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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 12.10.1928
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1928-10-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19281012020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1928101202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1928101202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-10
- Tag 1928-10-12
-
Monat
1928-10
-
Jahr
1928
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Nr. 4»< »eit« 2 — »Dr—ö«rr Nach^cht-n" Arritag. 12. VNob« IW r«M MI» dem Mw« mub Amerika Neue Varifee «ufttärunven Brüssel, 12. Oktober. Der amerikanisch« Journalist Horan ist gestern i>» Automobil hier eiugetrofsen und hat sich zur amerikanischen Botschaft begeben, um sein« Papier« in Ordnung zu bringen. Horan weigert« sich, irgendein« Er klärung abzugeben, um die Angelegenheit nicht noch schmiert' ger zu gestalten. » Der amerikanische ZeitungSbesttzer Hearst hatte am Donnerstag ein« Aussprach« mit dem Präsidenten Eoyltdge. nach deren Beendigung er ankitnbigt«. dab er den Pariser Vertreter des HcarstkonzernS, Hora», angewiesen habe, »ach den Vereinigten Staaten zurückznkehre», »m eine etwaige Verhaftung zu vermeiden. « Wie sich i»> Laufe des Donnerstag herausstellte. sind die eigenen BernsskvUegen des aincrtkaniichen Journalisten Horan dessen falschen Darstellungen zum Opfer gefallen. Wie dem Vorsitzenden der englisch-amerikanische» Pressevereini gung. V urd durch de» politische» Direktor am Onai d'Orsay. Lager, verosientlicht tvurdc. hat Horan dem Pvlizeipräsekten ein volles Geständnis seiner illoyalen Hand lungsweise abgelegt. Das Schriftstück. daS er Unterzeich nete. ist die formelle Anerkennung. für Rechnung HearstS Dokumente gekauft zu haben, deren geheimer Charakter Hora» offenbar bekannt war. Außerdem enthält das Schriftstück die Namen dreier Personen, die bei der Veichassnng des Doku mentes initgearbeitet haben. Es scheint aber schon heute sicher zu sein, das; kein hoher oder mittlerer Beamter des Quai d'Orsay seine Hände bei der Lieferung der Dokumente im Spiel gel-abt lmt- Trotzdem wird man sich »ichk zu wundern brauchen, wenn sich die Untersuchung noch einige Tage hin- zieht. Das endgültig« Ergeh«ls dürste Anfang nächster Sache vorltegen. so daß Pnand varnnSsichMch t« der Vage sei« »lrd. dem a« DienStag stgttft«hj«deu Mtntsterrat »nsklärnnge« aber de« Eachver-alt »« geben. Ni« »u he« Vorgang »och bekannt wird, hat Bora« den, in Part- «eilenden Hearst di« Rot« gezetgt. und dieser hat ihm den Auftrag gesehen, sie nach Amerika z» senden. Bemerkenswert ist. hah die Eabelgeiell- ichaft, der Horan den Text zur Uebermtttlnng gab. sich weigert«, sie vor dem kommenden Tag adzusende» da «g sich um ein offizielles Dokument handele und erst da» franzvftsch« Außenamt gefragt werden müsse. Horan lieh sich hierdurch nicht beirren, sondern suchte einen anderen Weg: er telepho nierte die ganze Note nach London, von >vv aus sie nach Neunork gekabelt wurde. Gegenüber der Pariser Darstellung hat Hvrai, in Brussel über die ihm in Paris zutrilgewovden« Behandlung Klage geführt. Sr erklärte, bah die Gesetze der Gastfreund schaft verletzt und die Rechte der Presse mißachtet worden seien. Sin französisches Anterseeboot vermißt Pari». 