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Dresdner Nachrichten : 12.02.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-02-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192202123
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19220212
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19220212
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Unvollständig: S. 15-16 fehlen.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-02
- Tag 1922-02-12
-
Monat
1922-02
-
Jahr
1922
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 12.02.1922
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Glocken. Bei Sturm und Wetter, doch mtt grobem gilbet und freudigen Herzen holte die EmmnuS-Gemetnbe zu Dresden» Kaditz ihre neuen Glocken ein. Ein SiegeSzug von Treu und Glauben — in der Jctztzett -- war es. Mancher, der den langen Zug der Gemeinde — Grob und Klein, Alt und Jung und die vielen Netter — an sich vvriiberziehen sah, meinte: ist so etwas noch notwendig? Ja. Dir mein lieber Freund, grober Materialist und Mammonögötze, möchte ich nur drei tleinc Bildchen and dem Glockenleben zeigen. lktu Schlafzimmer lm Abcnddäuimerscheiu. Lin Innges Welt» gebar unter grobem Schmerz ihr erstes Kind, stellend streicht die Hand lhreS Gatten tiber ihre Wangen, und schwach kommt eS von ihren blassen Lippen: Wir wollen beten. — Und betm Amen der beiden Tankenden, gleichsam als Ant wort, beginnen die Abendglocken zu läuten. Stiller heiliger Friede und Glückseligkeit. » Ein herrlicher SvnntagSmorgcn im Mai. Ter Baler geht mit seinen zwei Kindern den Wiesenweg nach den, Tännigt. Die Tautropfen glitzern noch in der Mvrgensonne und der Morgenwind spielt in den Nadeln der Kiefern. Da, — ein harmonisches Klingen zittert durch das Waldes rauschen. Tie Glvclen von Kaditz rnscn zum Gottesdienst. Inch d>e von Nadebcul, Kötzschenbroda und Briesnitz. „Hört thrS, ihr Kinder?" Der dreijährige Bub und das vier jährige Mädel stehen und lauschen mit groben, runden, bellen Augen und offenem Munde. — „ES ist Sonntag!" Ja, es ist der Tag des Herrn." littst war's. Verschiebung an der Front. Die Kviiipagilic schleppt sich, ermüde! und matt vom langen Nachtmarsch, durch Moor und Sand. Langsam schiebt sich der Hrerivnrm norwärt». Sb unter diesen vielen Helmen noch zwei, drei Gehirne denken? Niemand fragt wohin es geht es ist gleich. Da, ein Kamerad — „se lauten ". Von weither bringt der Morgenwind Glockengeläut. Wie ein heiliges Feuer gebt eS durch die erschöpften Krieger. „Ist Friede?" Diese Frage war wohl die erste. Dann kam cs zögernd: ..Vielleicht ist heute Sonntag?" „Seit wann haben wir keine Glocken mcbr gehört?" „ft, Jahr", „1 Jahr", „1>- Jahr?" Wer kann eS mit Bestimmtheit sagen? Wie viele Kameraden schrieben in ihr Tagebuch: ..Nach langer, schwerer Feit börte» wir wiedcrmal Kirchcnglocken." Erich Kran b e. Dom Atter -es Menschengeschlechls. Von Rudolf Hundt Wein ubea: geschriebene Urkunden hinaus reicht die Kenntnis vom Menschen. Selbst Knochen seines Skeletts weisen nicht in die Vergangenheit zurück, in die uns die ersten ha.idgcfcriigteii Werkzeuge aus Sein hinüberführen, di« er für sich »nd seine ersten sjppenvermanötschaftlirhen Tädlgbeiteu brauchte. Was wir Kultur im engeren Sinuc nennen und an die Völker der Chinese», Aegypter, Griechen knüpfen, ist nur ein winziger Teil einer Menschüettseniwick- lung, die »ach manchem Forscher schon Im Tertiär eimetzte, aider ganz bestimmt bereits im Diluvium, der Zeit der groben nvrdttchcn