auch zu mehren und zu bereichern. Ucbrrhanvt vermittelt ein Gang durch die junge Hanptstadt sehr rasch den Eindruck, daß hier ein starker Wille herrscht, der bestrebt ist, da» Land und sein Volk aus der a«S seinem barten Schicksal erklärbaren Lethargie hcranöznreißcn nnd ihm eine in einem starken National- bcwußtsci« wurzelnde bessere Zukunft zn schassen. Allenthalben regt eS sich. Hier wird gebaut, dort erhebt sich zwischen niedrigen. Baracken ähnlichen russischen Holz- Häuschen ein eben fertig gewordener moderner mehrstöckiger Bankoalas«, besten Front ein paar niedrige Säulen bilden und drüben ln den Nebenstraßen werden der Erde mächtige Zemcntkanäle cinverlcibt: die Kanalisation Sanlagc die man anscheinend in russischer Zeit in einer Gonvernc- mentSstadt noch für überflüssig hielt. Es ist selbstverständlich: und wenn Kowno heute auch nur eine «provisorische* Haupt stadt ist, bis zu einem gewissen Grade bautet ihr eben doch schon das Gepräge eines wenn auch freilich nur bescheidenen Enr o p ä e r t n m S an. Modern, frisch geweißt »nd sauber strecken sich die laugen Fronten der öffentlichen Gebäude, hier -es AußrnmtnisteriilmS. da eines GnmnasinmS. dort, wo einst Hindcnbiitg mit seinem Stabe als Oberbefehlshaber Ost resi dierte. der Prachtbau dcS Kricgsministerlums. Und neben der Hauptstraße gelegen, im Schatten altehrwürdtger Bäume, das hentige St-aatStsieater. besten künstlerische Leistungen ans recht e» tft gewiß nicht < über diesen Staat. >« Platze, der heule beachtlicher Höhe stehe«. Nein, aar so geringschätzig zu lächeln . halb Europa zum Gegner hat. Bei aller Enge dev gegebenen Rahmen» ist hier doch schon Beachtliche« geschaffen worden, ist Kowno schon beute zu einer Stad« entwickelt worben, die tn mancher Beziehung sogar da» vtelgeprlesene Wilna hinter sich läßt Wtlna. da», heute tot und still, noch da» gleiche Gesicht zeigt wie vor zehn Jahren. Unberührt von dem Grift einer neuen Zeit, außerhalb de» «europäischen Zeitalter»* Kowno». schlummert noch heute die Altstadt. Dort drüben, wo sich der Memelsluß und bi« Wtlia ver einen. aus einem Landdreteck ballt sich da» alte Kowno zu- sammen. Schmutzig, eng und winklig die Gasten, russisch, schon halb astatisch da» äußere Bild Aber nicht ohne bauliche Schön- beiten, reich an Kirchen mit ragenden Kuppeln und Tovvel- türmen. Am Marktplatz, der einst das russische Freiheitsdenk, mal trug, da» wie eine Kirche anstehende Rathaus daneben die mächtige TrejyteS-Kirche und nur wenige Meter von ihr entkernt der uralte Dom mit mancherlei historischen Denk- mälern und Sehenswürdigkeiten Und dann dort, wo einst deutsche Pioniere angesichts dcS Feindes mit verblüssender Schnelligkeit »nd vollendeter Technik eine SchissSbrücke über den Memelsluß schlugen, da» Napoleonshau» in dem der Korse 1812 bet seiner Flucht ans Rußland rastete. Unscheinbar nnd dürftig, für den Fremden als historische Stätte nicht er-, ichon ln den ersten kennbar, schläft e». wie da» ganze alte Kowno. leinen Dorn-j 'mbcn, baß sie aus röschcnschlas weiter. Dem zweiten Jahrhundert entgegen. Klirrend brechen sich die Eisschollen an de« Psetler» »er HSlzerne« Memelbrllcke. an deren ienseltlgrm Ende die Straße jäh nnd steil ausftetgt. Ringsum reihen sich ta von alle» Seite« um bi« Stabt mit allerdings nur spärlichem Baumwuch» be standene Hügelketten, die einst die Befestigung»««!», gen trugen. Im Westen die Kort» 1 und 2. tn die am 17. August ISIS die deutschen 42-Zentimeter.Granaten brachen und mit einem Schlage die mühsam mit sranzvsilchem Geld er« bauten Befestigungen vernichteten Weit dehnt sich hier weft. wärt» eine schier endlose völlig kahle Ebene. Ein