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98. Jahrgang. AS Z7z Mittwoch- 17. September 1924 Gegründet 1858 Dral,lan>»rit>: Ilichrtchli» Dr«,»»». S»rnlpr»ch«r-Samm»tnummer: SS 241 Nur lür Nachl»«sprLch«! 20 011. XMA0,8c«oxoi.-il)k «KM vncmiue finms gsgn. 1833. SchritNotung und Kaupl»etchLttsft«ll«: Murtenltratze 2S 40. Verla» »an tilrplch . Retch,r»I in Vreaden. Poftlcheck-n»nlo lOSS Lreeden. ^01Ne>e>skÄosll!szr dl» N.IS. 21 bei lital. zweimal. Juftell-lrei Kau» >.d» Soldmarli. l Die Anzeigen werden »ach Naldmark berechnet i die IIpaU.N mm dr.3eileN?,l auaw.V». Familienanzeigen u. Slrllengeluche ahn« VvrvUI^t Poftd»zu»»pr»is i. Monat Seplbr. 2<S.»M. Einzelnummer Id tv.-Ptg, j ^Irtzlstz- Rabatt >»<>, auberd.AI^, dielXImrn vreiteReklamczeile ISV^,auhert».20v^. Osserlengedubr >u >. Ausw. Auftrag« ge».Vorausbezahl Nachdrurt» nur mit deutlicher Quellenangabe «.Dresdner 41achr."i »ulaiftg. — Uxaerlangte Echntlftiiche werden nicht auidewabrt. /^uKust Pörsten p!ü§ei » Pianos - In«»««. Iill»>«eil>lllllttll'. I Kunstsplsl-^IUgv! und PIano8 in köekslei' VoI!enc!un§, 8ls vei-simgsli snsi'Xsnnls lonsckönkslt Mts unvexzz/llstllcksi- SoIIdllst Zer Rüüzug in der Außenpolitik. Vertagung -er Kriegsschul-note bis zu einem geheimnisvoll ange-eukelen Anlaß. Erneuerung -es Auhrkvhlensyn-ikals durch Verordnung -es Wirlschaslsminislers. — Tschang So Lins Vormarsch aus Peking. Offiziöse Bestätigung der Derkagungsgerüchte >D r a h t m e l!» » » g unsrer Berliner T ch r i f t l e l t u n g.s Berlin, 1«. Lept. Wie von unterrichteter Seite an gegeben wird, bestehe nniimchr zwischen dem Außenminister Dr. Ltrcsemnnn »nd dem Reichskanzler Marx Einigkeit darüber, das« die Notifizierung der Uriegsschuld- crklärnna sür den Augenblick nicht in Grafte komme, weil die außenpolitische Situation ratsam erscheinen raffe, einen günstigeren Zeitpunkt abznwarten. Da» ReichSkabinctt werde sich am Lll. September, wie bereits an- gckündigt, unter dem Vorsiß des Reichspräsidenten zwar noch mals mit der Notisiziernngssrage beschäftigen, werde danach dber sarmell erklären, das, die Absendnng einer Note vor, litnsig nicht, ins Auge gesaßt sei. Man werde auch ln dieser Kabinettösißnng zum Ausdruck bringen, daß die Notifizier»«« nur zu einem geeigneteren Zeitpunkt stattsinden könne. Mckzugsdeckuna Skresemanns durch die ..Zell» lD r a l> t in c l d u ii » unsrer Berliner S ch r i s t l e l t » n g.I Berlin, lti. Sept. Zn de» fragen des Eintritts Deutsch lands in den Völkerbund und der Notifizierung der Kricgs- schuldcrklärung schreibt heute das Organ Ltresemanns, die „Zeit": Die Regierung ist sich bei der grossen Wichtigkeit der vom Völkerbund zu erwartenden fragen wohl bewußt, das, die Mitwirkung im Völkerbund für die deutschen Interessen von großer Bedeutung sein kann, hält aber daran fest, daß der Eintritt Dentschlands von der Erfüllung von Boransseßun- gcn abhängig ist, nämlich davon, daß man Deutschland eine Stellung als gleichberechtigte Großmacht sichert und das, man unter keinen Umständen an Deutschland die Forderung stelle, freiwillig eine erneute Anerkennung des Versailler Vertrages und der Kriegsschuldliigc zu vollziehen. Weiterhin dürfte das Kabinett