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71. Jahrgang. Ai «4 MenS-Ausgabe wonlag» IS. Dezember 1»r» Gegründet 183« Leahtanschrtst, «echetchle» »re«»«». E»r»lp«»ch»e-Samm»inumm«r. SVS<1 vin Iv, NachlgrIprSitz»: SV 011. B-zug-.S-bühr St»,»,»»«»« «, Vt»,»«,. Di« Anz«,a»n wird«, nach «awmar» -»rechnei. dt» »inipallt« w mm dr»tl» Anzeigen-Preise: L'K«, Ä.'.Sl'.' ^Z>' Ä°" auhirdald 200 Ptq. Ogerlrnaebühr 10 Plg. Au«w AuNritg» q«g»n Dorau»d»ia»l. SchrMlittung und KaupIg»lchitft,N«ll»: «»ri»»IN,n« 38 Druck a. Verlas von Llepsch » Vrtchardt in Drerde». Pohlcheck-Konlo 10S 8 Drei»«». Nachdruck nur mti d»mltch»r Suell-nanood» .Dresdner Noch, " ,ul«Ma. Unverlanat« SchriNMtcke w«rd«n nicht autdewadrt. Reinhold gegen die Me des Rachtragsetat. Eine Ueberschreitung von 20« Millionen aus Zollmehreinnahmen unmöglich Frankreich bangl noch immer um seine Sicherheit. — Die Londoner Presse nicht unzufrieden. — Finanzausgteichs-Lefprechungen. Die Darlehen für die Reichsbahn bewilligt. Berlin, 13. Dez. Der Haushaltaus schuß des Reichs tages setzte heute die Beratung des »weiten Nachtragöctats für l92S beti» Haushalt der allgemeinen Ftnanzvern»altung fort. — Abg. Seil (Soz.) erstattete den Skricht über die durch die inzwischen gefatzten Beschlüsse erfolgte Erhöhung des L. Nachtragsetats gegenüber -er Negierungsvorlagc. Der Redner fragt nach den Rückständen der Erbschaftssteuer und kündigt eventuell den Antrag an, den Ertrag der Steuern und Zölle in den Etat mit 7 Millionen mehr cinzusetzen. Reichsstnonzmtnisier Dr. Reinhold ergriff sodann das Wort und führte ans: Durch die ver schiedene» Bewilligungen, die die einzelnen Ausschüsse des Reichstages voraenoinmen und die das Neichstagsplcnum in seiner »weiten Beratung gntgeheitzen hat. ist für die Reichs regierung und daS Fingnzministcrtnm eine antzcrordcntlich ernste Lage geschaffen worden. Die Dinge liegen so. datz schon durch die Vorlegung des ungcivöhnltch hohen Nachtrags» etatS für das Rcichösinanzmintstcrinm ernste Schwierigkeiten und Sorgen erwachsen, ob die Mehrausgaben auch durch die Mehreinnahmen gedeckt werden. Durch die Beratungen im Reichstage haben sich die Dinge kompliziert. Der Reichstag hat in den von uns.angefordertcn Ausgaben nicht ganz eine Million gestrichen, rin Beweis dafür, datz wir nur die dring lichsten Forderungen gestellt hoben, aber der Reichstag hat iuzwisch«A eiuschlietzlich der Beschlüsse des Plenums in zweiter Lesung 138 Millionen mehr an« gefordert. Die Regierung ist nicht in der Lage, allen diesen Bewilligungen zu entsprechen. Ich Hobe z. B. daS Ost Programm hervor. Die Not lage Ostpreutzens steht fest. Die Reichs regierung hat deshalb Nt Millionen für diese Zwecke »ur Verfügung gestellt, aber dieses Entgegenkommen hat dazu geführt, datz nun auch für de» gesamten Osten, für alle bedrohten Gebiete ähnliche Be willigungen gefordert nmrden. Wenn der Reichstag bei feinen Beschlüsse» bleibt, so ist die Regierung nicht in der Lage, diese Anforderungen zu erfüllen. ,1ch kann schlechterdings nicht mehr als 299 Millionen, die aus Mehrzöllc« usw. noch einkommeu, in de« Etat einstelle». una werde diese Erklärung vor der 3. Lesung des Etats auch im Plenum deö Reichstags abgeben. Die Schätzung, datz diele 200 Millionen verfügbar sein werden, trügt einer günstigen Entwicklung schon wentgehend Rechnung. Deshalb müssen die Mehrbcwillignngen aus diese 200 Millionen zu- rückgcsnhrt iverden. Ich werde nicht mehr Ausgaben leisten, als ich Einnahmen zur Verfügung habe. — Auch vom Ncichsrat sind »och 23 Millionen Mcbranforde- rungcn hinzugefüat worden und sogar rund 7V Millionen weitere Anmeldungen in Aussicht gestellt. Ich werde daher dem Reichsrat die gleiche Erklärung wie im Plenum des Reichstags abgeben, datz durch solche Mchrbcwtlltgungen keine solide Finanzverwaltung gefordert wird und -atz ich nicht in der Lage bin. solche Ausgaben zu leisten. lieber diese Erklärung entspann sich eine längere Aus sprache. an der sich die Abgg. Seppcl (Soz.) und Dr. Cremer iT.Vp.s beteiligten. — Abg. Hergt lDn.j wandte sich gegen eine Erhöhung der Einnahmeposten durch den Reichstag. — llbg. Dr. Onaatz (Dn.j sprach von dem Plan der Tschechen, eine» wendischen Korridor für Sachsen zu schaffen, — Abg. von Gnsrard (Zentr.j kündigte noch Anträge für die gefor derte Wcstmark zur dritten Lesung an. Reichssinanzmiuifter Dr. Rcinhold erklärte nochmals, datz er die Verantwortung für die Reichsstnanzgebarung nicht mehr tragen könne, wenn aus jeder Position, die er zur Hilfe für einen bedrängten LandcStetl einstclle, nun gleiche Forde rungen für alle anderen Landcsteile abgeleitet würden. Abg. Dietrich-Bade« sDem.) bemerkt, man sei nun end lich an dem Punkte angelangt, wo der Reichstag einsehen müsse, datz er nicht immer blotz Ausgaben bewilligen könne. — Abg. Leicht iB. Vp.j erklärte, unter keine» Umständen an erkennen zu können, datz die Forderungen sachlich unberechtigt seien. — Aba. Dr. Eremer sD. Vp.s gab der Ansicht Ausdruck, das, für werbende Forderungen die einzige Deckungsmöglich- lcii die Anleihe bleibe. — Abg. Keil lSoz.) verwies darauf, datz bei den Einnahmen des Nachtragsetats unter Zöllen als über den Anschlag von 1926 hinausgehend nur 90 Millionen Reichsmark figurierten. Dieser Ansatz sei viel zu niedrig. Man werde damit rechnen können, das, im Endergebnis ein Mehrbetrag von 227 Millionen Reichsmark für die Deckung der Ausgaben des Nachtragshaushalts -ur Der- sügnng stehen werde. Seitens der Reichs, egierung wurde diese Auffassung a-IS z» optimistisch bezeichnet. Trotzdem nahm der Ausschutz, um einen riaimätzlgeu Ausgleich für die Mchrsorderungen zu haben eine« Antrag des Abg. Keil (Soz.s an. der die als Ein nahme für Zölle im RachtragSetat veranschlagte Summe von >i> Millionen ans 227 Millionen erhöht. Nun konnten auch rcchnnngsmätzig die 41.8 Millionen für Wcihnachtsgratisika- tioucu an die Beamte« und Angestellten des Reiches vom Haushaltansschnb genehmigt werden Ebenso genehmigt »»rden S Millionen Mark für di« bereits beschlossene einmalige Zgwendnng an die Arbeiter der Reichs Verwaltung. Wie in den Rechnungsjahren 1924/22, soll auch für >929 versucht werden, durch Kürzung von Ausgaben Ersparnisse zu erzielen. Entsprechend der Regierungsvorlage setze hier für der Ausschutz den Betrag von 80 Millionen Reichsmark fest. Hierbei betonte Abg. Hergt <D.-N.>, datz der RcichSsinanz- minister nicht das Recht habe, derartige Ersparnisse als „Er sparnisse der Verwaltung" zu bezeichnen, da es sich bei diesem Posten nur um sogenannte Mehrschützungcn oder, richtiger ge sagt, falsche Schätzungen handle. Zur Deckung von ordentlichen Ausgaben für die Kriegslasten mutzte im »weiten Nachtrags- ctat -er HaushaltanSschntz 117 429 200 Reichsmark bewilligen. Bewilligt wurden weiter 12 834 OliO Reichsmark für die Kriegslasten zur Abführung an den Kommissar für ver pfändete Einnahmen zum Zwecke der Ansammlung eines Reservefonds. Es handle sich hier nicht um ein« end gültige Ausgabe des Reiches, sondern um die Ansammlung eines Reservefonds als Sicherheit für die von Deutschland zu leistenden Reparationszahlungen ans Grund des Londoner Abkommens. Der Fonds ist von dem Kommissar für ver pfändete Einnahme» verzinslich nnznlcgcn. Die Zinsen fließen der ReichSkasse zu, ebenso ist das Kapital nach Er füllung des Londoner Abkommens dem Reiche ivieder »ur Verfügung zu stellen. Ferner stimmte der HaushaltanSschntz der Gewahrung eines Darlchns an die obcrschkesische Eisenindustrie im Be trage von 18 Millionen Reichsmark »«. Bewilligt wnrde auch die Etatsposiiio», die ein Darlehen an die Deutsche Rcichsbahugescllschast im Betrage von 199 Millionen Reichsmark