Erstling». alaciS. wie man es sich bester gar nicht denken kann. Jenselt» de» Flusses aber breitet sich dir Stadl lang hingestreckt bt» hinüber zur Eilenbahnbrücke. der sogenannten »Grünen Brücke*, die deutsche Eisenbahner, nachdem sie von den Russe» zerstört worben war wieder tn tadellosen Zustand versetzte». Kein Häusermer ist diese Stadt. Zerrissene Fetzen regellos be bauten Landes. Hier hockigereckt ein HauSricse, daneben schief und klein rin Zwerg, da dicht gedrängte Hgusergruppen. dort weite, leere Flächen. DaS typische Produkt russischer Städte- baukunst. ES werben noch viele Jahre hingehcn, bis diese «provi. syrische Hanplstadl* zu dem geworden sein wird, wa» Ne nach dem Wunsch der in ihr regierenden Machthaber werden soll. Aber daß Ne eS einmal wird — loser» nicht böswillig fremde Hände die Aufbauarbeit stören — das wird einem zur Gewißheit, wenn man auch nur kurz Meleaenheit bat. da» bisher Geschaffene kritisch zu betrachten. Gerade darum aber muß man wünschen, daß nicht falsche Freunde Gelegenheit bekommen, ihre bisher kcincöweg hinreichend erprobten Künste an diesem Staat und an dieser Stadt zu versuchen, die Jahren ihrer Selbständigkeit gezeigt Eigenem zu sck^aLen in der Lage sind. E. Ehr. Scheplow. Wie der Wilna-Konflikt gemildert wurde. Ein Dorsloh gegen unfreundliche Kommentare Briefwechsel Dr. Strcsemann—Eh<n-Ln. Gens. 12. Dez. Der Generalsekretär des Völkerbundes veröffentlicht einen Briefwechsel »mischen NctchSministcr Dr. Stresemann und dem NatSpräsidenten Chen-Lu. DaS Schreiben Dr. Strcsemanns lautet u. a.: Im Verlause der Unterredung, die ich die Ehre Halle, mit Ihnen zu führen, habe ich Gelegenheit genommen, die Auf merksamkeit Eurer Exzellenz aus verschiedene Pressc- kommentare zu lenken, die sich mit der Erledigung des polnisch, litauischen Streitsalles besaßen. Der graste Erfolg der Arbeit des Völkerbundes für den Frieden ist in Gefahr, in eine falsche Bclenchtun« zu kommen. Man versucht in einzelnen Blättern den Eindruck zu erwecken. alS wenn der Völkerbund unfähig wäre, diese Angelegen heit während dieser Session zn regeln, «nd man versieht die gestrige späte Abcndsitzung mit Kommentaren, die es so er scheinen lassen» als wenn es erst in letzter Stunde möglich gewesen wäre, zu einer Lösung zu komme». Ich freue mich deshalb, aus unserer heutigen Unterhaltung sestgestcllt zu haben, daß schon die Vorbesprechungen des VölkerbundSratcs. die am ersten Tage seiner Zusammenkunst. ja auch schon vorher erfolgten, eine weitgehende Heber et n st i m m u n g der Mitglieder über die Lösung des litauisch- polnischen Konfliktes ergaben, »nd daß die Gesichtspunkte der Entschließung des ,Völkcrbundsrates die Gedanken wid ergaben, die von Anfang an der einmütigen Zu stimmung aller Mitglieder sicher waren. Ich wollte nicht ver- fehlen, diese Gesichtspunkte noch einmal znm Ausdruck zu bringen und schätze mich glücklich, wich in dieser Auffassung mit Eurer Exzellenz in U eberein st immung zu befinden. Ans diesen in deutscher Sprache verfaßten Brief erhielt Dr. Stresemann eine Antwort, tn der cs u. a. heißt: Es steht durchaus fest, daß von Beginn unserer Genfer Tagung an unter uns allen innerhalb des Rates Heber et n st i m m u n g bestand über die zu suchende Lösung. Eurer Exzellenz ist bekannt, daß am Anfang der Zusammenkunft, die am Morgen des 10. Dezember im Büro de§ Generalsekretärs stattfand, der Berichterstatter nnS seinen Bericht verlas, der sich bereits stark dem schließlich vom Rat angenommenen Bericht annäherte. Dieser BerichtSeiitwurs wurde in seinen Grundlinien nacheinander von Herrn WolbemaraS und dem Vertreter Polens angenommen. Nach dieser