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Frankreich sabotiert die Abrüstung. Die Regierung Briand durch Maivys Aufopferung erneut in Gefahr. Die Frie-ensbe-lngungen siir Ab- el Krim. - Der Iunglan-bun- für lan-wirlschaslliche Sie-lung. - Vulkanausbruch aus Kamtschatka. Die Kontrolle -er privalen Rüstungen. Gens, IN. April. Die Studienkommission des Völker bundes für die Ausarbeitung einer Konvention über die Kon» trolle der privaten Rüstungsindustrie wird am 12. April in Paris zu einer Sitzung zusammentreten. Den Regierungen ist bereits im März vorigen Jahres ein Frage bogen des VölkcrbundsratcS zugcgangcn und die Kommission soll nun aus Weisung des Völkerbundöratcö den Auftrag aussühren, bis zum Eingang der Antworten der Re gierungen einen KonventionSentwurs . vor zubereiten, der daun einer eventuell einzuberuseuden inter nationalen Konferenz vorgclegt werden soll. Obgleich diese Arbeiten natürlich einen gewissen Zusammenhang mit der Frage der Abrüstung haben, dürfen sic nicht mit den Ver- andlungen der vorbereitenden Kommission ür die Abrüstungskonferenz verwechselt werden. I« diesem Zusammenhang weisen einzelne schweizerische vttitter darauf hin. daß kürzlich die ausländischen Diplnmate« in Peking durch Bomben von Luftfahr zeuge« bedroht wurden, die von der französischen Ne gierung den kriegführenden Chinesen geliefert wurde«. Während in den BölkcrbnndSkonscrcnzcn die Notwendigkeit einer strengen Kontrolle des Handels mit kriegSwaffen betont worden ist. habe Frankreich den Chinesen SüV Militär- lustfahrzeuge geliefert. Die ewig veriagle Konferenz. «Durch j> u n k > p r » ch.l London, III. April. Der diplomatische Korrespondent des «.Daily Telegraph" weist daraus hin. das, die Ankunft Houghtons. der jüngst In Washington die Ansrichtigkeit Europas in der Abriistungsfrage gcbrandmarkt habe, mit einem Vorstosi der französischen Presse, darunter des „Tcmps", zugunsten einer weiteren Aufschiebung der vor bereitenden Abrüstungskonferenz über den 18. Mai hinaus -usammcnfalle. Der Korrespondent nimmt an. das, die An regung für eine weitere Vertagung wahrscheinlich von einigen Nachbarn Rußlands ausgchen werde, und zwar entweder vor Zusammentritt der Konferenz oder einen oder zwei Tage danach. (W.T.B.) Brian- un- Die Be-eutung -er Ausschiffung Malvys. Paris, IN. April. Die Blätter beschäftigen sich ausführlich Nit dem Rücktritt Malvys, dem man große Bedeutung beimißt. Man glaubt zu wissen, daß Briand Malvq geopfert habe, «m dadurch die Stimmen einiger Rechtsparteien für die Finanzvorlage zn gewinnen. Nur so habe er die Steuer reform durchbringcn können. Wie nicht anders zu erwarten war, ist die Stimmung der Partei Malvy 8 , der Radikal- soztalistcn, sehr erregt, und man hat nicht den Eindruck, daß die Wahl Durands zum Nachfolger an Stelle des fort schrittlichen Malvys die Gemüter beschwichtigen wird. Durand ist Mitglied der liuksrcpublikauischen Senats kruppe, die in ihrer politischen Richtung ungefähr den viadikalsozialisten der Kammer entspricht, aber etwas mehr »ach rechts orientiert ist. DaS Anziehen der auolündischcn Devisenkurse wird mit der ungünstigen politischen Lage in Zusammenhang gebracht. In den Wandclgängcn der Kammer wurde am Freitag nachmittag von verschiedenen Seiten der Vermutnng Aus druck gegeben, daß das Kabinett Briand bei der Abstim mung