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Dresdner Nachrichten : 09.03.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-190303091
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19030309
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19030309
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-03
- Tag 1903-03-09
-
Monat
1903-03
-
Jahr
1903
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 09.03.1903
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- D«r hiesta« „Berem gegen Unwesen »m Handel »nd Gewerbe hielt vorgestern abend im Saale der Dresdner Kaufmannschaft, Moritzstraßs 1b, I, seine Jahresversammlung im L. vereinSiahre ab. Ter Vorsitzende. Herr RechtSanwalt Klotz, «ch den JahreSgeschäslSbericht, der di« erfolgreiche Tätigkeit deS Verein», die Bewegung der Mitglieder — zur Zelt 350 —. einge- ttelenr Personalveränderungen und organisatorische Einrichtungen behandelte und des durch den Tod abgeruscnen Borstandsmitgliedes, Herrn HosschneidermeisterS Emmrich, ehrend gedachte. Den Kassen bericht erstattete Herr Kaufmann Junkersdorf. Die Herren Rech- nmigsvrüftr Kaufmann Müller und Kaufmann Illing beantragten freiwillig ouSscheidende Mitglieder durch Zuwayl ergänzt. Dank und Anerkennung wurden dem wiedergewäbltc» Vorsitzenden und dem Kassierer für ihre fristlose, gewissenhafte und förderliche Ge- schäftsfuhrung zum Ausdruck gebracht. Das Veremsorgan „Ge werbeschutz" wird wie im Vorjahre auch dieses Jahr den Mit- gliedern direkt zugefertigt. Die vorjährigen Rechnungsprüfer wur- den aufs neue ernannt. — Der Bezirksverein der Leipziger Vorstadt sNeustadt West und Nordwestj feierte am Freitag in „Stadt Leipzig" sein 11. Stiftungsfest, bei dem die Kapelle des 12. Feld- Artillerie-Regiments, unter Leitung deS Königs. Musikdirigcuten Herrn Baum, die Konzertmusik ausführte. Eine eingeslochtene, kurze Ansprache des zweiten Vorsitzenden, Herrn Stadtverordnete» Kunath gab enisii Rückblick über das vergangene Vereinsjahr. forderte zum Beitritt in den Bezirksverein auf und schloß mit den besten Wünschen für dessen ferneres Blühen und Gedeihen. Auch das reizende Lustspiel: „Ein glücklicher Famitteilvcitcr" von E. A. Körner, aufgeführt von Mitgliedern der Theater- und Redekunst- schnle Senss-Georgi, unter Leitung und Mitwirkung von Herrn Erwin Senfs-Georgi wurde sehr flott gcsoiclt. Ein mit reichem Kotillon ausgestatteter Ball beendete die Feier. — 'Der Bürger» und Bezirksvercin sür Drcsden- Ariedrichstadt bot seinen Mitgliedern in der am Freitag abgehaltenen Monatsversannnlung, die Herr Apotheker Köhler leitete, einen fesselnden Vortrag des Herr» Pastors Sterzei über Griechenland, Land und Leute. Der Bortrag fand lebhaften Beifall. — In Gegenwart der Herren Geh. Schulräte Dr. Boriieinann und Giüllich fand geilern nachmittag in der Aula der A ltftcidter höheren Töchterschule (Zlnzeiidorislraße) eine Gesangs- aufsübrung statt, die sich der regsten Beteiligung seitens der Angehörigen der Vortragenden Schülerinnen, sowie vieler Freunde der Anstalt zu erfreuen batte. Unter der umsichtigen Leitung deS Herrn Oberlehrers und Organisten Fr. Lätzlec gelangten i»> erste» Teile der Aufführung etliche zwei- und dreistimmige Volks- und N»»sllieder sür Kinder- und Fraucnchor tu. a. von Rinck und Mendelslolni) zu recht beifälligem Vorträge, während der zweite Teil von AbtS licbenswiirdigeni Chorwerke .Rotkäppchen" (Dichtung