Zusammenkunft arbeitete der Berichterstatter seine Resolution aus, woraus er sie beiden Parteien unterbreitete, von denen er dann die Zustimmung zum Bericht und zur Resolution erlangte, so wie sie endgültig vom Rat an genommen worden tft. Ich glaube, daß die Sitzung vom SamStag mit Recht daS Ansehen des Völkerbund«» erhöht hat. « Dieser Briefwechsel bezieht sich vor allem auf einen Teil der ausländischen Presse, die den Verkauf der Genfer Natsverhandlungen so darstelle, al» habe Pilsubski dort die erste Geige gespielt und die Ratömächte danach tanzen lasten. Der Völkerbundsrat ist von diesen Kommentaren, dte er, wie der angeführte Brief- Wechsel erweist, für irrig hält, wenig erbaut. Durch Veröffentlichung dieser Schreiben sucht er sein besonders von seiten der französischen Presse in dieser Angelegenhett arg zerzaustes Renommee wieder herzustellen und »u beweisen, daß von einem Druck Pilsudskis oder noch darüber hinausgehenden Vorgängen keine Rede sein könne. Kownoer Ansichten über Genf. Kowno, 12. Dezember. Die Einigung zwischen Litaue« nnd Polen wird in Litauen ganz verschiedenartig aus genommen. Weit überwiegend ist die Zahl derjenigen, dte in der erfolgten Einigung einen Sieg Polens sehen. In Kreisen der Opposition erklärt man. daß Litauen eine gewaltige Niederlage erlitten habe. Wilna müsse nunmehr als verloren gelten, und Litauen würde, nach, dem endgültige Beziehungen zwischen Polen und Litauen auf Grund der kommenden Verhandlungen ausgenommen seien, sehrbald den im Lande stark etnietzenden pol. nischen Einflüssen unterliegen. Ei« «roßer Teil der politischen Kreise sicht in dem Erfolg Polens eine« Erfolg Englands und Frankreichs gegenüber Rußland. Ruß land wäre nunmehr vom Westen abgeschlossen. Rußland und Deutschlands Ostvolitik hätten eine schwere Niederlage in Genf erlitten, die sich erst später answirken werde. WUMlik-Mvkeüerllsiik meiner OvzlitLts-Vsren ru m'eckrixsten Pressen NerrenwZscße — Irikotagen — Krawatten oameinvZsctze — lasckientückwr - vackemäotel l.elnenß»ur K. Neckt, VVsII-rlr. 6 Ein neuer aller Verdi! Deutsche Uransflihrung von Verdis «Luise Miller* in Berlin. Unser Musikrcserent schreibt uns aus Berlin: Dem Erzdramatiker Verdi konnte weder Shakespeare noch Schiller entgehen. Von Shakespeare griff er «Macbeth*. .Othello* und „Falstaff* auf. von Schiller «Die Räuber". «Don EarloS*. „Die Jungfrau von Orleans* »nd ..Kabale und Liebe*. Eigentlich ist es erstaunlich, daß diese Nutznießung und Ausbeutung Schillcrscher Dramen dem jüngeren Verdi den Weg nach Deutschland nicht geebnet hat. Aber einmal sind wir gegen solche Bearbeitungen zu Opernzwecken von vornherein etwas empfindlich, denn wir wünschen nicht, nn- lcren Schiller durch die Brille des Italieners zu sehen, und dann handelt eS sich gerade bei den Schiller-Opern Verdis um musikalisch schwächere Werke. Auch lx>t sich die Musikwistcn» schast angelegen sein lasten nachznwcisen, wie flach und äußer lich zum mindesten die Opcrnterte geraten Nnd. die Verdi ans den „Räubern* nnd dem „Don Carlos* »nrechtgemacht wurden. Von unserem Standpunkt ans mußte uns der italienische Wein, den uns Verdi kredenzte, stark verwässert erscheinen, und so bat man sich in Deutschland um Berdts Schiller-Opern niemals gekümmert. So kommt eS denn auch, daß die ans Schiller» „Kabale und Liebe" gezogene Over „Luise Miller*, die im De zember I81N ihre Uraufführung tn Neapel erlebte, noch nie- mals t» Deutschland zur Ausführung gelangte. Aber setzt, nachdem »nS Franz Werfel „In ciol sieotina* entdeckt und bearbeitet ln>t und nachdem dieses Werk allenthalben einen starken Erfolg buchen durste, setzt kommen wir in eine