über die Wahlresorm unterliegen werde. Man erörtert bereits die Möglichkeit eines Kabinetts PSret. In dem E n t l a s s u n g o g e s u ch Malvys, das am Frenag abend bctanntgcgeveu wurde, heißt cs: „Herr Ministerpräsident! Ich habe ausrichtig geglaubt, das, es mir möglich sein würde, an Ihrer Seite an einer Politik mit- zuaroeitcn, die schwere Probleme zu losen »attc. Sic wissen selbst, wie meine Anstrengungen zur Versöhi.lichtVit kurz »ach meinem Eintritt in da» Kabinett einem heftigen Ver leit m d u n g ö s e I d z n g auSgcsctzt waren. Der Vcrlenm- bungsscldzug der Feinde der Republik läßt mich persönlich kalt. Zu meinem Schritt veranlaß««: mich nur die Erwägung, daß mein Wcitcrvcrblctvcn im Kabinett znr Folge hätte, Ihnen diejenigen zu entfernen, deren weitere Unterstützung zur AuSsührnng IbrcS Programms notwendig erscheint." Der „A vcni r" hält die politische Situativ» kür geklärt. Das Kartell werde den Sturz des Kabinetts Briand bcrbci- führen. dann werde Hcrriot gemeinsam mit Ma'vy die Macht übernehmen. Die verkappte Revolution trete in ihre aktive Phase ein. Die Linkspresse dagegen ist der Ansicht, daß die Regierung Briand auch nach dem Rücktritt Malvn» nur mit ber Linken regieren könne. London, in. April. Der diplomatische Korrespondent des „Daily Telegraph" meldet, daß aus französische An regung die baltischen und die Randstaaten, sei es kurz vor dem Zusammentritt der vorbereitenden Abrüstungskonferenz, sei es erst aus dieser selbst, einen Vertag» ngsan trag stellen würden, weil Rußlands Teilnahme nicht gesichert sei. Die englische Regierung sei nicht mehr so optimistisch wie vor einigen Wochen bezüglich des Verlaufs und des Erfolges der Konferenz. Ruhlan- un- -ie Abrüstungskonferenz. Fehlgeschlagenc französische Vermittlung in Moskau. Moskau, 10. April. Der französische Botschafter in Moskau, Herbette, bat in einer Unterredung mit Tschi- tscherin erklärt, daß die Sowjctrcgierung einen großen Fehler machen würde, wenn sie der Abrüstungskonferenz fern bliebe. Herbette erklärte weiter, daß die französische Regierung bereit sei. noch einmal die Bermittlungsrolle zwischen Sowjetrußland und der Schweiz zu übernehmen. Tschitschert« erklärte, er möge Briand dezr^Donk der Sowjctregierung für seine Bemühung überbrinistn, lehnte cs aber ab. neue Verhandlungen mit der Schweiz auf- zunehmen. Die Abkommen -er Seerechlsbonferenz. Brüssel, ü. April. In der heutigen Sitzung der Seercchts- konsercnz verlas der Vorsitzende den endgültigen Wortlaut des Abkommens über Bestimmungen betr. die Unverlctz- lichkelt der staatlichen Schiffe. Nachdem sich die Kon ferenz über diese» Gegenstand geeinigt hatte, verlas der Vor sitzende einige aus Einzelheiten sich erstreckende Abänderungen des internationalen Abkommens zur Vereinheitlichung einiger ans Vorrechte und aus Scehypotheken bezügliche» Bestimmun, ge», die die Artikel 2, 3, 4, ü und 12 betreffen. Sämtliche Länder waren damit einverstanden. Unter den Delegierten herrscht Einigkeit hinsichtlich des Abkommens über die Konosse- mente und desjenigen über die Begrenzung der Verantwort lichkeit der SchiffSeigcntümer. Die Delegterten werden die verschiedenen Abkommen morgen unterzeichnen. (W.T.B.) -as Kartell. Dlnel ooraussfchtttch Aachfolaer Durands. Paris, lll. April. Der Ministerpräsident Briand hatte gestern eine Unterredung