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Dresdner Nachrichten : 22.11.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-11-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-188711229
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18871122
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18871122
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-11
- Tag 1887-11-22
-
Monat
1887-11
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 22.11.1887
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2 ^chtttos «mnahm, daß »war die knerimwlrke «eutzemn« gefallen mio objektiv In ihr eine Ehrvrrlebung der Autorität deS Kaisers rnthalren kel, datz aber demAngekiaglen daS Bewutztiei» der Ehrcn- kränkung gefehlt habe. Der StaatSanwalt hatte eine Festungsstrase von vier Monaten beantragt. Die Aeukerung fiel l» einer Wahl rede, welcde der Abg. Halverstadt am 14. Januar d. I. als Wahl« kandidat de» Lüwenberger KrctleS in Löwenberg gehallen hatte. Die Gerichtsverhandlung fand unter Ausschluß der Oeffentlich- keit statt. Der nun dem Irrsinn verfallene ReichStaaSabgeordnete Wil helm Hasenclever war ein alteö Mitglied des Parlaments und die Führer der andcren Parteien konnte» mit ihm immer noch am besten Verkehren. Auch war er weniger international als seine Ge fährten, er liebte eS vielmehr, zuweilen seine» deutsche» Patriotismus jur Schau zu wagen und hatte mehrere Kriege mitgemacht. Noch ,n einer seiner letzten NeichStagSredr» erinnerte Haienclever daran, daß er vielleicht der einjige unter den Ainveieiiden sei, der in» Frld- Uge von 1870 als Gemeiner die Muskete getragen. Obwohl es sie Freunde de- Unglücklichen nicht wahr haben wollten, scheint eS sich doch so zu verhalten, baß daS Leiden durch die Vonsiinge auf dem jüngsten Parteitage wesentlich gefördert worden ist. Haien- clever war t» St. Gallen Gegenstand heftiger Angriffe wegen seiner angeblich ru gemäßigten Gesinnung. Das Amt des Vor sitzenden. welches er daneben zu versehen hatte und welches starke Nerven erfordert, nahm seine Kräfte außerordentlich mit. Hasen clever läßt sich am zutreffendsten als das Muster eiiicS politischen Dilettanten charakterisiren. Er stürzte sich in die sozialdemokratische Bewegung mit jener Unklarheit von Gefühl und Denken, welche die traurigste Beigabe der Halbbildung ist. Mitten durch den lächerlichen NadicaliömuS teiner schlcchtverdauten Uiiisturzideen wachte ihm sei» ousrichtig gutes und iiie»schensrcu»dliches Herz regelmäßig einen dicken Strich,Ajio daß die Rechnung immer glatt nnt Null ausging und lein armer Kopf vor lauter Erstaunen über diesen »nbegicisliche» Bankcrot schließlich brach. Von Geburt aus Wcstiale, batte Husenclever eine regelrechte Sch>rlbildung genossen und war dann Lohgerber geworden, bis ihn Laialle für die Sache der Sozialdemokratie gewann. Die Anstalt, in der man ihn unter- gebracht, die Maison de Santb, hat schon manchen Parlamentarier und Staatsmann beherbeigt. Der frühere Minister des Innern Graf Fritz Eiilenbura, ist darin vor einigen Jahren gestorben. Oesterreich. In der Schlußsitzung der öslerrelchiichen Dele gation wurde die Uebereinstiinniung der Beschlüsse beider Delega tionen conftalirt. Hierauf svrach Minister Grus Kalnoly der Dele gation den Tank und die besondere Anerkennung des Kaisers für ihre patriotische Opterwilligkeit, sowie den Dank der Regierung lür das derselben bezeigte Bertiauen aus. Im Schlußworte hob der Präsident Nevetera hervor,'daß die Delegation offen ausgeiprochen habe, daß Oesterreich einen Frieden »nt Ehre», kein Prelsgeben iciner Geschicke an den Willen eines Anderen und daß eS ci» Festhalten