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7S. Jahrgang SVS Abend-Ausgabe Dienstag, 27. Dezember 1827 Gegründet 1858 DrablantckrlÜ! NachriMten Dresden T«rn»vrecker-Lammc>»ummer- 2S241 Nur >ür NachloeivräLe: 20011 - lÄotziikr oom >»« »>-Dezember >»!!, b»> >aai. »wM-Nmei .lutzelluna ne, .sau» >.5c, -Mk vriLvUt)! Postbemasvrei» tlir Monai Deremder Mark ebne Poümsiellunasaebüdr. Einrelnummer ro Biennta Änmgen werben nack Golbmark berechne, Sie emlvattige 3v mm dreile Pi«. KamUicnaineiae» und Slellcnaciuchc okne ,a, mm breite Xeklamereile !»> Psg. Ilusw ÄuNrSae aeaen Borausberalila. OInroi^on-JiroHo- Zeile >5-Via., >ur auswärt« «„M. Kan ""Zeigen-^rene. ,5. Hia auberkalb «5 -Via. die aukerbalb ».«„Pia. Oiiertenaebillir>nP<a Echriitkeilima und stauviaeichSiisiielle: Marienitrake 3S 42 Druck u. Derlaa von Utevuy L Reimarv» m Dresden Postscheck-Konto 1O6S Dresden Nachdr>,ä> nm m„ fteniliche, Ouellenanaade Dresdner Nnchr »rläslia tlnverlanate Schriltktdchr werden nich, autbewadrl. Zer indische Nationalkongreß eröffnet. Boykott der englischen BerfassungskommWon und englischer Waren gefordert Indien will die Unabhängigkeit! London. 27. Dezember. Wie aus Madras gemeldet wird, ist dort der indische Nationalkongreß unter über aus zahlreicher Beteiligung eröffnet worden. Die Unter komitees des Kongresses haben nach lebhaften Debatten mehrere Entschließungen fertiggestellt, über die der Kongreß entscheiden wird. Diese Entschließungen enthalten «. a. ei» vollständiges Programm kür den Boykott der englischen Ver- sassnngskommission siir Indien. Sie sehen Massen demonstrationen vor, verlangen von den Mitgliedern des Nationalkongreffes das Fernbleiben von alle» gesetzgebenden Versammlungen und sagen der gegenwärtigen englischen Verwaltung entschiedenen Kamps an. Andere Entschließungen protestieren gegen die militärische und imperialistische Politik -er Negierung in den Grenzgebieten und verlange» Unabhängigkeit für ganz Indien. Die Provtnz- ausschüsse werden schließlich aufgesordcrt. eine Boykvtt- bcmcgnng gegen alle britischen Waren einznleiten. Das Schicksal -er englischen Gebetbuch- Vorlage. Die Entscheidung der englischen Bischöfe, die Vorlage z» einer Revision des gegenwärtigen Gebetbuches vor das Unterhaus zu bringen, wird eine sehr bedeutende Verzöge rung in der Durchführung neuer gesetzgeberischer Mah nahmen zur Folge haben. Die Erzbischöfe und die Bischöfe werden am tl Januar in London ziisammcnt'e'-',. „cue Vorschläge anSzuarbeitcn, die dem Untcrbatise die Annahme des revidierten Gebetbuches ermöglichen sollen. Im Februar wird eine Aussprache und eine Abstimmung über die neuen Der Streit um die Gegen Poincares Milliarden-Taumel. Paris. 27. Dez. Die „Volonte" setzt ihre Aufklärung über die Unhaltbarkeit -er Behauptung Poincaros fort, daß Deutschland nach wie vor 182 Milliarden Gold- nrork schulde und der DaivcS-Plan an den alliierten Forderungen nichts geändert habe. Theoretisch möge das wohl stimmen, aber praktisch sei eS ein Unding, denn kein vernünftiger Mensch könne glauben, daß Deutschland mehr als ein Viertel von der ursprüngliche» Summe bezahle» werde. Wie wenig Franzosen anderer Meinung seien, be weise die große Ucbcrraschnng. die sich allgemein nach der Veröffentlichung der Erklärungen Poincareö in der Ocssent- Ilchkeit zeigte. Die Wahrheit sei eben, das, Frankreich in dem Augenblick ans die Gesamtsumme von 1»2 Milliarde« verzichtete. alS cs den Dawcs-Plan Unterzeichnete. Wenn Frankreich trotz des Widerstandes der Bereinigten Staaten da§ alliierte Schuldenornbicm mit einer Revision des Daweö-Plansverbinde so mühte es viel weitcrgchcn und zum Beispiel die Frage einer schnellen Kommerzialisierung der Dawcs-Obligatio» im Zusammenhang mit den