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Dresdner Nachrichten : 01.05.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-05-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192705010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19270501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19270501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-05
- Tag 1927-05-01
-
Monat
1927-05
-
Jahr
1927
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 01.05.1927
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vreränes Nachfichten Sonntag, l. Mai i927 Die Wal-schule. Skizze vo-n F. Schrünghamer-Hetm-al. Paflau^Mdenhof. „Ach. Herr Forstrat. wie herrlich haben Dle'S in dieser prächtigen Waldnatnr, ln diesem unsäglich schönen, weltfernen Frieden der Berge, wo St« die Stille schon umfängt, wenn St« FH re Schritte frühmorgens in den schweigenden Forst lenken, wo Di«, dem Getriebe der nerverzerrüttenden Groß- stadt entrückt. Tag für Tag. Stunde für Stunde in den Friede» förmlich eingebettet sind. Ah — ich benoid« Sie! Sehen Sie zum Beispiel diese herrliche Buche dal Was würde sie wohl sagen, wenn sie sprechen könnte? Friede. Friede..." „Was dies« herrliche Buche da wohl sagen würde, wenn sie sprechen könnte? Ganz einfach: Entschuldigen Sie. Frau Geheim« Kommerzienrat, würde sie sagen, für S erste bin ich kein« Buche, sondern eine Eiche . . ." „Ah — wirklich setzt mit dem Lorgnon seh' ich'S erst, daß es eine Eiche ist . . ." «... und zweitens säusle ich nicht Friede, Friede, sondern Kamps. Kampf Oder besser, ich säusle nicht, sondern tue, was ich ln junge,r Fahren getan, und waS ich jetzt als altes Luder nicht lassen kann: Ich kämpfe, kämpfel Denn wollte ich Friede. Friede säuseln, dann wär'S um mich geschehen. Sehen Sie die fünf Tannen da, die sie seit Fugendtagcn umdrängen und ihr den Rang abstreiten wollen, wie sie sich wehren muh um den „Platz an der Sonne". . . Waldl, du Mlstvieh, ob du den Maulwurf gehen läßt! Herein, sag ichl . . . Ja, sa. gnädige Frau. eS hat sich waS mit den, sogenannten Waldes- fvteden." „Ah. da bin ich sa ganz überrascht. Herr Forstrai, das ist mir ganz neu." „Im Wald tst's genau wie in der Welt, bei Bäumen genau wie bet Menschen, nnr daß hier all« Kämpfe scl>e>nbar viel ruhiger ablanfen. Aber nur scheinbar. Denn ,ocr Spuren lesen kann, sieht im Walde nur ein einziges grobes Schlachtfeld. Sieger über Besiegten. Sehen Sie gleich mal den Untrrivuchs da bet der Eiche, den dürren Faulbaum, der schon abgestorben ist aus Mangel an Licht und Luft, die ihm di« so friedliche Eiche genommen, die Krüppelbirken, die sich »och kümmerlich fristen, bis auch sie das Los der Unter legenen ereilt, die Föhre da, dt« schon wipseldürr nur noch mit einem Ast ins Lichte langt, bis auch ihn die Siegerin Eiche in Schalten, Tod und Dürre drängt. Dann fallen und faulen die Besiegten, die doch das gleiche Lebensrecht, die gleichen Ledensbedingungen, die gleichen Lebensmöglichkeiten hatten wie die Siche da. und -lenen Mt ihrem Tod der Siegerin als Dünger." „Grausam! DaS ist sa im höchsten Grade ungerecht, das ist ja sozusagen unmenschlich, Herr Forstrat." „Entschuldigen Sie, gnädig« Frau, we,m ich wlder- sprechen muh. Ich finde bas im höchsten Grade gerecht. Denn es Ist einfach so in der ewigen Ordnung des Lebens, di« doch der Schöpfer als Gesetz in die Natur gelegt hat. Also muh es gerecht sein, denn Gott, den