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71. yahrgang. XI SS» Freiing, 1V. August 1S27 Gegründet 18S« Drabtanickrtti: Nack>eick»t«n Dr««d»n Eerntvrecker-Samm«lnumm»r: 2S 241 Nur iiir Nacht»elprSL«! 20Oll Be^uas-Gebühr dl»^>. Au,uN M de, Xtalick ,w-imal,i,er 8u1t-IIun« tre, Hau» l.so Mk. Poltbe.uarvrei» illr Mona, August ' Mark otme Vm'ttust-llungsgevaür. Einzelnummer l» Vsennt» x,, , ^"isjuen werden nach «Soldmark berechnet, »te etnlvaltiae ja mm dritte ÄNXLIgöN-Pl'öub' ^ "«jbwürls 40 -Nt». ^amilienan,eigen und Zlellenaelu^e okne 0 o'-" Rgbat, I» außerbalb L -Mg., die go mm breite Reklame.eile All -Via., aukerdalb LN Pi». Otsertengedtlkr D-8ta, Äiism. -Aiiiträac gegen Norausbeiam». Tchrütleiluna und Hauvtaelckätlsstell«: Martenttraü« OS« 42 Druck u. Berta» von tzteviNi ck Rerckardt in Dresden PoltiLeck-Kont» >OSS Dresden Nachdruck n», m„ deutliche, Quellenangabe Dresdne, -U»ckr ' „tlütüa Unverlangte Schriftstücke werden nick, rutbewadrt Naturkatastrophen in Sibirien. Furchtbare Verwüstungen durch Erdbeben. Wolkenbrüche und Taifune. Tausende obdachloser Menschen. Moskau. >8. August. DaS Erdbeben im Bezirk Na- mangan in russisch Mittelasien hält noch immer an. Gestern Nacht erfolgte ein außergewöhnlich starker Erdstos,, der neue schwere Berwilsinngcn anrichtcte. Die Erde weist zahllose, meterbrcitc Lpalien ans. Die Zahl der Toten hat sich noch erhöht. Die Bevölkerung bcsindet sich in einer völlig ver zweifelten Stimmung. Gleichzeitig wird bekannt, das, die Wolkenbrüche und Taifune in der Gegend von Wladiwostok eine Naturkatastrophe darstellen, die von noch furchtbarerem AuSmas, ist als die im Bezirk von Na- mangan. Ls Dörfer sind in der Umgegend von Wladiwostok ver nichtet. und Zehntausende von Bauern und Arbeitern sind obdachlos. Der größte Teil des Bichbestandcs ist er trunken. DaS gerettete Bich ist ohne Mutter und bereits von Seuchen besallen. Ein Teil der Bevölkerung ist in gröhtcr Panik ans die Anhöhen geflohen, wo die Flüchtlinge ohne Nahrungsmittel. von der Ailsicnwclt völlig abgeschnitten sind, und seit zwei Tagen hungern. Bei Aussnri wurden rund 4000 Häuser vernichtet und die Saaten weggcschmemmt. Die dortigen Kohlenbergwerke haben ebenfalls schwer ge litten. Der Eisenbahnverkehr ruht vollkommen. Die telegraphischen Verbindungen sind unterbrochen. Auch von den anderen Gegenden werden schwerste Unwetter ge meldet. So--wurden in dor Gegend von Schmakow allein '.111 Menschen getötet und 2008 sind ohne Obdach. Der ganze Umsang der schweren Naturkatastroplw ist noch nicht zu er kenne». Die Gegend bietet ein Bild grauenhafter Ner- iviisinng. Rund 00 Dörfer sind in den fluten versunken: über sie hinweg fahre» Schisse, «m die Flüchtlinge aus den An höhen zu retten. Vor einer Kunqersnok. Riga, 18. August. Wie ans Moskau berichtet wird, ist in dem unteren und mittleren Wolga-Gebiet die E r n t e über Erwarten schlecht ansgesallc». Ans Mittelrusilaud fehlen noch Angaben über den Ernteverlans, was den Bauer» des Wolgagebieteo Beranlassnng gibt. Getrcidevcrkänse sehr zurückhaltend vorzunchmcn. Die staatlichen AnkausSstcllcn haben die Anweisnng aus Moskau erhalten, selbst vor höheren Preisen nicht haltzumachcn, um die nötigen Gctrcidcmengen bercitznstcllen. Bei Zarnzin ist cs in dem Dorfe Gumrak zu Zu sammen stöben zwilchen Bauern und Beamten ge kommen. Letztere verlangten den Verkauf von Getreidc- vorräten und drohten mit bewaffneter Gewalt, falls die Bauern den Verkauf verweigern sollten. Die Bauern haben trotzdem unter Hinweis ans die zu niedrigen Preise der Kom mission das Getreide nicht verlaust. Nachdem die Bauern eine drohende Haltung