an dem Völkerrechte und an der Vertragstreue wolle. Unter begeisterten Hochrufen auf den Kaiser wurde daraus die De legation geschlossen. Professor Sloerck in Wien, welcher zuerst die falsche Behand lung des deutschen Kronprinzen durch Dr. Mackenzie gerügt hatte, hat unmittelbar nach der bekannte», ani 9. d. vor seinem Audito rium gehaltenen Rede vom Unterrichtsmniister durch de» Dekan der Uiiiveisilät eine Rüge erhalte», in welcher ihm die Ungchörig- keit seines Vorgehens rückhaltslos bargeleat wurde. In der brennenden Frage, ob die österreichischen Lehrerinnen heirathen dürfen, hat nun der Landesschulrath dahin entschiede», daß den Lehrerinnen das Heirathen zwar nicht verwehrt werden dürfe, dock nivac denselben die Erlaubniß zu diesem wichtigen Schritt durch Einführung von geeigneten Bestimmungen so viel als möglich erschwert werden. — Tie Liebe siegt! Frankreich. Die Presse setzt de» Kamp! gegen den Präsidenten Grevv niit »ncnlweglein Euer fort. Es wird behauptet, der Mi nister des Innern sc.ae deswegen nicht, was er mit den vom Polizetz- vräfckten erhaltenen Briefen gemacht habe, weil er wohl wisse, daß Wilson den ganzen Akienbündel »ach dem Landsitze GrevysMont- souS-Baudrev getragen und Greny selbst dort die Aussonderung der Briete vollzogen habe. Thatsache ist, daß bei Beginn der L»»vnsin- Afiaire Wisi'on einmal plötzlich nach Mont-sous-Vandrey abreisle imo bald wieder zurück war. Tann wird auch der Nesse GrevvS, Leon Grevy, aufs Neue beschuldigt. Der „XIX. Sieclc" veröffent licht n»d läßt Jedermann eine gerichtliche Vorladung sehen, die dieser Leon Grevy erhalten hat. weil er von einem Manne 15,000 Francs genommen, um ihm einen Orden zu verschaffe», sein Ver sprechen aber nicht gehalten und das Geld auch nicht znrückgcgeben bat. Ter Mann klagte, die Vorladung wurde ausgestellt, die Sache aber wieder veltuicht. Jetzt veröffentlicht der „XIX. Ttöcle" eine Reibe von Depeschen, die Leo» Grevy an einen berüchtigten Agenten Buy gerichtet hat und in denen er in nicht ganz klaren Ausdrücken von Geschäfte» redet. ES geht daraus hervor, daß der Nesse deS Präsidenten mit diesem Buy in intimster Beciebnna stand. Buy wurde vor Kurzem i» Ereteil von zwei Pvllzeiagcnten verhaftet, ividersetzte sich diesen und schoß sich, während er mit ihnen rang, eine ringet durch den Kopf. So die Angabe der Poli zei. Nun kounnt „XIX. Siecle" und behauptet. eS könne auch ganz anders gcweten sein und es sei ebenso gut möglich, daß die Polizei-Agenten den Buy tm Ringen erschossen hätten. Weiter aber behauptet dasselbe Blatt, daß unbekannte Pcrionen die Tbür des von Buy in Ereteil bewohnten Häuschen gesprengt und die Papiere daraus entwendet hätten, und schließt hieran folgende Be merkung : „Wer hat es getlian? Ist cs dieselbe Hand, welche den Piäreklcn des Eurc-TepartemeiitS. Barröme, ermvrdcte? Ist es dieselbe Hand, welche die Diebe und Mörder geleitet hat, die sich der Papiere des Redakteurs Herrn Portaliö bemächtigen wollten? Geichab es, um sich gewisser Briete zu brmächtigcn, die von Mit gliedern der Familie Grevy an Buy geschrieben waren?" So un geheuerlich diese Beschuldigungen klinge», so muß man doch Notiz davon nehmen, denn der „XIX, Sreele" hat bekanntlich die erste (Enthüllung gebracht, die sich vollständig bewahrheitete, und bat auch später »och in allen diesen Tinge» von einer erstaunlichen Findig keit sich gezeigt. Es täutt natürlich manche Phantasie und Ver leumdung n»k unter, aber zu dem. was Anfangs berichtet wurde, haben auch Viele nuglänbig die Köpfe geschüttelt und über Ver leumdung geschrieen, und hintiiiinch hat sich die Wahrheit des Bewahrheiteten