wir als den Inbegriff und Ausfluß aller Gerechtigkeit preisen, kann doch kein Unrecht zulassen. Also muh eö so recht setn, bah der Stärker« die Oberhand behält, dah die Eiche das Krüppelzeug nieder- zwlngt, nicht etwa in räuberischer Absicht, sondern ans reiner Lu st am Leben. Das ist das Recht des Stärkeren in der Nafur. Sie selbst rottet das Krüppelzeug aus» dah es faule «ud als Dünger diene, damit die Starken. Gesunden, Edlen wipfelhoch als Sieger über den Niederungen des Lebens wüchsen. Wer das Gesetz des Waldes oersteht, gnädige Frau, der weiß, waS daS Leben will, wie Las Leben fein sollte . . „Offen gestanden, Herr Forstrat. ich verstehe Sie da nicht." „Sie verstehen mich da nicht? Hm . . . Waldl, Malcfiz- lunip, HuudSoieh. MserabligS, ob du hergehst, sag ich! — Hm, gnädig« Frau, ich will Ihne» eine Geschichte erzählen, vielleicht kommen Sie dann von selber drauf, wie tch's meine. Der Kaiser Franz J-oseph, Gott Hab' ihn selig, hat in den Jschler Bergen ein wundersames Jagdrevier gehabt, die prächtigsten Gemsen. Gemsen, sag ich Ihnen, wie sie nur im sogenannten „Frieden" der Bergwelt hochkommen. Ader da sind die Steinadler. Steinadler, sag ich Ihnen, wie sie nur im „Frieden" der Hochgedirgsnainr gedeihen, wo -er lumpige Auchjäger nichts hiukonnnt, wo dem Wilddieb gcivehrt ist. Und die Steinadler nehmen Überhand, räumen unter den Gemsen über Gebühr aus, wie der Leibsäger meint. Und der Kaiser, oder eigentlich sein Jagdmetfter, lüht di« Stein adler abschlehen. Allel Und waS. glairben <Äe, war die Folge?" „Die Gemsen konnten sich ungehindert vermehren, nach dem der Feind beseitigt war." „Ganz richtig, gnädige Frau. Die Gemt'n 'n„nt.-n sich ungehindert vermehren. Der Feind, -er ihnen daS „LebenS- recht". das „friedliche Eirdeihen" streitig machte, war beseitigt. Aber merkwürdig, zwei Jahr« nach dem Abschuh der Stein adler gab'S im ganzen Jagdrevier keine Gemsen wehr." „Das ist ja rätselhaft. M« erklärt sich das, Herr Forst- rat?" „Ganz einfach. Die Gemsen waren all« an Räude ein- gegangen. Die Steinadler, die unter den schwachen, kranken Stücken aufgeräumt hatten, waren verschwunden, das sieche Lumpenzeug blieb am Leben und steckte auch die gesunden Tiere an. Und das Ende vom Liede war, dah binnen zwei Jahren alle Gemsen tot waren, verendet an Räude, auch die gesunden Stück«. Prachtböcke, sag ich Ihnen, gnädige Fraul" „Ich beginne zu ahnen, Herr Forstrat. Es muh Kampf und Feinde gehen . . ." „Es muh! Jawohl, es muß! Denn sonst kommt das Sumpenzeng hoch, steckt auch die Starken an, und aus tst'S mit dem LobenI Unser Herrgott weist schon, warum er eS so eingerichtet hat." .Sie meinen wohl LaS Mt der Auslese, lieber Herr Forstrat?" „Wie man's uenuen will . . . Waldl, sag ich, Hundsvieh, wo steckt er denn schon Meder? Aber wart nur, Lump, wenn ich dich erwisch'. — Ich halte mtch nur an die Vohren der Natur und da muh Ich sagen: WaS wir da Kampf, Feindschaft, Auslese nennen, ist alles nur eine Umschreibung für das Recht des Stärkeren, Gesünderen, Edleren. Und dieses Recht soll auch unter Menschen gelten." „Aber das verstöht doch gegen das Gitiengesetz, gegen die Gerechtigkeit, gegen di« Nächstenliebe?" ,Hch weih, gnädige Krau . . . Aber leider Gotte», tch kann nichts dafür, ich Hab' die Welt nicht erschaffen. Geben Sie, es ist ge MH sehr verdienstltch und gottgefällig, für Schivgche, Kranke und Krüppel zu sorgen, aber ich körende