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7r. Jahrgang. 14 Monkag» ». Januar 1>2ü Gegründet 1SSS Dmhtanfchrftz, ptachrichtrn Dr»»d», S-rnivrecher-Samm-Imimmeri SS S41 Nm tür Nacktgeiprüch», SV 011 B-zugs-Sebühr St«,«»«««««» »o <vtr»»t. Dir Bnrrtarn «rrdrn nach Boldmark berechnri; dt» »tntvaMa» «» nun birii« tzfn»ofr>o»r«K^roifo- L'üe » Pia,, tür auswärts «u Pia. Samiltenan,eta«n und Tiellrnariuch« »bn» Rabat! IS Ps-., aickrrlmlb L« Pia-, die »» MIN breit« Retlamnell« rvu Pia.. auberbaIb rt>oP«i. OisertengebüI>r»oPIg. Ausw. Auiträa« seien Dorausberabla. Lauviseschäfisfiell«, ^«ftrade 3S 4S ! Ltevick»» «richardt in Dresdr» »-Konto 10SS Dresden Rachdnich nur «tt deutlicher Quellenangabe «.Dresdner Nachr.'i «ulLIfta. Unverlangte Schriftstück« »erde, nichi auibewadrt. Noch eine Wloflonskatastrophe in Berlin. Eine nSchtllche Flutwelle über London. — Schwere Stnrmfchüden in aller Welt. Die Duplizität der Ereignisse. 2 Lote. 8 Schwer- und Leichtverletzte. jDrahtmeldung unsrer Berliner S ch r i s t l e i t n n g.I Berlin. 8. Jan. Während Berlin noch unter dem Ein- druck des furchtbaren Unglücks in der Landsberger Allee steht, ereignete sich am Sonntagvormittag eine neue schwere ExplosionSkatastrophe, und zwar diesmal tm äußersten Westen am Rande des GrunewaldeS, in einer schön gelegenen Villa. In der Parkst raße <0 in Dahlem erfolgte kurz vor >Lill Uhr im Keller der Villa Wein gärtner in einem dort untergebrachten Laboratorium eine Explosion, die den zweistöckigen Anbau des Hauses und die dancbenstehende Garage »um völligen Einsturz brachte. Der Schwager des Billen-esitzers Weingärtner, der Chemiker Willy Stammer. und eine Hausangestellte sanden den Tod, während acht Hausangestellte und deren Angehörige znm Teil schwer, zum Teil leicht verletz« wurbeu. Das weitläufige Haus wurde bewohnt von Weingärtncr und seiner Familie und seinem Schwager Stammer und dessen Familie. Im Dachgeschoß wohnten die Hausangestellten und in einer Kellerwohnung der Portier Deter mit seiner Ehefrau und drei Töchtern. In den Kellerräumen war unter der Finna „Chemische Werke Weingärtner u. Co., Aommandit. gcsellschast" ein chemischer Fabrikativnsdetrted eingerichtet, sn -cm neben allerlei Apothekerwaren auch sogenanntes Ä larmmaterial sür die Reichsbahn, und zwar vor allem .Knallkapseln und Magnesium fackeln, her gestellt wurden. Am Sonntag kurz nach S Uhr begab sich Stammer, ein Mann in den vierziger Jahren, in den Expert- mentierraum. Wie die Hausbewohner bekunden, hielt er sich dort gern aus, um seine Experimente mit chemischen Zu sammensetzungen durchzpführen, zumal er augenblicklich an einer Erfindung, und zwar an einer neuen Mischung für die Sllarmkapseln, arbeitete. Wenige Minuten später ertönte plötzlich eine kurze, aber starke Explosion aus dem Keller. Im nächsten Augenblick brach mit ungeheurem Getöse der darüber befindliche zweistöckige Anbau der Billa und auch die Garage in sich zusammen, während i« der Billa selbst alle Scheiben in Trümmer gingen. Einrichtungsgegenstände. Bilder und Geschirr «mftürzten. Ein Steinhagel prasselte Hunderte von Metern weit über den Garten und die in der Nähe gelegenen Billengrnndstttcke. Eine riesige Staub» und Nanchwolke stieg anS dem Trümmerhaufen ans, den die An bauten der Billa bildeten nnd aus dem gellende Hilseruse der darunter begrabenen Menschen schollen. Im ersten Moment lag über der ganzen Umgebung unter dem Eindruck der furchtbaren Detonation panisches Ent setzen. Dann eilte man von den benachbarten Grundstücken zur Hilfe herbei, während gleichzeitig die Feuerwehr alarmiert wurde. In wenigen Minuten rasselten die Wehren der benachbarten Bezirke und der Innenstadt heran. Ten hcrbeieilcnden Rettungsmannschaften bot sich ein entsetzlicher Anblick, -er ln vielem an die Katastrophe in der Landsberger Allee erinnerte, wenn