von Jrancke) ausgesüllt wurde. Je ein Duett und Terzett (von Mendelssohn bez. I. Otto), gesungen vv» einigen für den Solo gesang begabten Schülerinnen, vervollständigten die Reihe der Vorträge, die nicht verfehlten, bei alle» Zuhörern die sreundlichsteii Eindrücke zu Hintersassen. — Der Mannergesangverein „Liedcrgruß" versammelte am Mittwoch obend seine Mitglieder und Angehörigen zu einem „Ausflüge nach dem Kuhstalle" in Meinholds Salm, bereu Räume durch Theaterdekorationen anherordentlich geschmackvoll in das Plateau dieses beliebten Ausflugsortes der Sächsischen Schweiz umgewandelt waren. Hier entwickelte sich bald ein fröhliches Treiben: u. a. stellte sich ein Quartett, bestehend aus dm Herren Klixdorf, Schmidt, Scharf und Uhlmann ein, das einige gelungene Vorträge zu Gehör brachte. Herr Hertzschuck produzierte sich als schwärmerischer Michel, und Frl. Elsa Hache meldete sich in reizen der Uniform als Postillon, um in liebenswürdigster Weise den „Postillon d'amour" von Abt vorzutragen. Jeder hat sein Mög lichstes znm Gelingen des Ganzen beigctragen. Ein fröhlicher Ball beendete das Fest. — Die Westgruppe des Evangelischen Arbeiterver eins in Dresden u. Umg. hielt am Mittwoch ihren letzten Vor- tragsavmd in diesem Winterhalbjahre im Bürgercasino ab. Den Vortrag: „Berufswahl unserer Töchter" hielt Herr Schuldirektor E. Stuckart. In der dem Bortrag folgenden Aussprache wurden noch von mehreren Seiten wertvolle Anregungen gegeben. — Nächsten Dienstag, nachmittags 4 Uhr, findet auf der „VogAwieft" (Droichkenhaltestelle, Eingang Blumen- oder Nenbert- ltrahe) eine Feuerlvsch-Probe mit dem „Exccljior- Apvarat" der .Excelsior-Gesellschaft in Berlin" (Vertreter: Raab und Eckelmann. DreSden-Allsladr. Kätechctenstrahe 7) statt. — 'Der Victoria-Salon gibt heute, wie Sonntags üblich, zwei große Vorstellungen: nachmittags halb 4 Uhr und abends halb 8 Uhr. Mit dem vortrefflichen Humoristen Otto Reutter und dem von sechs Negerinnen ausgesührtm Cake-Walk pro duzieren sich sämtliche Spezialitäten des gegenwärtigen inter- essontm Programms. Die Nachmittag-Vorstellung findet zu kleinen Eintrittspreisen statt. -Central-Theater. Das neue große März-Programm erfreut sich eines außergewöhnlichen Erfolges. Besonders inter essant und fesselnd erweisen sich namentlich die französische Sensa- tionskomödie „Am Tetevhon" mit Herrn Leopold Thurner vom Neuen Theater in Berlin als Gast, der unübertreffliche Jongleur Severus Schaffer, die drastisch-komische Parodistm Frl. Helene Land, das graziöse englische Gesangs- und Tanz- Ouinlett „Die Lorrisons" und Urbanr u. Sohn in ihrem komischen cquilibristischen Akt. In den heute Sonntag stattfindcuden zwei Aufführungen — die Nachmittags-Vorstellung wird zu kleinen Preisen gegeben — treten sämtliche Künstler und Künstlerinnen des März-Programms in ihren besten Leistungen auf. — Am Vorabend zum Bußtag, Dienstag, den 10. d. M., an dem Variötö-Vorstellungen nicht stattfinden dürfen, veranstaltet Direktor Rotier eine interessante Schauspiel-Aufführung. Zur Darstellung gelangen: die französische Sensationskomödie „Am Telephon" mit Herrn Thurner als Gast, das einaktige Drama „Ehrenschulden" von Paul Heyse. mit Herrn Hofschau spieler Gustav Starcke als Gast und das einaktige Charakterstück: „Ter Bildschnitzer" von Schönherr. Die Vorstellung beginnt halb 3 Uhr. Gewöhnliche Preise. — Die bekannte Firma Gebrüder Ludwig. König!. Hof