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1. «0,1-27 -«ldl« Merlri. " Ä.WL7-LL «UWE «pree^tden? DaSwar einmah. Gewiß, auch heute gißt -O hkstr noch'Dichter und Denker. Aber sie laufen inedeMder. Vie sind nicht mehr Mittelpunkt. Ueberhaupt verschwindet der einzelne mehr und weht In vergangenen Äeittn konnte «» einmal heißen, der junge Mann von Welt reise nach Berlin, um hier Schiller oder Humboldt zu sehen und zu, hören. SS gab damals nur einige wenige Brennpunkte, auf die sich das Interesse vereinigte: den Hof. die Universität, den und jenen literarischen Salon. Heute ist alles von der Geschäftsmetropole tiberbranbet. Nicht Athen, auch nicht Sparta mehr, — ein Klein. London empfängt uns. Geschäft und Sport, City und Wochenende, Berkehr und Rummel. Berlin ist noch keine Weltstadt, aber groß genug, uiy den Stnzelmenschen zum Sandkörnchen werden zu lassen, das nicht mehr kontrolliert wird. I» einem märkischen Städtchen am Fläming, in Dahme, muß jeder Gymnasiast eine bunte Tchülermütze tragen, und nach 8 Uhr abends darf sich auf der Straße keine mehr blicken lassen. In Berlin aber kann es Vorkommen, daß ein Studienrat mit einer Dame, die nicht seine Frau ist, und ein Primaner mit einer Dame, die nicht seine Schwester ist, nachts auf einem Maskenball aufeinander prallen und so tun, als ob sie einander nicht kennen. Trotzdem hat man durchaus recht, wenn man sagt, Berlin sei immer noch ein Konglomerat von etlichen hundert Kleinstädten, sonst nichts. Daß es in den Borvrten sozusagen zur Jnselbilüung kommt, ist ohne weiteres klar. Im Wannsee-Zug oder in der Straßenbahn 33 oder in der Dahlemer Untergrund wird man immer wieder zusammengeschwemmt. Aber auch in der Stadt selbst gibt es die merkwiirdigsten Ktttungen. Nehmen wir einmal die Gegend Gvethestraße, Leibntzstraße, Bismarck, strqße in Berlin-Charlvttenburg. Da ist ein Fleischer. Da kommen vormittags die Köchinnen hin. Da weiß alsbald jedermann, was die Prominenten der Stadtviertels im Koch, topf haben. Da wohnen der Oberbürgermeister Böß, die Tragödin Adele Sandrock, der Bildhauer Prof. Kliemsch, der General v. Huitter, der Kommerzienrat Ztelenziger, die Opernsltngertn Barbara Ketnp, der Regierungsrat Graf v. Meoem, der Rundsunkansager Alfred Braun und andere bekannte Leute. Und eine Hausfrau, die selber einkauft, kann' da bas Neueste hören. So um Weihnachten herum, daß — Hört, hört — Hindcnburg zu einem Iugendbekannten in dieser Gegend am Abend kommen werde und daß man da -och „extra" was machen wolle und daß er Gurkensalat gern esse und — je nun — hier seien die drei Gurken dazu und jede koste acht Mark. Da staunt ganz Charlottenburg Bau klötze, denn ganz Charlottenburg weiß es noch am selben Abend. Außer Telephon und Rohrpost gibt eS nämlich in Berlin auch «och Köchinnen und Portiersfrauen,' die arbeiten in der Nachrichtcnverbreitnng noch schneller als der Nund- sunk. ES gibt nnr ein Mittel, sich anSzuschalten, ein Mittel, das wir selber seit Jahren anwenden: mir lehnen es ab, uns auch nur das Geringste über Nachbarn erzählen zu lassen, so sehr auch zuweilen dem Dienstmädchen die Zunge juckt, und das wirkt so erziehlich, daß die Dienstboten anderswo über uns ebenfalls nichts erzählen: verfolgte jede Hausfrau dieselbe Taktik, so gäbe es keinen Klatsch mehr über die Hintertreppen, und etliches noch allzu sehr Kleinstädtische fiele von Berlin allmählich ab. Einen Ausschnitt aus dem großstädtisch-internationalen Leben findet man am ehesten noch in den eleganten Gast höfen, seit sie nickt mehr ausschließlich Aufenthaltsort für Fremde sind» sondern auch Konferenzstätte für Industrie kapitäne und VergnügungSbetrteb für die Umwohner. Kaum ein Hotel mehr ohne „Diele" mit Fttnfuhrtee und mit Musik u«L Tanz. Auch die Frau des Hergeretsten, die früher in ihrem Zimmer saß, während er sein« Geschäftssitzung er