alliierten Schulden in Betracht ziehen, was aber ohne eine Ver minderung der deutschen ReparationSschuld nicht zu erreichen sein dürste. Man sei wohl noch nicht so weit, aber aus keinen Fall sollte man es versuchen, bereits in den Archiv ,» ver staubte Akten hcrvorzuziehcn, an deren Wirksamkeit niemand mehr glanbc. lieber die Polemik der vorhergegangencn Nummer das Folgende: „Volonte" schreibt: Die Ziffer der deutschen Schuld bleibe also 182 Milliarden Goldmaek. TaS sei tür jeden, der nachdenke, eine derartige Absurdität und eine derartige Ungeheuerlichkeit, das, rn»n sie unmöglich betone,, könne ohne gleichzeitig de» wesentlich theoretischen Ebaralter einer derartigen Lösung hcrvvrznheben. Dubois. und Poin- care dagegen hätten von diese» 182 Milliarden als von einer vollkommen normalen und einzubringcnde» Summe ge sprochen. Angesichts einer derartigen Sprache könnie man sich in die Aera der Lügen „nb Rlusss zurückversetz« glauben, die zur Rnhrbcscszuug geführt hätten, »m so mehr, als es die gleichen Männer leien, die man aus der Tribüne sehe. Die Wirkung, die dieses Wiederauftauche,' einer These überall in der Welt hcrnorriisci, werde, werde verheerend sein Deshalb Mülle in Frankreich kosort Protcsi erhoben werden Die Charta der Reparationen sei nicht mehr der Grnnb- bctraa von l»2l. sondern der DawcS-Plan Der Betrag der deutschen Schuld brtrage nicht mehr 182 Milliarden Koldmark. sondern höchstens 18 Milliarden. „O euvre" schreibt.- Der Zahlungsplan von 1821 ist nn- anSsiihrbar; dennoch erklärt Poincars. er bleibe bestehen. Rechtlich gewiß, cks knew nein. Wenn ver Ministerpräsident sich aus diesen Standpunkt stellt so allem Anschein »ach einzig und allein deshalb, weil er weiß, daß >ede neue Festsetzung der deutschen Schuld nur eine Ermäßigung sein könnte. Vorschläge in beide» Häusern der Kircheiiversammlung stait- finden. Vom März bis Juli werden Ergänzungsvorschläge beraten werden, und frühestens Ende Juli wird die allge meine Kirchenversammlung den neuen Entwürfen zustimmen können. Dem Parlament werden die neuen Vorschläge des Kirchciikomitees kaum vor de», nächsten November zugelcitet werden können, so daß die Einführung des neuen Gebet buches nicht vor dem 1. Januar 1828 möglich ist. Inzwischen machen sich aus seilen der Opposition Tendenzen bemerkbar, der Kirche ihre Maßnahmen zu erleichtern, wen,, sie in der Frage der heilige» Kommunion von radikale» und für die Opposition unannehmbaren Aenderungen des gegenwärtigen Zeremoniells absieht. Vorah über die Well-Frie-ensaussichlen. Paris, 27. Dez. In einem Interview gegenüber dem Vertreter des „M a t i n" betont Senator B o rah. daß, so lange kein ersprießlicher Fortschritt aus dem Wege eines dauernden Friedens erzielt werden wird, als das Krieg- führcn als berechtigt anerkannt und mit dem Mantel des Ruhmes geschützt werde. Was not tne. sei ei» Gesetz und eine Organisation, die cS ermögliche» würden, scne paar Männer zur Ncranimortung zn ziehen, die den Krieg vordere',ten und provozieren. Zwei Nationen — die Vereinigten Staaten und Frankreich — könnten mit ihrer Absicht, den Krieg zwischen sich ans ewiZ ausziiichalten. nicht viel erreiche». Die Ber einigten Staate» müßten sofort einen gleichen Vertrag allen anderen Regierungen Vorschlägen. Ueber sieben Millionen Einwohner in Neuyork. Wie amtlich mitgeteilt wird, hat die Stadt Neuyork in, Jahre 1827 eine Einwohnerzahl von S670 8Ü0 und mit Ein schluß der Vorstädte eine Einwohnerzahl von 7 426 780 er reicht. Chicago zählt jetzt 3 102 200 Einwohner. Datves-Cndsiinime. Neue Verhaftungen im Elfah. Paris, 27. Dez. In Mülhansen tm Elsaß ist das Ge rücht verbreitet daß der bekannte Antonomist Abbö Faß- Han er und seine Schwägerin, die frühere