lieftranten, Dresden, feierte am 6. d. Al. ihr 25jäbriges Geschästs- jubiläum. Zahlreiche Geschenke und Blumenjpcnden wurden den Geschäftsinhabern überreicht. Ter im Kllnstgcwcrbc-Muscuui be findliche Pavillon, enthaltend künstlerisch ausgesührte Muster, wel- cher von der Firma Gebrüder Ludivig dem K»nstgewcrbc-M»seiim als Geschenk übermittelt wurde, gibt allen Interessenten Gelegen heit, sich von der Leistungsfähigkeit der Firma zu überzeugen. — Aus Anlaß des 10jährigen Bestehens der Fabrik von Gustav Barthel sHeiz-, Koch- und Lötapparate eigener Systeme, Striesen, Kyffhäuserftraße 27) überreichte deren Chef vier von Anfang an kn der Fabrik beschäftigten Arbeitern je eine goldene .Uhr mit Widmung als besondere Anerkennung. Die Arbeiter selbst, mit Herrn Werkmeister Schwarz, veranstalteten eine Samm- tung, deren Ertrag sie den Wohltätigkeitseinrichtungen „Ferien kolonien" uird „Sächsische Jechtschnle überwiesen. Tie istrma, welche aus kleinen Anfängen sich eine achtunggebietende Stellung errungen hat, verfügt über ein ansehnliches Personal, ihre Er zeugnisse sind zum großen Teil sür den Export bestimmt. — Im Gasthof „Zur Sorge" fand am Donnerstag eine solenne Ziaeunerhochz.elt statt, nachdem das junge Ehepaar zuvor standesamtlich getraut worden war. — Aus der Geschäftswelt. Nach vollständiger Neu- cinrichtung hat das zu den ersten derartigen Etablissements Dresdens zu rechnend« Warenhaus von Ludwig Bach u. Co., Wettiner st raße 3, seine großen Geschäftsräume wieder er öffnet. Die nach rechts und links durch je ein breites Schaufenster, sowie durch Anschluß eines Hinterraums mit Oberlicht erweiterten Verkaufshallen präsentieren sich am Abend sehr vorteilhaft ln der Beleuchtung von 30 Bogenlampen; indessen ist auch bei Lage ge Leiden-, Leinen-, Äaumwoll-, Putz- und Weißwaaren noch einen Schritt wcitcrgegangen und hat. gewiß zur Zufriedenheit, vor allem aber eur Bequemlichkeit ihrer Kunden, neuerdings noch Tapissene-, Galanten«-. Parfümen»-. Lederworen und Bettfedern in ihren Betrieb ausgenommen. Ein Ueberblick über die Mannig- saltigkcit und die Preiswürdigkeit des von den, Hause Ludwig Bach u. Co. Gebotenen geben schon die geschmackvoll dekorierten, nach der Dettmerstvobe tu gelegenen Schaufenster. — Einen Selbstmordversuch beging am 5. d. M. in einer Zelle de- Königs. Loiidgenchtsaefcingnisses Plauen i. V. der Schmied Otto, der der Hauptbeteuigte der jüngst festgenonimcnen Falsch münzer ist. Otto beooß sich mit Petroleum, zündete dasselbe an und erlitt so schwere Brandwunden, daß sich seine Uebcrsührung ins Krankenhaus nötig machte. Der Selbstmordversuch wurde rechtzeitig bemerkt, so daß das brenuende Petroleum bald gelöscht und so einer Jcuerögefahr vorgcbeugt werden konnte. TageSgeschlchte. Deutsches Reich. Der Kaiser hat die Strafe eines Käserei- Mtzers, der wegen Beleidigung der Kinder des Kaisers zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt worden war, im Gnadenwege in sechs Wochen Festungshaft u ingewandelt. Bei der immer größeren Zerfahrenheit, welche sich unter den bürgerlichen Parteien kunogibt, verdienen folgende Er innerungen um so mehr Beherzigung: Bei den Reichstags- Wahlen im Jahre 1898 sind un ganzen von 11 441 094 Wahl- berechtigten 7 752093 gültige Stimmen abgegeben worden. Es haben also rund 3"/t Millionen Wähler von ihrem Wahlrecht nicht Gebrauch gemacht Jeder gewissenhaste Man» aber muß