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' Nr. 358 Seile 4 — »Dresdner Nachrichten" — Montag. 2. Avgvfi 1S2S Das ewige Wunder. 1, Bin Guido Kreutzer. lo Foriietzung.» „Eine Pistole hielt er plötzlich i» der Hand. DaS ertrug ich nicht mehr. Ich spürte keine Angst, aber ich wurde ohn mächtig. I»> letzte» Moment, ehe mir die Sinne schwanden, sah ich noch: wie er die Waffe hob und sie aus mich abdrückte: und wie ein Jene ist raiil and ihr hervorschoh. Auch die Kugel hörte ich noch durch die Blätter des Holunderstrauches zischen, hinter den ich geflüchtet war." „Getrvssen hat er dich also nicht!" „'.stein — er schob einen Ieniiineier vorbei: An der linken Schläfe spürte ich deutlich den Luftdruck." In einem Anfall gönnerhaften Mitleids schob ihr der Desperado das Weinglas näher. „Ich an deiner Stelle hätte heute etwas Rouge aus gelegt. Du bist kalkweib wie ein Schlobgespeust. Trinke erst mal einen Schluck. Und dann erzähle auch »och das Letzte, damit ich ganz im Bilde bin Sie wehrte sich schon gar nicht mehr gegen die Seelen- fvlter dieses erbarmungslosen Verhörs. „Ohne Besinnung gelegen habe ich wohl nur ein paar Minuten. AlS ich wieder erwachte, war ich allein. Erst ganz allmählich kam mir zu Bewubtsein, was geschehen war. So- bald ich genügend Kraft besah, um aufzustehe», nahm ich meine Sachen wieder an mich, die ich vorher hatte fallen lassen. Auch die Pistole fand ich. Er hatte sie wohl sortgeworsen. Dann ging ich den Weg zurück, den ich gekommen war: traf irgendwo in der Billenkolonie ein Auto und snlir heim." Run endlich durste sie schweige». Tödlich erschöpft lehnte sie in ihrem Sessel. Wie eine Lähmung umsing sie tiefe apathische Gleichgültigkeit. Tie war stumpf und zermürbt und bis ins Innerste zermartert. Lethargisch dämmerte sie vor sich Inn. Die Welt ringsum brandete in dumpf ver worrenem Brausen irgendwo weit jenseits der Grenzen ihrer Emps > ndnngc-sä l> igkeit. So ahnte sie auch nichts davon, daß sie faszinierend schön war, während nur ihre groben dunkle» Augen die marmorne Bläue der vornehm schmalen Inge beherrschten. Hier und dort von den Tischen streiften sie interessierte Männerblicke, trafen sie rivalisierende Frauenangen. Sie trug ein Abendkleid ans schwarzem Ehisson und dar über einen Mantel ans weiber japanischer Seide mit Zobel- kragen. Unter dem Hut drängte die schwere Fülle des kupferfarbenen Gelocks hervor. Ans alabasterner Brust träumte mit mattem Glänzen eine doppelte Reihe kostbarer tndischer Perlen. Sie war ganz die grobe Dame von Welt und für jeden Mann von Geschmack und Kultur ein ungewöhnlich schmeichel haftes Relief. Bornehm, distinguiert, rassig und dabei doch von einem Eharme, der sich nicht in Worte bannen lieb, weil er ein vollendet harmonischer Reflex körperlicher nnd seelischer Reize war. Den Dr. Trawon» lieb das kühl. Seinem Geschmack entsprachen derartige Frauen an sich überhaupt nicht. Ihm genügte Tnlvaine Bronard: als Weib und als intellektuelle Kompliein. Sie drüben in Paris, er hier in Berlin — so arbeiteten sie einander glänzend in die Hände. Dieser schwer fällige. einfältige, beinahe schon halb blödsinnige Pierre Jac- gnanlt — den sein am Fube der Pyrenäen gelegenes Departe ment Arisge als Deputierten ins Palais Bourbon geschickt Halle, war Lnlvaine, der raffinierten Katze, rettungslos ins Garn gegangen. Einen erklecklichen Batzen Geld kostete ihn seine Idiotie schon: doch dafür träumte er auch allnächtlich von dem Ministersessel, zu dem sie ihm über kurz oder lang ver helfen würde. Zumindest war das Kommandenrkreuz der Ehrenlegion selbstverständlich, wenn cs ihm gelang, noch im letzten Moment Lärm zu schlagen und damit de» wahnsinnig ge fährlichen deutsch-russischen Geheimvertrag zu verhindern, der die Sicherheit der gccmcle nation anss schwerste unterminieren muble. Alle Fäden zu dieser sensationellen hochpolitischen Enthüllung liefen in den Händen feiner geltetten Tnlvaine und ihres „elsässtschen BetterS" James Trawonn zusammen. DaS