Volltext Seite (XML)
72. Jahrgang. Al « Atesö-Allsasbe Mittwoch, 27. Januar 122« Gegründet 1838 DradlanIchrM: »achrtch»« Dr«»«. A»n>Ior«-«r - Samm»luumm»r SS 241. Dur sür vachlgrlprLch«: SO 011. -- . vom Ik. di, ZI. ganuar >22« d« ILailch »w«mal>a»r Jult»llung >r»i Lau» I SO ward. ' WLOUyr P»ftt>«zug»pr«i» iür wvnal JanuarS Word. Stdzel»»«»» >» PI»»»t,. Di» 2ln»»tg»n a»»rden noch Soldmord d»r«chn»i: di» «mipoliig, ZV mm dr»N« Anz-,g-ng>r°iIe:«.,">»VUW'FL« auk»rkoid 206 Pio offerirnnedudr 10 Dia. Aurw. Au IrSa» o»o»n Bvraiisdezakl. Schrifileilunq und Kanvig»ich<>N,iIei w»rtr»ltr»k« SS 42. Druck u. Derioq von Uirplch 4 TlotchordI m Dresden. VvUchech - lionlo 1OSS Dr»,d«»- Dachdruch nur mii deu»ich»r Quellennngov» »Dresdner Dnchr." niliisiio. Unverionai» SktinNNUlke werden nichi nuidewadri. Locarno-Geist in französischer Auffassung. Haßerfüllte Angriffe -es „Temps" gegen Deulschlan-s Forderungen in -er Desahungssrage. Beginn -er Aeichslags-eballe über -ie gestrige Regierungserklärung. — Der Tiroler Landlag will in Rom intervenieren. Die Desahungssrage. Unerhörte Sprache in Paris. Paris. 27. Jan. Di« Presse beschäftigt sich anläßlich der bevorstehenden Begegnung BriandS und Chamber- lainS erneut mit der Bcsaßungssrage im Nl»cinland. All gemein ist man der Auslassung, das, diese Frage den ersten Platz tn den Erörterungen der beiden Außenminister ein- »chmen wird. — Der „T e m p s" - A r t i k e l vom Dienstag abend enthält eine besonders schlösse Ablehnung des deutsche» Standpunktes. Die Forderung aus Verminderung der Stärke der Besatzung auf den Stand der deutschen Borkriegsgariu- sonen sei, so meint das Blatt, wegen der absoluten Ber- schiedenheil der Situationen vollkommen irreführend. Das GroS ber deutschen Truppen im Westen sei im Frieden nicht im Rheinland«, sondern ln Elsaß-Lothringen zusammcngczogen gewesen. Anderseits sei Deutschland auf seinem Boden und nicht in die Lage versetzt gewesen, durch eine Okkupation die Susrechtcrhaltung vertraglicher Garantien zu sichern. Bon einer Herabsetzung der Bciatzungstruppen. sagt der »TempS". könne um so weniger die Rede sein, als nach Mit teilungen der Berliner Kontrollkommission in der Er füllung der Abrüstungsklauscln bedauerliche und schwerwiegende Lücken bestünden. l!> DaS Widerstreben Lentschla» S gegen eine loyale Ausführung der Vertrags- beftimmungen gebe Anlaß zu verstärktem Mißtraue«. Die Neich-rrgierung berufe sich jeden Augenblick aas den Geist von Locarno, um von Frankreich neue Konzessionen z» er- pressen, ohne daß es ihr sc eingefallen sei. das ihrige zur beschleunigten Durchführung der Verträge beizutragcn. Die Politik von Locarno die eine Politik internationaler Ent- st>annung und Widerannäherung der Nationen aus der Basis der bestehenden Verträge sei. dürfe auf keinen Fall «IS Anlaß zu einer Auflehnung gegen die bestehenden Ver trüge gelten. Sie dürfe auch kür die Alliierten keineswegs eine Berzichtletstung sein. Darüber müsse man sich tn Berlin Var sei». Dieser durch seine maßlose Sprache bemerkenswerte Aus fall des Pariser Regierungsblattes steht im Einklang niit den bereits wicdcrgcgcbcncn Auslassungen der offiziösen Havas-Agentur. Der Wind hat sich in Paris und London also offenbar wieder gedreht und bläst nun den „Loeaino- Gctst" mit rauher Nordkälte an. Die Pariser Unfreundlich keiten, die durch ein entsprechendes Echo aus London ergänzt werden, kommen gerade rechtzeitig, um der politischen Aus sprache im Reichstag« den notwendigen nationalen Rückhalt gegenüber den .Kreisen zu geben, die auch letzt noch von ihrer Vorliebe sür den Völkerbund nicht kuriert sind. » Nach dem „Echo de Paris" sollen die Alliierten höchstens 'u einigen kleinen Zugeständnissen bereit sein, während sie in ber Frage der Höhe der Be s a tz u n g s t r u p p e n und der deut schen P o l i z e i k r ä ste fest bleiben würden. Das Blatt be klagt sich darüber, daß gewisse politische Persönlichkeiten in London die Politik von Locarno bis zum Ende führe« wollte«. Man habe an höherer Stelle versucht, die Wirkung des Kon- trollberichtes abzuschn»ächen und sogar seine Veröffentlichung zu verhindern. Die verbrannten Archive -er Aheinland- kommis'ivn. TirardS verschwenderische Verwaltung. Paris. 