Stenotypistin Eggcina n n , verhallet worden seien. Tie dieser Tage vor- genommenc» Haussuchungen sollen, so behauptet die fran zösische Presse, ergeben lnrbcu. daß »8 Prozent der Gelder der Antvnomsstenbewegiiiia an-3 dem Ausland gekommen seien. Die Eggemann, die mehrere Reisen nach Deutschland gemacht hatte, ist bereits früher verdächtigt worden, ans Deutschland Gelder nach dem Elsaß gebracht zu haben. Ein neuer Desahungszwifchensall. Wie die „Kölnische Zeitung" aus Kaiserslautern meldet, ließ sich dort ein französischer Offizier eine schwere Ansschreituna zuschulden kommen. Ein Arbeiter war in der französischen Kaserne mit Ansbesserungsarbcitcn beschästigt. als er plötzlich von einem französischen Ossizicr hestia gc- ohrfeigt und mit Füßen actretcu wurde. Dazu schrie der Ossizicr: „Ihr Drccksäckc, könnt ihr nicht die Mütze vor mir abnehmend" AlS der Arbeiter sich bückte, um seine ihm vom Kopse hernntcrgcschlagcnc Mütze wieder anfznnchmcn, trat ihn der Ossizicr nochmals. Professor Koehsch über -ie -euksche Außenpolitik. Paris, 27. Dez. Professor Hoetzsch erklärte kn einem Interview mit dem Berliner Vertreter der „Volonte" und des „Oeuvre", daß die Politik des Reiches durch seine» Ein tritt in den Völkerbund entschieden worden ist. Wenn man i» Frankreich dem formellen Verzicht Deutschlands auf Elsaß-Lothringen nicht glauben wolle, so sei dies nur ein Bor wand für die Ansrechterhaltung der Besetzung Die fran zösische Negierung habe ihr Versprechen eines tcilwcisen Rück zuges der Truppen nicht cingchaltcn. Wen» Vanderveldc in Gens eine Zusammenarbeit mit Deutschland aus dem Fuße der Gleichberechtigung begrüßte, so könne inan sich über diese Erklärung wohl freuen, wenn sie tatsäch aufrichtig gemeint sei. Das sei aber nicht der Fall. Wen» man Deutschland benötige, so sprechem an von der Gleichberechtigung, aber wenn Deutschland sein Recht fordere, so bestehe ein Unterschied- Ein Ost-Locarno wünsche niemand tn Deutschland. Der mit Polen ab geschlossene Schtedsgcrichtsvertrag genüge vollkommen. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen hätten sich seit der Wiederaufnahme der deutsch-polnischen Wtrtschaftsvcr- handlungen gebessert. Der Vertrag von Rapallo werbe bald nichts anderes alS einer der Sonüerverträge sein, die von dem Völkerbund vorgesehen sind. Rußland nähere sich immer mehr -cm Völkerbund und beteilige sich bereits wirksam an seine» Be ratungen. Eine Kriegsgefahr drohe nicht im Osten, sonder» vielmehr in den latenten Spannung zwischen Frankreich „nd Italien. Hier wäre ein Locarno sehr wünschenswert. ISIS bis 1S27. Bilanz und Ziele der deutschen Außenpolitik. Das Jahr neigt seinem Ende zu, und wenn wir zurück schaue» aus das, was uns dieses Jahr 1827 an Ersolgen und Enttäuschungen gebracht hat. so wird kein guter Deutscher sein persönliches Schicksal von dem seines Volkes trennen mögen, mit dem es in Vergangenheit. Gegenwart und Zu kunft unlöslich verbunden ist. Eine außenpolitische Bilanz am Jahresende 1827 und zugleich einen Ueberblick über die Entwicklung des deutschen Schicksals seit 1818. sowie endlich einen Ausblick aus die Zukunft gibt das soeben erschienene Buch des Außenpokitikcrs der Deutschen Volkspartei und Freundes Dr. StresemannS, des Staatssekretärs z. D. Werner von Nheinbabcn: „Von Bersatlles zur Freiheit." lHanseatische Verlagsanstalt Hamburg, Berlin, Leipzigs Von Rhclnbaben gliedert sein Buch in drei Hauptteile. Im ersten, betitelt: Kamps um die Eriftenz, entwickelt der Autor in gedrängter Form, wie Deutschland unter de», Druck eines übermächtigen Feindes zusammen brach, wie in Versailles sich mehr und mehr der Bernichtungs- mille Frankreichs durchsetzte und Deutschland ein unfreies Land wurde, weil durch den Irrsinn