hatte sie ihm erzählt: nnd er glaubte daran und be wunderte sie und betete sie an und rezitierte in seinem un möglichen gaSeogner Dialekt schwärmerisch Berlainesche Bers« und hatte ihr sogar schon einen HrtratSantrag gemacht. Snl- vaine schrieb darüber sehr amüsante Briefe, lieb aber ander seits keinen Zweifel, daß die mysteriösen Dokumente nun wirklich bald austauchen müssten. Denn der biedere Pierre Jacquault hatte sich schon so völlig in seine demnächstige Rolle als „Retter deü Baterlandes" eingelebt, dab lein Verlangen, auf der Rednertribüne der Obsmbre cie, VSpntL, endlich die Fackel der Wahrheit zu entflammen, sich kaum noch bändigen ließ. Na — nnr »och kurze Zeit Geduld: dann waren die Schriftstücke bereit. Und dann würde ihm die Wahrheit aus- dämmern — wenn auch in wesentlich anderer Form, als er es erhoffte nnd erwartete. Aber das war ja schliesslich nach her seine Sacke! Nein — dem Dr. James Trawonn galt die schöne Lonn» LarS nur insoweit Weib, als sie der Trumpf in seinem Spiel war. In seinem groben Spiel. Er gab sich keinen verhängnisvolle» Illusionen hin: Wohl fügte sie sich ihm, weil sie gehorchen in » b t e und weil er sie scharf an der Kandare hielt. Aber sie war seine Tod feindst, und würde triumphierend ausjgnchzen, wen» sei» Fuß eines TageS strauchelte. Doch eben diesen Tag erlebte sie nicht. Den» er gewann sein Spiel. Er mnbte es gewinnen, weil er die Karten richtig gemischt hatte. Allerdings — der Zwischenfall gestern abend komplizierte die Situation. Flüchtig für Sekunde» war ihm das fatale Gefühl angekommen, als glitsche der Boden unter seine» Füße» fort. Aber das war vorüber. Jetzt stand er wieder fest und sicher. Und so versetzte er denn aus klarem leidenschaftslosen lleberlegen heraus: Alles in allem doch eine tolle Geschichte! Nicht mal ans dem Affekt geborener Totschlags-, sondern glatter Mvrd- verfnch, aus de» unweigerlich Zuchthaus stände, wenn er der Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei bekannt würde." „Die Kriminalpolizei iveib bereits davon." Um ein Haar wäre er anS seinem Sessel hvchgeschnellt so unerwartet traf ihn das. Er wiederholte atemlos: „Die — Kriminalpolizei — iveib — bereits — davon?" „Ja: der Kriminalinspektor Barnekow ries mich gegen Mitternacht deswegen an." „Weswegen?" „Um zu erfahren, ob sich dieser Vorfall tatsächlich ein paar Stunden vorher ereignet habe." „Wer hatte ihn denn darüber unterrichtet?" „Eine Selbstbezichtigung. Der Legationsrat von Reeg und der Kriminalinspektor Barnekow sind persönlich gut be kannt nnd trafen sich gestern abend zufällig. Und da hat . . . -" da hat der Reeg sich dem Inspektor gegenüber selbst dieses Mordversuches bezichtigt?" „Er führte ihn auch noch in der Nacht an Ort und Stelle, wo er auf mich geschossen hatte. Doch der Inspektor fand dort natürlich nichts und rief mich deshalb an, um den wahren Sachverhalt z» erfahren." „Was hast du ihm denn gesagt?" „An dieser ganzen Selbstbezichtigung sei kein wahres Wort." „Und das glaubte er so ohne weiteres?" „Er glaubte cS um so eher, als ich ihm auch einen psycho logisch verständlichen Grund gab." „Welchen Grund?" „Es war eine unvermittelte Eingebung, der ich aber sofort folgte. Ich erklärte ihm: Seit vorgestern nachmittag, also bereits 24 Stunden vor dem angeblichen Mordversuch, sei meine Verlobung gelöst. Möglicherweise habe dieser Umstand Herrn von Reeg seelisch so tief getroffen, bah er einer momen tanen Nervendervnte erlege» sei, als er sich selbst einer Tat beschuldigte, die er nie begangen habe." „Imposante Geistesgegenwart von dir. Ob du damit in meinem Ginn handeltest, ist allerdings eine andere Frage. Aber lassen mir es vorläufig. Nur die» mutz ich noch wissen: Weshalb hast du den» deine Verlobung für gelöst erklärt?" „Ich habe sie nicht nur für gelöst erklärt, sondern ich be- trachte sie auch als gelüst. Ich mutz das ja tun. Ich darf mich doch nicht länger als die Braut eine» Mannes ansehen, der Ihre Stimme zersplitterte. Der dunkel