auch hier bet dem kleineren Ausmaß der zerstörten Baulichkeiten ein rascheres Voranschreiten der Hilfsarbeiten möglich war. Der zweistöckige Anbau war wie Lurch einen Schnitt von dem großen Hause selbst abgetrennt. Mauer- und Zementbrocken von mehreren Meter Umfang lagen um die Nnglücköstelle herum, während die weitere Um- gebnng von Glassplittern. Dachziegeln, zertrümmerten Ein- richtiingsgegenständcn und Steinen übersät war. Die Ein richtung des Dienerzimmers war durch die Explosion mit solcher Wucht in die Luft geschleudert worben, daß sieinden Bäumen des Gartens hängen blieb. Auf den Wipfeln und Aesten der hohen Kiefern des Grundstücks hingen Matratzen und Betten sowie Kleidungsstücke des Dieners mitsamt den Bügeln, an denen sie befestigt waren. Die Bcrgung -er Verunglückten. Die Rettungsmannschaften stießen zunächst auf den zwischen den Trümmern liegenden Portier Deter, der aus mehreren Kopf, und Gesichtswunden blutete. Aus dem Trümmerhaufen selbst konnten dann kurz hintereinander laut um Hilfe schreiende Hausangestellte befreit wer- den, die sämtlich Quetschungen und sonstige Verletzurrgen da- vongctragen hatten und sofort tnS Krankenhaus gebracht wurüen. Gleich darauf konnten aus der Portierswohnung im Keller auch die drei Töchter des Ehepaares Deter geborgen werden, von denen die beiden jüngsten glimpflich mit Hautabschürfungen und Quetschungen an den Glied, maßen bavongekomme» waren, während die älteste Knochen- brüche nnd auch innere Verletzungen erlitten hatte. Nach weiterer Abräumung der Trümmer fand man dann die furchtbar verstümmelte Leiche des Chemikers Stammer, dem durch die Explosion die Kleider vollständig vom Leibe gerissen waren. Die Beine waren vom Rumps« getrennt, die Arme mehrfach gebrochen nnd der ganze Körper eutfetz. lich zugcrichtet. Inzwischen hatte auch «in großes Aufgebot von mehreren Hundertschaften der Schupo da» Grundstück, baS bald von einer nach Tausenden zählenden Zuschauer menge umlagert war, in weitem Umkreise abgesperrt. Bald nach 10 Uhr hörten die Feuerwehrleute aus der Tiefe plötzlich ein Wimmern. So vorsichtig wie möglich legte man in wenigen Minuten eine tiefe Höhlung frei, die sich im Schlaf zimmer des Pvrticrehcpaares Deter gerade über dem Bett der Frau Deter aus dachartig sich gegeneinander stützenden Trägern und Balken gebildet hatte. Unter dieser Art von Schutzdach lag in der Tiefe Frau Deter. die im Anfang der sechziger Jahre steht, mit dem Oberkörper und Kopf frei im Bett, mährend ihre Beine unter meterhohem Schutt und Trümmern begraben waren. Man nahm in aller Eile Ab- stcifungsarbeiten an der Höhlung vor und ein Samariter der Feuerwehr kletterte hinunter, um durch Morphiumspritzen die Schmerzen der Verletzten zu lindern und ihr zur Stärkung Wein und Kaffee einzuflößen. Trotz fieberhafter Arbeit dauerte es aber noch mehr als anderthalb Stunden, bis die Frau ans Ihrer furchtbaren Lage befreit werden konnte. Sie wurde mit schweren Verletzungen und Brüchen an den Beinen in das Kreiskrankenhaus Lichterfelde ge schafft. Bald daraus wurde dann auch die zweite Tote, das r» sährkge Hausmädchen Schvnfelder. gefunden. Das Mädchen, das ohnehin von sehr kleiner Statur war, war von einem riesigen Mauerblock so zermalmt wor den, daß die Rettungsmannschaften glaubten, es handle sich um die Leiche eines noch unbekannten Kindes. Erst nach einiger Zeit klärte sich dieser Irrtum ans. Damit Ware« end gültig zwei Tote und acht Verletzte als Opfer dieses Un glücks festgcstellt. Schon bet den ersten Aufräumungsarbeiten wurden von den Feuerwehrleuten Kisten mit Spreng- kapseln sowie Magncsiumfackeln und sonstige Packungen mit anscheinend sprengstoffarttgem Inhalt ins Freie gebracht und unter Bewachung im Garten aufgestapelt. Noch während der Aufräumungsarbeiten setzte schon mit einem großen Auf gebot von