heutzutage die Ausübung des Wahlrechts als eine staatsbürger liche Pflicht erachten. Leider muß man i» dieser Beziehung a»s das gute Beispiel der Sozialdemokratie verweisen. Sie hat vor fünf Jahren eine Stiuimenzabl von 2107 076 zusammen- gebracht, das ist über ein Vierte! sämtlicher abgegebene» Stimmen, aber noch lange nicht ein Fünftel der Summen aller Wahl berechtigten. Die Sozialdemokraten brüsten sich damit, daß sie diesmal »lindestens den dritten Teil sämtlicher gültige» Stimmen auf ihre Kandidaten vereinigen wollen. Zu diesem Zwecke stellen sie in allen, Wahlkreise», auch in völlig aussichtslosen, Mandat- bewerber auf. Sie wollen mit einer möglichst hohen Wahlsiimmen- ziffer der Welt weismacheu, ihr Anhang repräsentiere de» dritten Teil aller deulschcu Staatsbürger. Seit dem Jahre 1690 sind die Zeiten für die Sozialdemokratie ungewöhnlich günstige ge worden. Unter dem Sozialistengesetze im Jahre 1887, wo be> den Kartellwahlcn die bürgerlichen Parteien allerdings außer ordentliche Anstrengungen machten, zählte die Sozialdemokratie noch 763100 Wahlslimmcn. Im Jahre 1890 schnellte die sozialdemokratische Slimmenzahl aus 1 427300 hinauf, erreichte 1893 1780 700 Stimmen und 1898 endlich 2107100. In der Zeit von 12 Jahren hat sich also die sozialdemokratische Stimmenzahl fast verdreifacht. Diese Tatsache enthält doch wahr lich die ernsteste Mahnung! Im Militär-Etat hat die Bndgetkommission des Reichs tages im ganzen 8 065 710 Mark abgestrichen. Davon ent fallen auf die fortdauernden Ausgabe» 510 >54 Mark, während der Rest auf einmalige Ausgaben entfällt. Bewilligt sind danach statt rund 578 nur 570 Millionen Mark. 'Dazu hat die Kom mission fünf Resolutionen angenommen, von denen die eine die mililärtechnische Hochschule betrifft, eine andere die Mchrsorde- rungcn beim TruppmübungSplatze Ncuhammcr, eine drille die Wahrung der landwirtschaftlichen Betriebe bei der Errichtung neuer Truppenübungsplätze verlangt. Eine vierte Resolution so» dert auf, bei der Vergebung des Bedarfs an Munition und Artilleriematerial tunlichlt durch Zuwendung der Aufträge an eine Mehrheit von Lieferanten zur Autrechterhaltung der erforderlichen Konkurrenz beizutragen. Endlich betrifft eine Resolution die eventuelle Schadloshaltung der Sladtgcmcinde Ulm beim Ankauf des Festungsgclcindes. Zur Frage der Wehrsteucr schreibt man der „Köln. Ztg." aus militärischen Kreisen: „Seit dem Jahre 1887 hat sich die Be völkerung des Reiches um 12 Millionen vermehrt, jedes Jahr nimmt die Zahl der vom Dienste Befreiten und vollständig erwerbs unfähigen Männer um mehrere Tausend zu und jedes Jahr wird der Ertrag der Wehrsteucr steigen. Auch wenn vereinst unsere Kriegsinvalidcn, Unteroffiziere und Soldaten, welche heute nach Ausweis der Jnvalidenfonds im durchschnittlichen Älter von 62 bis 56 Jahren sich befinden, weggestorben sein werden, haben wir immerhin noch die im Jriedensdienst untauglich gewordenen. In Preußen, Sachsen und Württemberg haben wir nach dem Pensions-Etat sür 1903 rund 30000 pensionierte Unterossiziere und 73 000 Soldaten, welche zusammen mehr als 17 Millionen Pensionen beziehen und hierzu kommen noch etwa 28 Millionen für verabschiedete Offiziere. Diese Pensionslasten später init zu tragen, für die im Friedensdienste untauglich Gewordenen zu sorgen, das ist die edle Ausgabe der vom Dienste Befreiten. Würde man nicht aus theoretischen von Gelehrten vorgebrachten