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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 22.06.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19060622025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1906062202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1906062202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-06
- Tag 1906-06-22
-
Monat
1906-06
-
Jahr
1906
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An- kii»di,un«en au, der Privatta!«Zeile L Di, . di. rivalliae Zeile LU, Lcrt- ,cile so Pi, , als Linie,andt Zeile so Ulla. 2» Slummeru nach Soau- und Aeiertune» i lvalii,« Grundteile so Vl,.. au, Privallelte «o Ps,. rlvalii,« Zeile au! Ter"eite und al» EmaeiandtsoP,,. LuSwärti,eAu,. kä,c nur ,c,en VorauSbetaUluna. Beieidlätier tollen ro P,ermi,e. Femsprecher: Nr. U und r0l»S. LouplaeschiWllkll«: Marienstr. ZS. 81bOlLVLLprSI»eL Vorrätig ä btiiok 50 kkg in nllon LpoUiolcov, Vroxvrien unä karkümoriov «r.i«s. ölNt'eae!' Neueste Drahtberichte. Hofnachrichlen, Duellfrage, Landwirlschaftsrat, Beginn des Schuljahres NM I. ?lpril, Diakoliissen- i »DD ^»»»»i 1 StzSßckE vltlrgrl. anstnlt, Gerichtsverhandliliiacn. Lage in Rußtalid. Gesangverein der Staatseisenbahnbeainten. Berliner Leben. j - a llllss, U ,D"«D» Reaefte Drahtmeldnngen vom 21. Juni. Kieler Woche. Sie l. Der Kaiser begab sich heute früh 9^ Ubr nach der Marrneakademie. begleitet von dem Generaladjutanten und dem Admiral von Müller. Auf der Freitreppe der Akademie nach der Gartenseite wurde die Bronze büste deS verstorbenen Admirals von Stosch. die Bild hauer Fritz Krauß ausgeführt bat, enthüllt. Anwesend war dabei u. L Hauptmann a. D. v. Stosch. Siel. Heute vormittag 11>/, Uhr fand in Gegenwart deS Ka lser s auf dem Linienschiffe „Preußen" die feierliche Ueber- gav« einer von den Provinzen Ost- und Westpreußen gestifteten neuen Toppflagge an den Kommandanten des Schisses statt. .Kiel. Heute vormittag 9 Uhr begann auf oem Kieler Hafen tue 2. interne Wettfahrt von Kriegsschiff- ooteu. Das Wetter ist schön. Lur Lage i« Russland. Petersburg. Nach Blättermeldungen ist in verschie- denen Truppenteilen Gärung ausgebrochen. In Sebastopol mußte ein ganzes Bataillon wegen Gehorsams verweigerung entwaffnet werden. In Rfäsan wurden die Offi ziere gezwungeu, das Lager zu verlassen. Die Soldaten weigern sich, die Wache zu beziehen. Das Zeughaus wurde eingeäschert. Den jetzt in Petersburg stehenden Kompagnien des Regiments .LVyborg" wurden die ausgestellten Forderungen erfüllt, worauf die Mannschaften den Wachdienst wieder aufnahmen. Nach weiteren Zeitungsberichten ist die Lage in Livland höchst beun ruhigend. In Rybinsk droht der Schiffsarbeiterausstand große Verwicklungen herbeizusühren. In Odessa verurteilte das Militärgericht drei Personen wegen Naubübcrfallcs zum Tode durch Erschießen, befürwortete aber Milderung des Urteils. London. kPriv.-Tel.s Die „Times" melden aus Peters- borg, daß sich gestern nachmittag in Bjelostok neue Aus- schreitungen gegen die Juden ereigneten. Die wütende Menge sei wieder in zahlreiche Häuser eingedrunaen und soll alleS kurz und klein geschlagen haben. Auch zahlreiche Menschen, leben seien zum Opfer gefallen. Nach einer weiteren Meldung der „Limes' aus Petersburg sollen in mehreren Garde-Megi- menrern Meutereien vorgckommen sein. London. „Jewish Ehronicle" erhielt von dem jüdischen Finanzmann Jakob Schiss aus Newyork eine 'Kabeldepesche. in der dem Blatte mitaeteilt wird, daß Präsident Rooieoclt mit großem Bedauern erklärt habe, daß ein offizielles Vorgeb:n der Regierung der Vereinigten Staaten in der Angelegenheit der russischen Juden Metzeleien untunlich sei. Newyork. Gestern abend wurde in der diesigen Synagoge eine jüdische Trauerversammlung aus Anlaß der Metzeleien in Bjelostok abgehalten. In der Verwmmlung wurde ein Schreiben des Präsidenten Noosevelt zur Verlesung gebracht, in dem es beißt: „Ich werde mich über die Angelegenheit 'mit dem Staatssekretär Root besprechen. Sie wissen, wie sehr wir Ihre Gefühle teilen, wie ergriffen und entsetzt wir über die Vorgänge in RMand sind. Sie wissen aber auch, daß es nahezu unmöglich ist. durch eine Intervention etwas anderes als Unheil anzurichten." Köln. (Priv.