herausgestettt. Man thut also gut daran, nichts »um Voraus iiir unmöglich zu halten. Die nnzweilclhaste Ver bindung deS Elyiec »ul Subjekten wie die Limousin, Nullazzi, Lvrciitz. B»u -c. räth »> diesem Punkte zu der größten Vorsicht. Tie wichtigeren polituchen Vorgänge haben die Aufmerksamkeit von dem Piozeffc des Brandes der komischen Oper abgezogen, der vor dem Znchlv»l>zcigcr>cht verhandelt wird. Die Zeugenansiage» und die Ncchttcrtigungsveriuche der Angeklagten geben ei» Bild kläglichster Verwirrung und der Abwesenheit jedes Verantwortlich- keitsqeiiihls von der höchsten bis zur niedersten Stelle. Der Direk tor Earvalhv bänste Brandstvff »n Thcatcr an, den Vorschriften z»m Hohn, weil es der Polizeckoinniissar nicht wehrte; dieser balle außer der komischen Oper auch noch die „Bvusses Parisicnncs" zu übc»vachen, war aber in keinem der beiden Theater, weil er auch noch andere Aintsgeschälle halte. Jeder Angeklagte schiebt die Schuld aut die Übrigen, „Was werfen Sie meine» Schützlingen vor?" fragt der StaalSanwalt den Vcrtheidiger der Feuerwehrleute. — „Daß sie nicht gespritzt haben". — „Aber cs war ja kein Waffer in der Leitung l" Man glaubt eine Parodie des Elyice-Prozcfses vor sich zu habe». Earvaiho spielt den Grevy und den Wilson in einer Perlon; er hört und sieht nicht-, als die Tageseinnahme, reitet nichts als die Kasse und veranstaltet nach dein entsetzliche» Unglück eine Bcnrsizvorstelluiig im Trocadcro, bei der alle Pariser Künstler Mitwirken und ans deren Ertrag er seinem Personal die schuldige Monatsyage bezahlt, während er den MvnatSbekrag des StaatsznichusseS in seine Tasche streicht. Tee Kommissar hat sich osscnbar seinen Exchet Gragnon zum Vorbild genommen: er be streitet Alles und erwartet den Gegenbeweis. Treuherzig ist nur der Obermaschinist. Der Richter fragt: „Warum licken Sic den eisernen Vorhang nicht fallen ?" - „Ich dachte nicht daran; ich halte Furcht und lies davon wie die fiebrigen . Tie „Rep, sranc." «heilt mit, Präsident Grevy habe sich lange mit Freycinet besprochen, jedoch ohne demselben die Mission zur Bildung eines Kabmets anzubieten. Grevy erklärte, er werde keine Mühe scheuen, uni ein Kabinet zu konstituireii, aber er wäre cnt- schlvssc», keinem verfassungswidrigen Zwange nachzugcben und weide nicht demissionieren. Die Journale erwarten eine Beendi gung der Krisis nicht vor Dienstag oder Mittwoch. Auch am Sonntag sprach Grevy mehreren Perlone» gegenüber erneut seinen feste» Entschluß aus, nicht zu dcniiisivnlren; er hoffe ein neues Kabinet bilden zu können. Stoße er dabei ans unübersteigllchc Schwierigkeiten, würde er durch den Senat die Auflösung der De- tnitirlenkaninier beantragen und würde sich dann zunickzicyc», nach dem er dem Lande duich eine Botichaft an daS Parlament seine Ansicht über die Lage, deren Ursprung, Ursachen und Folgen zu erkennen gegeben habe. Sonntag Abends ließ er Elemenceau er suchen, Montag Vormittag zu einer Konferenz inS Elysee zu kommen. — Die BureauS der drei Gruppen der Linken vermochten sich über die Einberufung «mer Plenarversammlung der Republikaner nicht zu einigen. Die Vicomtcsse Trebern hat der Untersuchungöronimlssion eine Erklärung bezüglich der Angaben Nvcheivrts zuaehen lassen und bezeichn« dieselben als völlig erfunden. Die Äicomlesse erklärt selbst die Angabe, daß sie i» der erste» Instanz ihre» Prozeß ver loren habe, sur falsch; vielmehr ist der Prozeß in erster und zweiter Instanz zu ihren Gunsten entschieden worden, indem die Kinder ihr zurrkannt wurde». Sie habe auch mit Rochcsoit niemals von ihren Angelegenheiten gesprochen. Derselbe habe höchstens ersahien können, daß