ledigte, und erst herunterkam, wenn auch er zur Mahlzeit erschien oder sie zum Theater oder zu einer Spazierfahrt ab- bolte, sitzt jetzt lieber unten im Hoteltrubel. Man sieht da doch so allerhand. Es ist der reine Kientopp. Früher mußten unsere Nomanschreiber, wenn sie „die Abenteurerin" großen Stils schildern wollten, unbedingt etwa in Nizza ihre Studien dazu machen. Heute finden sie diese Spezies auch in Berlin. Da wohnen in einem vornehmen Hotel Unter den Linden zwei junge Tschechinnen. Fabelhafte Aufmachung. Figuren, die einen Bildhauer begeistern könnten. Sie haben keinen Beruf, es sei denn der, auf reiche Amerikaner zu warten. Gleichmütig liberbringt der Portier ihnen gelegentlich einen Brief oder eine Visitenkarte,' er kennt sie. Wenn aber der unerfahrene Hotelbcsucher meint, man könne jeder Dame, die einem angenehm aussällt, solche Botschaft zukommen lassen, so irkt er sich. Da lehnt der Portier unter Umständen jede Besorgung von vornherein ab. „OK non, c'ost uno ckamo .ked« ssrir-stsel" sagt er dem zappligen Franzosen. Oder da sitzt in einem ebenso vornehmen Hotel in der Königgrätzer Straße an der Bar eine eigenartig exotische Schönheit, mit Haaren glänzend wie schwarzer Japanlack, mit leicht durch — »Dresdner Nachrichten" — Nr. 202 Sette 25 elfenbetngelb« Wangen schimmerndem Purpur. Film, künstlevln, sagt sts. Aus Part», sagt sie. Sie spricht t dem ersten Eintänzer einen Black-Botton segelt. macht alles Sttelaügtzh.i Sin bißchen Lust zum'Leichtstnn bekommen da selbst unsere guten, deutschen Damen.' Die eine wohnten einem. Borort iM Rördvsten, die andere ist im SüdMdsten verheiratet; im Hotel z«m Tee treffe«» sich die Freundinnen zu..esnem Plauderstündchen, nachdem sie bet-Herpich oder sonstwo ihren Frühjahrsmantel gekauft haben. Es ist schon säst'kein Platz mehr'da. Der Geschäftsführer weist sie an. einen Tisch, an dem schon ein Herr sitzt. Stumme Ber- beugung. Man nimmt zunächst keine Notiz voneinander, aber allmählich entwickelt sich doch ein belangloses Gespräch. Theater, Film, Rennen. Als die Damen sich bann ver abschieden, überreicht er der einen mit einem Scherz ein Schächtelchen Pralinss. Unvorbereitet, überrascht, der Situation nicht gewachsen, nimmt sie an. Ob man sich nicht morgen hier wieder treffen könne, sagt er. Erglühend bejaht sie, denkt aber: Was du Esel dir alles einbildestl Ich bin doch eine anständige Frau! Und sie kommt nach Hanse und findet im Schächtelchen — einen Fttnfzigmarkschein. Nun heult sie. Was tun? Noch einmal zurück, dem Kerl das Geld abgeben, ihm wieder unter die Augen treten? Oder es dem eigenen. Manne sagen, in seiner Begleitung z»m Stelldichein gehen und den „Irrtum" ausklären? Scheußliche Situation aus jeden Fall. Nicht jede Besucherin der Tanztees in den großen Hotels macht sich aber solche Gewissensbisse. Da gibt es hie und da eine abgcbaute Privatsekretärtn, die den Fünszigiuarkschcin gern hätte, aber den Geber danach seelen ruhig „versetzen" würde. Ein Franzose, dessen blonder Boll- bart wie angeklcbt auSsteht, einer von den vielen Franzosen in Berlin, die irgend etwas zu überwachen oder über irgend etwas zu verhandeln haben, pürscht sich an eine heran. Sic tanzen: sie unterhalten sich. Im übrigen übernimmt der Mensch keine der üblichen Kavalierpslichten. Er ist also ein typischer Franzose, ein filziger Franzose. „Ich würde gern eine Zigarette rauchen," sagt das Mädel. „Ich habe keine, ich rauche nur Zigarren," sagt er. Und fragt nur immer wieder, wann und wo er sic anderswo treffen könne. Schließlich sagt sie brüsk: „Männer mit Ziegenbart finde ich greulichl" Und er: „Warum nicht Bart? Das ich nicht ver stehe!" So sieht man hier nachmittags und abends die ver schiedensten Typen: Abenteuerlustige, Tanzlustige, auch nur Plauderlitstige. Dazwischen immer wieder ernste Geschäfts leute zu zweit, die am