-Tel.s Gelegentlich des gestern von 300 Metzgermeistern der verschiedensten rheinisch-west fälischen Städte besuchten, in Godesberg stattgefundenen 27. Bezirkstages des Rheinisch-Westfälischen Bezirksvcreins im Deutschen Fleischervcrbandc wurde die Absendung folgender Resolution beschlossen: „Der Bezirkstag erhebt entschieden Protest gegen die von agrarischer Seite ausgestreuten un wahren Nachrichten über gesunkene Viehpreise, wodurch die Fleischpreise wieder herabgesetzt werden könnten. Es sei statistisch durch verschiedene Regierungskomniissionen, in denen Landwirte, Händler, Metzger vertreten seien, scstaestcllt worden, daß die Höhe der vorjährigen Viehpreise im allgemeinen auch heute noch besiehe. Ter BczirkSverbaiid ersieht nur in der Zu lassung ausländischen^Schlachtviehes das Mittel, die Fleischpreise wieder zu normaler Höhe zu bringen." Eine weitere Resolution fordert, daß das Schlachtvieh zu denselben Frachtsätzen wie das Zuchtvieh durch die Eisenbahnen befördert werde. Bremen. Das Schulschiff des Deutschen Schulschiss- Vereins ,,G r o ßh c rz o g i n Elisabeth" ist heute wohl behalten in Karlskrona angekommen und wird am 23. d. M. nach Travemünde weiterscgeln. , W i en. Kaiser Franz Joseph hat heute vormittag die Reise nach Reichcnberg i. B. angctreten. Paris. In dem heute veröffentlichten Abschnitte seiner Denkwürdigkeiten berichtet der frühere K r i e g s m i n i st e r Andrö über die Umstände, unter denen der ehemalige Vize präsident des Obersten KriegsratcS, General Gamont, zur Dis position gestellt wurde. Andrä weist darauf hin, daß Gamont bei zahlreichen Gelegenheiten ohne jede Zurückhaltung seine klerikale und nationalistische Gesinnung zur Schau trug. So sei Gamont eines Tages zu einer Sitzung des Obersten Kricas- raies gekommen und habe dem General Nismes, dem Präsi denten des Artillerie-Komitees, zugerufen: „Sagen Sie einmal. Nismes. was ist denn das m.t den Artilleristen Hartmann und Ducrois, welche sich erlaubt haben, für Drcysus günstig aus zusagen'? 'Lchafsen 2>e da doch Ordnung!" Drontheim. Prinz Heinrich von Preußen ist heute vormittag 11 Uhr an Bord des Kriegsschiffes „Prinz Adalbert" hier eingctrofsen. Peking. Der französische Gesandte Unterzeichnete die Bedingungen des Uebereinkommcns wegen der jüngsten Nie- dermetzelungvon Missionaren in Nangking. Frank- reich erhält eine Entschädigung-"'»»» 200lt00 Tacls. d. i. die Hälfte von dem. was es ursprünglich gefordert hatte. China verlangte die wesentliche »erabnn'nderung der französischen For derung unter dem Antriebe der heftig opponierenden offiziellen chinesischen Presse. Oertliches unv Sächsisches. Dresden. 21 Juni. —* Se. Majestät der König begab sich heute früh mit dem Erbprinzen von Sachsen-Meiningen nach Zcilhain zur Besichtigung des 17. Ulanen-Regiments. Der Monarch- kehrte mittags nach Dresden zurück, besuchte hier den Kunslsalon von Richter, Prager Straße, und weilte hierauf kurze Zeit im Rcsidcnzjchlosse. In den Nachmittagsstunden kehrte er nach Villa Machwitz zurück. —* Verschiedene auswärtige Blätter lassen sich aus Dres den melden, daß sich Koni a F riedrich August über die Duellsragc geäußert habe. So berichtet die Berliner „Post": „Ein Dresdner Duellfall hat dem König Friedrich August Ver- anlcffsung gegeben, sich über den Zweikampf zu äußern, und er, der über alle täglichen Vorkommnisse in seinem Lande aufs eingehendste sich informiert, hat seiner Mißbilligung über das Duell in unzweideutigster Weise Ausdruck verliehen. In einem kleinen