ihr geschiedener Mann die Aeiißernng gethan. sie habe die ganze Magistratur für eine Million gelaust. Man habe auch ihr seiner Zeit diese Aeußeruna binlerdracht, der sie jedoch keine Wichtigkeit beigelegt habe. Rvchesort seinerseits wiederholt, daß Vicomlesse Trebern ihm vor zwei Jahren einen Besuch gemacht, ihren Prozeß erzählt und hinzugefügt habe, daß sie geneigt wäre, Wilson 500,000 Francs zu zahle», wenn er seine» Einfluß kür sie verwende» wolle. Vor der Evinmiisio» hatte Rocheiort behauptet, die Zahlung seitens der Vicomlesse Trebern an Wilson sei erfolgt. Paris. Auf dem Mmssclde arbeitet man trotz aller politischen Erregungen rüstig an den Vorbereitungen zur Weltausstellung; Zwanzig große Halle», von je M Schritt Breite und 200 Schrill Länge, ans Eisen und Blech ausgesühlt. stehen bereits ziemlich fertig aus dem Theile des MarsseldcS. der sich vor der Milstär- schnle befindet; das weitere Terrain wird von zahlreiche» Glätien durchschnitten, in denen Hunderle von Arbeitern mit der Legung der Röhren beschäftigt sind, welche die Wasserwerke speisen solle», die inmitte» von Garleuanlagen eingerichtet werden. Auf der anderen Seite des Marsseldes unweit des Trocadcro erheben sich bereits die 4 ungeheuren eisernen Füße, ans denen der Eisselthnrm vis zu einer Höhe von !j00 Nietern eiuporsteigen soll. Vier Fahr stühle werden die Besucher des Thurmes bis zur Plattform desselben besörder», nur der ei» elegantes Restaurant, das 4000 Personen Platz gewährt, eingerichtet wird. Man wird also seinen Caiö oder sei» Essen in einer Höhe von 800 Nietern bcauem einnehmeii und dazu eine beneidenSwertbe Aussicht genießen können. — Bei einem jungen reichen Mann, dem Mitbesitzer der großen Fechsichule der 1t»s cio la ObuiiMSo ci'Xutin, brach am Sonnabend der Wahnsinn in einer ganz merkwürdigen Weise aus. Er führte jcinen Coin- Pugnon und »och eine» Freund in liebcusivürdiger Weise zum T liier in das Hans seiner Mutter, war dort fröhlich und guter Dinge und versprach Beiden noch an dcniselbcn Tage eine be sondere Auimcrkiainkeit. In den Fechtsaal zurückgekcbrt, ohrfeigte ec Beide vor Zeugen, schoß sie mit einem bereit gehaltenen Re volver nieder, lodaß sie sofort iodi ani der Stelle blieben »nd jagte sich dann eine Kugel in de» Kopf, die seinem Leben sofort ein Ende machte. DaS Alles passirte innerhalb weniger Augen blicke. — In Ehatcaurvnx wurde ani Freitag der Raubmörder Pariot durch die Guillotine hinaericlstet. Er hatte die Kraft nicht, nach dem Nichtplatz z» gehen. Die Scharfrichter trugen ihn io gut wie leblos dorthin, legten ihn wie ein Packet unter die entsetzliche Maschine und vollzogen an dem bereits siebenachtel tobten Ver brecher den Akt der Gerechtigkeit. Spanien. Ganz Madrid ist in Bestürzung. Frascuelo, der aescicrle Toreador ist schwer erkrankt und man spricht von nichts Anderem in der Hauptstadt als vo» seiner Krankheit. FraScnelo war Ni» vorletzten Sonntag im Circus von eincin Stiere verwundet worden und später fand »ran, daß eine Rippe gebrochen sei und der Vor fall eine Lungencoiigestion nach sich gezogen habe. Eine zahlreiche Menge belagert fortwährend das Thor des Hauses, wo der Ge feierte wohnt. Mehr als 1500 Personen, Grands von Spanien. Deputirle. Senatoren, reiche und arme Bürger Häven sich bei dem Portier einlchreiben lassen. Die Aerzte, welche ihn bchairdeln, veröfsentlichen von vier zu vier Stunden Bulletins über sein Be finden, und die Zeitungsreportcr, welche die Schwelle belagern, tragen ihre unheimlichsten SensationSailgcn zur Schau und spießen sich an ihren gespitzte» Bleistifte» gegenseitig beinahe auf. Fras- cuelo hat nicht weniger