eingenommen und die Beamte» mit Mistgabeln bedroht hatten, zogen die Beamten unverrichteter Sache ab. lTU.s Die Waldbrände an der Riviera. Berlin, 18. August, lieber die groben Waldbrände an der Riviera wird berichtet: Nach oberflächlichen Schätzungen sind jetzt bereits 8080 Hektar Fichtciiivaldnngen den flammen zum Opfer gefallen. Fünf Bewohner des Dorfes Tanneron werden vermißt. Ein neuer Brandherd hat sich in den Eheirvn-Bcrgcn, etwa 1K Kilometer nördlich von Grosse, ge bildet. Auch in der Gegend von Saint Onban an den Westabhängcn der Cheirvn-Bergc werden mehrere Wald- brände gemeldet. 600 Soldaten, die zurzeit an Manövern in der Nähe von Nizza tciluehmen, sind sofort an die hauptsäch lichsten Brandstellen entsandt worden. Neue Brände werden auch im Walde von Rvquebrun bei Frejus, ferner nördlich von Hyeres bei Toulon und in den Wäldern von Cavalaire, 30 Kilometer östlich von Hneres gmeldet. Alle verfügbaren Truppen aus Toulon und Hyeres sind an die bedrohten Wälder entsandt worden. Noch gröber scheint das Unglück ans der Insel Korsika zu sein. Man schätzt den Hishxr M- gerichtctcn Schaden ans etwa 10 Millionen Franken. Der englisch-chinesische Konflikt beigelegl. Schanghai, 18. August. Da der Konflikt wegen eines auf chinesischem Gebiete nvtgelandeten englischen Flugzeuges, das die Nankingcr Negierung ursprünglich nicht hatte heraus- gcben wollen, beigelegt worden ist, haben die britischen Be hörde» die abgcschnittcne Eisenbahnlinie srei- gcgcbcn und die Truppe» wieder in die Niederlassung zu- rückgczvgen. London, 18. August. Wie aus Schanghai gemeldet wird, hat Tschangtsolin an die Nanking-Regierung ein Ultimatum gerichtet, die Stadt Nanking zu übergeben, widrigenfalls würde die Stadt noch stärker als gestern bombardiert werden. lT. Ul Der erste Anstoß zum Weltkrieg. Eine neuartige französische Darstellung. Paris. l8. Anglist. Unlängst veröffentlichte der Pariser „M a t i ii" eine» Auszug aus den Memoiren des früheren russische» Aiibeilministers Sassanow. worin erzählt wurde, wie Sassanow am SO. Iult 1014 mit dem damaligen russischen KrtcgSmiiiister Suchomlinow noch einmal wegen der Herausgabe deS Mobilmachungsbefehls habe sprechen wolle», wie ihm aber erklärt worden sei. das, die Leitung gestört wäre. Diele Worte waren, so gesteht Sassanow selbst ein, verabredet worden, um. falls der Beschs zur Einstellung der Mobilmachung gegeben würde, diesen zu umgehen. Dazu schreibt die Pariser .,B o l o n t 6": Eine Tatsache in der Entstehung der KriegSursa^'cn und Kriegsschuld steht »nnmchr fest. Die russische Mobilmachung ist die erste der von den europäischen Großmächten vorgcnommencn Mobil machungen gewesen. Sie bat dadurch, daß sie bei den Gegnern und Verbündete» entsprechende Maßnahmen hcroorrief. das nicht wieder Giltzumachcnde bewirkt. Ohne diese Voraussetzung, die das Pulver anbrannte, hätte der Frieden vicllcichr erhalten werden können. Aus diesem Grnnde hat die französische Negierung, »m die französische Ocsscntlichkeit irre zn siihren, die allnemcine russische Mobil»'im G"lhs„,ch snstemaiis-b nntcrschla-en. Deshalb hat Poincarö. als Victor Basch im Jahre ISlki eine Broschüre über die Entstehnna des Krieges vor- schlug, ihn schändlich getäuscht, indem er ihm willentlich die salsche Auskunft gab. das, die allgemeine russische Mobilmachung erst am 81. Inli nach der österreichischen angcordnct worden sei. Vom militärischen Standpunkt aus, fährt das Blatt kort, waren die Schlußfolgerungen des russischen Gcncrnl- stabcs gewiss klar, aber auch diesentgen deS deutschen GenrralstabcS waren cs nicht weniger, wenn er eine» ent sprechenden Druck aus den Kaiser