Kreise von Offizieren, die König Friedrich August vor kurzem bei Gelegenheit einer militärischen Besprechung um sich versammelt hatte, brachte der Monarch aus eigener Initiative das Gespräch auf das Duell, veranlaßt durch die in jüngster Zeit bei den Dresdner Gerichten erfolgten mehr fachen Verurteilungen von Duellanten. Der König hat, in dem er betonte, daß auch sein seliger Vater, König Georg, ein Gegner des Duells gewesen sei, die Erklärung abgegeben, daß er seinem Vater aus diesen Spuren folgen werde. Nach einer anderen Darstellung soll sich König Friedrich August da hin geäußert haben, „daß auch er. ivie sein seliger Vater, König Georg, de» Zweikamps aus tiefster Seele verabscheue, und er werde stets das Seine tun, den mittelalterlichen Schutt aller veralteter Standesoorurteile beiseite räumen zu hel»«n!" - Wenn diese Angaben einen höheren Wert erlangen sollen, müß ten sie authentisch bestätigt iverden. Die Angabe, daß der König seine Ansichten über die Dnellfrage „in einem kleinen Kreise von Offizieren" kundgegeben hat, deutet bereits ohne weiteres daraus hin, daß sie für eine breitere Ocfsentlichkeit nicht bestimmt waren. Die Form, in welcher die Auffassung hier wiedcigcgeben wird, macht aber auch den Eindruck des Tendenziösen. Daß König Friedrich August sich über das Duell anläßlich gewisser Vorkommnisse in letzter Zeit geäußert hat, ist wohl möglich, und es ist wahrscheinlich, daß dabei Worte aus seinem Munde gefallen sind, die auf tunlichste Einschränkung des Duells abziclen. —* Am Montag weilten in Lauenstein die Herren Kreishauptmami Tr. Rumpelt und Amtshauptman» Dr. Mehnert, »in von dem Bürgermeister und dem Vertreter der Gutsherrschast, Oberförster Stolze, Vorschläge hinsichtlich der Huldigungen ent- gegeiizimelniicii. die beini Besuch desKönigs, der in der zweiten Juliwoche in Lauenstein erfolgen soll, geplant sind. —* Der Erbprinz Tanilo von Montenegro traf heute hier ein und nahm im „Europäischen Hos" Wcchnung. —* Der ägyptische Prinz Ibrahim Helim, der mehrere Jahre in Loschwitz wohnte, hat seinen Wohnsitz nach Bayern verlegt. —* Das Requiem, das am 19. Juni sür den verewigten König Albert ausgeführt iverden sollte, findet wegen der Fronleichnamsoktao erst Sonnabend, den 23. Jum, 11 Uchr statt. —* Infolge der sich immer mehr häufenden Arbeiten, die jetzt vom Oberbürgermeister zu erledigen sind und die sür die Dauer nicht mehr von einer Person bewältigt werden können, wird den beiden städtischen Kollegien demnächst eine Vorlage, betreffend die Beschaffung einer neuen selbst ständige n Arbeitskraft beim Rate zugehen. Die Durchsicht der sich allmonatlich vermehrenden Eingänge, der Berichte an die Oberbehörden, der Ausfertigungen an die Stadtverordneten nimmt neben der Spezialregistrande für Rats- archiv und Bibliothek, Nechnungsamt und Statistisches Amt. der Teilnahme an den zahlreicl>en Sitzungen und unzähliaek mündlichen Unterredungen so viel Zeit in Anspruch, daß hie Kontrolle und eigentliche Leitung der Ratsgeschäste beeinträchtigt werden muh, wenn auch noch größere organffatorische Arbeuen die Tätigkeit des Oberbürgermeisters in Anspruch nehmest. Von diesen mußten aber, weil die Vorstände anderer Geschäfts stellen dafür keine Zeit hatten, oder weil ihnen durch ihre Spezialtätigkeit der notwendige Ueberblick über die gesamten einjchlagenden Fragen mangelte, zahlreiche Angelegenheiten bei der Tirektorial-Registrande erledigt werden. Es fei hier nur an die Erwerbung der Straßenbahnen, an,die Arbeiter-Ord nung, an die Frage der Organisation des ärztlichen Dienstes, an die Ncuorganffation des AnstaltSwcsens, an die Beseitigung der Ruhcstaiidsuliterstützuiigsberechtigling und die damit zu- sanimcnhängenden Fragen der Krankenversicherung städtischer Bediensteten und dergleichen mehr erinnert. —* Morgen früh 9 Uhr tritt im Sitznngssaale des hiesigen Landwirtschaftlichen