als 800 Beileids-Telegramme erhalten. Tic Journale geben Extra-AnSgaben heraus, um das Publikum im Lausenden zu erhalten. „Es ist ein Nalional-Ereigiiiß", jagen dre Madrider Zeitungen. Belgien. In Lüttich fand eine zahlreich besuchte Versammlung industrieller Gesellschaften unter dem Vorsitze des Bürgermeisters statt. Dieselbe war einberusen worden, um gegen die Bestellung von Kanonen im Auslände Verwahrung cinznl-gen. ES wurden mehrere Reden gehalten und ei» Briet des Generals Jacmart verlesen, m welchem dieser im wirthschaftlichen, industrielle» und militärischen Interesse dl- ösfcntliche Ausschreibung der Kauonenlicferuiigeii ver langt. Tie Vermin,nlnng nahm mehrere Resolutionen in diesen! Sinne a». England. Dank den umfassendcn von der Londoner Polizei getroffenen Maßregeln ist der letzte Sonntag ruhig verlausen. Die Radikalen halten in einer Versammlung den Antrag, den am letzten Sonntag mißlungenen Versuch, mit Anwcndung von Waffengewalt und unter Errichtung von Barrikaden eine aroge Kundgebung auf Trafnlgar-Sanare zu veranstalten, nur mit sehr geiinger Mehrheit abgelchnt. Dies und die Erfahrung, daß der hanptffädtischc Pöbel sich solche Gelegenheiten zni» Plündern und zu sonstige» Ausschrei tungen nicht entgehen läßt, hat die Negierung veranlaßt, mit der Eluichwöruna von Eonstablern sortzuiahren. Unter den einge- schworcncn Spezialkonslablern waren alle Klassen der Bevölkerung vertreten. Edeltenic. Generäle, Mitglieder des Parlaments. Känf- lente, Fabrikanten, Studenten und eme große Anzahl Handwerker und Arbeiter. Ter Vereidigung ging stets die eidliche Erklärung eines Polizei-JnspektorS voraus, daß ncrnüuftige Urmchc vorhanden sei, für die Bcsorgniß, daß nächsten Sonntaa Ruhestörungen An treten könnten, und da die ordentlichen Konstabler in der Hanpt- stadk für dic Auffechlerhaltling der Ruhe nich! hinreichten, Spczial- konslabler angcslellt werden sollten. Der Leiter der städtischen Polizei, Wcirre». erließ ferner eine Klindmachiiiig. welche alle g»t- aesiiiiiten Personen ermahnt, sich nächsten Sonntag dem Trasalaar- Sguare feriiznhalte». Die eingeschriebrnen 12,OM Spezialkonilavter verrichteten Polizcidicuste in den Straße», damit alle regulären Polizeibeamten zar Bcwachnng des Trnsalgar-Square und zur Be- nuisichtigung der Versammlung im Hydcpark herangezogen werden konnten. In Folge dessen zogen am Sonntag Nachmittag die radi kale» Vereine und Clubs Londons, worunter viele Irländer, in Prozession mit mehreren Musikkvrps nur nach dem Hydcpark. Die Zahl der Theilnehmcr betrug ungefähr 15,OM. die Zahl der Neu gierigen war noch größer. Es wurden mehrere Reden gehalten und einige Resolutionen annciiommcii, welche gegen die Eimperrung O'Briens und das Verhalten der Behörden protestirten, welche daS össriitlichc Verjainmlniigsrecht verletzt hätten. Die Manifestanten zogen sodann ab. Die Mnsiklorps an der Spitze spielte» die Mar seillaise. Tie Sozialisten blieben der Kundgebung fern, man sah keine rotbe Fahne. Die Zugänge zum Trafalgar-Square wurden von der Polizei streng bewacht. In der Nacht znm 20. fand im Kanal in der Nähe von Dover ein Zniainincnsioß zwiichen dem Dampfer „Scholien" von Rotter dam und einem unbekannten Daiiipier statt, in Folae dessen der Dampfer „Schölten" gesunken ist. 2M Personen sollen, wie ver lautet, umgelomnien lein. Genauere Feststellungen liegen noch nicht vor. 50 Personen wurden durch den Dampfer „Edrv" ge rettet und gelandet. London. I» London werden an einem nebeligen Tage 150.000.0M Klibiktliß Gas verbraucht, so um letzten Mittwoch. Die Ausgaben für diese gewaltige Menge bebrüten sich ans 21.000 Pfd. Stcrl., hiervon