Jnlandvereisungcn. eine gewisse Höhe er- reicht hatte. Man hat versucht, daS erste Auftreten deS Menschen in Deutschland zur Eiszeit zeitlich sestzuleigcn. Dabei m»b man immer und Immer wieder gerade Laienkreisen sagen, dab alle solche Zcitsestsetzungen relativer Natur sein müssen, weil wir für geologisches Geschehen Dein Zeitmaß kennen. Und die Menschhcttscnttvicklnng in ihren allerersten An fängen ist so eng mit geologischen Ereignissen, mit den Eis zeiten verbunden, dab man ans sie in iedem Falle zurück- kpWwcn must. Man weist, dast der Mensch die Eiszeiten NordeuropaS mit erlebt har Es kamen in der geologischen Vorzeit, die unserem sogenannten Alluvium als Diluvium vorangiug, wahrfcheinttci» viermal Eismasscn von der Strulinr der EiS- masten aus Grönland oder am Nord- oder Südpol von Skan dinavien »acl, Deutschland gewandert. Stach den neu-ftten Forschungen Jaekcls in Greifswald haben wir in Rügen Anz«i«l>eir für eine viermalige Vereisung, während in Nord- deutschland drei mal, im an bersten südlichen Mitteldeutschland uwr einmal daß nordische Inlandeis ans seinen ans- gefchütteicn Ablagerungen zu erkennen ist. Der Mensch Hai also einen groben Teil dieser Eiszeiten miterlebt. Er ^og dem abschmelzenben Eisrand ständig nach, weil dabei Land eisfrei wurde, auf dem sein Jagd wild Nahrung fand. . . ^ ^ . Man bat nun versucht, ans der Stärke der vom Inland eis nvgesetzlen Erdschichten Beitrage zur Altersbestimmung zu gewinnen. Südschweden Hai zu dieser Frage sehr wert volle Daten geliefert. Als das Eis zur letzten Eiszeit in Sudschwedcn nach Norden langsam abichmolz. vergingen gegen 600» Jahre. Für die seit dem letzten Rückjchmelze» verflossene Beit, also ttlr die NacheiSzeli, bcreclrnet der Berliner Gelehrte Werth löllOO Jahre. Die Südgrenze der letztem nordischen Jnlandvereisung war die Ostsee, die groben inssiftln:» Seen, das Weibe Meer, Onega, Dwina, Mesenbat. Seit dem Rückschmelzen aus diesen Breiten sind nach Werth rund 26 «MO Jahre vergangen, »acl, Penck gegen 20Mi Jahre und nach Olbrichi gegen !>l 0«>0 Jahre. Die Menschen der Magdalcnienzeit. die sich durch steinzeitlichc Kunskbetäti- girng auszeichnen, stehen am der Schivellc dieser Perrod-e. Die SpüteiSzeii und Magdalenienzcit reichte also nach Wertl, dann von 28 000 bis 0000 v. Ehr., ivährcnd die Ent wicklungszeit der Ostsee in die AnculuS- und Litorina- periode »on 0000 bis 6000 v. Ehr. reicht. Dieser ncucrcn Steinzeit schliebt sich eng di« sogenannte Metnllzcit an. in der wir heute noch Immer leben. Die Niagarasälle sind seit den Magbalenien, wo sie noch eisfrei waren, in schätzungsweise 80 000 bis 86 000 Jahren zurttckgewanderl zu der Sielte, wo sie heute am «tzcstein nagen. Die Knlkttifsablagcrnnge» vo-n Weimar. >n denen Menscheureste gesunden wurden, sind unter ähnlichen klimatischen Verlrältnissen. wie wir sie imtte kennen, in der sogenannten letzten Ami scheue IS zeit abgelagert worden. Das EiS «var damals eine Zeitlaug nach Norden zurück- geschmolzen, nm daraus ein letztes Mat nach Süden vor- zudrmgen. DaS liegt uach Beieckmungen "0000 bis 80 000 Jahre zurück. Bei Leipzig Hai man »m Markklceberg herum bcarderiete Feuersteine gesunden, die von Menschen zurechtgeschlagen worden sind. Die Schotter gehören i>n die zweite gröbtc Ver- cisirng, die bis sehr weit nach Mitteldeutschland herein, bis an die Mittelgebirge, vordvang. Diese Zeit mag bis >00000 Jahre zurüültcgen. Sin vielen anderen Stellen unseres Vaterlandes hat sich der älteste Mensch gezeigt. Vis ans Ende