27. Jan. Ter sozialistische Abgeordnete Übrig areist tn der „Ere Nouvelle" den französischen Nheinland- kommistar Ttrard an. dem er vorwirft, daß er zwar die vielen Delegierten lm Nheinlande abaesckiasfi habe, aber trotz dem noch einen Stab von Süll Personen, darnnter SO Steno« tvvistsn---'n nnd 111 Ehavsfcnre. ausrrchterhalte. Tirard verwa't" acaenwärtla ohne Verwaltung. Er scheine selbst aufaebört zu haben, an die Wirksamkeit seines Werkes zu glauben. Viel leicht fürchtet er nur Untersuchungskommisstonen, und wahr scheinlich habe er nur aus diesem Grunde den früheren Delc- aierte» den Befehl gegeben, alle Archive zu verbrennen. Oesterreich im Konkurrenzkamps zwischen Kamburg und Triest. lBon unserem Wiener Mitarbeiter.) Wie«, den 21. Januar. In den letzten Tagen fanden in Prag und Wien Be sprechungen zwischen den VerkehrSrescrenten mtttel- europäi chcr Länder statt, welche sich mit dem Konkurrenz- Problem zwischen den norddeutschen und de« adriatischen Häsen zu befaßen hatten. Ausgerollt wurde diese Frag« von italienischer Seite. Der Kamps zwischen den italienischen und den deutschen Schiffahrtsgesellschaften begann vor «twa zwei Jahren auf tarifarischem Gebiete. In der Folg« wurde« auch die deutschen Flußdampserlinien, sowie die italienisch«» und deutschen Eisenbahnlinien in den Dienst dieses Tarif- kampfcs gestellt. Je mehr tn diesem Kampfe sich ber Sieg aus die Seit« Deutschlands zu neigen scheint, desto nervöser wirb man in der öffentlichen Meinung Italiens, was unter andere» auch in der Haltung der wirtschaftlichen Spitzcnorganisatioue» und ber Presse zum Ausdruck gelangt. Um uur einige Stimmen hcrvorzuheben: In der Mailänder »L'economia Nazionalc". sowie im „Jl Sole" wird darauf verwiese», daß der gegenseitige Konkurrenzkampf mit setn«r Drückuug der Frachtrate« und speziell der Triester Hafenmagaztntartfe t» erster Linie den mitteleuropäischen Kleinstaaten. tnSbesonderS der Tschccho-Slowakei. und Oesterreich zugute komme. Italien schlage einen nochmaligen Verständigungöoersuch mit Deutsch land vor. um das gegenseitige BerkehrSdumping abzubaue», und rate, falls gütliche Vorstellungen nicht zum Ziele führe» sollten, daß Italien von seinen Rechten als Gläubigerstaat Deutschland gegenüber Gebrauch machen möge. In dieselbe Kerbe schlägt ein am 27. Dezember v. I. vom „Popolo di Noma" tn Rom unter dem Titel „Scharfe Kon kurrenz des Hamburger Hafens für den Hasen von Triest* veröffentlicht«« Artikel; darin heißt es unter anderem: „Dte deutschen Reichsbahnen hätten die Tarif« für de» Waren- transit in einer Weise herabgesetzt, die eventuell -te Elimi nierung des Triester Hafens zur Folge haben könnte. Der neue deutsche Tarif, der schon in Kraft getreten sei, annulliere größtenteils die Vorteile des „Adriatischen TarifeS" für -e« Verkehr mit Oesterreich und der Tschccho-Slowakei. und mache dte Transporte über Hamburg billiger, als die Transporte über die italienisch-österreichische oder die italtcnisch-sugoslawifche Grenze. So z.B. würde eine Waggon ladung billiger von Laibach nach Hamburg alz von Laibach nach Triest befördert werden. Auch dte deutschen Schiffahrts gesellschaften hätten sehr niedrige Frachtsätze eingeiührt. inS- besonders auf der Linie Nennork — Hamburg sei die Fracht bei manchen Waren um Neben Dollar pro Tonne niedriger als die Fracht, die die Cosulich-Linte für den Transvort Triest —Neuvork einhebe. Diese Herabsetzung der deutsche« Eiscnbahntarif« und Seefrachtsätze bedeute eine Offensive der deutschen