mir noch eine verdienstlichere Fürsorge denken." „Nämlich?" „Dt« Fürsorge für die Gefunden, Edlen, Starken, die unter den Krüppeln zugrunde gehen wie di« Gemsen, wenn dt« Steinadler fehlen. Steinadler müssen Meder her über daS Menschengeschlecht, die unter den Räudigen aufräumen, sonst ist'S gefehlt, gnädige Fracr. Sehen Sie, in der Natur kommt bloß da» Gesunde hoch, -aS Kranke unterliegt nach ewigem GotteSgesetz. Warum tst's auch nicht unter den Menschen so? Weil die Listigen, die den Edlen das Mark aussaugen, Schlagworte auslEn wie Leimruten: „Gleiches Recht für alle, gliche und Ordnung", „Lebensrecht". „Nie wieder Krieg"! Und die Edlen gehe« aus den Leäm, dies« Gimpel . . . Waldl, ich sag dir'-, erschlagen tu ich dich, «nenn du mir noch eitlen Schritt . . ." „Nie wieder Krieg! DaS ist doch ganz in der Ordnung, Herr Forstrot? Im Krieg«, da fallen doch bloß die Besten, die Edelsten, die Stärksten." „Und die Feigen. Faulen, Elenden züchten daheim da» Ge sindel hoch, das den Helden in den Rücken fällt, die Herrschaft an sich reiht, die ewige Ordnung Gottes umdreht und „Nie wie der Krieg!" schreit, als ob sie kämpfen mühten . . . Voriges Jahr hat so ein Hnndskrüppel meinen besten Gehilfen, einen Prachtmenschen, sag' tch Ihnen, hinterrücks ntcdergescholsen. und die Bande raubt und stiehlt — ah, gnädige Frau, ich sag' Ihnen, wenn die paar Gesunden, Geraden, Ehrlichen nicht bald schauen, dah die ewige Waldordnung auch in der Welt, im Baterlande wieder einkehrt, dann ist's vorbei mit dem Frie den . . . Denn Friede kann nur dort setn, wo die Starken herrschen, wie hier tm Wald die Eiche da. wo daS Krüppelzeug am Boden krümmt nach ewigem Gottesgesetz. Und nur darum, gnädige Frau, scheint Ihnen der Wald so friedlich, weil Sie vom Kamps nichts merken, den diese Edlen da kämpfen muhten, bis sie daS Niederholz unter- kricgten, damit es ihnen als Dünger diene, alles nach ewigem Schvpsungsgesetz. Stellen Sie sich vor, dieje Riesen lägen alle gefällt am Boden, und das Krüppelzeug da wie der dürre Kaulbaum hätte die Oberhand, was wäre das für ein Anblick?" „Wie auf einem Friedhof. .." „Meine Hochachtung, Frau Geheime Kommerzienrat! Wie auf einem Friedhof! Aber so wird eS in der Welt bald auS- schauen, wenn sich die Starken. Gesunden, Edlen nicht wider daö listige Lumpengezücht ermannen . . . „Mein lieber Herr Forstrat. ich beginne, zu ahnen. Aber waS können wir tun, wir Frauen namentlich?" „Tun? Gar nichts besonderes. Nur mithelfen, was eigent lich selbstverständlich ist, dah die ewige Ordnung der Schöpjung von den Listigen nicht umgcstülpt wird. Das Kranke, Schä> bige, Schleckte, Gemeine unterdrücken wie das Niederzeug im Hochivald. Sonst braucht cs nichts Das Edle, Reine, Gesunde kommt dann von selber wieder hoch und erobert sich seinen Platz an der Sonne aus eigener Kraft. So will es die ewige Ordnung der Dinge. Wie sagt Goethe? „Das Leben ist des Lebens Zweck!" „DaS Leben ist des Lebens Zweck!" jubelt eine Ver stehende in den WaldcSsricden. „Das Leben ist des Lebens Zweck!" hallt das Echo, wie Gottes Antwort, aus dem Hochwald zurück. ^ Sentas Bekehrung. Bon HannS Lerch. „Ich bin mit Senta Dorm« seit drei Jahren verheiratet" sagte Dr. Herbert Brand fast mit Nachdruck. Meine Hand am Weinglas muhte wohl etivas gezuckt haben. Brand sah es mit Lächeln. „Ucberrascht dich das? Kennst du Senta aus früheren Jahren oder . ..?" In mir stieg eln