Kriminalbeamten die Untersuchung ein. zumal von den an der Unglücksstelle versammelten leitenden Be- hördenvcrtretern allgemeines Erstaunen darüber geäußert wurde, mitten in einer Viklenkolonie ein Laboratorium für die Herstellung äußerst gefährlicher und explosiver Stoffe vorzusinden. Es muß also zunächst festgestellt werden, ob die Polizei über die Fabrikation von Sprengkapseln an dieser Stelle unterrichtet war. und ob alle baupolizeilichen Vorschriften beobachtet worden waren. Der Experimentter- raum ist völlig zerstört. Dagegen ist das eigentliche Labora- tortum an der Straßenseite unterhalb der Villa selbst un versehrt geblieben, so daß die Möglichkeit besteht, hier die ent sprechenden Feststellungen zu treffen. Die erste« Vernehmungen der Hansbewohner nnd Augenzeugen setzten alsbald ein. Die Ausränmungsarbetten bauerten den ganzen Tag über bis in die Nacht hinein. Merkwürdiger weise hat die nächste Umgebung der Villa nur sehr wenig ge litten, während sich auf größere Entfernung die Detonation außerordentlich stark bemerkbar gemacht hat. Nach dem ganzen Westen, Südweste» und selbst im Süden Berlins wurde die Detonation so heftig verspürt, daß unter der Be völkerung dieser Stadtteile große Unruhe herrschte. In anderen Gegenden glaubte man an ein Wintergewttter, da der Schall der Explosion sich donnerartig fortpslanzte. Besonderes Glück hatte einer der Bewohner der Wein« gärtnerschen Villa, und zwar der frühere Besitzer der Billa, ein Professor Blanke, besten Zimmer in dem völlig zerstörten Anbau über der Küche lag. Er bereitete gerade seine Uebersiedlung nach einem anderen Stadtteile vor und übernachtete anderwärts. Als er heute früh ahnungslos -urückkam, um den Rest seiner Sachen zu holen, sah er nur oben an der nackten Hauswand, neben den Kacheln, an denen sich der Waschtisch befand, seinen Rasierabziehriemcn hängen, während alles übrige unter den Trümmern lag. Wie tn der Landsberger Allee noch mehrere Hunde lebend geborgen werden konnten, so wurden auch hier in Dahlem wenig« Meter von dem Schutthaufen mit seinen Toten und Ver letzten die Hühner in ihrem Stall völlig unversehrt vor- gefünden. Das Laboratorium war oorschrifiswi-rig. Berlin. 8. Jan. Wie die städtische Baupolizei zum Un- glück in Dahlem mitteilt, werden bei Laboratorien, die Feuerwerkskörper und explosive Stoffe Herstellen oder ver- arbeiten, besondere baupolizeiliche Anforderungen gestellt. Z. B. wüsten sie eine gewisse Entfernung von den Straßen und Nachbargrenzen haben, außerdem von bewohn baren Räumen. Schließlich werden in Villengebieten wie Dahlem Anlagen solcher Art überhaupt nicht zugelastcn. 20 Spfer einer Stumflut in London. Der Wasserte- in -en Bellen. London. 7. Jan. Die Uebersckwemmnngen der Themse i« Herze« Londons, die hente «acht mit einsetzender Flut began nen. stellen alles in den Schatten, was bisher an Londoner Ueberschwemmnngen zn verzeichnen ist. In dem am Themse- Ufer in nnmittelbarer Nähe des Parlaments gelegenen Nohn viertel sind IS Personen in den überschwemmten Wohnungen ertrunken. Die Ufermaner gab an dieser Stelle in einer Breite von etwa 10 Meter dem enormen Drnck des Wassers »ach. Wie ei« rauschender Wasserfall stürzte die Fl«t vorwärts nnd fetzte in Minuten alle rings herum gelegenen Gebäude unter Wasser. Bo» den in den Kellerwohnungen «ntergebrachte» Personen, die zurzeit des Einbruchs der Fluten «m ^1 Uhr nachts be reits schliefen, hatten nur wenige die Zeit oder die Geistes gegenwart. die Fenster einzuschlagen nnd sich in Sicherheit z« bringen. Nach wenigen Minuten Zögern war eS bereit« zn spät, da die Fluten bis an die Decke hoch gestiegen waren nnd dnrch ihren Drnck das Ocsfneu der Türe» ver eitelte». Eine einzige Familie hat vier Mädchen i« Alter von 18. IS. 7 und S Jahren verloren. Der Vater versuchte vergeb lich, ihnen Hilfe zu bringe« und