einmütig der Auffassung sein, daß an der Erklärung des Reichskanzlers in bezug aus die Notifizierung der Kriegö- schnldcrklärnng scstgehaltcn werde. Nachdem die Notifizie rung nicht im Zusammenhang mit den Londoner Ab machungen erfolgt sei, müsse sic in Verbindung mit einem anderen tatsächlichen Anlaß geschehen, wobei es sich nnr nm eine absehbare Frist handeln könnte. Es konnte unter diesen Umständen ein falscher Eindruck erweckt werden, wenn Freiherr v. Wangenheim 75 Jahre. Voll Stolz und Dankbarkeit schaut das gesamte Land volk aus seine» Führer Kvnrad Frhr. v. Waiigcnhcim, der am 17. September sein 75. Lebensjahr vollendet. Nur ans einige Marksteine aus dem an selbstloser Arbeit überreichen Wirken dieses hervorragenden Mannes kann hier hiiigcdcutet werden. In seinem Hanse Ui Klein-Spiegel war es, wo der Gedanke zur Gründung eines Bundes der Landwirte zum Leben er wachte. Leit GM hat er dann in idealer ArbeitSgemcinschast mit dem unvergeßliche» Dr. Rösicke als Vorsitzender die Ent wicklung des B. d. L. führend beeinflußt. Schon im Kriege warb er für de» Gedanken der Sammlung des ganze» Land volkes,' bereits Gl«, trat er sür Ausnahme der Landarbeiter in die Landwirtschastskammer ein. Der Zusammenschluß der Landwirtschaft z» einem wirklich machtvollen Verbände ist ibm „höchste Pflicht zum Wvhle des Vaterlandes", und „der erste Schritt zu Deutschlands Erneuerung"! In seiner vor nehmen Sachlichkeit über de» Parteien stehend, weitete sich ihm der Landvvlkgcdankc zum Gedanken der Gemeinschast aller schassenden Stände. Das Vertrauen seiner Bernssgcnvsscn hat ihn a» die Spitze der Pommcrschen Landwirtschastskammer, des Deut schen Landwtrtschastsrates und des ReichsausschnsscS der Dentscheu Landwirtschaft gestellt. Die Universität Güttingen verlieh ihm El den Ehrendoktor-Titel wegen seiner von Freund und Feind anerkannten Verdienste ans dem Gebiete der Moorknltnr »nd Inneiisicdlung. Der „Verein zur Förde- rnng der Mvorkultiir im Deutsche» Reiche", in dem er seit Jahrzehnten bahnbrechend wirkt, ist ja auch seine eigenste Schöpfung, deren Lege» noch kvnimcndc Geschlechter spüren werde». Im Berliner Reichslaiidbnnd-Haus hängt ein Bild von Freiyerrn v. Waiigcnhcim, das unter dem markigen Namens zug als persönlichste Losung die Worte trägt: „Fest und treu!" Trcsseudcr läßt sich das Wesen des Altmeisters der Landwirt- schast nicht kennzeichne». All die Tausende, die das Band der Landvolksgemeinschast umschlingt, beseelt der innige Wunsch: Möge Freiherr v. Waiigcnhcim »och lange in voller Rüstig keit wirken können, seinen BcrusSgcnossen ein feuerndes Beispiel, seinem Volk das leuchtende Vorbild eines aufrechten, l.r i.vis ^.ü Mannes. ein Berliner Blatt schreibe, daß die Kriegsschuldsragc mit dem Beschluß des Kabinetts einstweilen „erledigt" sei. Die Noti fizierung dürste vielmehr bei einem von der Negierung zu be stimmenden Anlaß erfolgen, der in absehbarer Frist gegeben sein werde. Man wird aber jetzt, nachdem man erlebt hat. wie schnell Dr. Strescmann sich zurückziehen kann, solche Andeutungen sehr vorsichtig aufnehmen müssen. Heute widmet auch die „Krcuzzeitung" der Kapitulation Strescmanns einen langen Artikel, in dem es