der Mindel-Nist- ZwischcnciSzeil. die zwölsmal solange wie die Nacheiszeit wahrte, lebte der Mensch. Man kann seit dieser Zeit 260 000 Jahre für verflogen ansehe». Der älteste Mcnschcnrcst ist uns in einem Unterkiefer von Mauer bei Heidelberg bekannt geworden. Er hat in der sogenannten Günz - Mindel - Zwttcheiielszcrt gelebt, die gegen 320000 bis 600 000 Jahre zurückliegt. Der Mauer- menlch war Zeuge des aussteigcnden OdenwaldeS. Olbrichi hat für die ganze Zeitspanne, die van der Eis zeit erfüllt wird, 120000 Jahre errechnet. Penck hält eS nicht für ausgeschiosic«, das, man die für daS Alter des Menschen geschlechts gefundenen Lseric nur 60 bis 100 Prozent erhölicn kann, so dab der Mensch seit einer Million Jahre ans der Erde ivandelf. Lore an -er Börse. Von Martin Feuchtwangc r. Lore ist eine eifrige Zeitnngslcserin. Sie studiert zuerst die VerlolmngS-, VcrmählungS- und Geburisanz-ig-cn, daun wendet sie sich dem Roman zu, um sich schließlich in die Mode beilage, in die GcriMSberichte und in „Vermischtes" zu ver- !-c»en. Plötzlich beginnt sie sich für den Handelstctt zu inter essieren. Sic studiert den Devisen- und dem Efsekicinnarkt. Ihre Lektüre ist verdächtig. „Lieber Peter" sagt sie eines schönen Tchzes, ,.Dn wirst mir zugebcn, da» Tu Dich von morgens bis nachts abrackerst, dab Du unermüdlich arbeitest. mährend andere die Hände in den Schob legen und ein schönes Leben »nbre». Gibst Tn daS zu. Peter?" .Häivohl, liebe Lore, Tn hast reck;», wie immer." „Und warum tust Tn daS? Bitte, gib mir Antwort!" „Liebe Lore, das Leben ist teuer. Deine Toiletten, Deine Theaterbesuche . . ." „Meine Toiletten? Ich habe doch bekanntlich nichts an- »»ziehen, nichts! Ich getraue mich ja schon nicht mehr ans die Straße zu gehen. Meine Freundinnen lachen mich aus. Und eben darum will ich Dir einen Vorschlag machen, wie Du mühelos Geld verdienen kannst. Spielend, ohne nur einen Finger zu kräuimcn. Also bitte, siech' her: Sächsisch« Kvenrolinwerke, Stehen heute 010. nicht? Und an der ver gangencn Börse 876 und am der vorhergehenden «00 HStt-est Du Dir an der Börse vorige Woche auch nur >0 Kremvlir gekauft zu 000, so lrältest Tu heute 10mal 2600 Mk. oerüieni das mach« 26 000 Ml. Und ich hätte mir Toiletten kaufen können, Kleider, sage ich Dir, Elln und Erna und Heb! wären geplatzt . . „Ganz schön und gut. Aber erstens Hütte ich dazu «9000 Mark haben müssen. Und ich brauche mein Geld für da.« Geschäft dringend nötig. Und dann hatte daS Papier s,i ebensogut fallen können . . ." „Aus ge schlossen! Erstens steigen jetzt alle Papier« und zweitens kann mir T-ein Schwa ge c Ludwig so gut« Tips geben, das: wir verdienen müssen. Sieh' an. Peter, ich brauche ein Mantelkleid und e'nen Abendmantel so dringend nötig, daß Tn mir direkt leid tust, wenn wir Uber die Strotze gehen und Tein« Fr-eiuide hinter Dir her spötteln . . . Peter wtr gehen morgen zusammen zum Bankier und laufen uns Papiere und nächste Woche haben wir soviel verdient, daß Du mir nicht nur das Mantelklcid und den Abcndmantel nnd die Erepr-dc-chin-c-Biuse . . ." „Lore, üb spekuliere nicht!" , Zwei Tage lang sprich: Lore mtt mir kein Wort. Am Abend deS zweiten Schwcigelaqcs verkündet sic: .Hatten wir Menanto gekauft, in zwei Tagen 12 000 MT! Das Mantel- kleid. den Avendmanteh die Erepe-dc-chine-Blule und «in Uhrarmband . . ." Am vierten Tag >veile ich meinem Bankier 10 000 Ml am, Konto Lore. Sie kann damit Papiere taufen, welche sic null. Lore hat keime Zeit mehr, sich mit mir zu unterhalt«« Im Salon und im Speisezimmer häufen sich die Kursberichte der verschiedensten Blätter. .Ich l-abc Kremoltn gekauft," sagt sic am fünftem Tag „Ein wirklich gesundes Papier. Sic stehen v«0. Ein einziges Papier allerdings nur. Aber immerhin. Sie komme» spielend auf 2000. Dann haben wir wenigstens 10 000 Mi verdient." Nie in meinem Neben stabe ich Lore aufgeregter gesehen alis am nächsten Tag. .Weißt Du, wie hoch sie sieben, Peter?!" .Woher soll ich das willen? 