auSübte. um ihm die Gefahr zu zeiqcn, der Deutschland im russisch-französischen Kreuzfeuer auSgeketzt war. DaS Blatt zieht aus diesem Zusnmmenhana den Schluß, daß es in einem Konflikt, in dem eine Reihe von Mächten beteiligt ist. schwierig, sa unmöglich sei. den Angreifer scstzuftcllcn. und kommt z„ folgendem Schlüße: Weber Wilhelm N. noch Nikolans II. scheinen den Krieg gewollt zu haben. Sic hätten dem Druck der Militaristen nachgegeben, seine Behauptung, die von Wilhelm H. nachweislich nicht zutrlsst.s WaS Pvincark bctrtsst. fährt die „Volonte" fort, so ist er. wenn er auch den Konflikt ebenfalls nicht ge wollt hat. dafür verantwortlich, ihn lelchtcn Herzen» ins Auge gefaßt und ihn im Voraus gebilligt zu haben, während es für ihn doch ein leichtes gewesen wäre, die friedlichen Tendenzen des Zaren zu unterstützen und seinen kriegslustigen Ratgebern zu sagen, das, Frankreich nicht ge neigt sei. das Blut seiner Söhne für den österreichisch- serbischen Streit zu opfern. Danzig eine rein deutsche Stadt. Das Zeugnis eines britischen Abgeordneten. London, 18. August. Im „Daily Herald" veröffentlicht der Abg. Green wood einen längeren Artikel über Danzig, in dem er zunächst Danzig als die Perle der Ostsee be zeichnet und seststellt, daß selbst der zufällige Beobachter fühlen müsse, daß Danzig eine Stadt mit stolzer Vergangen heit sei. Danzigs heutige Stellung sei jedoch außerordentlich schwierig. Greenwood schreibt: Aus Verträgen und Korre spondenzen zwischen Danzig und fremden Mächten und ans anderen Dokumenten kann bewiesen werden, daß Danzig eine durchaus deutsche Stadt ist, und daß während der Zeit deö Schutzes durch die polnischen Könige cs trotzdem »»abhängig war von polnischer Kontrolle. Sogar die Könige von Polen korrespondierten mit der Stadt in deutscher Sprache. Auö den Verträgen geht klar hervor, daß Danzig auch zur Zeit des polnischen Schutzes seine eigenen aus wärtigen Beziehungen anfrechterhiclt. Man muß frage», warum Danzig heute sa viel Wert aus diese Tatsachen legt. Die Antwort ist die, daß heute die Stadt und ein kleines Hinterland den Freistaat bilden, der eine souveräne Macht ist. Dieser unabhängige Staat wurde durch den Versailler Vertrag geschaffen, der jedoch die Leitung der anöwärtigcn Angelegenheiten Polen übertrug und den Freistaat durch eine Zollunion an Polen band. Unzweifelhaft sind die Danziger WirtschaftStntercsscn eng verbunden mit de», jetzt polnischen Hinterland. Aber die Danziger fühle» ihre Abtrennung vom Reich, die sowohl physisch wie politisch ist. denn zwischen der eigentlichen Stadt und dem eigentlichen deutschen Gebiet liegt -er polnische Kor- rtdor. Im Osten liegt Ostprcuf, cn. ein abgebrochenes Fragment des deutschen Staates, das in einer ebenso schlimmen Lage Ist wie Danzig. Soll das ewig so bleiben? Die Zukunft Ist dunkel, -och die Türme von St. Marien und vom Rathaus der Stabt Danzig erheben ihre Häupter als ewige Mahner gegenüber den Nationen deö Westens, an das Bestehen eines Problems von Osteuropa, da» «n Zukunft schwere Gefahrenfür den Frieden bergen kann. - Der große Schatten. Von G. Hülser. M. N. Die Neuwahlen zum Reichstag sind erst im Dezember 1928 fällig. Trotzdem werfen sie bereits seit Monaten ihren Schatten über unser politisches und parla mentarisches Leben. Unter der Herrschaft deS Parlamen tarismus wäre es verfehlt, diese Fernwtrkung des nächsten Wahltcrmins zu ignorieren. Es ist vielmehr auch für die politische Rechte und die vaterländische Bewegung dringend erforderlich, rechtzeitig und sorgfältig die Umstände festzu- stellcn, unter denen bas nächste Ringen um die parteipolitische Kräfteverteilung