heißt, Stresemann habe seit seinem aus fallend energischen Auftreten am Freitag den Nttckzug„auf die Linie sozialdemokratischer Erfüllungspolitik eingeleitet. Der „Vorwärts" habe demnach mit seinem Krii'enartikcl den sonst so wog'tsrohen Außenminister vollkommen einaeschüch- tert. Tie erste rückwärtige Stellung, die Hr. Stresemann bczogön have, befinde sich in der Linie, die der Reichskanzler eingehalten wissen wolle. Wenn man sich nunmehr iw Kabinett wiedsr geeinigt haben sollte, so sei das nur möglich gewesen, dadurch, daß man sich von dem Lchwcraewicht der Sozialdemokratie habe nach links ziehen lasten und nunmehr beginne, Konzessionen an die von der Sozialdemokratie ge wünschte Politik zn machen. Dr. Stresemann stehe auf gcfährdetsteni Posten. Er habe sich, als er um die Früchte seiner Außenpolitik bangte, zu weit nach rechts vvrgcwagt und sei den Dciitschnationalcn gegen über durch seine Partei Bindungen eingegangcn, die ver hinderten, daß die Sozialdemokratie sofort zu den brennend erhofften Neuwahlen kam. Diesen Strich, den Stresemann und seine Partei in erster Linie durch die sozialdemokratische Rechnung machten, habe man dem Außenminister nicht ver ziehen. Was jetzt alles über die Notifizierung der Kriegs- schiildcrklärung gesagt werde, sei nur als verzweifelte Aus rede ansziifasten, die niemand ernstnehmen könne und die höchstens den Eindruck erwecke, als ob man den Widerruf :ui calen(>»8 8raec»5 vertagen wolle. Reichskagszusammenlrilt nichl vor dem IS. Oktober Berlin, Ist. Sept. Der Reichstag wird, wie nunmehr fest steht, vor dem 15. Oktober nicht cinberufcn, falls nicht Ereig nisse einlretcu sollten, die einen früheren Zusammentritt not wendig machen. In parlamentarischen Kreisen wird noch daraus hingewicscn, daß die Rcichsregiernng in der Frage der Kriegsschnldliige und des Beitritts Deutschlands zum Völker bund irgendwelche Entscheidungen nicht trcsscn werde, bevor der Reichstag wieder zusammengetreten sei. Der Südliroler und Sudelendeulschen Not. Mindcrheitcn-Elend. Das männlich mutige Auftreten des Grasen Apponyi in Genf zugunsten der bedrückten und entrechteten nationalen Minderheiten vor den versammelten Mitgliedern des Völker bundes findet in der deutschen Presse allgemein zustimmendc Bewunderung. Sogar der „Vorwärts" stellt fest, daß der kühne, ritterliche Magyare nicht bloß das Ansehen seines eigenen Landes gehoben, sondern den Interessen aller besiegten Staaten genützt habe. In diesem Falle kann sich der „Vor wärts" eine solche rückhaltlose Anerkennung leisten, weil es sich um einen Ungarn handelt. Wäre dagegen ein deutscher Staatsmann oder Politiker von der Rechten ähnlich vor gegangen, dann hieße es natürlich: „Ja. Bauer, das ist ganz was anderes!" Dann hätte man im sozialdemokratischen Lager Zetermordio über Gefährdung des Völkerbundes und Störung der Völkervcrsöhnung gcschrien. Die Ungarn sind besser daran. Ein Graf Apponni kann frei von der Leber weg reden, ohne fürchten zu müssen, daß ihn eine pazifistisch-sozialistische Mente anfällt und das nationale Edelwild zur Strecke zn bringen sucht. Tic Worte des ungarischen Magnaten haben einen ehernen Klang. Sic wecken ein mächtiges EcHo überall, ivo