sind 7- 8000 Pfd. St. direkt anf Kosten deS Nebels zu setzen. — Jn Ost-Kcnt ist die Masernkrankhcit in großem Umfange ausgetreten. In einem einzigen Dorfe sind 150 Schulkinder von dcrlelbc» befalle» worden. — Das Schiff Jdomese sank am Mitt woch Abend, von Rangoon kommend, in der Mazeppabay mit cmer volle» Ladung Reis. Rust>anv4 Die MoSkowskija Wiedomosti sprechen sich ent schiede» gegen das Projekt aus, wonach auch die ininderjälirigen Kinder ausländischer Eltern in Rußland natnralisirt werden können. ES liege nicht „im Interesse Rußlands, den i» Rußland wohnen de» Ausländer» die Naturalisation zu erleichtern. Es wäre viel mehr zweckmäßig, das sranzösiiche Projekt i» Rußland anzunehinen, wonach Ausländer in ihrer Eigenschaft als solche mit einer be sondere» Abgabe belastet würden". Wir sind nur selten der Ansicht des genannten Moskauer BlatleS, bemerkt hierzu die „Norddensiche Allgemeine Zeitung", m dem vorliegenden Falle befinden wir uns aber im vollste» Einverstäiidniß mit demselben. Tie Kaisersamilic ist Sonntag Nachmittag in Gatschina ein« "en. ^as „Joumal de St. Petersburg" hebt hervor, daß der Em pfang der russischen Majestäten in Berlin ein überaus herzlicher gewesen sei. Tic tiesemprnndenc Sorgiatt, mit welcher Kaiser Wil helm persönlich über die Vorbereitungen zu dem Empfange wachte, zcicstei, auf's Neue seine Anhänglichkeit an die monarchnchen Tra ditionen, sowie iiir die Fainilienbandc. die ihn mit dem rusjiicben Kaiierhause verknüpfen. Die schincrztichen Besorgnisse wegen der Gesundheit de- Kronprinzen, denen die russischen Maiestüten sich von ganzem Herzen anschlosse», brachte» es mit sich, daß den Monarchen die Bcvbachtnng eines criuüdeiiden Cercmoniels erspart und der Charakter einer Faniilienziisainnienkunft gewahrt wurde, die uni so herzlicher war, als die Umstände auf die gegenseitigen Sympathien bcwiidecs himviesen. Die Bekundung dieser Gefühle, die sich stärker als alle Plüsungen gezeigt haben, wird sichertick» beiden Souveränen thcuei gewesen sein. Wir sind überzeugt, daß die russische Gesellschaft daran thcilnehinen wirb, und dürfe» gem glauben, daß auch die deulsche Nativ» sich i» derselben Weise a» de» von gegenseitiger Zuneigung getragenen Intentionen ihres Monarchen bctheiligc» wird. Mögen dieic guten Eindrücke sich treu in de» Beziehungen der beiden großen Reiche wicderspiegeln. Bulgarien. Aul dem zu Ehre» des Jahrestages non Sliv- nitza, wo der frühere Fürst, der Prinz Alexander vo» Battenberg sich seinen KnegSruhr» holte, stattgehabten Galadiner toastete der Fürst Ferdinand ans den Prinzen Alexander und sandte >» seinem und im Rainen der Armee ei» warmes Begluckmünichungstclegrainm a» den Prinzen. Gleichzeitig wendete der Fürst 30,000 Franke» für die Hinterbliebenen der Geialtcuen von Stivintza. Estin». Ein furchtbarer Teisun wülhcte, den »ach Lon don aelaiiaten telegraphischen Meldungen zufolge, am 17. November im chinesischen Meere, der ungeheuren Scharen anrichtete. Am meisten litt unter dem Sturme die M.oM Einwohner zählende Insel Hviling, nur der über Tausend Personen in den von, Teisn» an's Land geworfenen Wogen ertranken. Unweit der Jnlel Ehilung scheiterten drei Schisse, wobei 32 Perwne» nmkame». Vermuthlich ist während des Slnrines auch ein britisches Kanonenboot, das in den chinesischen Gewässern weilte, untergegangcii. Amerika. I» New-Aork brach Nachts in den Ställen der Tramway-Gesellichaft ein großes Feuer ans, dem 157 Pferde zum Opfer fielen. Der Schaden wird aut 200,"00 Lollars beziffert. Actiilieto». -ß Der Kgl. Musikdirektor Herr Karl Niccins feiert, wie schon kurz gemeldet, am I. December das 40jährige