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MDM ^ DI Gegründet 18S8 Dradlcmlchrttl! »»Nulchlr, D-»»»»,. 8«ml»r»ch»i - Samm»>numin»r SV S41 Nur tür Nack>g»Ipr«ch«: SO 011. yrettas, 2». Fammr IS» Schnftl«tunq >mt> zzauplg»»chan»tl»l warlruklrak« 38 4L. Druck u. V«ru»i von llleplck 4 Nrlck«»» m Dresden. DvIIIchkck-.gonlv 1OS3 Drrdd«,. Nachdruck nur mtl deu»ich«r Quellenangave „Dresdner Nochr.- rulüMa UnverlanNi» SckruMvckr werden nick» auldewadrt. Europa-!^of I1IIUUM«?ttl.iUiUItIiliM».ltUIklNI,tIlUU»UUUUt IDs ^ 1>S ff Punkt cj 6 s- voi-nslFMSn Ssssüse^aft! »Isäen 8onnsdenä, 9 Ukr: 6E86ll86^Äfl8-/^I)6I1El koulstte Isnr mit Ubsssssotiungen DtRsIIer», '/xS u»»p« D»»»»-D«k» — /^rrsngsur: WsI»Qli-V»IL« Vertrauensvotum für das Kabinett. Völkischer Zusammenstoß mit Dr. Luther. — Ausschluß -es Abg. Kenning von -er Sitzung. Die Konferenz Brian--Chamderlain in Paris. — Prinz Max von Baden und die Vorgänge in -er Marine. 180 gegen 158 Stimmen. Verl ln. 28. Jan. Das Vertrauensvotum der Regierungsparteien wurde in namentlicher Abstimmung mit 160 gegen 150 Stimmen bei 130 Stimmenthaltungen angenommen. Vas Resultat der Abstimmung wurde von den Mitkelparteien mit tauten Vravo -Rusen aus genommen. (W. T.B.) Die zweite Re-nerreihe im Reichstage. Berlin, 28. Januar. Am NegierungStisch »Reichskanzler Tr. Luther. Bor Eintritt in die Tagesordnung wendet sich Abg. ». Gnerard tZ.s gegen einige Äeusscrungeu des Abg. Graf Westarp <Dn.j tu seiner Mtttwochrede, besonders hinsichtlich einiger Vorbedingungen für den Eintritt in den Völkerbund. Redner erklärt ausdrücklich, datz er im vollsten Einverständnis mit alten seinen politischen Freunden in der Befolgung der »vn dem Grasen Westarp vorgczeichncien politischen Linie eine Gefährdung der gesamten Interessen Deutschlands und insbe sondere der besetzten Gebiete sehe, die unter allen Umständen vermieden werden mühte. iBcifall im Zentrum.s Abg. Meyer-Franken i.K.j verlangt sofortige Stellung, »ahme zu der Gefährdung der Pressefreiheit in Bauern. Die bayrische Regierung habe den VersassungSbruch zu einem System gemacht, (!» Gegen die sofortige Behandlung dieser Frage wird Widerspruch erhoben. Die grohe politische Aussprache über die Rcgicrungscrklärnng wird dann fortgesetzt. — Abg. Henning IVölk.s bekämpft das neue Kabinett Lnlhcr Er achte, führte Abg. Henning a»S, jeden politischen Gegner, der ein fester Charakter sei, aber solche Leute könne man nicht achten, die seinerzeit Bilder mit Unterschriften vom Kaiser erhallen und dann während und nach der Revolution ihr demokratisches Herz entdeckt haben. Man möchte setzt gar die „staatS- »ejahende" Sozialdemokratie in die Regierung haben. Dicke ftaatSbesahende Sozialdemokratie habe zusammen mit den Unabhängigen aber dauernd den Staat untergraben. Die gestrige Erklärung des Reichskanzlers habe deutlich gezeigt. Rth an der Erküllungspolittk sestgehalten werden solle. Ter Reichskanzler verlange ein Vertrauensvotum. Wenn ein s»lches aber nur dadurch erzielt werde, dass die grösste Partei deS HanscS. die Sozialdemokratie, sich der Stimmenabgabe ent halte, bauu sei eS kein Vertrauensvotum der Mehrheit. Daun »Ssste der Reichskanzler zurücktreten. Die Anträge der Linken zur Fürstenabfindung seien ledig- lich ein Manöver, um vom Barmat-Skandal abzulenken. Durch die Schuld der Regierung sei die Landwirtschaft in ihre Not. läge bineingebracht worden. Nun komme der Reichskanzler, „der Henker der Landwirtschaft", und verlange deren Jntenss- «ierung. Der Redner schlicht seine Ausführungen mit den Worten, dass die setzige Negierung „eine Negierung der Henker" sei. Dies« Aeutzerung löst im ganzen Hanse eine grobe Un- «»he anS. Reichskanzler Dr. Lother. der schon wahrend der Rade Hennings sich ans seinem Stuhle vor