12. Okt. W«e au» Brest gemeldet wird, sind siins französische Torpedoboote in See gegangen, um Nach forfchiittgen nach dem überfälligen Unterseeboot „Ondtne" anzustellen. Die letzten Meldungen des II-BvoteS gaben leine Stellung in der Höhe der spanischen Küste an. In Marinekreisen hofft man. daß die „Ondine" gegen den Sturm Schutz gesucht hat. und dab allein Versagen der drahtlosen Station den Kommandanten hindert, seinen Zufluchtsort be kam,tzugcbcn. Der Kamps um den Panzerkreuzer Berlin, 12. Oktober. Der Sozialdemokratische Pressedienst meldet: „Die Erklärung des Abgeordneten Wels auf dem Brandenburgischen Bezirksparteitag, daß die Sozialdemokratie demnächst dem Reichstag einen Antrag vor legen werde, der klipp und klar lantei: „Der Van deS Panzer kreuzers wird eingestellt" hat bürgerliche Blätter zu den verschiedensten Kommentaren veranlagt. Es lohnt nicht, sich im einzelnen damit zu besauen. Wann und in welcher Form ein derartiger Antrag schließlich dem Reichstag vorgelegt werden wird, ist Sache der sozialdemokratischen RetchStagS- sraktion. Aber dab ein derartiger Antrag kommt, und zwar bald kommt, ist unseres Erachtens so gut wie sicher.* Ebenso sicher ist, daß in diesem Falle die Krise deö Kabinetts Müller da ist. Es liegt auch der Gedanke nahe, bah die Sozialdemokratie vielleicht deshalb gerade die KoalittonSverkiandlungen in Preußen hintertretbt, weil sie sich Uber die Folgen ihres Verhaltens im Reiche ebenfalls klar ist. Der neue Wehretat Berlin. 12. Oktober. Ter neue Reichswehretat ist. wie «ine linksstehende Zeitungskorrespondcnz mitteilt, auf An regung des Reichssparkommifsars wesentlich übersicht licher und einsacher gestaltet, als die des früheren Wehretats. Im übrigen ist ein großer Orgauisationsplan für Heer und Marine ansgearbeitct. der eine Vereinfachung des ganzen inneren Geschäftsganges und besonders die Ver meidung von Doppclarbeit vorsieht. Das Reichswclirmlniste- rium hat darauf verzichtet, Mittel für die Entsendung von Militär- und Marine-Attaches anzufordern. Neuestes von Max Holz Berlin, 12. Okt. Wie der Sozialdemokratische Pressedienst erfährt, befindet sich M a r Hö ! z seit längerer Zeit als Gast des Industriellen Hendl in dessen Villa in Todtmoos im Schwarzmaid. Ter gleichen Korrespondenz zufolge soll er mit einem Flugblatt dort hervorgetrctcn iein. in welchem er zu dem Ehestreit seines Gastgebers Stellung nimmt. Wegen dieses Flugblattes soll gegen Hölz Strafantrag gestellt worden sein. Neue Besatzungszwischensalle Zwcibriicke». 12. Oktober. In der vergangenen Nacht wurde die Trikolore deS französische» Offizierskasinos am Hcrzogplan herabgerissen. Ter Fahnenschaft, der auf einem Balkon befestigt war, wurde zur Hälfte abgebrochen und mit der Fahne verschleppt. Seit den frühesten Morgenstunden ist die Staatsanwaltschaft mit der Aufklärung deS Tatbestandes beschäftigt. Die Fahne ist noch nicht aufgefunden worden. Anläßlich der Lchloßbeleuchtuiig in K ö n tg st e t n am Taunus ist es zu einem weiteren Zwischenfall gekommen, dessen Auswirkungen für die Schwenkung der englischen Politik gegenüber Deutschland angesichts des neuen englisch- französischen Bündnisses symptomatisch ist. Bei dieser Schlvß- beleuchtung hatte der Bürgermeister von Künigstetn die Kapelle angewiesen, vaterländische Lieder zu spielen. Infolge dessen spielte die Kapelle auch da» Deutschlandlied, das immer noch nicht öffentlich im besetzten Gebiet gespielt werden darf. Das Merkwürdige ist nun. daß hier nicht die französische, sondern zum ersten Male auch die englische Besatzungsbehörde gegen das Spielen des Deutschlandliedes cingeichritten