wahre „Verdi-Renaissance*. Das Klemperer-Enlemble der Stqatsoper brachte nnS dte deutsche Uraufführung der ..Luise Miller* und tn der Städtischen Over wird bereits der lzehn Jahre später entstandenes „Simon Boccanegra* Verdis vorbereitet. Ob man damit der Dache Verdis wirklich dient, muß zunächst noch fraglich erscheinen. Dte „Lnste Miller* ist setzt fast 80 Jahre glt von Wagner, dessen „Fliegen- der Holländer" und „Tannhäuscr* damol» schon Vorlagen, natür» stich gänzlich unberührt, tn der szenischen und musikalischen Anlage durchaus aus den alten OpcrnstU eingestellt, über Donlzeltl oder Rossini nur unwesentlich hinauSgewachien. Sic ist für Verdi selber rin DurchgangSstadium seiner Entwick. luilg, eine Vorstufe zur „Troviata*. d>e vier Jahre später fol gen sollte, gewesen. Sie steht zeitlich tn der Umgebnna der Orcrn .Hrrnsalem". „Der Korsar*. „Die Schlacht von Legnano* und „StUsclio*. lauter Werke Verdi», die heute kaum dem Namen nach noch bekannt sind und die selbst in Italien längst auSgespiclt habe». Man muß seine Ansprüche also von vornherein zurttckschranben. muß sich aän'-ltch aus den alten OpernsUI etnstellen nnd daraus gefaßt lein, das, da» Orchester erst zwei Takte konventioneller Einleituna spielt, be- vor die Melodie erklingt. Diele Begleitungen gleichen bei Verdi ia bekanntlich einem CancvaS. aus den allerlei Schönes gestickt wird, einem an sich unverbindlichen und vielfach nichts, sagenden Gewebe und Netzwerk, aus dem nur die Melodie für das Ohr heraustritt. Als Melodikcr versagt Verdi auch in der „Luise Miller* nicht Sie ist zwar längst nicht lo stark, so ansprechend und eindringlich wie bald darauf im „Rigolctlo* oder im „Troubadour*, sie ist mitunter sogar recht billig, es zeigen sich auch Spuien schneller Arbeit nnd Verdi hat sich tn dieser Oper, ohne wohl viel zu prüfen und zu Neben, ganz den Einfällen hlngegeben. an denen er so unerschöpflich gewesen ist. Aber überall spürt man eben doch dte Klaue des Löwen. Alles ist von der sicheren Hand eines Könners und echten musikalischen Dramatikers gefügt. Man hat vielfach Anlaß zu staunen, wie dieser Meister manchmal nur mit ein paar Strichen eine Situation, eine Stimmung oder einen GesühlS- auSdrnck prägnant »nd wirksam in Tönen auSzubrücken weiß. Freilich: wenn er lim 2 Finale d--S 2. AkteSi qanz plötzlich In den RhnthmuS einer richtigen Polonäse verfällt oder sim Ensemble der 1. Szene des 1. AkteSl eine wahre ZirknS- melodie erklingen läßt dann können wir uns eines Lächelns doch nicht erwehren. Das dürste sich heute (nach Waaneril kein Komponist mehr erlauben, nicht einmal ein italienischer. In solchem Falle haben wir auch eigentlich weniger Verdi vor uns als vielmehr die Schule, ln der er groß geworden: Donlzeltl. Rossini. Bellini. lieber beraleichen hinwegnibören Ist nnS einfach nickst mehr möglich, aber um seiner Echtheit und Gesundheit willen wird er auf nachsichtige Hörer rechnen dürfen. In der Handlung, die Eammarano. der Librettist des „Troubadours*, mit Verdi gemeinsam dem Sckstllerschen Drama nachgebildet bat. blleb daS Wesentliche zusammen- gedrängt. ko daß die seelischen Konflikte immerhin deutlich werden. An Dramatik hat sie nichts etngebüßt. nur an dichter!, schen und überhaupt geistigen Werten. Ans dem MusiknS Miller ist ein alter Soldat geworden, der Herr von Kalb ist gestrichen. Lady Mllkokd durch eine ziemlich nichtssagende Fürstin ersetzt. Ein Höhepunkt de» dramatischen Geschehens wurde, ähnlich wie In der „Traviata*. die Briefszene, auch in musikalischer Hinsicht. An effektvollen »nd dankbaren Arien fehlt eS ebensowenig wie an gut geformten Ensemble». Ein /l-aappsNa-Ouartett km 2 