1000?" ,.1000? Lächerlich! 1100. jage und schreibe: eintausend- cinhundertncunzig. Wir haben geschlagene 2300 Mk. ver dient. Hätten wir zehn Stück gelaust, so hätten wir 23 00> VLank verdient. Hättest Tu vor zwei Monaten begonnen und Dein ganzes Geld in Papier«,, angelegt, wir wären heute Mllionäre. Ich hätte rin Auto und eine Villa . . " Am nächsten Börjentag stellen sic tatsächlich 1200. „3000 Mark. Peter!" sagt Lore ernst. „Ich halte sie nicht mehr lange. Ich habe sie mtt 2200 limitiert. Ich will nicht un bescheiden sein. Tann haben mir 12100 Mt. verdient. Das genügt mir. Heute nachmittag mach: ich meine Einkäufe. Das Mantelkleid, den Abendmantet, die Erepc-dr-chine Bluse und das Uhrenarmband . . ." Lore kauft ein: das Mantelkleid, den Abeudmanlcl. zwei Crcpeche-chinc-Vlnsen, ein Uhrcnarmband. vier Paar seidene Sdrckurpfe und zwei Paar Lackschuhe. „Fabelhaft billig, Peter, sagt sie, „alles zusammen nur 7000 Mk. Bleiben 6000 Mk. Nein, ich bin keine Egoistin. Du magst Dich wehren oder nicht, mit den 6000 Nil. ttimse ich Dir ein goldenes Zigarrenetui." lind dann setzte die Baisse ein: Kremoün 1100, Kremolin 060, Kremolin 790. Sie stellen 606, und Lore weint bittere Tränen. „Hätte ich sie nur verkauft! Aber das hat man davon, wenn man Euch Männern einen Gefallen :un will. Hätte ich auf das goldene Zigarrenetui verzichiet, so hätten wir 600«! Mk. verdient . . ." Ich würde sie jetzt nicht verlausen. Lore. Wani-e doch, sic werden schon wieder klettern." Aber Lore läßt sich nicht mehr halten. „Nock, weiter inanen!" faucht sie mich an, „nein, ich bin leine Spcknlantin. Ich verkaufe sie aus alle Fälle. Ich setze unser Geld nicht aufS Spiel. Lieber will ich in Säcke gehüllt hcrumlausen..." „Na, Lore," sage ich, nachdem die Aktie verkauft ist, „der Spaß hat »ns 30<l0 Mk. gekostet. Wir wollen eS nns ettre Lehre sein lassen." Lore mißt mich mit einem Blick, in dem die ganze Ver achtung des weiblickntti Geschlechts dem urännlichen gegen über liegt. „Du kannst Dir Deine Vorwürfe sparen. Aber wenn Tu schon so genau bist im Rechnen, dann möchte ich nur sagen, dah sämtliche Kleider augenblicklich ganz kolossal s 6> «» s. NSSSW Es gibt zweierlei Takt: formellen und Hcrzenstakt. Jener vermeidet da? Unschickliche, dieser das Unzarte. E» ist schwer. Len ersten sich zu erwerben, er lernt sich nur Lurch lange, gesellige Uebung. Der Herzens» oder Seelentakt aber läßt sich nicht erlernen, man hat ihn oLer nicht. Ulan kann ihn haben unL Len formellen nicht, man kann Liesen haben unL keine Spur von H«zenstaft. Zx. T». vlsch«. Der Fleck. Skizze von H. Zschokkc Wenn sic durch das Zimmer ging in ihrer leichten, -ra-iösen Anmut, den seinen HalS etwas zur Sette geneigt, ein leiscö kokettes Lächeln in den groben Augen — in ihren zarten wunderhübschen Kleidern, die immer von neuem seine Bewunderung und sein Erstaunen hervorriescn, so hätte er sie am liclisucn tu seine Arme gerissen nnd das Bekenntnis der Liebe ihr von dem schelmttmcn Munde geküsst. Er liebte sie. liebte sie ia, wie er niemals glaubte empfinden zu können ^ und daß sie dieses Gefühl mit der gleichen Wärme er widerte. bemerkte er au dem Erbeben ihrer kleinen, weißen Hände uni» an dem lichten Erröten, mit dem sie ihn begrüßte. Er fühlte auch, wie >ebmüchtig sie aus das erlösende Wort harrte, wi« ihr süßer Mund dem seinen cutgegenglühte und wie ihr Herz brannte, an keinem zu schlagen. 