ist. Im Lause de» heutigen Tage» werden sich die beklagten deutschen Staatsbürger vor dem britischen Militärgericht zu verantworten haben. Osrtltchrs «n» G-Mische« «MGhNUND -Ss V«kittvph«< «f -ts 1» PO-Ml- VrOs-Otls? berichtet »n »er Paratyphuk De« GtadtbeztrkSarzt «rkrnnknngr Abgesehen von einige« Prtvatmeldung«» stder au »mär. ttg« Erkrankungen- deren Zusammenhang mit d«n htestgen Fälle» noch feftgeftellt werben muh. sind neue «». »eia«« nicht «ingeaangen. Dt« Siedererüsfnung dcz »tatskeller» ist abhängig von dem Erarbnt» der i» den letzte» Tagen wiederholten eingehende« Untersnchmig dir Personals. steine Lebenden mehr «ater den Trümmern in Prag Prag, 12. Okt. Die Zahl der Toten beim Prager Ein sturzunglück, von denen bisher 33 geborgen sind, muß mit insgesamt üü angenommen werden. Selbst unter der Voraussetzung, daß die Klopfzeichen, die ein Arbeiter am Donnerstag tn der Tiefe aus der Bauunglücksstätte ver nommen haben will, keine Suggestion waren, ist es sehr un wahrscheinlich, dab noch Lebende unter den Trümmern gefunden werden. Der verhaftete Bau- leiter, Ingenieur M o n d l, wurde heute in Gerichtshaft eingcliefert. Der Polizetbericht besagt, die Hoffnung. Lebende zu finden, schwinde immer mehr, weil sich herausgcstellt habe, daß das ganze Trümmerfeld bis iu den Keller durch brochen sei. Seit Donnerstag arbeitet an der Unalücksstätte ein aus ein Fahrgestell aufgebauter Drehkran. Eine solche Vorrichtung hätte eigentlich schon früher zu Hilfe genommen werden sollen. Durch den tn der Eile gegrabenen Schacht und Stollen in den Keller zu gelangen, wurde aufgcgeben, da dieser verschüttet ist. Ein Vordringen von unten wäre auch gefährlich, da von oben der Schutt immer nachdrängt. Von ärztlicher Seite wirb un» geschrieben: Paratyphus ist ei» bnrch Bazillen hervorgerufenn > fieberhafter Darmkatarrh. der ziemlich stürmisch verbuch, aber meist nicht lange dauert. Er hat mit „echtem Typhus" nichts zu tun, heißt nur so wegen der ähnlichen Erscheinung»,. Er wird hervorgerufen durch insizier-e Speisen, die ungekocht vder nicht genügend gekocht tMilch, Sahne, Flcischivarc», ge- «offen norden, und tritt besonders im August bis Oktober aus. Die Infektion dieser Lebensmittel entsteht — natürlich unbewußt 7- durch svgenannte Bazillenträger. Das sind Leute, die selbst einmal ParatyphuS Überständer, habe» und deren Stubl und Urin nun noch lange Zeit Bazillen enthüll, ohne daß diese Leute Beschwerden empfinden. Das Auf. § treten von Paratyphus ist ali'v stets ein lln. glück snte et» Verschulden), das in jeder großen, wie kleinen I Küche — auch in jedem Privathaushalt — Vorkommen kan», j wenn infizierte Lebensmittel geliefert werden, oder wen», wie jetzt tn Dresden zufällig ei» Bazillenträger beim Kuchen- personal vorhanden ist. Deshalb wäre es der beste Schu?. I wenn, wenigsten» tn der Zeit vom Juni bis Oktober, alle, die mit Milch und Fletschioarcu zu tun haben, aus Para- tnphus untersucht würden. Ansteckungen von Person zu Person sind sehr selten, bei unserer kleinen, ziemlich ernsten, aber glücklicherweise fast erloschenen Epidemie aus, nicht vor. gekommen ES gibt wohl kaum eine sauberere, hygienischer eingerichtete Küche als die des Dresdner Rats- Weinkellers. ES wild selbstverständlich alles geschehen, die Urfach« dieser unglücklichen Infektion zu beseitigen, io daß nach Wiedereröffnung keinerlei Besorgnis mehr für du dort verkehrenden Gäste bestehen wird. —* Ein NnndeSgciftlicher für de« Ev.»l«th. Jnngmädchc», bnnd. Der Ev.