mußte cs mit anhöre». wie ihre Notschreie langsam abstarbe«. In anderen Fällen »er« luchten die überraschten Bewohner telephonisch Hilfe herbei znrnfe«. Ehe sie sich versahen, »ar ihnen der Rückweg bereit« abgcsperrt. Sine große Anzahl von Personen ist durch schnell z« einem Strick zusammcngcwnndene Leinentcile. die von obere» Stockwerken nach den Kellerwohnungen Herabgelasse« wurde«, gerettet worden. Die geretteten Personen geben ergreifend« Schilderungen der Katastrophe. In manchen Fällen sind die Bewohner in den Erdgeschossen durch die hereindringenbcn Fluten überrascht worben, als die in den Kellerwohnungen untergebrachten Personen bereit» mit dem Tode kämpfte». Das Arsenal in Woolwtch wurde in weitem Maße überflutet. Die Kraftstation blteb jedoch intakt, und die Arbeiten werden keine Verzögerung erfahren. Im Tower wurde die dort untergebrachte Soldaten, abteilung von 800 Mann durch Unterstützung der Wächter Herr der Lage. Teile der historischen AnSstellungSstätten und des JnwelenhauscS mnrdc» durch die Fluten in Mitleidenschaft gezogen. In den niedriger gelegenen Teilen der Tate- Gallerie stand baS Wasser drei Meter hoch. Außerordentlich großer Schaden wurde hier angerichtet. DaS Parlamentsgebäude ist durch seine verhältnismäßig günstige Lage ohne größeren Schaben davongrkommeu. Der Sprecher deß Unterhauses machte heute einen Rnn-gang durch die ver schiedenen Teile des Gebäudes. Das Gcsundheitsministerium steht gleichfalls »um Teil unter Wasser. Alle verfügbaren Ingenieure sind ausgeboten worden, nm die Arbeiten für die Wiederherstellung der eingebrochencn Strecke und Verstärkung der übrigen Teile der Ufermauern in Angriff zu nehmen. Die frühere« Ueberschwemmnngen in den Jahren 188«. 187S und im 17. Jahrhundert erreichten nicht annähernd daS Ausmaß des gegenwärtigen Hochwasserstandes. Die Hafcnbchördcn er lasse» eine Warnung, daß eine Wiederkehr der Flute» in den nächste« Tagen möglich ist. da die Flut dis zum kommenden Dienstag ansteigt und die Stürm« anhalte». Für die Geschädigten sind bereits di« ersten Unter ft Ltzungsmaßnahme» seitens der Be» Hörden im Gange. Ganz London steht unter dem Eindruck der Hochwasserkataftroph«. Ueberall wird die Frage lebhaft erörtert, wer für di« Katastrophe verantwortlich sei. Man hat allgemein vorbeugende Maßnahme» vermißt. Das Durch einander der Behörden, die zur Abwendung des Hochwassers eigentlich berufen wären, wird sehr beklagt. Der „Evening Standard" wendet sich sehr sarkastisch gegen das Gesundheits ministerium. Die Zeitung behauptet, daß diese» Ministerium, wenn cS selbst erst von der Flut ergriffen sei, beim Rat von Westminstcr Klage führen würde, daß hätte mehr geschehen sollen, um daS Hochwasser zu bannen. Auf -er Suche nach -en Schul-igen. London, 8. Jan. Während des ganzen Sonntags wurden die AufräumungSarbetten im Ucberschwemmungsgebiet von Westminster fortgesetzt. Hilfsorganisationen haben der be troffenen Bevölkerung in Znsammenarbeit mit der Heils- armee Obdach und warme Mahlzeiten verschafft. Die Ge» fahr einer Rückkehr der Ueberschwemmnngen ist znm größte« Teil beseitigt, da an den Etnbruchöstellen neue Wehren er richtet nnd die Schiitzvorrtchtiingen verstärkt worden sind. Das Wetter hat sich gleichfalls gebessert. Den beteiligte« Behörde« werdcn die schwersten Borwllrs« gemacht. Sachverständige sollen bereit» vor einigen Tagen auf die drohende Gefahr aufmerksam gemacht haben. ES ist nicht unwahrscheinlich, daß nach dteser Katastrophe, das vor einigen Jahren fallcngelassene Projekt, die Themse auSzu- baggern und die Uferwälle zu verstärken, nunmehr doch verwirklicht wird. Die durch die letzt« Ueberschwemmung an- ,«richteten Schäden sind nicht viel geringer, als die «ns- ührung des Projekte» gekostet haben würbe. In der Tate. Galerie sind zahlreiche wertvolir Zeichnungen und »quareü«