Akt ist schönster Verdi,- leider wurde eS viel zu schnell genommen. Die von Fritz Zweig schwungvoll geleitete, von Hannv Schulz.Dornbur« inszenierte Aufführung zeichnete sich mehr durch große Sorgfalt, blutvolle» Spiel und mimisches DarstellungSvermögen als durch vokale Leistungen anS. Zwar hielten alle Darsteller einen guten Durchschnitt ein. kamen auch wohl hie und da darüber, aber bedeutsame stimmliche oder gesangliche Leistungen waren eigentlich nicht zu ver- zeichnen. Da» Publikum ging wohlwollend, ia sogar mit herzlicher Anteilnahme mit und kargte nicht mit Beifall. Schwer zu sagen, ob die an sich doch recht schätzenswerte Be kanntschaft von längerer Dauer lein wird. Vielleicht dürfte anch in diesem Falle der bessere Verdi der Feind des guten sei». Paul Zsch orltch. Kuuft und Wissenschakt. s Dresdner Thcaterspielplan für heute. Opernhaus: „Salome* <Z8f. Schauspielhaus: „Dover—Calais* <N8i. Alberttheater: „Dos Glas Wasser* <U8s. Re. lidenztheater: „Dte CsärdäSsürstin* <K8i. Die Ko. mödic: „Ter Herr Senator" l^8>. Zentraltheatrr: Rocder Revue <8>. ß Die Komödie. Heute findet dte Erstausführung von „Der Herr Senator" mit HnnnS Fischer in der TItclroNe statt. Do» Stück wird allabendlich wiederholt. — Die nächsten Ausführungen de» Weihnachtsmärchen» „Der blinde Groschen* sind Mitt woch, Sonnabend. Sonntag nachmiltagS >44 Uhr. s- Jacob Texic-re liest Andersens Märchen. Nach einer Pause von acht oder neun Jahren war Jacob Terisre wieder einmal zu Gast in Dresden: von denen, die sich seiner noch erinnern konnten, mit froher Herzlichkeit begrüßt «nd erneut geehrt: von denen, slir die seine Eizählerkunst etwa» Neues war, einhellig bedankt. Wenn Tcxiörc Märchen von Andersen, die ganz bekannten nnd die weniger bekannten, liest, so ist das eine Sache von besonderem poetischen «nd literarischen Reiz. ES ist keine VortragSknnst. die sich nur an die Gemüter der Kleinen wendet: dies jedenfalls nur in der drolligen, drastischen »nd leibhaftige Gestalt ge- Winnenden Ausmalung äußerer Vorgänge, in der Tier- Imitation und liebevollen Behandlung »nd Ausmalung an- schaulicher, behaglicher Kleinmalerci. Darllber hinan» aber gewinnt das Satirische. Belehrende. Epigrammatische, der häufige Anslug von kluger LcbenSphilosophte und gütiger Weltweishcit greifbaren, packenden »nd auch spröde Gemüter bezwingenden Ausdruck. Höhepunkt war vielleicht die Ge- schichte vom „Häßlichen inngcn Entlein*, in der bekanntlich ein Stück resignierter Selbstbiographle und trüber Leben». Philosophie des großen Dichters ans Odense aus Fünen mit der traurigen, freudlosen Kindheit steckt. Dieken schmerzlichen Unterton ließ Teriäre bcziehnngSreich anklingen, und so wurde gerade dieses Märchen, »ngeachtrt der drollige« Einzelheiten, der Imitiernng des Entengeichnatler» oder der sinnfälligen Schilderung scner Hütte, die so baufällig ist. baß Ne gar nicht weiß, nach welcher Seite hin sie zuerst nmsttlrzen soll und daher — stehen bleibt, eigentlich eine ganz ernst«, nachdenklich stimmende Sache. Der Abend fand tm Nahmen einer Veranstaltung der Dresdner Volksbühne statt, r. r. I,. s* Leipziger Theater. Im Alten Theater kam ein neues Weihnachtsmärchen zur Uraufführung: „Dte H l m m e l» r e I k c". icck>S Bilder von Tllla Vunzl und Erhard St edel. I» diesem Spiel wird nicht Irgendein be« kannte» Märchen au» Grimm ober Tausendundeiner Nacht dramatisiert sondern eine neue sesh^ändsae H^näf,,«,« er» stinden. in der die Märchengestalten nnr als Nebenfsgnren nnd Staffage anstretcn. Der Enael Angelika, besien Beruf eS ist, osten im Himmel Sonne, Mond und Sterne blank »«
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