-lutb. Iungmädchenbund in Sachsen wählte i> seiner letzten Vorstandssitzung Pfarrer Erich Bodenstein aus Schirgiswalde zu seinem BundeSgeistltchcn. Zum erste» Male wird dadurch eine hauptamtliche Kraft für -ei, Ev.-luth. Jnngmädcheiibuiid angcstellt werben, dessen Arb.-lts- gebiet tn Sachsen mehr als Ml Jiingmadchenvereine um schließt. —* Freigabe der Herkules-Allee. Der für die Dauer der dicslährigcn Iahrcöschau „Die Technische Stadt" dem össcnt. liehen Verkehr entzogene Teil der Herkules-Allee von der Lennöstraße bis zum Vergnügungspark ist seit heute wieder für den öffentlichen Verkehr sreigegeben, und zwar sowohl die Raüfnhrbahn als auch die Fußgängerbahn. Der Mittel teil der Allee, der Reitweg, wird zurzeit wieder instand ge- setzt. Auch seine Freigabe für den öffentlichen Verkehr wird gegen Ende des Monats erfolgen. —* Non den Talsperren. Infolge der geringe» Nieder schläge ist die Talsperre Malter auf den betriebSplan- inäßigcn Inhalt sOOOOOO Kubikmeter) entleert, so daß von Sonntag ab »irr noch die jeweilige Zuflußmcnge zur Tal sperre Malter, die zurzeit 90 Seknndenliter beträgt, abgegeben werden wird. Ab Talsperre Klingenbcrg könne»! voraussichtlich noch bis Ende dieses Monats 9>9 Sckiindeii- liter werktäglich abgegeben werden. f-O So «I* mit H/Isntlrol d ssg«.n i-iuslsn, t-isissrstsit. k»TeIIsn,Kristall Mann ntr. änliäuser, kcles /lor,t/;tr «Lroiius unö Cres-i-a Ei« Stück von Shakespeare Erstaufführung im Schauspielhaus, 11. Oktober 1928 Tie schöne Helena ist gegenwärtig Trumps in Dresden. Man kann sie in der Oper, in der Operette und nun auch im Schauspiel sehen jedesmal eine andere und doch dieselbe: Fraucnschönheit als Männerverderberin. Die alte Mär vom griechisch-trojanischen Weltkrieg um ein Weib ist durch Jahr tausende in allen Wandlungen wirksam geblieben. Jede Zeit hat sich anders damit abgesunden. Zeilen, die nicht so mit geschichtlichem Ballast überladen waren wie wir, sahen Helena mit ihren eigene» Augen. Dem Mittelalter waren Helena und ihre Kämpfer zeitgenössisches Rittertum, gerade geeignet, den Sittenkodex eines feudalen Standes an ihrem „Falle" zu entfalten. ÄlS Shakespeare tn diesen überlieferten Stofs hineingriff, nahm er sich daraus, was eben seiner Lebensstimmnng entsprach. Zwar belehrt uns die Forschung, daß mehrere Schichten aus verschiedenen Zeiten in seinem Drama „T r o i l n s und C r e ss i b a" nachzuweiscn sind, aber die geistige Haltung deö Werkes, wie es vorliegt, ist einheitlich, von einer Weltbittcrkeit ohnegleichen erfüllt. Die schöne Helena hat bei ihm nur eine Szene: cs genügte, ihr buhlerisches Glück in Paris' Armen zu zeigen. Wichtiger war, die Seelen der Männer zu durchleuchten, die ihr Blut um Ideale vcrgvsseu, mit denen ihm nur Maiinesherz und -Hirn erfüllt schien. Es geht um Ehre. Ritterlichkeit und Treue — Dinge, von denen diese Weiber hier nichts wissen. Tenn Helena und Eressida sind nur seelenarme Dirnen, die aus einer Hand in die andere geben Spielhölle und Zank- äpsel einer Leidenschaft, die den Männern de» Sinn ver wirre» will, damit sie Treue und Ehre verlieren sollen. Kaum ist Creisida, die leichtfertige Pricstertochtcr, den Armen des Troilus. der Priams jüngster Svhn war, entrissen, geht sie in einem iaenial symbolischen) Kuhreigen von einem Grtechen- fürsten znm anderen um tn der brutalen Umarmung des Dtomcd-'s vorläufig zu enden. Doch TroiluS, der edle Mann, der Ritter, der Don Quixote der Liebe, bleibt