Kredit - Vereins der Deutsche Landwirt- schaktsrat zu einer Sitzung zusammen. Mittags V22 Uhr werden sämtliche 32 Mitglieder in corporo von Seiner Majestät dem König in Audienz empfangen und zu einer Früh- stückstasel hinzugezoaen. Nachmittags von 3 bis 6 Uhr werden die Verhandlungen fortgesetzt, und für abends sH7 Uhr hat Herr Geheimer Hosrat Dr. Mehnert die Mitglieder zu „einer Dampferfahrt bis nach Rathen und zurück tingelnden, während welcher ein Imbiß eingenommen wird. Sonnabend vormittag werben die Verhandlungen wieder ausgenommen, nachmittags findet ein Besuch in Schönfeld bei Herrn Baron von Burgk zur Besichtigung des dortigen großen Gestüts statt, und sür Knust und Wissenschaft. ff* Der Gesangverein der Staatseisenbahn-Beamten zu Dresden beteiligte sich am gestrigen Konzert in der Kunst- gewerbe-Ausstelluiig mit einer Reihe von Chören. Solo- und Dovvelqnartetteii. leider unter recht ungünstige» äußerlichen Ver- Lältnissen. Die Witterung schlug gerade im Moment um. als die Vorträge beginnen sollten, zunächst nur in der leisen Mahnung eines drohenden Gewitterregens, dann aber in einem regelrechten anhaltenden Guß. der jede Hoffnung aiff bessere Aussichten zu Nichte machte. So standen schließlich die Sänger mehr im Kampfe mit den Elementen, als im Dienste der Mulen. Trotzdem wurde vor einigen Hunderten von aiisgespannten Regenschirmen und der Piano-Begleituug eines contiiuiierlicheii Tromnielregens mit der gewohnten Hinaebung. mit dem gleichen Ernste und Fleiße gc- simuen, wie eS dem Chor bisher in allen seinen Leistungen nach- zuruhmcn ist. Unter Herrn Max Jüngers vortrefflicher Leitung sangen die Herren das volkstümliche (von Jüngst bear beitetes „Innsbruck, ich muß Dich lassen", Pnches „Waldeinsam keit". EngelSbergs „Muttersprache", Wagners „Elsula" und ThullcS .Landsknechtslied". Bis zu diesem Abschnitte des Programms ließen sich dle Feinheiten und Akkuratessen des Vortrags von denen, die unmittelbar vor dem Konzertpodium standen, immer noch mit Interesse verfolgen. AIS dann aber unter verstärktem Gegen von oben die Solo- und Doppelquartette an die Reihe Ivmmen sollten. ließen auch die standhaftesten der Hörer den Mut sinken. Es blieb, da die gedeckten Räume der Ausstellung nur der kleinsten Zahl der massenhaft erschienenen Besucher Schutz zu bieten im stände sind, nichts anderes übrig, als den Konzert- Platz stnchtartia zu verlassen. Hoffentlich gibt uns der ausgezeich nete Ebor tm Laufe des Sommers Gelegenheit, ihn unter äußer lich günstigeren Verhältnissen wieder zu hören. ü. 8t. Berliner Leben. ... L. Berlin. 20. Juni. Ein richtiger Berliner Weißbierphilister. der nur seine „Morgenpost" oder gar den „Vortvärts" liest, stellt sich unter einem Landwirt einen Menschen vor. der den ganzen lieben Tag auf Bärenfellen liegt, Austern und Sekt zu seiner Zer streuung schlürft und unaufhörlich nach Staatshilse schreit, womit sein Toaeswerk im großen und ganzen vollbracht ist. Ein richtiger Agrarier wiederum, der seine Weisheit nur aus einem landbündlerischen Blatte schöpft, stellt sich unter Berlin eine Riesenstadt vor, die vorwiegeird von Börsenjobbern be völkert ist. die tagaus, tagein Coupons schneiden und für nichts anderes Sinn und Verständnis besitzen. Der uralte und untilg bare Gegensatz zwischen Stadt und Land verkörpert sich in diesen beiden Typen besonders kraß. Da ist es doppelt erfreulich und nützlich, wenn stch einmal diese demselben Vaterlande on- oehörenden Gegenfüßler nübertreten und sich etwas besser kennen lernen, wie dies durch die soeben geschloffene landwirt- schriftliche Ausstellung in Berlin geschehen ist. Mit wachsendem Staunen sehen da beide Teile, wie schlecht sie sich gekannt und beurteilt haben. Die Berliner, die von der Land wirtschaft meist keinen blauen Dunst haben und oft nicht Hafer von Gerste zu unterscheiden vermögen, machten nicht schlechte