enthält. Im Nahmen des allge meinen ArbeitSbeschasfungsprogramms soll ans dieser Etat position der Deutschen Ncichsbahngesellschast ein monatliche» Teilbeträgen zahlbares Darlehen bis zu 100 Millionen Reichsmark gegeben werden. Nach Vereinbarung mit der Deutschen Retchsbahngcsellscl>aft ist vorgesehen, aus diesen Mitteln die Erweiterung des Gleisumbaues um 200 Kilo meter. die Fortführung des Programms. von Grotzbaute», die Beschaffung von Werkstoffen und Ersatzstücken zur Ver besserung des Fahrzeugparks und zur Elektrisierung der Berliner Städt- und Ringbahn teilweise zu bestreiten. Das Darlehen wird mit 8 v. H., soweit es für die Elektrisierung der Berliner Stadt- und Ringbahn verwendet wird, um 7/iv. H. jährlich verzinst und spätestens nach drei Jahren zu- riickgczahlt, wobei die Umivondlung in eine langfristige An leihe Vorbehalten ist. Ferner bewilligte der Haushaltansschns! ein Darlehn von 11299 999 Reichsmark »ur Fortführung begonnener neuer Eisenbahnen. Mit der bauausführenden Deutschen Reichs- bahiigesellschast ist vereinbart, -atz die Verzinsung des Tar- lehns ab Betriebseröffnung der einzelnen Stabilen mit 2-s^ v. H. jährlich und die Tilgung mit 1 v. H. jährlich unter Aus schluß der ersparten Zinsen erfolgen soll. Die Beurteilung des Genfer Ergebnisses. „Ein -ipiomaiisches Sedan für Frankreich." (Durch Funkspruch.l Paris. 13. Dezember. Zu dem in Genf abgeschlossenen Abkommen äußert sich die Mvrgenpresse znstimmend. „Journal" schreibt: Die Methode der Entivafsnung Deutschlands hat die Lösung gesunden, die voraus zu sehen war. Locarno trägt Len Sieg davon. Ein Kom- promitz, das auf Grund gegenseitiger Zugeständnisse ab geschlossen wird, mildert, was cs noch an Härte in dem ver blassenden Regime von Versailles gab. Ouotidien" führt aus: Deutschland will wieder groß werden. Frankreich will Sicherheit haben. Diese Be strebungen sind nicht immer leicht miteinander in Einklang zu bringen. Aber das wesentliche ist, datz ein gemeinsamer guter Wille sich bemüht, die Streitursachen zn beseitigen. Von nun an ist die Politik von Locarno die Politik Frankreichs. „Figaro" schreibt: Das wesentliche vom Standpunkt der französischen Regierung ist, datz die Lierhandlungen von Gens zn Ende gehen, ohne datz die Autorität der Botschafter konferenz mitzachtct wird, und ohne datz die Entwaffnungs klauseln des Vertrages einem Schiedsgericht unterworfen iverden. Der „ Gaulois " führt an: Man must noch einmal sagen: Dt« materiell« Abrüstung bedeutet nichts ohne die moralische Abrüstung. Wenn Zweifel über die erstere bestehen. waS soll man dann über die letzter« sagen, die allein uns ein wenig berichigen könnte? Pertinax zeigt sich >m »Echo de Paris", das sich be kanntlich seine außenpolitische Haltung von dem französischen Gcneralstab inspirieren lätzt, wenig zufrieden mit dem in Gens erzielten Kompromiß. Nur dem Umstand, daß Poincar^ Briand angewiesen habe, unter keinen Umständen von den vom Ministerrat gegebenen Instruktionen abzuwetchen, et es zu verdanken, datz unter anderem der Plan, die Prüfung der Frage der Ostbefesttgungen dem Haager Schiedsgerichts- Hof zu unterbreiten, gescheitert sei. — Die Ueterwachnngs» organe des Völkerbundes seien ziemlich machtlos. Wenn man in Gens festgestellt habe, datz Deutschland von 191 Abrüstung», örberungcn 99 erfüllt habe, so dürfe dieser Glaube an die deutsche Abrüstung Frankreich nicht hindern, andere Garantien zu suchen und ein starkes Heer zu schaffen. Außerdem gibt Pertinax seiner Genugtuung darüber Ausdruck, datz die Frage der Rheinlandräumung in Genf nicht behandelt wor den sei. Auch wenn Deutschland seine übernommene« Verpflichtungen er füllt habe, könne die Besetzung der Mat«,er Zone «ach Art. 429 «ud 4»1 deS «ersailler Vertrages hinausgeschobe« werde«, salls die Alliierten Frankreichs Sicherheit «och «icht