der Regle- raugSbauk unruhig hin nnd her bewegt hatte, spraua er regt auf und trat vor den Abgeordneten Henning, sich deu von diesem gebrauchten Ausdruck in zornigen Worte« »erbittend. Währenddessen herrschte tn> ganzen Hause ein solcher Lärm, dab der Vizepräsident Vell (Z.j sich erst nach Minuten verständlich machen konnte. Sr schloss den Abgeordnete» Henning wegen des von ihm gebrauchten Ausdruckes von der Sitzung aus. Abg. o. Ltnbe ner.rvllöau (On) als Redner der Dcutschnationalcn bedancrte, dass der Vorredner sich zu einer Acusscrung gegenüber dem Leiter der Rctchs- poUtik habe hinreisscn lassen, die das Mas, des Zulässigen « it überschreite. Mit solchen Worten diene man der Würde öeS Parlaments gewiss nicht. In der heutigen Krise sei vielmehr die Krise deö derzeitigen deutschen Rcgicrii-.gS- systemS, des Systems der parlamentarischen Demokratie über haupt. zu erblicken. ES sci verständlich, dass die Herren der Linken das nicht gern zugcben wollen, denn dieses Regie- rungssystcm sci ja die hochgeprtrscnc Licgesfrucht des so genannten Volkssieges vom November llU8. Inzwischen aber sollte man doch eingesessen haben — eS bat dies ia auch die Geschichte der Deutschen Republik erwiesen —, dass dieses Regierungssystem für Deutschland nicht möglich ist. weil die inneren und politisch orggnisatortschcn VorauSsctzungc» dafür unserem Volke einfach schien. Wer, wie die Sozialdcmo kratie, den Mul hatte, Locarno anzunehmen, der musste auch Sen Mut aufbringen. Locarno auSzusührcn. Dieser An. ichauung hat der Reichskanzler selbst Ansdruck gegeben. Wen» »a» nun bei den Sozialdemokrate» glanbt. dass dieses NegicrungSsystem i« Devtschlaud möglich war, dann habe» gerade die Sozialdemokraten sich am schwersten an diesem System versündigt durch ihre Ab lehnung der Grossen Koalition, und sie haben da durch gezeigt, dass in ihren Reihen selbst, in den Reihen der amtlich abgestempcltcn Schildwächter der Demokratie, die inneren Voraussetzungen heute noch nicht vorhanden sind, dass ihnen die politische Verantwortlichkeit noch fehlt. Darum muss man auch der Meinung sein, dass so kleine Mittel wie die angckündigte WasslrechtSrevision. nicht mehr helfen können. Wlr müssen die Möglichkeit zur Errettnng des Volkes schassen durch die Wiederherstellung einer scsten Regl-rnngs- gemalt. Die Krisengesahr ist um so grösser, weil diese Krise des Staates in eine Zeit fällt, wo wir aus iv-irtschaftlicheir Gebiet ebenfalls vor dem Zusammenbruch stehen. Die Land Wirtschaft ist so verschuldet, dass st« nur «och die Wahl ha« zur extensivste« Wirtschaft überzngchc« oder deu Wandcrstab «t vobmen. Wir haben sogar gelesen, dass jemaird sein Gut verschenken, aber niemand es habe» will. Wir Dentschuationale« sind n«S bnrchanS darüber klar, dass die weltpolitische Einschaltung Deutschlands nur aus dem Wege der Berständsgnng mit unsere» früheren Feinden erfolge« kann, aber wir können nicht immer allein die Gebenden sein. Wenn wir die Bilanz der Außenpolitik der letzten Monate Zehen, so ist es genau dasselbe Bild wie in den letzten sieben Jahren. Herr Dr. Luther hat selbst am 28. November v. I. gesagt, dass das deutsche Volk erst dann glauben und v e r- trauen könne, wenn es Tatsachen vor sich sehe. Solche Tatsachen liegen aber nicht vor und darum können wir nicht glauben und nicht vertrauen. iLeüh. Beis. rechts t Die letzte biclegenheit, positive Erfolge zu erreiche«, ist der Eintritt in den Völkerbund. Haben wir dadurch noch unsere weltpolitische Handlungsfreiheit aufgegcbcn, daun sind unsere Taschen leer nnd wir sind aus Gnade und Barmherzigkeit, aus das Wohl wollen unserer Feinde angewiesen. Was das bedeutet, zeigen die Veröffentlichungen über die Zusammensetzung des inter- Nation ulen Oberkommandos. Wir verschließen