Bahnen und der deutschen Schiffahrt, die die schwersten Konsequenzen für den Triester Hafen haben könne wenn nicht die Triester Reedergruppe rechtzeitig interveniere. Das Blatt bemerkt schließlich, daß verschiedene Wiener Export^ firmen bereits Auftrag erteilt hätten, thre Waren über Ham burg statt über Triest zu befördern. Dte Situation batte sich Ende 1S2S besonders verschärft, da damals eine mitteleuropäische Eiienbahnkonfcrcnz. dte gleichfalls Über diese Frage beriet, ergebnislos auScinander- gcgangen war. Auch dt« jüngsten Referentcnbcsprcchunge» scheinen kein Ergebnis zu zeitigen. Und dabei ist es daS Merkwürdigste, daß politische Rücksichten die wirt schaftlichen Erwägungen übcrtönen; sonst könnte eS nicht ge schehen, daß sich die Tschccho-Slowakei aus dte Seite Italiens stellt, und die Rückkehr zur früheren Dcmnrkationslinte zwischen Triest und Hamburg, dte vom Main bis zur Donan führt, befürwortet. In Oesterreich nimmt man zwar die durch den italienisch-deutschen Konkurrenzkampf bedingten Vcrkehröverbilligungen gerne hin ohne bas Hauptziel, nämlich eine weitgehende wirtschaftliche Annäherung an Deutschland, aus dem Auge zu verlieren. Dieser Auf- fassung hat sich auch die ncugebildete österreichische Koalitions regierung angeschlosscn. welche bekanntlich aus Antrag der großdeutschen Vereinigung in vcrkehrspolitischen Frage» engstes Zusammengehen mit Deutschland als einen Programmpunkt ausgenommen hat. Letzten Endes verspricht man sich auch in Oesterreich von einer Orientierung des Außenhandels nach Hamburg und Bremen mit Recht eine stärkere Belebung der Donauschissahrt. Dr. Seipel kommt nach Berlin. Wien. 27. Jan. Wie die „Wiener Neuesten Nachrichten* erfahren, wird sich der frühere Bundeskanzler Dr. Seipel am st. Februar nach Abschluß der Verhandlungen des Tbrift- sich sozialen Parteitages nach Berlin bcaebcn. wo er sich mehrere Tage aufhaltcn wird. Dr. Seivel wird mit den» Führer der Zentrumspartei tn Berbinduna treten, und amt mit den amtlichen Stellen Fühlung nehmen. In politische», Kreise» mißt man ber Reise besondere Bedeutung bei. lT.-ttll Ae Besprechung der Regierungserklärung. Fehreubach als Sprecher -er Aeglerungs- parleien. Berlin, 27. Jan. Am NogierungStffche Reichskanzler Dr. Luther und die übrigen Mitglieder des Kabinetts. Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung steht die Besprechung -er NctchSregierungserklärung. Verbunden somit wirb der dcutschnationale Antrag über die Vorbedingungen für den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund. Mit zur Verhandlung stehen die drei Mißtrauensvoten der Deutschnationalen, der Deutichvölkischen und der Kommunisten. Gegen die Forderung der Völkischen, ihren Antrag auf Ein stellung der Höhlungen aus dem Dawcs-Plau zur Erörterung zu stellen, wird von der Linken Einspruch erhoben. Abgeordneter Fehreubach sZeutrvmi gibt tw Namen der Regierungsparteien folgende Er klärung ab: Die tn der jetzigen Retchsregierung zusaimmen- geschlosieucu Parteien der Mitte sind sich der Größe der Verantwortung bewußt, die sie mit dem Eintritt in dt« Regierung übernehmen. Nach langen vergeblichen Bemühun gen um eine von der Mehrheit des Reichstages getragene Regierung gelte es, dem Reiche endlich überhaupt eine Negie rung zu geben, und znor ein« Regierung, die entschlossen ist, verfassougSgcmäß Politik zu führen, unbekümmert um Popularität und parteipol.tische Interessen de» Kampf gegen Volksuot und Wirtschaftskrise auszunchmcn. Dte Absicht der Regierung, in Fortsetzung der tn der Kanzlerrede enthaltenen Richtlinien die deutsche Außenpolitik aus der Grundlage des am 1. Dezember in London ab geschlossenen Vertrages im Geiste der Zusammenarbeit mit den anderen Mächten und in ebenso besonderer und ent schiedener Geltendmachung deutsche Rechte fortzuführcn und auszuüben, findet unsere einmütige Billigung. Für die