Bild empor. Eine kleine Tanzdiele mit Nieschen und Sektkühlern. Verwischt, wie -»gedeckt, schmollte das Saxophon, aber eine Geige klang fast zu süh. Der Pianist, der sie begleitete, war ein hübscher Kerl. Ich hatte Müh«, die DormH mit der tch tanzte, für mein Gespräch zu interessieren. Immer wieder schaute sie den Pianisten an. Mtt jenem unsagbar graublauen Blick, von dem die ganze Herrenwelt schwärmte. Dazu lachte sie sphlnxhaft: „Das Ge sicht von dem Jungen, sein Klavtersptel und 200 000 MarkI Dann, glaube ich» könnte ich treu sein." Gewih, das konnte schon stimmen . . . Die Dorm« war eine fabelhaft erzogene Frau» geistreich, schön. Aber sie flir- tete heillos gern. Doch keiner, selbst die Opernsterne männ- lichen Geschlechts nicht, konnten behaupten, mit ihr über einen Handkuß hinaus geflirtet zu haben. Und dieselbe Dorm« war jetzt dte Frau meines Freundes. Der Doktor hatte mich wohl beobachtet. „Das ist dir wohl ziemlich unfaßbar, mein Junge?" „Ja doch, Herbert. Man muh sich an den Gedanken erst gewöhnen." Der Wein und der Abend waren wirklich zum Träumen und Erzählen geeignet. Wir saßen an einem warmen Frtth- sommerabcnd tm Burgrestaurant. Dte spitzen, roten Giebel der Dächer schmückten sich mit Lichtern der untergehenden Sonne. Bon der Kirche unter uns schwang sich Abendgeläute zu uns hinauf. Der Doktor legte seine Zigarre fort. „Ich merke, daß du nicht fragen willst, und kenne doch die Frage, die du gern gestellt hättest . . ." „Die Frage ist sehr einfach. Sie heißt: Lebst d« mit der Dormä glücklich . . .?" „Ja, sogar sehr glücklich: besonders seit unser Junge ..." „Einen Sprößling habt Ihr auch ..." „Selbstverständlich," rief der Doktor nicht ohne Eitelkeit, „sogar ein Prachtexemplar . . ." Die Worte brannten meiner Zunge durch. „Die Dorms Hausfrau .. . und glückliche Mutter . . .?!" Brand nickte voll Laune. „Ich kann dir sogar mit einer sehr gütigen Schwiegermutter dienen, wenn du das wissen willst, sogar einer, der ich das sogenannte Glück verdanke..." „Sentas Mutter . . .?" „Ja, Sentas Mutter. Hör zu! Wie wir unS kennen lernten, Senta und tch, ist belanglos. Uebliche gesellschaft liche Vorstellung. Mich bezauberte ihr Aeußeres. Ob ich ihr gleichermaßen gefiel, weiß tch nicht. Nun, sie hatte damals ein Rieseninteresse für die moderne Malerei entdeckt, vielleicht meine Abhandlungen über Kubin und Corinth gelesen . . . Eins ergab das andere. Du weißt ja, daß tch eine ziemlich umfangreiche Sammlung von beiden Künstlern besitze. Jeden- falls waren wir eines schönen Tages verlobt, sie war strah lende Braut, ich beneideter Bräutigam. Bald darauf heirateten wir. Die Hochzeitsreise ging natürlich nach Florenz, dann nach Venedig. Es gab einen Abstecher an den Lido, Rückweg Wien, Semmering. Wir waren glücklich wie zwei Wellen sittiche. Das besagt jedoch wenig. Unter der Hellen Sonne Italiens und zwei Wochen nach der Hochzeit ist jedes Paar glücklich. Da kannst du einen Regenwurm mit einem Star- matz kopulieren. Zu Hause erwartete uns eine nette Woh nung, mein Einkommen war gut und meine Frau verwöhnte mtch nach Strich und Faden. Ich hatte eigentlich nur eln bißchen Angst vor dem Winter, den großen Ballfesten und den gesellschaftlichen Verpflichtun gen. Ich kannte ja Senta . . . Aber auch das kam anders. Unser Junge wurde im April geboren, da verbot sich das von selbst. Die lebende Puppe war das -weite, was verwöhnt wurde, bis tief