1'ud dennoch zögerte er. - Er war nicht mehr jung — eine etwas eng brüstige. trockene Erziehung — mancherlei trübe Erfah rungen hakten ihn vorsichtig und klug erwägend gemacht — n» klug vielleicht. Er war ein wenig Streber und batte diesem Streben ein hohes Ziel geseift. Ganz allmählich ging es setzt bergauf und dazu gebrauchte er eine Frau, die mit ihm zusammenschaffte, die sparsam, liaushültertsch und um sichtig mar. Und gerade dicke Eigenschaften vermißte cr an der Geliebten. Wie ein köstliches, entzückendes Spielzeug erschien sic ihm — und ihre tändelnde, kvleltc Grazie, ihre zarten Gewänder, die sich so zierlich nm ihre junge Schön heit bauschten und sicherlich ein Vermögen kosteten, erregten sein Bedenken. Er wußte, daß ihre Ettern nickst reich waren und darum fragte er sich mit Entsetzen, wovon diese wunder vollen Gebilde von Leide und Spitzen wohl bestritten wurden? — Eine verschwenderische Frau? — Diese, Gr- danke war ihm unerträglich — bei diesem Gedanke» srvr seine Liebe und schreckte zurück. LuK diesem G-efühl heraus zögen« er wieder und wieder, da» o»«»ülich süße Spiel ihrer Herzen zu eine« erlü,enden »v brttraen - nvd während »r sich innerlich »er. maricrte nnd zwilchen dielen zwiespältige» Gefühlen hin und her geworfen wurde, ging sie lftiter lächelnd wie durch einen schönen, strahlenden Traum, seufzte ein klein wenig und ivarletc, — Ta sein Urlaub zu Ende ging, gab mau ihm zn Ehren ein tleines Abichiedssest und knüpfte daran wohl eine kleine, zarte Hoffnung. Er fühlte, daß ihre Eltern ttm gern sahen, und an kleinen, liebevollen Aufmerksamkeiten erkannte cr, wie freudig sic ihn als Solln begrüben würden. — Alles wäre so schön — so harmonisch verlaufen. — An jenem letzten Tage kam cr ein wenig frühzeitiger, ehe noch die übrigen Gäste erschienen waren — cr kam von einer stürmenden Sehnsucht getrieben — von der Stunde des nahenden Abschieds geängsttgt und beunruhigt. Und da cs noch so früh war und der Frühlingsabend so verlockend seine süßen Düste aush.-mchte, gingen sic beide zusammen in den Garten, nnd die Mutier säli ihnen freudestrahlend und mit einem kleine», wissenden Lächeln nach. Es wurde eine süße, traumsclige Stunde — eine Stunde, die seine Sorgen und Zwiespältigkeiten in alle Winde verwehte — nur seine süße Liebe fühlte er. — Mit einem leisen, träumerischen Lächeln ging sie an seiner Leite, ganz in roscnsarbenc Seide gekleidet, so hold, so schön wie daS zarteste Geschenk dieses lieblichen Frühlings. Sic schwiegen — und ein wenig verwirrt glitten ihre Hände betm Schreiten über die BuchSbaumbecken. Und da es Früh ling war seufzten sie ein wenig - und da cs so ttiß war, dieses Schreite» tm Frühling unter blühenden Kirschbäumen — so fanden sich plötzlich ihre Hände in einem langen, zarten Druck. — Dock, als er die Lippen öffnete, um endlich — end lich das Bclenutnis seiner Liebe ihr zitzuflüstcrn — rief die Stimme ihres Vaters sie in das Haus zurück. — Zögernd lösten sich die verichlungcnen Hände, und mit einem Seufzer, so >üß und zärtlich wie ein Kuß, lallen sic sich noch einmal in die eralüisten Gesichter — und gingen dann ins Haus zurück. „Nachher", dachte cr