der Nevvkutivn die letzten Widerstandskräfte vernichtet worden waren. Kurz und klar wird geschildert, wie immer wieder in den verschiedenen Kon ferenzen der Nachkriegsjahre der Versuch gemacht wurde, die Reparationen endgültig festzusetzen und Deutschlands Zahlungsfähigkeit zu umgrenze», ohne daß freilich ein Er gebnis erzielt worden wäre: „Frankreich wollte ja. daß Deutschland nicht bezahlte, um darauf die Politik der Zer schlagung Deutschlands zu gründen." Die Erfüllungspolitik des Reichskanzlers Wirth findet eine scharfe Verurteilung: „Deutschland wurde ausgcpllindcrt, seine Währung und seine Finanzen zerstört, ohne daß die Nation zur Selbsthilfe oder zur Abwehr gesammelt und ohne daß ein klarer Führerwille erkennbar war." — In diesen Worten liegt eine nachdrückliche Zurückweisung für alle diejenigen, die in der Außenpolitik Dr. StresemannS die geradlinige Fortsetzung der Erfüllungs- Politik Rathenau-Wirth sehen wollen. Mit dem Stresemann-Knrs setzt sich von Rheinbaben im zweiten Teile auseinander, dem er die Ucberschrift gibt: Opfer und Ucbcrgang, und in dem die Ereignisse von 1821 bis heute erörtert werden: Dawcs-Plan, Locarno und Eintritt Deutschlands in den Völkerbund, die Probleme der deutschen Ostpolitik. Im letzten Teile: Kampf um die Freiheit, entwickelt von Rheinbaben Deutschlands außen politische Ziele und den Weg nach diesen Zielen. Der Dawes-Plan und die DaweS-Gcsctze des Sommers 1824 sind die erste Etappe auf dem Wege z» einem wahre» Frieden, weil mit ihnen nach jahrelangen erfolglosen Bemühungen endlich Deutschlands Neparationssähigkett festgesetzt wurde. Nheinbabcn ist verhältnismäßig mild in seiner Kritik an diesem AuSsaugnngssystem, er vermutet, daß Deutschland noch einige Jahre hindurch werde die vollen Leistungen aufbringen, fordert aber schon jetzt eine Festsetzung der Gesamtsumme und die JnauSsichtnahme einer Beendigung — Probleme, die eben in diesen Tagen aus Grund des letzten Berichtes Parker Gilberts in der ganzen zivilisierten Welt eifrig erörtert werden. Sehr ausführlich Ist die Behandlung der Locarno« Politik und der Bölkerbundspolitik. Es kann nicht die Aufgabe einer Buchbesprechung sein, die geschichtliche Entwicklung, wie sie v. Rhclnbaben schildert, nachzuzetchnen, obwohl viele Einzelheiten »nd sogar Tatsachen von grund sätzlicher Bedeutung im breiten Publikum längst wieder ver gessen sind, die für die Beurteilung -er deutschen Außen politik unter Stresemann immer gegenwärtig sein müßten. Nur soviel sei gesagt, daß v. Rhclnbaben. wie er cs ja auch in zahlreichen politischen Reden getan hat. die Locarnokriie und die Mängel unserer Stellung in Gens nicht verschweigt. Er führt direkt an, daß Deutschland nach Abschluß des Locarno- Pakts In dreifacher Weise getäuscht worden ist: einmal ist das Räninungsverlprechen nicht gehalten worden, zum andere» »»ersucht Frankreich die Sichcrheitspolitik nach Locarno zur Machtpokitik umzufälschen und zu einer „allgemeinen Pfand. Politik für Reparationsleistungen" zurückzuentwickeln und macht tmnier wieder den Versuch, ein Ostlocarno zu er- zivingen. Zum dritten ist Dcntschland tn bezug aus die all gemeine Abrüstung betrogen worden. Rhclnbaben kritisiert tn diesem Zusammenhang die unangebrachte Vertrauensseligkeit der deutschen amtlichen Politik, die keine Garantien kür eine loyale Durchführung der Locarnoverträge In der Hand hatte, mit folgenden Worten: „Viel mehr als die Paraphierung der Verträge war die Unterschrift am I. Dezember 1928 ent scheidend für die „Ausivlrknngei, von Locarno" ... Hätten wir in richtiger Erkenntnis der Bedeutung jener Wochen ... einheitlich die deutsche Unterschrift von positiven Garantien t« bezug ans loyale Durchführmig der Locarnopolttik abhäuKh«