in den Herbst hinein. Dann kam der zweite Winter. Senta neu erblüht, schöner denn je . . . Beim ersten, zweiten und dritten Ball haben wir uns herrlich amüsiert. Aber dann wurde ich bedenklich. Immer umgab Senta ein Berehrerschwarm. Machte ich ihr Vorhaltungen, flüsterte sie mir mit entzückender Geste zu: „Aber lieber Bub, zu Haus' hast du mich doch ganz allein. Laß doch die Kerlchen reden und schmeicheln. Kannst doch höchstens stolz drauf sein, wenn deine Frau so verehrt wird. Für mich sinb's Schmetterlinge . j Der Doktor griff nach seinem GlaS. „Du weißt, Eifersucht hat mir nie gelegen. Ich hätte auch wtrklichen Grund nie dazu gehabt. Dennoch litt ich. Für den Buben zudem war nur noch die Wärterin da. Eines Tages sprach ich zu ihr von Heim und Frauen« pflichten. Da hatt' ich einen stahlblauen Flammenbltck. „Ich bin verheiratet, nicht lebendig begrabe». Ich bin jung, trotzdem habe tch den Jungen lieb . . . und was habe ich vom letzten Winter gehabt . . .?" Und nach längerem solchem Frage- und Antwortspiel kam das gewichtigste Argument jeder Frau . . „Du gönnst mir wohl das bißchen Freude nicht . . .!?" Aeußerlich machte tch die Vergnügungshatz mit. Dann hatte Senta in jähem Stimmungsumschwung ein kosendes Anschmiegen. „Glaub' mir, Herbert, nur dich, nur dich habe ich ganz lieb. Du kennst doch deine Senta. . ." Ich behielt meine Ruhe. Und der Zwiespalt war doch da. Ich besaß die entzückendste und netteste Frau, die mir unbedingt treu war. und dennoch gehörte sie in ihrem heil losen Durst nach Festen und Vergnügungen nicht mir . . . Bald mar Hausball bet L, bald Black-Bottom-Klub, bald wurde zum Besten von Negerwaisen und bald zum Besten irgend einer Krankenanstalt getanzt. Aber das waren nur die irregulären Vergnügungen. Denn wir gehörten natür lich so und so vielen Klubs und Vereinigungen an, die alle ihren Winterball veranstalteten. Zum Weihnachtssest besuchte uns für einige Tage SeutaS Mutter. Die alte Dame schien Sentas Wesen beobachtet zu haben. Meins auch. Als wir an einem Nachmittag allein waren und Senta einige Einkäufe machte, sah sie mich prüfend an. „Was ist bet euch los, Herbert?" «Nicht das geringste, Mama .. ." „Doch, mein Junge . . „Aber Mama, ich versichere . . ." „Du willst nichts sagen . . . Flirtet Senta wieder .« „Ja, Mama, und tch leide darunter . . ." Da war es heraus. Dte alte Dame schien den Teppich lange Zeit recht genau zu betrachten. „Mach dir nicht mehr Sorgen, als du nötig hast, Herbert, eines Tages wird sich auch das legen . . ." „Wenn es dann nicht zu spät ist, Mama . . ." „Es wird nicht zu spät sein. Ich habe keine Lust mit anzusehen, wenn eure Ehe verwässert. Dann gibt's eine Pferdekur . . . Schreib' mir, wenn du mich brauchst . » Natürlich blieb auch ich nicht untätig. Kurz nach Weihnachten begannen die Faschtngsbälle Wieder versuchte ich in Güte Senta zu beeinflussen . , « Sie beruhigte mich in noch bezaubernderer Güte, und . . . dann ging tch natürlich am gleichen Abend mtt zum Trachten fest des Alpenveretns und fror an die nackten Kniee in meinen Jodlerhosen. Später versuchte ich's im Zorn . . . Du, sogar eine sehr hübsche Vase ging dabei entzwei . . . Sie schmiß eine zweite Vase kaputt und ließ sich den ganzen Vormittag nicht sehen. Am Nachmittag jedoch, als ob nichts geschehen sei. fragte sie mich so lieb sie's konnte, ob ich heute abend mtt zum Karrt« katurenfest der.Kunstvereinigung