Scheingründen im Jahre 1881 die Wehrsteucr abgelehnt haben, so hätte das Reich in diesen 20 Jahren 400 bis 800 Millionen erspart, welche dem Jnvalidenfonds zu gute gekommen wäre», und alsdann würde keine Erschöprung desselben zu befürchte» sein und man hätte sür die Zukunft durch Sammlung eines Grundstocks vorgcsorgt. Wenn früher in Württemberg oft Wehrsteucr nicht sehr beliebt war, rührt dies daher, daß der Betrag für den armen Mann zu hoch, für den wohlhabenden zu niedrig war und daß die Steuer aus einmal und nicht in Raten erhoben wurde, was zu vielen Steuer- Prozessen führte. Aber trotzdem ergab sich in dem kleinen Lande ein Jahrcscrtrag von 273000 Mark, in Bayern aber, welches die Steuer in zehn Stufen von 5,10 Mark bis 172 Mark erhob, war der Jahrcscrtrag 1285 000 Mark. In den letzten 20 Jahren aber haben sich im Volke die Anschauungen über die Wehrsteucr ge- ändert und schon »n Jahre 1897 hat der Kuffbäuscr-Verband un Namen von mehr als 11? Millionen gedienter Soldaten die Wehr steuer beantragt, um endlich die bestehende Ungerechtigkeit aus der Welt zu schassen. Alle dieienigen, welche gedient haben, erkennen in der Befreiung der anderen von allen Kriegslasten eine Aus nahmestellung vor dem Gesetze, sie alle verlangen mit Recht, daß nun endlich der Artikel 58 der Reichsversassung durchgcführt werde. Wir haben yeute unter den Wählern Millionen an gedienten Soldaten, sic olle verlangen „Gleichheit aller vor dem harten Ge setze des Kriegsdienstes". Die längst gestellte Forderung der alten Soldaten einfach zu übersehen, ist ein großes Unrecht, denn nur wenn wir die Wehrsteucr endlich haben, wird das jedes Jahr statt findende Markten um die Veriorgungsgesetze unnötig werden. Daß sich das Reich die gerechteste Steuer mit 40 Millionen jährlich ent gehen läßt und die gesamte Pcnswnslast den übngen Steuerzahlern aufbürdet, ist eine Unterlassungssünde. Selbst Herr v. Miguel hat sich noch zur Wehrsteucr bekehrt." Der preußische Äricgsmiilistcr hat den Generalkommandos der Armeekorps mitgeteilt, daß besonderer Wert darauf gelegt werden müsse, daß Mannschaften, deren Dicnstuntauglich- keit fcstgcstellt ist, nicht länger als unbedingt erforderlich im Dienste zurückbehalten und mittels eines beschleunigten Verfahrens seitens der Generalkommandos entlassen werden. Die Bewegung gegen die Aufhebung des 8 2 des Jcsu- itengesctzes nimmt zusehends an Umsang und Intensität zu, wie die sich häufenden Meldungen von Protestkundgebungen der Bevölkerung und von Erklärungen cmzclstciatlichcr Regierungen über ihre ablehnende Haltung gegenüber dem preußischen Antrag im Bundcsrcrt beweisen. Emen besonders imposanten Verlaus nahm die Protestvcrsammlung in Karlsruhe. Der große Ein- trachtssaal und sämmlliche Ncbcnräume und Galerien waren von etwa 2000 Personen, darunter einem stattlichen Kontingent Damen, dicht besetzt. Prof. Böhtlingk, mit Händeklatschen stürmisch begrüßt, kennzeichnete die verderbliche Tätigkeit der Jesuiten in einer überaus wirkungsvollen Rede, die von tosendem Beifall bc- gleitet wurde. Zum Schluss, wurde folgende Resolution ein- stimmig angenommen: „Der von dem Spanier Ignaz von Loyola gestiftete Jesuitenorden hat keinen anderen Zweck, als womöglich das ganze Erdenrund dem römischen Papsttum, das er selbst in seine Gewalt gebracht hat, mittels Seelenkncchtschaft seiner Herr schaft zu unterwerfen. Todfeind einer jeden vom päpstlichen