bei der Treue »nd der Ehre und wird den Diomed zu fürchter licher Racke verfolgen, bis der Verrat des Weibes am Manne gesühnt ist. Das ist die Tragödie des ManneS, der kein Hahnrei sein will. Dieser Licbestragödte aegenüber steht die reine Mannes- tragödte des Lektor, dessen VcrstandcSeinsicht die Rückgabe der Helena fordert dessen Ehrgefühl aber dieses Eingeständ nis nicht zuläßt. Der reinste Ritter kämpft und fällt für TroiaS Würde, der Gatte der edelsten Frau Andromache opfert sich kür die verachtete Buhlerin Helena. Hektor und TroiluS. hier in zwei Sondcrschicksalen äußerlich locker, innerlich durch ei» stählernes Band gleicher Ebrgesinnung verknüpft, sin- die Vertreter einer ritterlichen Weltanschau ung, die Shakespeare fast ausschließlich den Trojanern zu- billigt, während die Griechen tn der Verzerrung eines Hohl sptegcls erscheinen, der sie ausS äußerste vcrsratzt. Agamem von ist ein eitler Schönling, -klar ein halbblöder MuSkel- pietsch, Nestor ein geschwätziger Tattergreis, MenelauS ein stummer Trottel, Achill ein chrkranker Gladiator, selbst Myß ein Intrigant. Und zu diesen Karikaturen des Heldentums gesellt sich ThersiteS als die abgründigste Bosheit, galligste Lchniähsucht, urgcmcine LästerungSwut, der grauenerregende Träger jenes Zerrspiegels alles EdeltumS. AuS den finstersten Stunden Shakespeares ist diese teuflische Hvhn- gestalt entsprungen, der bitterste seiner Starren, und ein schwefliges Hvllenlicht fällt aus deS ThersiteS scheelen Augen auf das mitten durchgcspaltene Herz dteser Heldentragödte. So ist „Troilus und Eressida" eine jener dunklen Dichtungen eines Genius, der zu Zeiten ganzerfüllt war vom SkeptiziS- mus einer entgötterten Zeit, Menschenvcrächter und ent- täuschtcr Idealist, verzweifelt an Lebenssinn nnb Menschen, tum. Und dennoch leuchtet in ein paar Szenen die LicbcS- reinhcit Romeos, die echte Heldengröße seiner Höhenwcrkc, die reine Würde seiner allumfassenden WeltweiShctt. Diese Dichtung ist keine Travestie oder Parodie des -Hcldcnbegriffcs, keine Osfcnbachiade des Griechentums, son dern nur die skeptische und ironische Weltanschauung eines am großen Aufbauwerke müde und irre gewordenen Dichters. Sie steht mit mehreren in der Stimmung verwandten Werken auf der Schattenseite von Shakespeares Schaffen. Die For scher wußten von jeher nicht, ob sie sie als Tragödie, Historie, Komödie, Posse ins Gesamtwerk eingliedcrn sollten. Die grelle Gegensätzlichkeit, die wilde Mischung ihrer Teile ver wirrt das Urteil. Mit einer gewissen Vorliebe sucht das Theater von heute gerade diese Zivittergcschöpfc von Shake- speareü Geist hervor, um den eigenen skeptischen Witz daran zu übe». Zeitstimmiing, die mit Shakespeares Augenblicks, stimmung übereinkomint. Man erleichtert sich die Stellung, nähme und nennt das doppelzüngige Drama ein „Stück" von Shakespeare. In der Tat, eö ist nur ein Stück von ihm, ein morscher Bruchteil seines unerschütterlichen Monumentes. Der Spielleiter von heute, der sich daran macht. „Troilus »»d Eressida" für die Bühne zu bereite», ist zu verstehen, wenn er die wirksamsten Teile, den Hohn, den Spott, die Verzerrung unterstreicht und ins grellste Licht setzt. Denn er will und muß wirken, um die Wahl des Seltenen und Neben- sächliche» aus Shakespeares Gesamtwerk zu rechtfertigen. Dies zugestanücn, ist dennoch zu sagen, daß Josef Gielen äußerlich arbeitete, als er Shakespeares Griechen Im Stile Bcrnard Shaws zu Parodisten der Gegenwart machte. DaS