für garantiert erachteten. Zum Schluß meint Pertinax, daß Briand künftig kein« Auftenpolitik aus eigene Faust mehr machen dürfe. — Der .Avenir", daS Blatt MillerandS. bezeichnet den AuSgang der Genfer Verhandlungen als ein »schreckliche» -iplo. matischeö Sedan" für Frankreich. Die Zukunft gehöre den deutschen Minister». Das Blatt fordert Polen airf, sich mit Deutschland zu verständigen, wie das soeben Italien getan habe. Roch eine »onfercuz und die Isolierung Frankreichs werde von aller Welt erkannt werden. Die Vcrantwortnng Briands sei schwer, aber noch schwerer diejenige Poincarcis. Außerdem bringt das Blatt neue Lügen über KriegS- vorLcreitnngc» Dentschlands. Das Urteil -er Lon-oner Presse. Bedenken des »Daily Telegraph". London, 18. Dez. Alle Blätter drücken ihre Zufrieden heit über das in Gens erzielte Ergebnis ans. Die „Times" sagt: Wenn di« deutsche Nation den Willen hätte, wieder eine starke Militärmacht zu werden, könnte sie durch Nadelstiche nicht verhindert werden. Die Zeit sei gekommen, wo -ic Ausgabe, gefährliche Entwicklungen im Schach zu halten, anderen Kräften überlassen werden müsse: einer deutschen öffentlichen Meinung, die durch freieren Verkehr mit den be nachbarten Nationen allsgeklärt und beruhigt werde, dem Ge fühl gemeinsamer Interessen unter den europäischen Völkern und dem Aufbau iniertraiionaler wirtschaftlicher Organisa tionen. — „Daily News" nennt die Lösung des Problems der Kontrolle befriedigend und spricht die -Hoffnung aus, datz die Besetzung deutschen Gebietes sobald wie möglich anshören iverde. — „Daily Ehronicle" sagt, es sei eine ivcisc Politik, Rechte aufzugehen, die die deutsche Ration unnötigerweise demütigte«. Der „Daily Telegraph" beurteilt die Lage nicht sehr optimistisch. Ob die beiden von der Botschafterkonferenz nicht erfüllten Punkte Ver fehlungen Dentschlands darstelltcn oder nicht, sei eine unent schiedene Frage. Das Blatt faßt sein Urteil dahin zusammen, daß die Genfer Entscheidung eine wichtige »nd n»mittelbare Entwicklung auf dem Wege der moralischen Befriedung dar stelle und im nächsten Jahr hoffentlich zu weiteren Fort schritten führen werde. Nach Auffassung des diplomatischen Korrespondenten des .Daily Telegraph" ist in Genf eine grobe Krage unentschieden geblieben, nämlich die, ob der Bvlkcrbnudsrat bei Verfehlungen Dentlchlands Sank tionen dnrch Mehrheitsbeschluß oder entsprechend der englische« Anssassnng nur durch einstimmige« Brschlnb »erhänge« könne. Es bleibe abzuwarten, ob dem Verschwinden der Jnter- alliierten Mtlitärkontrollkommissivn auch die Auslösung des Milttärkomtdces und der Rolschasterkonferenz folgen werde. Die Pariser Atmosphäre sei »icht gecianet für die Erörterung aller europäischen Probleme. Die Botschaster- konferenz habe ihr Prestige wegen ihres Mangels an Un parteilichkeit bei mehreren Gelegenheiten verloren. Außerdem schmälere sie die Rechte des Völkerbundes. Die Genfer Tagung habe den tiefgründigen Dualismus enthüllt, der immer noch zwischen Briand «nd dem französische« Nationalismus, den der Ministerpräsident «nd die Armccsiihrcr verkörperten, vor herrsche. Die polnische Presse mil Gens unzusrieden. Warschau, 13. Dezember. In der politische,, Presse macht sich über die Genfer Einigung Unruhe und Unzu friedenheit bemerkbar. Die meisten Blätter stellen fest, oaß sich der im September so mühsam erkämpfte polnische Ratssitz jetzt wenig wirksam erwiesen habe. Pilsudskis »Glos Prawdy" wirst Briand vor, datz er Polen in Gens völlig i« Stich gelassen habe. Der liberale .»Kurier Polski" macht für das Hienfer „Fiasko" den Grafe» Skrzynski verantwortlich. Briand berichlei am Dienstag dem Minislerral. Paris, 13. Dezember. Briand wird heute abend um 10,30 Uhr i» Paris etntrcffcn nnb morgen einem Mtiiistcrrat Bericht erstatten. iTU.s (Weitere Meldungen siehe Seite S.) .