Stuhl zu Rom unabhängigen Organisation kann er gar nicht anders, als ein auf Geistes- und Gewissensfreiheit gestelltes Staatsweseu wie das großherzoglich badische von Grund aus verneinen und bekämpfen. Dem Gebote seines in Rom ansässigen Generals, ausgestattet mit schrankenlosester Machtbefugnis blind- lings unterworfen und damit von jedem anderen Bande losgelöst, entzieht er sich leder staatlichen Kontrolle. Wenn er für seine Mit glieder, welch« ivie ein „toter Stab" in der Hand ihres Borge- setzten funktionieren müssen, das durch die Satzungen und den Geist deS Ordens in der Wurzel abgeschnittene Heimatrecht geltend zu machen sucht, so geschieht es nur, um dieses als Kampfmaske zu mißbrauchen. Die von dem Karlsruher Protestkomitee gegen Zu lassung der Jesuiten einbcrufene zahlreiche Versammlung in den Sälen der „Eintracht" ersucht daher die hohe grobherzogliche Staat»regierung, im Anschlüsse an Sachsen. Braunschweig und alle sonst verneinenden Stimmen im hohen BundeSrate dem preußischen Antrag auf Aufhebung des 8 2 des Jesuitengesetzes nicht stattzugeben. Mit deni 8 2 wird, zumal was die Jesuiten anbelangt, tatsächlich das ganze Gesetz hinfällig, durch eine solche Abbröckelung die Reichsgesetzgebung als solche um ihr Ansehen ge bracht. Oitvvaut eonbruv« Wie man der „Voss. Ztg." aus Rom meldet, bewahrt die vatikanische Presse unverbrüchlich Schweigen über die Angelegenheit Ko rum, ebenso die beteiligten diplomatischen Kreise. J-u Prälatenkreiscn, die über die Stimmung im Vatikan unterrichtet sein können, lächelt man über die Zumutung, daß der Bischof von Trier eine päpst liche Zurechtweisung zu gewärtigen habe. Man sagt, der Bischof werde laut päpstlichem Wunsche sich weiterer Expektora tionen enthalten, aber nichts ziirnckiiehmcu. und die Regierung würde zufrieden sein, wen» Gras über die Sache wächst. Erzbischof Nörber in Freiburg im Breisga», welcher den Prosessor Böhtlingk wegen seiner Schrift „Aus der Fahrt nach Canossa" um jeden Preis vor Gericht bringen will, ist mit seiner Klage lNlMiichr auch bei der Oberstnatsanwaltschaft in Franktur: am Main abgcwiesc» worden. Selbst hiermit noch nicht zufrieden, hat der streitbare Kirchensiirst jetzt an den preußischen Justiz, minister in Berlin appelliert. Die Handelsvertrags Verhandlungen mit Ruß land habe» begonnen durch Austausch des vorberenciiden Schriftwechsels zwischen Berlin und Petersburg. Die „Nordd. Allgcm. Ztg." vertritt gegenüber dem „Vorw." in längeren juristischen Aiiösübruiigen den Standpunkt, daß eni K o a l i t i o » s r e cht der E i s c n b a h n a r b c i t e r bei uns ge setzlich nicht existiert Zn demselben Thema schreibt die „Post": „Es unterliegt keinem Zweitel, daß nach dem zur Zeit geltenden Rechte sowohl die Reichs-, wie auch dis LandeSgeietzgebnng durch- aus in der Lage ist. nicht nur den Koniraktbrncb von Arbeitern im Dienste öffentlicher, als Eisenbahnen anzusehcirder Verkehrs- lliltcrnchmungen unter Strafe zu steilen, sondern auch im öffent lichen Interesse Koalitionen, welche unter Anwendung von Streik ihre Absichten durchzusetzen trachten, gänzlich zu verbieten. Bisher hat es genügt, daß die staatlichen Eiftnbahnverwccktungen und die Leitungen der anderen Verkchrsnnternehmungen ähnlicher Art von ihrem Hansrecht Gebrauch gemacht haben, so daß es sich erübrigte, die Klinke der Gesetzgebung zu ergreift», wie dies in Holland in Aussicht genommen