mit dem radikalen Abgeordneten Francois Btnet. Es wirb angenommen, daß Vinci zum Nachfolger des zum Minister des Innern ernannten LandwirtschastSmintstcrs Durand ernannt werden wird. Die Entscheidung darüber wird jedoch erst nach dem heute vormittag stattfindenden Kabtnettsrale erfolgen. (W.T.B.) Die WassensttUstan-sbe-tngungen für Ab- el Krim. Paris, 10. April. Nach einem Bericht von Havas dürften unter den P r o g r a m m p u n k t e n sür die Verhandlungen zwischen den Vertretern der Risleutt und denen Frankreichs und Spaniens die folgenden zu finden sein: 1. Abschluß eines militärischen Waffenstillstandes «ach Besetzung bestimmter Stellungen. 2. Unverzüglicher Austausch der K r t ea S g e f a n g e n e n. 3. Rentralisicrnng einer bestimmte« Zone bis znr Ver ständigung über die Berichtigung der strittigen Grenzlinie. 4. Entfernung der für die Erhebung verantwortlichen Führer. Erst nach Einigung über diese Vorbedingungen könnten die ctgentlichen Frtedrnsvcrhandlungen aus der Grundlage der Madrider Abmachungen beginnen. Durch die Abmachungen von Madrid seien im übrigen die wesentlichen Grundlagen für die eigentlichen Friedens- Verhandlungen wie folgt festgesetzt worden: Regelung der Risgrcnze am Ucrgha, Gewährung einer V e r w a l t u n g ö - antonomte unter der Souveränität des Sultans an die Rtsstämme sowie endlich Entwaffnung der Gegend und Aus übung einer militärischen Kontrolle Uber sie. (W.T.B.) Wie HavaS aus Madrid berichtet, ermahnt der Minister präsident in einer Kundgebung Presse und Bevölkerung, die demnächst beginnenden Friebensverhandlnugen mit Ma rokko nicht durch unerwünschte Verüfscntltchungc» und Neu gier zu beeinträchtigen. Die Marokkosrage stelle sich heute unter günstigeren Bedingungen denn ie dar. Es handle sich nur darum, die Früchte der militärischen Anstrengiitigen und Opfer der Zivilbevölkerung zu ernten. Paris, Ist. April. Briand leistet« einen Betrag von 10 000 Frank als freiwilligen Beitrag für die Amortisa tion der schwebenden Schulde«. Sachsenkonsttkk, Parleioorsland tind Gewerilschasten. Um die 23 Ncchtssozialistcn im Sächsischen Landtage und ihre Vertreter in der Regierung brandet mit immer steigen der Heftigkeit die Flut und Wut der Radikalen. Nur einen einzigen schwachen Erfolg haben die Dreiundzwanzig zu ver- zeichnen, und zwar in Chemnitz, wo mit 57 gegen 4» Stimmen eine Entschließung abgclehnt wurde, die den sofortigen Aus schluß der „Disziplinbrcchcr" forderte: in allen übrigen Punkten trat aber die Versammlung ganz auf die Seite der Gegner der Drciundzivanzig. Der Chor der radikalen Partciprcssc ist durchweg aus einen Ton gestimmt, der es dem bürgerlichen Leser schwer macht, sich durch den Wust von Gehässigkeit auch nur oberflächlich hindurchznwindcn. Die Dreiundzwanzig werden direkt als Bannerträger des Bürgertums denunziert, die nicht im Affekt gehandelt, sondern „mit eiskalter Be rechnung der Gcsamtpartei den Fehdehandschuh ins Gesicht ge schleudert hätten". Der Kehrreim ist immer: „Hinaus aus der Partei mit diesen Verrätern an der Sache des Proleta riats!" Den Rekord dürfte wohl das Leipziger Partciblatt erzielt haben, das erklärt: .Hetzt haben wir in der ganzen Partei a» dem sächsischen Saustall genug!" Das Verhalten der Drciundzivanzig wird von diesem Organ als „offene Re bellion" gekennzeichnet und daraus die Folgerung