käme.. . Ich steckte mich in das rechte Kostüm dazu und war nicht nur äußerlich Bajazzo. Dann schließlich bestand die Woche aus fünf Abende», an denen wir zu Faschingsbällen gingen. Und die restlichen zwei, an denen wir zu Hause blieben, waren zum Ausschlafen bitter nötig. Ich wurde nervös, launisch, meine Arbeit litt. „, Da schrieb ich Sentas Mutter. Bald hatte ich Eilantwort, kurz bestimmt: „Wann geht Ihr zum nächsten Faschtngsball, bitte Tag. Beginn, Art de- Festes .. ." Ich schrieb zurück: „Mittwoch, den 27. Februar, Orchideen fest des Schwarz-Gold-KlubS, Beginn 7 Uhr." Senta sah an diesem Orchldecnfest hinreißend ans. Sie ging als Orchidee der Nacht in schwarzer Seide mtt Scharlach rot und über und über mit teuersten Orchideen geschmückt. Auf demselben Fest tauchte übrigens Harald Neffen auf. . ." „Ah, der Afrikareisende Ressen," unterbrach ich den Dok tor, „ein großer Erzähler vor dem Herrn, lügt hinreißend schön und ist ebensoguter Kavalier.. „Du kennst ihn auch", fuhr der Doktor fort. „Nun. Senta flirtete sofort mit ihm drauf los, so daß er wie «in Lautsprecher schwatzte und ich schließlich vom Tisch aufstand und mißgelaunt und ohne Ziel im Saal herumbummelte. Da. auf einmal stutze ich .. . Eben zur Tür herein kam ein Ziegenbockgcspann Mt rotem Gurtzeug. Zieht ein Wägelchen, auf dem eine Art Wiege steht, und drinnen in den Kissen, mitten in weißen Orchideen, ein . . . Baby, rotbäckig, mit offnem Mäulchen, freudig krähend. Ich erschrecke namenlos, trete näher . . . jemand ergreift meine Hand, tch drehe mich um und sehe i« dte Augen von Sentas Mutter. „Still!", flüstert sie, „kommt mit! Das ist dte Pferde« kur. . ." Fast willenlos gehe ich hinter dem Wägelchen her. Da» aber fährt geradewegs auf dte Laube mit unserm Tisch zu. Uebcrall entzückte Rufe: „Wie reizend, wie schön!" Da wird auch Senta aus das Getriebe aufmerksam . . . Sie drängelt sich bis zu dem Wagen hindurch ... hat wette Augen, wird kreidebleich. . . und geht wieder an den Tisch zurück . . . Und wie da« Ziegenbockgespann gekommen ist, ist eS wieder verschwunden. Ich saß wieder an unserm Tisch. Senta hatte sich fabelhaft in der Gewalt. Kein Blick, kek» Wort . . . Sie tanzte mtt Neffen, sie tanzte mit mir, als ob nicht» geschehen sei . . . AIS ich gegen Mitternacht sagte, ich möchte heute zeitiger hcimgehen, nickte sie und verabschiedete sich von Nesse». Im Wagen erwartete ich Vorwürfe. Nichts von alledem ... Zu Hause fanden wir Sentas Mutter. Senta ging auf sie zu und sagte leise: „Weshalb hast du das getan ..., Mama.." Ich habe nie eine alte Dame bezaubernder lachen sehe«, als Sentas Mutter. „Well ich es für ein Unrecht halte, NebeS Kind, wen« der Sohn des Hauses nicht eln einziges . . . Vergnügen tm ganzen Winter hat . . Sentas Lippen zuckten, doch wieder schwieg sie. Die alte Dame wandte sich zur Tür. „Ich will nach dem Jungen sch'n . . ., ob er schläft .. .* „Ich komme mit, Mama . . rief Senta." Der Doktor machte eine Pause. Dann sah er mtch an. „Sicher hast du jetzt einen Knalleffekt, Tränen ober ähn liches erwartet, mein Junge?" Ich nickt«. „Du hast auch unrecht, wenn du denkst. Senta habe mir einen einzigen Vorwurf gemacht. Nein, sie hat mir auch nicht- nachgetragen ... Sie war herzlicher denn je . .. und e- war in diesem Winter unser letztes Baüfest. .. Nur einmal hat sie sich doch verrate«. . j I !»
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