ist. Sollten aber in der Folge diese Mittel zur Änfrechterhalttiiig der notigen Disziplin unter den Arbeitern der öffentlichen VertehrSunternehmungen nicht aus- reichen, jo würde demnach die Rechtslage bei uns ein Vorgehen der Gesetzgebung, und zwar auch der Landesgesetzgebung, in der Rich tung der in Holland gemachten Äesetzesvorschläge durchaus zn- lassen." Tie Wismar-Angelegenheit hat jetzt auch von vfst» ziöftr s chw cd il chc r Seite eine o»f die slgatsicchtliche» und polnischen Grundlage» des vor nunmcbr 100 Jahren zwischen den Hofen Stockholm und Mecklenburg-Schwer!» abgeschlossenen Malmver Vertrages näher eingehende Beleuchtung erfahren. Die halbamtliche Auslassung vrcftisiert ibren Standpunkt kurz und bündig daliin, daß die Abfassung des Malmöer Vertrages ganz und gar keinen Zweifel darüber zulasse. daß mit der sogenannten Verpfändung der alten Herrschaft Wisinar-PoSl-Neilklost".r unter allen Umständen eine wirkliche und dauernde Bcsitzentäußerung gemeint war. und daß onS diesem Grunde von allen deplacierten Vcrftichen, die gegenwärtig von deutscher Seite geforderte formelle Verzichtleistnng an gewisse vvliliiche Bedingungen zu knüpfen, loyalerwcift Abstand genommen werden müsse. Zur näheren Begründung dieses Standpunktes wird zunächst darauf hingewieftn, daß die vertrngsmäß ge Abfassung der Besitzaiffgabe seincrzeft ans rein internen Gründen (vor allem ans Besorgnis vor einem ab lehnenden Votum der Reichsstände, die im Falle eines regelrechten Länkerverkanfs zuvor um ihre Znstimmnirg hätten angegangen werden müsse») in die »nverfänglichc Form eines Pfandabkommens gekleidet wurde. Mit Rücksicht auf den allsallsigen Protest der Stände wurde auch die Dauer des Pfandverhältnisses aus eine» so ungewöhnlich großen Zeitraum bemessen, um die mit Zins und Zinieszins rückzahlbare Psandstiinme zu solcher Höhe anichwelle» zu lassen, daß sich jeder Gedanke an eine» tatsächlichen Rückeiwerb des abgetretenen Besitzes bei Ablaus des Psandvcrtrages als gegenstandslos envciren mnßle. „Keinem verständigen Menschen in Schweben", so heißt es dann am Schlüsse der offiziösen Dar legungen, „kann cs angesichts dieser faklüchen Sachlage ciiifallen. von dem traktatniäß'gen Anslösiingsrechte anders als von einer rein vavieriren Formel rede» zu wollen. Das einzige, was wir verniiirstigerwcift tun könne» und was man von unserer Regierung mit Fug und Recht verlangen kann, besteht darin, daß wir jetzt ohne alle Finten und Winkelzüge einen endgültigen Verzicht autz- sprechen, über dessen fthlicßlichc Notwendigkeit schon vor 100 Jahren alle Welt vollständig im klaren war. Dies Verfahre» stellt zugleich den einzigen Modus dar. welcher in passender Form unsere Enivsindungeu sür eine große Nalion dvknmcntiert, von der wir Schweden seit langen Zerteil lediglich Erweise der freundschaft lichen Gesinnung erfahren haben." Die Ortsgruppe Bcuthen O.-S. des deutschen Ost marken- Vereins hat an den Grafen Biilow als preußischen Minister präsidenten eine Denkschrift in Sachen der Pole »frage ge richtet, die sich über die agitatorische Haltung der zahlreichen pol- irischen Zeitungen, ihren Kampf gegen alles deutsche Wesen, gegen Schule und Kirche, ferner über den innigen Zusammenhang der oberschlesischcir polnischen Propaganda mit der Wcstprcußens. Posens und des Auslandes, insbesondere Galiziens verbreitet. 