zusammemchauernd vor LicbeS selmsncht, „der Abend wird es wohl noch so mit sich bringen." Di« Gäste waren inzwischen gekommen, „nd da eS heitere, snmvfthische Menschen waren, so ging man unter fröhlichem Plaudern zu Tisch. Die Tafel war icizend ge deckt, kleine roscnsarbcnc FrühlingSgirlanden zogen sich, von lächelnden Porzellan-Amoretten gehalten, nm die Mitte des UschcS. Dazwückfe» blinkten die vuntqeschliss.'iien Wein gläser und die goldumrandeten Teller und Schüsseln. — Wie rru FrühIingSgarien sah der Tisch aus, von liebenden Händen mit .zärtlichster Sorgfalt hergerichle!. — Durch dir breite», offenen Fenster leuchtete das Blau LeS Himmels. Wie berauscht saß er an der Seite der Geliebten, und wenn ihre Hände sich leise streiften, so erbebten sie. von Schauern der Liebe geschüttelt, «nd wenn Ibr« Büche sich trafen, so waren diese Blicke wie zärtliche Küsse. — Bei ihren leichten Bewegungen rauichte ihm die starre Seide ihres schönen Gewandes wie eine leise aufregende Musil inS Ohr und selbst die wunderhübschen, gelblichen Spitzen, die ihre» seinen Hals umrahmicn, schienen süßes Leben aus zuaimcn, denn sie kräuselten sich und erzitterten hin und wieder, wie von einem schmeichelnden Lüftchen gekost. — Ei meinte, die Liebste niemals so schön gesehen zu haben, ais wic an diesem Abend. — Doch in demselben Augenblick gab es eine arg« Störung, denn das aufwartende Mädchen welches die Speisen herunireichte, goß durch eine ungeschickt« Bewegung eine Schale mit Bratenmnkt« über das schöne noscidfarbeue Kleid der Geliebten. „Mein Gott — wie schade!" rief er entsetzt nnd war ihr behilflich, die bösen Flecke mit der Serviette abzutupsen. - Doch sie lachte ganz Hefter und ein wenig geringschätzig nnd sagte: ,LSaS liegt denn daran." — Förmlich versteinert sah er sie am. „Aber es ist doch ganz verdorben, das wundervolle, kost bare Kleid." „Mein Gott — so gibt eS eben ein neues," lachte sie und stand auf. um sich umzuklciden. Wie vernichtet sah er ihr nach, wie sic so unberührt und lächelnd aus dem Zimmer ging. Wie von einem eisigen Hauche getroffen, fühlte er sein Begehren und seine Lieb« langsam dalstnstcrben. Jener unglückliche Zufall im Garten, der das Bekenntnis seiner Liebe vereitelte, erschien ihm jetzt unendlich mehr als ein Zufall. War cs nicht ein Wink drs Schicksals — mar cs nicht Bestimmung? O du arme, Tor — ist Bestimmung nicht auch Zufall? — Oh. wenn du ahntest, daß gerade dieser Zufall, den du Bestimmung nennst, dir das Schönste, das Süßeste deines Lebens raubt. — — Er aber wußte cs nicht. — Oben in ihrem Zimmer aber weinte das schöne Mädchen — weinte bittere Tränen über die verlorene Pracht des rosigen Gewandes, denn gerade dieses Kleid hatte ihr so unendlich viel Mühe bereitet — sic batte Nächte dazu ge braucht. »m eS so schön zu gestalten. Und sie grämte sich »m alle die süßen Träume nnd holden Hoffnungen, die sie in dieses Kleid mit litnelngestichclt hatte, sic grämte sich um die verlorene Mühe — und um die Kosten, die es verursacht hatte, denn sie war im Grunde eine überaus praktische nnd sparsame Natur. Und während eine Trane nach der anderen aus ihren schönen Augen aus das rosafarbene Kleid tropfte, ahnte die holde Törin nicht, datz diesen bitteren Tränen tausendfach bitterere folgen mürbem mutzte nicht, daß einige leichtsinnige törichte, aus falscher Scham dahingesprochenc Worte genügen können, um bte luftigen Träume von Glück und Liebe out ewig entschwinden ,n lalle»
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