Und damit die staatspolitische Willensbildung vor sich gehen wird. Verschiedene Faktoren lasten erkennen, daß auf der Linken ein verzweifelter Kräfteetnsatz vorbereitet wird. Dr. Wirths immer wiederholter Kampfruf: „Gebt uns bei der nächsten Wahl zwei Dutzend Republikaner mehr in de» Reichstag!" beginnt zum geflügelten Kampfruf des Reichsbanners zu werden. Das Reichsbanner wird bei den nächsten Wahlen eine unerhörte Aktivität an den Tag legen. Schon vor den Wahlen bet den Kandidatcn- Aufstellungen vor allem im Zentrum, um dort seinem Heros Wirth eine sichere Gesolgschast zu verschaffen! Dr. Wirth und seine Trabanten tun inzwischen alles, um das starke Autoritätsgefühl in der Zentrumsanhängerschaft zu er schüttern, wobei sie nicht einmal mehr vor der Person des Parteichefs Dr. Marx halt machen. Im übrigen richtet sich die Hoffnung Dr. WirthS wegen der „zwei Dutzend Republikaner mehr" zweifellos aus die Sozialdemokratie! Ihr wünscht er sie, weil sic ihm ja keine andere Partei für die republikanische Front holen kann, auch seine eigene Zentrumspartci nicht. Darum sieht er mit Mißbehagen Ken parlamentarischen Kampf um das NeichSschnlgesctz herannahen, der im Reiche den Graben zwischen Zentrum und Sozialdemokratie vertiefen und sich bis zum Wahlkampf hinziehc» muß. Dr. Wirth sucht krampf haft Dämme gegen die hier der republikanischen Front drohenden Gefahren zu bauen. Immer wieder sagt er War- nnngssignalc ins Land vvr der drohenden Entzweiung der republikanischen Parteien. Als retardierendes Element ist bereits die Frage des Nationalfeiertages am 11. August lanciert, nachdem das Nepublikfchntzgesetz mit dem Kaiserparagraphen nicht vermocht hat, die Deutschnatio- nalen zum fluchtartigen Verlasse» ihrer Machtposition im Reiche und damit zur Wiederherstellung der republikanischen Einheitsfront zu veranlassen. Mit Dr. Wirth zieht am gleichen Strange die preußt- sche StaatSrcgierung! Auch hier die gleiche Furcht und das gleiche Ziel. Der 11. August als Nationalfeiertag, daS Zollgesctz, das sind Mittel zu dem Zweck, die republika nische Front trotz Neichskoalition des Zentrums mit der Rechten und über deren Leiche hinweg wieder vor den Wahlen intakt zu machen. Was sind staatspolitische Notwendigkeiten, was heißt Volk und Staat als Ding an sich, was heißt Welt anschauung, wenn es die Macht über Volk und Reich den Schöpfern dieser Republik zu sichern gilt! Die Kerntruppc dieser republikanischen Kampffront ist bleibt die Sozialdemokratie, seitdem der Glaube a» ein Wiedcrcrstarkcn der Demokratischen Partei gestorben ist. Die Sozialdemokratie aber hat mit der Schcidcinann - Rede gegen die Reichswehr bewußt das Feld für die Rcchts- koalitton frcigegcben, um in der Opposition bis zu den Wahle» eine Lukutatc-Kur zu genießen. Das bedeutet für sic keinerlei Gefahr, da daS Zentrum sie sa i» ihrer preußi schen Machtposition beläßt, von wo aus sie nach siegreichem Wahlkampfe im Reiche dem Zentrum ihre Bedingungen für den Regierungsantritt zu diktieren hofft. Daß eine siegreiche Sozialdemokratie auch in Preußen dem Zentrum »nbeguem werden kann und wird, können allerdings nicht solche „christ liche" Politiker einsehcn, die, wie Dr. Wirth, vom Ncpubltk- schutzkollcr befallen sind. Auf dem Kieler Parteitage hat die Sozialdemokratie be reits ihre Ausgangsstellung für den Wahlkampf bezogen und die Parole ansgegebc». De» Hauptstoß wird sie auf die auch An unsere Post-Abonnenten! V V Bestellen Sie noch heute die „Dresdner Nachrichten" für Monat September 1927 bei Shrem Postamt oder Briefträger, . damit keine Unterbrechung in der Zu" steilung eintritt. Verlag dcr„DresdnerNachrichttn"