'Sic gibt einen Ncberblick über die Tätigkeit der Volksbanken und über das sonstige Genossenschaftswesen und schildert die überaus rege Arbeit nationalpoln'.scher Vereine. Dann heißt cs weiter: „Gegen diese Mächte erreichen die bescheidenen Nüttel, die dem Deutschtum im Streite gegen die unter dem Schutze unserer Gesetze rastlos fortschreitende polnische Propaganda zu Gebote stehen, nichts, und alle deutschen Herzen verhehlen sich nicht, daß nur noch außer ordentliche Maßnahmen und energische Wahrung deutscher Inter essen durch Gesetzgebung und materielle Unterstützung die Poloiff- sierung Oberschlesiens, die sonst rn absehbarer Zeit cinrritt, ous- zuhalten vermögen. Ew. Exzellenz' Rede vom 13. Januar 1902 hat in uns die zuversichtliche Hoffnung erweckt, daß Ew. Exzellenz deutsches Wesen in unseren Ostmarkcn nicht untergehen lasse» wollen. Helsen Ew. Exzellenz daher, so ist unsere inständige Bille, dem schwcrbedrohtcn Overschlcsien!" Auf dem Parteitag der badischen Sozialdemokratie führte der Ncichstagsabgeordnete Drccsbach aus. bei den Laud- taas wählen habe sich das Bild gegenüber den letzten Wahlen vollständig verändert. Seien die Äationcilliberalcn aus ihrer dominierenden Stellung verdrängt, so Hobe daS Zentrum aus seiner radikal-oppositionellen Stellung eine entschiedene Schwenkung nach rechts gemacht, und sei bereit, dem „Ministerium der Gerad heit und Gerechtigkeit" Hecrcsiolge zu leisten, sobald es in der Klostcrsrnge nachgebe. Wenn die Sozialdemokratie bei den letzten Wahlen dem Zentrum eine passive Unterstützung gewährt hätte, sei cs jetzt damit vorbei. Weder das Zentrum, noch die National- liberalen, die ihre liberalen Ideen vorerst noch zu betätigen hätten, könnten auf irgendwelche direkte oder indirekte Unterstützung der Sozialdemokratie rechnen. Ungarn. In Pest erschien eine MOgliedrige Deputation ans den Städten Groß-Karoly und Zilha beim Präsidenten des Ab geordnetenhauses Grasen Äpponyi und überreichte ihm eine Petition gegen die Wehrvorlage. Graf Apponvi übernahm die Petition, wobei er betonte, daß er sich in seiner Stellung als Präsident des Abgeordnetenhauses jeder meriiortscheu Aeußerung enthalten müsse und daß er bestrebt sei, die Debatten des HcnffeS bei Wahrung der Redefreiheit unparteiisch z» leiten. Schließlich bat er die Deputation, die Entscheidung der Gesetzgebung mit Ver trauen aus die Verfassung abzuwarten. — Das Vorbereitungs komitee der heute stattsindcnden Protestversammlung gegen die Wehroorlage hielt eine Versammlung ab. Nach deren Be endigung rotteten sich etwa 600 Neugierige vor dein Stadt- Hause, wo die Versammlung stattgesuiideii hatte, zusammen, und als die Mitglieder des Komitees auf die Straße kamen, wurde die Parole ausgcgeben, vor die Wohnung Franz Kossuihs zu ziehen. Dieser Aufforderung wurde rasch Folge geleistet. Köstlich erschien auf dem Balkon und erwiderte aus eine Ansprache mit Dankes- wortcn für die Ovation: er forderte dann die Studenten und das Volk auf, den Kamvf gegen die Wehrvorlage in erhöhtem Maße fortzusetzen. Sodann zog die Menge gegen das Volkstheater zu. Ivo der Beschluß gefaßt wurde, zur Ofener Festung zu ziehen und vor dem Landesverteidiyttngsministerium z» demonstrieren. Die Polizei ließ jedoch, um dies zu vereiteln, die Brücken abjperren. Aus der Köröpöser Straße wurde die Menge erwartet und aufgesordert. »-r Dresdner? Nachrichten. <»7. Seite 3. »W Sonntag. 8. März 1003
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