dämmernde Glanz ihrer Augen erlosch unter feuchten Schleiern. Sie war am Ende ihrer Kraft. Auch ihr Gegenüber versank setzt in Schweigen ... — Das Orchester spielte Puccini. Die kupplerifch süße Musik des sinnlichsten aller modernen große» Tonseher überslutcle die elegante Welt dieses Hotel-Dachgartens mit Kaskade» ver halten schwüler Erotik. Unter dem fraisefarbenen Licht der kleinen Tischlampen phosphoreszierte» die Augen der Frauen verheißungsvoller, perlte ihr Lachen betörender, lockte das Spiel ihrer Hände verwirrender, wurden die sonoren Männer stimmen werbender und begehrlicher. I» glühenderem Purpur und Violett flammten von der Brüstung her die Vlütenketlcn. Aufreizender und zärtlicher wehte vom Tiergarten nnd Ivo der Dust blühender Linden nnd Syringen herüber. Und in schweigender Unendlichkeit spannte sich ein opalisierendes Fir- mament über dieser Nacht des Frühlings und Verlangens... Der Doktor Trawonn hatte sich eine neue Zigarette an. gezündet. Er rauchte langsam, trank zwischendurch seine» Mokka in vorsichtig kleinen Schlückchen. Kühl, ruhig und unbeirrbar ginge» seine Gedanken. Durch diesen Pistolenschuß gestern abend hatten sich wohl die Prospekte verschoben und die Konturen verzerrt — doch das Ziel blieb unverrückbar. Wann er es erreichte, mar nnr eine Frage der Zeit und der Zähigkeit. Darüber gab cs keinen Zweifel: diese Frau, die ihm hicr- bleich und in ihren Schmerz verloren — gegenübersaß, die würde ihn hassen bis i» ihre Todesstunde hinein. Weil ihr Herz und jeder ihrer Gedanken noch immer ihrem bisherigen Verlobten gehörte. Wenn man James Trawonn hieß und eine Existenz zwischen Boudoir und Zuchthaus führte, dann war man - schon aus Gründen beruflicher Routine — Psychologe und Franenkenner. Deshalb reichte seine Phantasie auch vollauf, um sich keiner Illusion darüber hinzugeben, welches Schicksal seiner in dem Moment wartete, wo es einer Sonny Lars ge- länge, ihre Hände frei zu bekommen und gegen ihn zum Schlag zu erheben. Doch die bekam sie nicht frei, die bliebe» ihr gefesselt: und er hielt die Kette, die sie umschloß, mit eiserner Faust. Da lächelte er seltsam und versetzte mit diesem Lächeln, das seinen ^cwas schwammigen Zügen eine schattenhaft grausame Schärfe gab: „Du handeltest recht selbständig, als du dem In- spektvr Barnekow erklärtest, daß du dich nicht mehr als die Braut des Legationsrates von Reeg ansähest." Die Frau ihm gegenüber entrang sich ihrer Versunkenheit. „Selbständig? ... Ich — handelte — recht — selbständig?" „Allerdings. Denn du tatest es, ohne dich bieserhalb vor- her mit mir ins Einvernehmen zu setzen." In ihren Augen sprang ei» flirrender Glanz auf. „Was bedarf ich deiner Zustimmung in einer Angelegen heit, die nur mich ganz persönlich betrifft?" Der kleine Desperado spielte nachlässig mit dem matt- goldenen Armband, das er am linken Handgelenk trug, kvortseyung solgl.z Zckon »sit SV Iskrsn sinci snsrltsniir in Qualität u n «i p r« i» «ii r«i I s ie s i t I-sSl'rikl. IVIOI^IdSt'g WsIIstc-. * Wsdsrgssss * Sctisttslsti-. 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Eine Gew-ihr wr das Sr lcheinen der Anzeigen an den oorgeichriedenen Togen iowie aui deMmmien Sellen wird nichi geleislei. Da» h-ulige AdenddlaI umsatzl« Sette» lieber rzivsüli La d«i klclil, Iliiomillrwir. lvcllsr-, silsrsii , Itusii-. 8i>ri>l«iileo <8,riiKiiiri>. sickerten emtiltllvL.krnnevIetssn.siitiiilslileiiir». rinn dekrage ciev Nsasicrot. LrdLIiIivd in Uinvi»!«»!, oidanciiuvgeo. ^puldoicon. viouorlen usce. Niunnen-odrilien ilurok das vockinger r«nir»idliro veriin « «. Mldoinieii-. SN llixin Dos ckmkdai-s Die seit« ° gemeine! mictette im Nl.ens «,7°. E .Nft-"" xingnek- Helsenbe aktien « bk-««"' kellee -b je 4° und posenihe eiemens ,est lall- Ltkickgai Inch "b «ksten >i Mok xiricknio Sedslnbl Schubert »ach. ^ tzerände «itz -t- I- ^ - I§. S «kiien b ,n Den« bSrSlich - l- Mt-be, sobriken von Dr pentenir Im allgc «es» ,ss^'i,e /ti-n- ßtttt» rin»« i/t> mied ri row toi