unsere Herzen nicht vor den grossen ideellen Gedanken einer überstaatlichen Organisation, di« die Welt nach Möglichkeit von der Geißel gewaltsamer Lösung internationaler Konflikte befreien könnte. Aber kann man diese» Völkerbund als Krtedensbringer au- sehe«? Ich habe den Eindruck, dass man in der Erwartung des deutschen Beitritts nur neu« Barrikaden aufbaut. (Lebh. Zust. rcchts.s Wir verlangen auch di« Rückgabe der deutschen Kolonien. Der Redner kommt dann aus die deutschen Minderheiten zu sprechen. Die deutsche Jrrebenta ist die grösste, die die Geschichte Europas jemals aclebeu bar. und dieses arme Europa wird niemals Frieden haben, so- lange nicht nnscrem deutschen Volke das Recht zucrkannt ist. selbst über sein Geschick zu bestimmen. Wir Müllen der dcut- scheu Jugend neue Ziele und Ideale geben, nnd dazu gehört auch das Ideal der grossen deutschen Volksgemeinschaft. Ein Beitritt zu diesem Völkerbund bedeutet eine wesentliche Ver- schlechter»»« und Erschwerung dieses Zieles. Unsere Oppo sition wird und soll nicht sein die cincS kleinlichen Partei- trctbenS. sondern eine Opposition der Pflicht- die sich mit denen, die in der Regierung sind, misst im Ringen um die deutschen nationalen Güter und um die deutsche Zukunft. «Lebhafter Beifall bei den Dcutschnatiowalemi Abg. Loeucn i,Kvmm.s nimmt den Aba. Henning in Schutz. Das Recht der freien Meinungsäusserung mitlle anf- rcchtcrbaltcn werden. Zur Wahrung der Rechte dcS HanseS miille der ausgeschlossene Abgeordnete wieder zugclasscn werden. (Vizepräsident Bell ersucht den Redner, die Mass nahmen des Präsidenten nicht zu kritisieren. Er habe sich wodcr vom Hause noch vom Reichskanzler bcetnslnsscn lassen, sondern nur nach seinem Genüsse» gehandelt.) Koenen kritisiert dann im einzelnen daS Rcgierungsprvarainm. Abg. Dewitz (Wirtscl). Vcrgg.s will der Regierung zunächst die Möglichkeit der Arbeit geben. Wenn sic aber sich als un- ! fähig erweise, dann müsse sic ausS schärfste bekämpft werden. — Abg. Feder lVölk.t fragt, waS in den sieben Jahren der Revo- lntionsherrschaft für daS Wohl dcS Volkes geschehen sci. Lüge nnd Heuchelei seien an der Tagesordnung gewesen. — Abg. Dr. Brcitschcid <Soz.) polemisiert gegen die Ausführungen der benischnaiionale» Redner. Abg. Dr. Scholz <D. Bp.) beantragt die Ueber. Weisung des dcutschnationalen Antrages über die Vor bedingungen zum Eintritt in den Völkerbund an den AnS. wärtigen Ausschuss. Abg. Gras Westarp (D.-N.t ivtdcrsprtcht der Ucberwetsnng seines Antrages an den Ausschuss und »»erlangt sofortige Entscheidung. Der Abreise nach Locarno hätten seine Freunde zugebtlligi in der Voraussetzung, dass keine Bindung in Locarno erfolge» sollte. ISorrsetzu», steh« Sette L) Armut und Anatomie. Der Fall der Mjährigen Greisin, die nach völliger Der. armung durch die Inflation im Tode durch mitleidige Men schen davor bewahrt werden muß. dass sic von den Zangen und Klammern eines unvernünftigen Gesetzes erfaßt und an die Anatomie abgclicfcrt wird, bildet in seiner krassen Eigenart eine kulturgeschichtliche Episode. Man ersieht dar aus was in unserem vielgerühnrten Zeitalter der Humanität und Pietät alles noch möglich ist. Das ist wirklich ein Vor kommnis. angesichts dessen man sich in mittelalterliche An schauungen und Zustände zurückversetzt wähnt. In erster Linie bäumt sich das natürliche und vollberechtigte PietätS- 'Mpsinden gegen ein Gesetz ans, das ausnahmslos einen Leichnam als dem Lasser des Angiomen verfallen erklärt., wtnn der Verstorbene '>nst aus öffentliche Kosten bestättet werden müsste. DaS Hein» doch den an sich schon so schweren Fluch der Armut noch hundert- und tausendfach von Gesetzes wegen verschärfen. Ein Mensch kan» ein langes ehrenvolles und sittliches Leben geführt haben und