gezogen, der Partcivorstand, dessen Ehre und Autorität ebensosehr ans dem Spiele ständen wie die gleichen ideellen Güter der Gcsamt- partet, müsse im wohlverstandenen eigenen wie im Partei- intcressc den unverzüglichen Ausschluß aller direkt oder in direkt an der Palastrevolution Beteiligten verfügen. Auch von der übrigen Partciprcsse und von den LandcSinstanzc» wird ein starker Druck auf den Berliner Partcivorstand aus- geübt, um ihn zu bewegen, sich der Auöschlnbfordcrung gegen über willfährig zu erweisen. Die Berliner Partcigrößcn sind ob dieses Ansturms in große Schwulität geraten und wissen nicht recht, wie sie sich aus der Affäre ziehen sollen. Ganz im Anfänge des Konslikts, als sich die Stärke der radikalen Bewegung noch nicht über sehen ließ, stand der Partcivorstand noch Schulter an Schulter mit den Dreiundzwanzig »nd hielt ihnen auf dem Heidel berger Parteitage kräftig die Stange. Ie mehr aber der radikale Wind an Stoßkraft znnahm, desto mehr flatterte auch der Mantel des Partcivorstandcs nach der gleichen Rick tnng. Bezeichnend sür diese Wendung waren nanientlich die Vorgänge ans der Dresdner Tagung der sozialdemokratischen Bezirksvorstände, wo die Erklärung beschlossen wurde, daß die Abgeordneten, die am 25. März gegen die Landtagsauflosung gestimmt hatten, nicht mehr als Vertreter der Partei an- zuschcn seien, ebenso auch nicht die Minister. Bei dieser Ge legenheit stimmten die von Berlin entsandten Mitglieder dcS Partcivorstandes mit den radikalen Delegierten sür die so fortige Auflösung des Landtages ohne den vom Heidelberger Parteitage geforderten politischen Grund, vcrlengneten also den Beschluß des Parteivorstandcs. Die Dreiundzwanzig aber wurden beschuldigt, sic hätten das chrcnwörtlichc Versprechen gegeben, bei der Abstimmung über den Auslösungsantrag da für einzutretcn. wären dann jedoch wortbrüchig geworden. Tic entrüsteten Proteste der Dreiundzwanzig waren in den Wind gesprochen. Es wird also in dem Kampfe gegen die Nechtsgruppc kein Mittel gescheut, um sic zu diskreditieren. Die Kommunisten gebärden sich bei diesem Streit als die sich freuenden Dritten. Sie sehen bereits eine neue radikal- sozialistsche Partei a»s der Nildfläche erscheinen, an die sie sich anbicdcrii und die sic auSnutzcn zu können hoffen. De» ersten Schritt nach dieser Richtung taten sie ans der Dresdner Konferenz durch die Ueberrcichung eines schriftlichen An gcbotS, worin die „neue" sozialistische Partei aufgcfordcrt wurde, gemeinsam mit den Kommunisten einen „Volksentscheid gegen die jetzige Negierung nnd den Landtag" cinzuleitcn. Wozu nur bemerkt sein mag. daß »ach Artikel W der sächsischen Verfassung ein Volksentscheid nur Uber ein Gesetz, mit Aus nahme des Staatshaushalts, der Abgabe» und der Veamicil- bcsoldung, sowie über die Landtagsauslösuilg zulässig ist. also über die Frage, ob eine bestehende Regierung fortbestchen soll, gar nicht stattfindcn darf. Weiter, als er es bis jetzt getan, scheint sich indessen der Partcivorstand gegen die Dreiundzwanzig doch nicht vorwagen zu wollen, wie sich ans seiner ablehnenden Haltung gegen über de» Auoschlußaiiträge» ciiinehmcil läßt. Die Berliner Partciinstaiiz hat erklärt, sie könne dem Verlangen nach Aus stoßung der „Disziplinbrcchcr" nicht Nachkommen, weil die Vorschrift beS Organisationsstatuts, aus die sich die Antrag.