ist der einzige Ton, der für dies Werk nicht anwendbar mar, wenn man nicht seine innerste Seele zerstören wollte. Es liegt hier kein «berzettltchcS Werk vor. baö in jedem Kostüm gespielt werden könnte, sondern zweifellos nur eine ver sunkene Welt, wie Shakespeare tn seiner Zeit sie sah und zum Spiegel eigensten bittersten Weltschmerzes macht«. Ein unfaires Spiel der Karikatur unserer Zeit nimmt der Dich tung ihren Charakter, ohne ihr etwas Wesentliches zu gebe:,. Tenn der Spaß, daß Ajax «inen Orden, Agamemnon einen Marschallstab und eine Perücke trägt und der Kricgörat bei griechischen Fürsten nach modernem Muster verläuft, ist nur ein Augenblicksreiz und verfliegt vor der Bitterkeit der Stim mung. Diese Griechen sind nicht lustig und können durch! solche Witzchen nicht lustiger gemacht werden. Eö genügt schon, wenn der alte Nestor das Zipperlein hat und Ajax eine schwere Zunge. Tie llebertreibung nach einer falschen Sei!« hin ist um so brüchiger, weil die Welt der Trojaner mit Reckt ernst genommen wird und in ein paar großen Szenen sRot deS Priainus) fast an die gewaltigsten Gipfel Shakcspcarischer Kunst reicht. Auch die Liebesszeuen verleugnen den Schöpse: von «Romeo und Julia" nicht und sind voll Schmelz. Musil »nd Schönheit, tn der Dichtung wie in der Ausführung. Die ist am erfreulichsten durch den leichten, lockeren Rahme» und die wie ein farbiges Märchen wirkende andeulend« Szenerie, die ihr Adolf Mahnke geschaffen hat. Es ist ein Stück alter Shakespearebühne gewahrt tn dem gleichviel-1 benden Unterbau der Bilder, die In flüchtigen Aufbauten vor schwarzem Grunde schnell und reizvoll vorübcrgchen und io auch technisch die vielen Szenen beflügeln. Ei» abgekürzter Neigen geschmackvoller, im wesentlichen doch antik gestimmter Bilder. Diese vornehm-prächtige Buntheit kommt dcr erotischen Luft, die viele Szenen heiß erfüllt, wie dem kriege rischen Gepränge gleicherweise zustatten. Die Frauen habe» vor allem Schönheit zu zeigen. Alice Verden als Helena, Greihe Volckmar als Andromache, Antonia Diet rich als Eressida. Es ist eine Eressida, die man nicht schelten möchte um so viel Anmut, Llcbesrausch und Hingabe, die aber doch zu viel Seele zeigt, um ganz als die innerlich sasiche, leben, Werber leicht zugängliche Dirne zu erscheine». Viel leicht ist es aber eben ein Stück dieser für den Mann unerträg lichen TänschungSkunst am treulose» Weibe, baß man ihrer Glut die Wandelbarkeit nicht anfühlt, was tn Antonia Diet richs Eressida so fühlbar wird. Die Kassandra spielt Icnnn Schaffer als pathologisch gekennzeichnet« bleiche Schicksals- verkünderin. Die halbe Jltaö marschiert dann aus. eine Fülle schlanker Jüngling«, schöner und häßlicher Männer, wie Rolle »nd vom Regisseur gewollter Stil es fordern. Lewinsky IPriampS), Ho ff mann (Paris), Woester fAeneasj, Posse sAntenor) seien vyn den Troern. Paulsen sAgamemnon). Kl lei sch sMenelaus), Kotten kam» sAjax), Ltndner (Ulysses), Schröder sNestor), Klein- osch egg sDiomedcS), Haselbach (PatrokloS) von de» Griechen verzeichnet. Felix Stetnböck Ist Troilus. ei» welcher Liebhaber, für Sen ehrenfesten Ritter doch zu per- fließend In schöner Lyrik, ein trojanischer Romeo lm erste» LIebeörausch. dem etwas Metall fehlt, doch am Schluß ber serkerhaft im Rachedurst. Dann Decarll als hoher, blon der. klarer Hektor: Adolf Wohlbrück al» schwarzer, schlanker, mit seiner Gchünhett wohlgefällig spielender, a»
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