vergewaltigte nationale Minderheiten unter fremdem Drucke seufzen: vor allem auch da. wo die Herzen deutscher Stammesbrüder in heißer Sehnsucht dem Tage entgegen schwellen, der sie von ihrer Not erlösen und sie wieder frei machen soll als Glieder der großen Gcrmancnsamilic. Durch das Versailler Gewaltdiktat sind der deutschen Rasse Bestand teile entzogen, die ihr seit einem Jahrtausend zugehörtcn. Das ist ans die Dauer eine Unmöglichkeit, die auch von ein sichtigen Ausländern klar erkannt wird: so hat noch dieser Tage der Londoner „Observcr" erklärt, kein Kenner der mitteleuropäischen Verhältnisse könne ernstlich glauben, daß die getrennten Deutschstämmigcn für immer an die jetzt gelten den Bestimmungen gebunden werden konnten. Aller dieser Mitbrüder müssen wir treu gedenken, wenn wir auch selbst schwere Lasten zu tragen haben. Wir dürfen nicht anfhören, sie, die auf uns hoffen und harren, fühlen zu 'lassen, daß unsere Herzen bei ihnen sind, und daß ihr Wohl und Wehe uns in tiefster Seele berührt. Schutz der nationalen Minderheiten! Ein schönes, edles, glorreiches Wort, ein wahrhaft kultureller und menschen würdiger Gedanke! Ein Völkerbund, der eS sich angelegen sein ließe, nach dieser Richtschnur zn handeln, würde sich fest im Boden der Mcnschhcitsentivicklung einwnrzeln und die höchste Achtung in der Welt genießen. Wie sehr aber hat er gerade auf diesem Gebiete enttäuscht, wie schmählich hat er hier seine Pflichten vernachlässigt! Ein besonders drastisches Beispiel für das völlige Versagen des Völkerbundes gegen über den schutzbedürftigcn Minderheiten bietet sein Verhalten gegen die Lndetendcutschen in der Tscheche! und gegen die Süd tiroler Deutschen. Tie S u d c t c n d c u t s ch e n bewohnen mit ihren ll^/2 Mil lionen Seelen ein Gebiet, das noch etwas großer ist als Däne mark und fast so groß wie die Schweiz. Dazu haben sie eine alte Kultur, die ihnen zusammen mit ihrer räumlichen Aus dchnung vollen Anspruch auf ein selbständiges Staatsgebilde gäbe. Ter Versailler Vertrag aber hat sic unter schnöder Mißachtung des Sclbstbcstimmungsrechles gewaltsam in den Tschechenstaat hincingeprcßt, »nd dort sind sic nun einer plan- müßigen Entrechtung preisgegcben. In erster Linie gilt der tschechische Vcrnichtungskamps der deutschen Sprache. Das Gemeinsame, das alle Deutschen verbindet, ist die Sprache: mit ihr steht und fällt das Deutschtum. Wer sic verliert, kann wohl Snmpathien und Interessen sür das dcntschc Volkstum behalten, aber er kann nicht mehr deutsch denken und fühle». Eine unermeßliche Welt geistiger und sittlicher Werte geht ihm verloren, gerade die Welt, nm derentwillen wir »ns znm Deutschtum bekennen. Dieses kostbarste nationale Gut sucht der Tschechenstaat dem Deutschtum durch eine rücksichtslos tschcchisierendc Schulpolitik zu rauben. Gleichzeitig wird der Bcamtenkörper, soweit noch deutsche Elemente darin vertreten sind, auf das schwerste drangsaliert, nm jedem Deutschen die Lust, dem tschechischen Staate unter Aufrechterhaltung deutscher Sprache und Gesinnung zu dienen, gründlich zu verleiden, und im Parlament werde» die 72 deutschen Abgeordneten durch eine raffiniert ausgeklügelte Geschäftsordnung so gut