Jubiläum als Mitglied des Kgl. Hoftheaters. Am 1. Dezember 1847 trat er. 17 Jabrc alt, als Geiger in die Kgl. Kapelle em und wurde, nachdem er 7 Jahre als Aspirant sungirt, am 1. Januar 1852 als Kgl. Kaiinneriiinsiker anaeslellt. Am 1. März 1859 übernahm ec dazu die Funktion als Evrrepelitor. Am 5. Juni 1870 «hielt Herr Niccins das Prädikat als Musikdirektor der Kgl. Kapelle, und am 1. April 1870 wurde er in Anbetracht seiner vielfachen Verdienste znm Kgl. säcbs. Musikdirektor der Hoikavelle ecnaiiiik. Herr Musik direktor Riccius begeht demnach am 1. Dezember l. I das 40jährige Jubiläum als Mitglied des Kgl. HoithcaterS und feiert dazu am 1. August 1888 lein 25jährjges Jubiläum als Chvriiicijter. Der liebenswürdige, in allen Künstlerlceisen hochgeschätzte Jubilar ist Mu siker vom Scheitel bis zur Sohle; er ist als solcher sozusagen fix' und fertig auf die Welt gekommen, denn in der Familie des Herr» Riccius wurde schon vor langer und grauer Zeit Musik getrieben. Sein Großvater, Vater, Onkel, Bruder rc. mnsicirteii Alle mit Er folg und bildeten zusammen svzusaae» ein kleines Elite-Orchester. Dieser seltene Voriheil bereitete Kart Riccius schon in der frühesten Kindheit zu der Kunst vor, die später »ein Berus werden sollte. Die höhere musikalijche Ausbildung enipsiug er u. A. von Franz Brendel, dem Kgl. Concettiucister F. Schubert (Violine), Wieck (Elavier)' Kamineruiuliker Uhlich (Theorie). Mit »aliihasten Kenntnissen durch die genannten Lehrer ausgerüstet, beiuchte er zu seiner weiteren Vervollkommnung das Leipziger Eonsecvatorium und wurde hier svezieller Schüler von Mendelssohn, Schumann, Hallptmaiiii u. A. I» späteren Jahren unternahm Riccius eine Studienreise nach Frankreich und Italien, wobei ihm seine Kenntnisse der französi schen und italienischen Sprache sehr zu Statten kamen. Ricous' außergewöhnliche musikaiiiche Begabung, sein künstlerisches Auf fassungsvermögen machen ihn besonders geeignet, seiner vielseitigen, ehrenvollen Stellung an der Kgl. Hosopec im vollsten Maße ge recht zu werden. Die u»nbcrtroffe»e» Leistungen des Hostheater- Singechors geben hiervon in erster Linie ei» beredtes Zeugnitz. Auch als Comvonist hat sich Riccius einen Namen zu machen gewußt. Von ihm sind eine Reihe tiefempfundener Lieder, Chöre rc. erschiene», welche gern und oft gesungen werden. Als größere Werke treten aus diesen Compositioucn hervor: Dithyrambe zum Schillertest in Los-bwitz, die Musik zum Tranerspiet „Mohamed und Irene", rur „Prinzeß von Amarant" und zu den Märchen- stncken „Aichenbrödel", „Der gesticiette Kater," „Schneewittchen", „Ter Däumling" rc. Dazu fcyricb Riccius viele Äelegenhetts- niiisikeii, zuletzt diejenige zu dem Fcsllpiele „Prospeco", weiches zur Feier der Vermählung der Prinzessin Maria Josepha rm Kgl. Hof- tbeater ausgeiührt wurde. Ter Jubilar steht noch heute in voller Rüstigkeit, und iiianche schöne künstlerische That ist von ihm »och zu erwarten. Mögen Apollo und alle neun Musen seinen ferneren Lebcilsgaiig beschützen und sein rühinelisiverthes Streben mit dem immer grünen Lorbeer, der Krone aller wahren Jünger der edlen Muse, krönen! H. St. f Die Soiiiltagsaufführung der „Iun gfrau von Orleans" durch die Meininger verursachte eine förmliche Völkeiwandcruiig nach dem Nesidcnzthealer. das schon früh in allen Räumen ansver- kanft war. Die Vorstellung fand wiederum enthusiastischen Beifall. Die prächtige dekorative und kostümliche Ausstattung, der Glanz der Waffen und Rüstungen, das Packende und Jnipoiiirende der Volkssceiicn. der fascinirend wirkende Vorgang vor der Kathedrale, die Schlacht- und Kciegsiceneii, alles DaS riß das