Teil nahme Deutschlands am Völkerbund mnß ausschlaggebend sein der Gedanke, -aß dadurch die WirkungSmöglichkeiten der dcut- schen Außenpolitik eine bedeutsame und sür verschiedene bisher noch nicht erfüllte deutsche Forderungen entscheidende Erweite rung und Verstärkung erfahren. Mit Genugtuung nehme» wir in diesem Zusammenhang Kenuftiiö davon, baß die Rctchsregicrung mit de» beteiligle» fremden Regierungen Verhandlungen cingeleitet hat, »m sie aus die entscheidende Wichtigkeit der Bcsaßungslragcn in den beiden rheinischen Nestzonen hiiizuwetieii und eine baldige und befriedigende Lösung mit aller Kraft anzustrebcn. Bezüglich der Fragen der deutschen Innenpolitik findet der Hinweis des Herrn Reichskanzlers ans die Erklärung vom 1». Januar >l)'-'it über dte grundsätzliche Einslellnng der neneu Regierung zu den Fragen der Verfassung und zu de» Be ziehungen zwischen Reich und Ländern, zu den Fragen des Beamtentums und der Bcamtcurcchtc unsere Billigung. — Aus »trtschpst-polttischcm Gebiet stimmen die Regierungsparteien der Erklärung der Retchsregierung darin zu, daß die Selbst- verteilnng der produktiven Kräfte des Landes mit allen Mitteln zu fördern ist. Sie sink» sich dabei bewußt, daß die dem deutschen Volke auserlegten Lasten die freie Entfaltung des deutschen Wirtschaftslebens aufs schwerste beeinträchtigen. (Bet Lchlnb de» Blaue» dauert die Berhandlung sort.t Das Rälfel der SNmmenverrettung. Berlin, 27. Jan. Es heißt, die Sozialdemokraten würden nicht gegen die Regierung stimmen. Im Gegensatz zu der gestrigen Stellungnahme, die wohl nur als Schreckschuß zu bewerten sei, würden sie sich der Stimme enthalten. Dte Entscheidung läge dann zunächst bei der Wirtschaftlichen Vereinigung, die bisher noch keinen Beschluß gefaßt hat. Die Fraktion wird ihre Entscheidung von der Formulierung des Billigungsantrages abhängig machen, der für die Regie rung eingebracht wird. Eventuell würde sich die Wirtschaftliche Bereinigung ber Stimme enthalten. Kalls dies der Fall ist, würde das Stimmverhältnis der Regierungsparteien zu ber Opposition ungefähr wie 170 zu 170 stehen, falls sämtliche Frak tionen vollzählig an der Abstimmung teilnehmen. DaS ist natürlich sehr unwahrscheinlich. Innerhalb der Negicrunas» Parteien scheint man aus Abkommandierungen bei den Dentsch- naiionalcn zu rechne«. ivebl langfristige vandwirsschaflskredile! Ei« dcutschuationaler Rekchstagöantrag. Berlin. 27. Jan. Dte Deutschnationale« haben einen Antrag im Reichstage ctngebracht, die Retchsregierung zu ersuchen, sofort in Verbindung mit der Netchsbank und den beteiligten Länderregicrungen Maßnahmen zu treffen, um dte zur Fortführung und Erhaltung der Wirtschaft ein- gcgangenen Wcchselverbindlichkeiten der Landwirtschaft tn langfristige Kredite zu mäßigem Zinssätze umzn- wandeln. Abg. Gchlange-Schöuiuge« 1D.-N.) hat folgende Inter pellation im Reichstage eingebracht: Es verlautet, daß die Retchsregierung beabsichtigt, eine Teillösung des deutsch- französischen handelspolitischen Problems herbeizuführen, in dem man Frankreich gestatte, die Gewächse dcS Garten- nnd Obstbaues zur Einfuhr nach Deutschland z« erheblich ermäßig te« Säßen znznlasfen. Schon durch dte Belgien, Holland, Italien gewährten Zollermäßigungen ist eine weitgehende un erträgliche A b s a tz st o ck u n g sür den deutschen Obst- und Ge müsebau eingetreten. Die Frankeninflatton erlaubt eS Frank reich schon setzt, zu Schleuderpreisen die deutschen Märkte zu überfluten. Diese ruinöse Konkurrenz würde bei erhebliche» Zollermäßigungcn sür die betroffenen schwer kämpscndcn land- wirtschastlichcn Kreise unübersehbare Folgen haben. Wir fragen die Retchsregierung, ob sic aus die schwierige Lage der deut schen Landwirtschaft keine Rücksicht zu nehme» gewillt ist und wie sie derartige Maßnahmen, falls sic wirklich geplant sein sollte», zu rechtfertigen gedenkt.