Augen, als sie diese gewaltig große Ausstellung durchwanderten und die Frücht« einer außerordentlichen Arbeit und Krast- anstrengung bewunderten. Ihnen, die selbst unermüdliche Arbeiter sind und ständig ernrn heißen Kamps ums Dasein zu bestehen haben, imponiert nichts so sehr, als harte, ernste Arbeit. Daß auch dem Landwirt- davon ein reichlich Teil zu- gemeffen ist, daß «r sich weidlich plagen muß, um dem mitunter kargen deutschen Boden die Erzeugnisse abzuringen, die wir alle zum täglichen Leben brauchen, konnten sie hier förmlich mit Händen greifen. Sie sahen, daß die Landwirtschaft, wenn sie es je gewesen ist, längst ausgehört hat, «ine Sinekure für be» queme und unwissende Leute zu sein: daß der deutsche Land- Wirt, wenn er nicht arg ins Gedränge kommen will, genötigt ist, sich alle Fortschritte moderner Wissenschaft und Technik anzu eignen und nutzbar zu machen Eie erkannten, daß der angeb liche Gegensatz zwischen Industrie und Landwirtschaft praktisch immer mehr geschwunden ist. indem sich die Industrie in den Dienst der Landwirtschaft gestellt und ihr ständig vervollkomm- net« Waffen für ihren heißen Daseinskampf geliefert hat. Die ost beklagte, aber durch die industrielle Entwicklung deS Deutschen Reiches unaufhaltsame Landflucht Hot unsere Landwirtschaft der besten, billigsten und geübtesten Arbeitskräfte beraubt. Di« steigend« Nachfrage der oeffer rahlrnden Industrie, di« vielfache». wenn auch oft nur äußerlichen und icheinbaren Vorzüge de- Stadtlebens. die allgemeine Wehrpflicht und endlich die Eisen bahnen wirken in dieser Richtung so überwältigend, daß eine durchschlagende Abhilfe aussichtslos erscheint. Aber die Industrie, die der Landwirtschaft diese Wunde geschlagen hat. sorgt auch nach Kläffen für eine Heilung, indem sie ihr die großartigsten Maschinen herstellt, die Mem'ckienkräste ersetzen und entbehrlich machen. Natürlich ist dies nicht überall möglich, aber doch vielfach. Wie vielfach, das haben die 10 000 Maschinen und Geräte dieser Ausstellung gezeigt. Zum Pflüge», zum Streuen des Düngers, zum Säen, zum Bearbeiten der Frucht, zum Mähen und Dreschen sind Maschinen vorhanden, di« einen vollen, ja überreichen Ersah für menschliche Arbeitskräfte bieten. Sie funktionieren tadellos und sind verhältnismäßig billig geworden, lodaß sie auch für mittlere und kleine Besitzer nicht mehr unerschwinglich sind. Der Mschluß dieser Entwick lung ist noch nicht entfernt abzusehen. Immer neue Erfindungen werden auf diesen Gebieten gemacht, und Hand in Hand damit schreitet auch die Landwirtschaft immer weiter. Sie hat zu« Teil selbst die Bereitung von Dauerwaren aus ihren Erzeug nissen in die Hand genommen und sich Nebenbetriebe zugelegt, die noch vor kurzem nur für Industrie und Handel in Betracht kamen. Obst- und Saftpressen. Dörrapparate zum Trocknen von Obst und Gemüse und ähnliche neu erfundene Geräte fetzen sie in den Stand, den Wert ihrer Erzeugnisse wesentlich zu steigern. Wie sehr davon Gebrauch gemacht wird, bewiese« die zahlreichen Ankäufe solcher Maschinen und Geräte aus dev Ausstellung, die auch in dieser Hinsicht einen vollen Erfolg gv- hobt hat. Sie ist die 20. gewesen, welche die Deutsche Landwirtschaft-, gesellschaft bisher veranstaltet hat, aber die erste, die nicht mit einem Fehlbetrag, sondern sogar mit einem ansehnlichen Üebev- ichuß abgeschlossen hat. Man muß sich nur veroeqenwärtige», daß diese Ausstellung, mit Rücksicht auf ihr lebendes Inventar, nur wenige Tage dauern kann, sechs im ganzen, und daß die Unkosten enorm sind. Nun hatte man ja allerdings auf «inen außerordentlich, starken Besuch von vornherein gerechnet. Aber diese Erwartungen sind noch beträchtlich überirosf^ worden. Allein am Sonntag hatten 120 OM Personen die Ausstellu»- besucht, im ganzen batte sie 820 000 zahlende Besucher auf»»,
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