ungestörtesten ii» Trubel sind. „Also, Lieferung von Kahl u. Co. sofort, Valuta per September." Nur sehr selten konzentriert sich alles Interesse auf einen Ptmkt in diesem Kaleidoskop. Das ist, wenn — die vollendete Dame erscheint. Keiner kann sagen, worin die Vollendung besteht, aber jeder merkt cs sofort. Die Dame ist nicht etwa schön,- auch ihre Freundin, mit der sie zn dein Plauder stündchen erscheint, ist cs nicht. Aber irgend etwas in Haltung und Kleidung und Benehmen ist da, das ist nicht aus der Konfektion. Der Geschäftsführer eilt beglückt zum Platz- anwcisen her. Der Kellner schlägt Volten mit der Serviette und nimmt imaginäre Stäubchen weg. Das Garderobe- fräulcin schwänzelt und knixt. Der Kapellmeister, von dem man bisher nur das feiste Hinterkastell sah, dreht sich auf dem Absatz um, spielt nur noch für die Dame von Welt und angelt mit seinen Augen nach ihren Blicken. Der erste Ein tänzer kommt beflügelt und schleicht, kurz abgewinkt, wie be gossen wieder ab. Für diese Dame existiert die Umwelt nicht, weil sie nur Dame ist. Für die ganze Umwelt aber existiert nur sie, weil nur sie Dame ist. Achnliche Bilder gibt es natürlich schon längst in den Hauptstädten des Auslandes, da ist man dergleichen seit Jahr zehnten gewöhnt. Das solide Berlin ist etwas spater ge kommen. Aber es hat einen Vorzug vor den anderen. Die vollendete Dame bei uns schminkt sich nicht. Sie hat nicht, wie so manche Ausländerin, den Hang zum Kopieren der Halbwelt. Im übrigen ist natürlich alles in allen Groß städten mehr oder weniger nivelliert, mehr oder Wieniger gleichartig geworden. Der Hotelgast ist überall ähnlich auf gehoben und erlebt nichts eigenartig Deutsches oder eigen artig Englisches oder eigenartig Französisches mehr. Auch wenn er nnr mit der Sehnsucht danach angercist ge kommen ist. Wenn mich jetzt ein Ausländer fragt, was er sich in Berlin anschcn solle, so ist es mit den Potsdamer Neise- winkeu nicht getan: denn dazu fehlte bisher das strahlende Wetter. Aber ich sage allen: seht euch den Ufa-Film „Der Weltkrieg" an! Das ist in seinem wisscnschastlichen Ernst, in seiner überraschenden Technik, in seinem politischen Takt, in seiner historischen Wahrheitsliebe, 'in seiner wunderbaren Schönheit ein ungemein deutsches Meisterwerk. Vielleicht wird es, sagen manche, in kleineren Städten nicht so wirken wie hier in dem Usa-Palast mit seinem Orchester von 72 Mann und dem großen Männerchor, aber ich meine, selbst in dem ärmlichsten Kino, das nur! einen Klavierspieler hat, müßte jedermann dem Zauber dieser Vorführung erliegen. Selbstverständlich sind „echt" gekurbelt im wesentlichen nur die Heimatszcnen und die Marschbilder zwanzig Kilometer hinter der Front und die Paraden vor Poincarö und die Beratung bet Hinüenburg und dergleichen; lar Trommel feuer der Rtesenschlacht gab es keine Fnmvveratevr». Aber a»K die in .Babelsberg oder Staaken „gestellten" Bilden sind le»en»wahr. ^ Daß es gestellte. sind, merkt nicht ^daSIaroß« Publikum, sondern nur der Soldat, wenn er etwa sitM daß dte*Kosak«nhorde», die Ostpreußen überfluten, — auf Kandare retten» also verkleidete deutsche^ Kavalleristen sind.. Diese ge- Jellte Ergänzung ist gelegentlich nötig. Alles. -Üsämmeu ist von einer packenden Anschaulichkeit: ich denke da besonders an -die Kampf, und Rückzugsszenen im überschwemmten Pser- gebiet» oder an den überwältigenden Eindruck eines sich über Gräben und Granattrichter heranwälzenden RtesentankS. Die Bilder aus dem In. und Auslande sind nicht auf ,Grauen abgezielt, auch nicht auf Novellistik, auch nicht auf billigen Hurrapatriotismus. Ich wüßte keinen Parteimann von rechts oder links, der so verbohrt sein könnte, diesen Film als sür seine Weltanschauung gefährlich abzulehnen. ' Alles möglicherweise Entzweiende ist mit unendlicher Behutsamkeit angefaßt. Aber nirgends fehlt der Mut zur