doch durch unver diente Schicksalsschläge zuletzt so in BermögenSvcrfall geraten, dass er nicht einmal so nies hinterlüsst, um seine Bestattungs kosten' zu decken. Ndan stelle sich nun vor, was für Emp findungen gegenüber der menschlichen Gesellschaft in ihm daS quälende Bewusstsein auslösen mutz, datz er trotzalledcm nicht einmal der Wohltat eines ehrliche» Begräbnisses teU. hastig werden kann, sondern die Ablieferung seiner Ueber- rcste an die Anatomie gewärtigen mutz! Früher hietz eS wenigstens: „Wenn du aber gor nichts hast. — Lasse dich nur gleich begraben, — Tenn ein Recht zu leben, Lump, — Haben nur, die etwas haben." Nach diesem unglaublichen sächsischen Landesgesctz aber bleibt auch das Begrabenwerden für die „glücklichen Besitzenden" reserviert: der Arme, der nichts hat und dessen sich auch kein Barmherziger anuimwt. um für ihn dte Begräbniskosten zu bestreiten, mutz sich in der Anatomie zerstückeln lassen. DaS peitscht förm lich alles menschliche Empfinden in jeder Brust aus, hie je mals eine Regung von Pietät in sich gespürt bat. Es kann nur begrübt werden, datz der sensationelle Fall die öffentliche Aufmerksamkeit ans einen so ungeheuerlichen Mitzstand ge lenkt hat. Es genügt aber nicht, datz die Sache blotz einmal mit einem satirischen Magncsiumblitzlicht für einen Augenblick erleuchtet wird, um dann wieder in das Dunkel der Ver gessenheit zu versinken, sondern cs mutz eine gründliche und nachhaltige Erörterung staltfinden, damit für die Zukunft ähnliche kultur- und pietätswidrige Möglichkeiten, die in keinem anderen deutschen Lande Vorkommen können, auch in unserer engeren sächsischen Hcünat wieder beseitigt werden. Abgesehen von den moralischen Gründen, die dem Weiter- bcstchcn eines derartigen Gesetzes widersprechen und die lür sich allein schon die Forderung nach seiner Aufhebung in vollen» Umfange rechtfertigen, ist auch auf die widersinnigen pra-k tischen Folgen zu verweisen, die damit verbunden sind. Die Sozialdemokratie agitiert bekanntlich für die Einführung der allgemeinen Bestattung auf Gcmeindekoften. Gesetzt nun den Fall, eine von sozialistischer Mehrheit regierte Gemeinde be schlöffe dementsprechend. Dann würden bet buchstabenmätziger Durchführung dcS Gesetzes, das ja eine Beisetzung ans öffent liche Kosten verpönt, alle Toten einer solchen Gemeinde als Anatomieopfer verwendet werden müssen! Und noch ei» weiteres, nicht minder krasses Beispiel! In dem Para graphen t86, Abs. », der ReichSstrasprozchordnuiig heiszt cs: „Ter Leichnam eines Hingerichteten ist den Angehörigen desselben aus ihr Verlange» zur einfachen, ohne Feierlichkeiten oor- zunchmenden Beerdigung zu verabfolgen." Also sogar einem Mörder gewährt der Gesetzgeber die Wohltat des Rühens in geweihter Erde, während ein Ehrenmann, der tadellos durchs Leben gegangen ist, bloss deshalb, weil er arm wie eine Kirchenmaus sich auf die Bahre legi, der Anatomie verfällt! Kann der gesunde Menschenverstand, kann das natürliche, un verbildete PietätScmpfinden so etwas fassen? Nein und drei mal nein! Erstaune» und Befremden ergreift uns heute, dass seine, zeit der Sächsische Landtag ziemlich widerspruchslos ein so tief in alle herrschenden ethischen Begriffe einschneidendes Gesetz verabschieden konnte. Sogar in der Ersten Kammer stimmten alle Mitglieder dafür: nur ein einziger, der jüngst verstorbene Freiherr Sahrcr v. Sahr ans Dahlen, erklärte sich dagegen mit der Begründung, dass sein christliches Ge wissen und seine Auslassung von den Pflichten der Pietät ihr», verböten, eine derartige Regelung guizuheitzen. Es herrschte damals ein vorübergehender Notstand in der Versorgung der Anatomie mit dem erforderlichen Studienmaterial. Unter dem suggestiven Druck dieser Erscheinung standen beide Kammern