Auditorium stelleinveise zn svrmlichen Jubelkitiidgebungcn hin. Frl. Lorenz war als Titclheldin vorzüglich. Sie ipielle mit hohem, künstlerischem* Schwünge ihre Rolle i» dei Auffassung einer Seherin und batte hinreißend schöne Momente, die mit vier- und sttnffnaligcn Her vorrufen ausgezeichnet wurden. Freilich läßt sich nicht verkennen, daß ihr Organ unter den großen Anstrengungen an Wohllaut merklich gelitten bat. Die prächtige Aufführung der Schillcr'fchen Tragödie, die nicht warm genug zu cinpfehlcn ist, wird durch den frühen Anfang der Vorstellung (0 Uhr) leider Manchem nicht zu- aängig: Herr Hofratb Cbronegk ist mit der Bestimmung, daß die Vorstellungen von heute ab halb sieben Ubr beginnen werden, vielfache» Wünichen begegnet. Aber auch diese Zeit kollidirt noch zu viel mit unserem Gcicbästs- und Gc>ellichc»lSIcben, und der Sieben-Uhr-Anfang wäre das einzig Richtige. Die Vorstellung wäre dann halb, höchstens dreivicrtel elf Uhr zu Ende — ein Umstand, der Vielen bcdenlcnd willkommener sein dürste, als der alle Gewohnheiten und Vervstichtungen störende trübe Anfang. -j- Hatte Tirekior Karl schon am Sonnabend Abend mit dem „Viceadmiral" einen schönen Erfolg im Earolalhcalcr in Leipzig gehabt, io war der Erfolg deS „Bettelbua" am Sonntag Abend em wahrhaft großartiger, in Leipzig bis jetzt ein nur selten erlebter. Herr Karl stellte sich an diesem Abend als Regisseur, Schau spieler und Dichter in einer Person vor, und zwar vor nahezu ans- verkauflem Hanse und unter nicht endciiwollciidcm Bestall. Nach dein ersten Akt mußte der Vorhang sich zweimal, nach dem zweiten und dritten je biennal, nach dem Schlußalt gar sechs bis sieben Mal heben, und Karl mußte neben sämmilichcn Hauptdarstellern sich wieder und wieder dein jubelnden Publikum zeigen, das sich in einer geradezu hochbegeistertcn Stiminuug befand. i Zur »zcier seines 22icihrigen Bestehens bringt der Neu - ftädter Ehoraesangvereln nächsten Sonntaa früh 11 Ubr m Sicgel's Sälen, unter Leitung des Kgl. Musikdirektors Fr. Reichet, das „Deutsche Requiem" von Brahms zur Aufführung. Als Solisten betheiligen sich an dieser Ausführung Eoncertsüngclirr Frl. Hedwig Ritter und Herr Eoiicertlängel I. Boehin. Für Mnsiktreinide soll eine beschrankte A»zalü von Eintrittskarten in der Hvimnsitalicichandlung von Georg Naumann (Maricnstraße) zur Ausgabe gelangen. -j- Einer der talentvollsten Zöglinge des König!. Eonscrvato- rinmS, Herr Hugo Rühr, wirkt gegciuvärtig mit schönen Er folgen nlS Eapellmeisler des Augsburger Stadttheaters. Zuletzt studirte ec dort die romantisch-komische Operette „Der Hofnarr" von A. Müller eilt und verdienle sich dadurch und durch seine präciie und »chwunavvlle Leitung des genannten Werkes das ein stimmige Lob der AugSburger Kritik. 7 Vorgestern ist die Wiener Hofovcr wieder eröffnet worden. Die Schließung dauerte somit 10 Tage. Die opernlose, die schreckliche Zeit, ist alio kür tue Wiener schneller vorüberge- gangen, als man anfangs gesnrchtet. s Die neue dreinclige Eomädie „I-rr konris" (Die Maus) von E. Pailleron erzielte bei ihrer erstell Aufführung an der Evinüdie Franyaüe einen glänzenden Erfolg. Ter „Figaro" nennt die No vität: das Meisterwerk emes der seltensten Talente. 8 9 sv pS. -«» ZS * Aus der Kinderstube. Der kleine Karl vergnügt sich aus seine Weise, d. h., er benutzt einen Stuhl als Droichkc und macht einen Hollenst cklakel. Die Mama möchte ihn gern los werden und sagt ihm: „Kärtchen, geh' doch zn Papa hinüber; der langweilt sich ge wiß — „Langeweile? Das ist ja gar nicht möglich, er hat ja die ganze Stube voll von Stühlen!"
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