Wahrheit. Auch wo sie uns wehtut', so beim Fehlschlagen der Marneschlacht. Ober wo sie die Unbelehrbaren ärgern könnte: so bei der graphischen Darstellung, wie Ludendorff au der Spitze seiner Brigade nach Lüttich hineinstürmt, während rundum noch alle Forts unerschüttert dastehen, und sich mit seinen 1800 Mann tagelang in Lüttich hält, bis das übrige deutsche Heer draußen Bresche geschlagen hat. Diese graphischen Darstellungen — „Trickaufnahmen" — sind das Ueberraschendste an dem Film. Wir Deutschen waren immer groß im Ersinnen von an- schaulicheu Lehrmitteln. Hier nun scheu wir winzige Bahn züge über die Landkarte dampfen, aus den haltenden Zügen entwickeln sich die weißen Pfeile von Marschkolonnen, die Marschkolonnen werden zu einer Front, zwischen den Fronten zuckt Feuer hin und her, die Heere weichen oder gehen vor, wir sehen geradezu greifbar und zum Einprägen unvergeßlich, wie Hindenburg sich an der einen Stelle vom Feinde löst und seine Truppen an der anderen Stelle heranwirft und allmählich den Ring von Tanncnberg schließt, — und in zwei Stunden atemlosen Schavens und Genießens haben wir mehr Zeitgeschichte gelernt, als bei wochenlangem Studium großer Bücherhaufen. Dieser Weltkriegsfilm ist der erste meines Lebens, den ich mir wiederholt anseheii will. Man kann ihn immer wieder anschcn. Der künstlerische Vorsprung, den die Sowjetrussen durch ihren Potcmkinfilm vor uns hatten, ist damit überholt. Auch der Fribericus-Film schrumpft ihm gegenüber znr Anekdote zusammen. Wir Deutschen, ohne Ansehen der Partei, finden den Film ergreifend schön und einer Weltausstellung wert. Auch die Engländer loben ihn in ihrer Presse, wie sie ja überhaupt geneigt sind, jede wirkliche Leistung anzucrkennen. Nur den nichtdeutschen Berliner Zeitungen ist nicht ganz wohl zumute. Da schreibt ein Montagsblatt: „Wozu? Die Fr-ge haben sich gewiß viele Zuschauer vorgelegt. Es soll gewiß nicht verschwiegen werden, daß der Film rein technisch Her vorragendes und viele 'geradezu verblüffende Krstegs- aufnahmen bietet. Aber wozu immer in unseren schmerzlich sten Erinnerungen herumstochcrn? Wozu?" Ja, wozu: das werde» diese Leute nie begreifen. Um uns Deutsche wieder stolz zu machen! Was mir gegen zuletzt 28 Feindesstaaten mit einer Bevölkerung von rund 1880 Millionen Einwohnern in jahrelangem Widerstand an allen Fronten — bis wett nach Kleinasien hin. zeigt sic uns der Film — geleistet haben, das wollen mir und unsere Kinder uns wieder ins Gedächtnis rufen. Jenes Montagsblatt aber mit seinem „Wozu?" atmet erst auf, als es die nächste Novität besprechen kann, „Die Höschen des Fräulein Annette", einen amerikanischen Film, und schreibt da begeistert: „Dies Hohelied der wunder feinen, den Frauenkörper zart verhüllenden Hemdhöschen wird von der jugcnöfrischcn, mit allen Attributen weiblicher Schönheit ausgestatteten Darstellerin mit koketter Natürlich keit und vielem Liebreiz gesungen." Das ist das Betäubungs mittel, das man seit Versailles uns cingibt. , In den Weltkriegsfilm kann übrigens ruhig auch jede Kriegerswitwe htngehcn. Es werden keine „Wunden auf gerissen". Das große Geschehen wird auch nicht humortsiert, auch nicht sentimentalisiert. Es ist ein herrliches Stück Arbeit, an der man in jedem einzelnen Teil die taktvolle In szenierung durch die alten Offiziere merkt, die im Kriegs archiv daran gewirkt haben. Es ist überhaupt nichts Reißerisches dabei, um einen Regisseur berühmt zu machen. Es ist nach acht stummen Jahren wieder der erste deutsche Orgelton über die Welt hin. Man kann dabei achtungsvoll erschauern, wenn man ein Fremder ist. Als Deutscher aber: nur stolz sein. Rumpelstilzchen. .".W .. - ^ r SsLck-ttür« sinci von vorbildlichem Lerchmsck vesucken Sie unsere frükjstirs-Ausstellung l IZeaciilen Sie unsere Sciiaulensterl 8t lokannstrake :: Vas vamenkuttiaus grökten Stils