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70. Jahrgang. AK 227 Monkag, 17. Mai ISA Gegründet 1838 »i s»a»i », so 011. Bezugs -Gebühr UidL-L,» ai»,«I»»«»»r I» Pf,,»!,. «ck «nz»«a»n w«rv«« nach Soldmar» d»s«cknN: dl» < An,«IgspPr-II«: L"4-.»'..'iSr'« L LÄ«S. mchnb^b «v«a> M.W. „All w«d»» nach Svldmark d»s»chn«<: dl» «nlaawa» 30 w» d»»tl« und Sl»ll»na«>uch» ahn, A«dlam»»»ll» >8> Ps-,.. . Auslräg, »»a«n D»rau,d»,akl. 2«»»lch ck «»IchardI « Drwd«». 1OSS Dread«». Nachdruck nur mll d»u»Ich»r Vu»N»nanli«d» >.4>r»adn»r Nnckr " nildMa !lnv»rlnno>» SchrUMÜid» nxrd'n nlchl aulb» 26 kteganle, «eijegexSch MtÜlkSV Seinste Leäerwaren 26 Marx an der Spitze des Men Kabinetts. Ein Brief -es Reichspräsidenten an Marx. — Die Einigungsgrun-lage mil -er Volkspartei. Berliner Demonstrationen gegen -ie Fiirslenenleignung. — Das polnische Kabinett. — Die „Aorge" gelandet. Die provisorische Lösung. Berlin, lg. Mai. Die Regierungskrise, die jetzt dadurch beendet ist, Latz der bisherige Retchssustizmtntster Dr. Marx de» Reichskanzlerposte« übernimmt, hatte sich am Sonnabend dahin entwickelt, daß der vom Zentrum nach Berlin gerufene Kölner Oberbürgermeister Adenauer, wie man jetzt erfährt, vom Zentrum als Reichskanzler präsentiert werden sollte wenn eine Grobe Koalition sich hätte bilden lassen Dr. Gebier gab noch im Laufe des Nachmittags dem Reichs präsidenten v. Hindenburg von dem negativen Ausgang der Adenauerschen Sondierungen Kenntnis. Das Zentrum hatte sich jedoch darauf versteift, den Reichskanzler stellen zu wollen, weil es die stärkste Partei der MinderheitSkoalition ist und insbesondere, weil eS sich für die einzige Partei hält die imstande wäre, jetzt einen Ausgleich zwischen den Demo traten und der Deutschen VolkSpartci hcrbeizuführen. Nach einer KabinettSsitzung am Sonnabend richtet« nun der Reichspräsident an vr. Marx folgendes Schreiben: „Sehr verehrter Herr ReichKjusttzministeri AuS den Be richten, die der von mir mit der Klärung der politischen Lage betraute RetchSwehrminister Dr. Gebier mir erstattet hat, habe ich ersehe« müssen, dab eine Aeuderung der partrtpvlttt. scheu Verhältnisse und Zusammensetzung.entnjcder überhaupt nicht oder nur nach langwierigen, im Erfolge zweifelhasten Verhandlungen erreicht werden könnt«. Sine solch« lang« R«» gicrnngSkrts« »erträgt aber die gegenwärtig« Lage b«S Reiches nicht. ES erscheint mir daher zur Üeberwinduntz der ge gebcnen Schwierigkeiten und zur Lösung der vor unS liegen -cn Aufgaben notwendig, dab die bisherige Reichs regterun« ihre Tätigkeit unter neuer Führung fortseht, und ich bitte Sie daher, Herr Reichsminister, als daS älteste Mitglied der RetchSregierung und als Vertreter der größten in ihr enthaltenen Partei, das Amt des Reichskanzlers zu übernehmen. gez. von Hindenburg." DaS ReichSkäbinctt, da» am Sonnabendnachmittag < Uhr zusammentrat, war einmütig der Ansicht, daß die RegierungS krise so bald als möglich beendet werden müsse. Wie eS heißt, ist auch die Frage erörtert worden, daß unter Umstän- den Reichsarbeitsminister Dr. Brauns die Führung deS Reichskabinetts übernehmen könnte. Der Bericht des Reichspräsidenten v. Hindenburg, der eine deutliche Kritik der aussichtslosen Bestrebungen im Zen. trum und be« den Demokraten für eine Wiederherstellung der Großen Koalition enthält, hatte den Zweck, dem Hin und Her der Parteien ein Ende zu machen. DaS Zentrum trat am Sonnabend abend zu einer Sitzung zusammen, in der es aber noch nicht einig wurde. TS wurde vielmehr ein« neue FraktionSsttzung für Sonntag vormittag etnberufen. In dieser sollte die Entscheidung darüber fallen, ob ReichSjustiz minister Dr. Marx dem Ruse des Reichspräsidenten, das bis herige Kabinett als Reichskanzler zu leiten, folgen würde Zur Fraktionssitzung des Zentrums war auch ReichSarbeits minister Dr. Brauns erschienen. Ebenso wohnte dieser der Oberb>" 'ermeister Dr. Adenauer bei. Auch in den Bor« mittagSverhan-.nngen der Fraktion am Gonnta-kam eS jedoch noch nicht »« einem abschließende«. Ergebnis. Es stellte sich die Notwendigkeit heraus, noch über verschiedene Fragen, die sowohl die Führung der Fraktion als auch die MeinungS- Verschiedenheiten mit der Deutschen Bolkspartet betreffen, Klarheit zu schaffen. Die Fraktionssitzung vertagte sich des halb gegen 11 Uhr vormittags auf abends 8 Uhr. In der Pause wurde mit den Führern der Fraktion noch einmal Fühlung genommen. Um 11 Uhr begab sich ReichSjustiz- minister Dr. Marx »um Reichspräsidenten v. Hindenburg. um ihn über die Lage zu unterrichten und einen Aufschub für seine Erklärung zu erbitten. Um 12 Uhr trat auch daS Reich-- kabinett zusammen. Um 8 Uhr trat dann das Zentrum nochmals zu einer Fraktionssitzung zusammen. Dabei wurde Kenntnis gegeben von folgendem Ergebnis der Besprechungen mit der Dentsche« Bolkspartei: 1. Dt« bestehende Regierungskrise müsse unverzüglich gelöst werden. Deshalb seien beide Parteien bereit» in et« MindcrheitSkabinett «»»«treten. 2. SS besteh« Ueberetnsttmmung darüber, daß die außen und innenpolitische Lage mit möglichster Beschleunigung -te Schaffung einer Regierung erfordere, di« sich auf eine Mehr« hett des R «ichStageS stützt. ». Für tie Mehrh«itSbil-«»g.könnte« «nr Parteien in Frage komme«, bi« die RechtSgültigkeit bepehenber tnter. nationaler Abmachnnge« anerkenne« «nb für bk« Fortfüh« rnng der bisherige« Anbenpolitik eintrete«. Nach dreistündiger Abendsttzung wurde dann ber Be- schluß gefaßt, baß die ZentrumS-fraktion an den Reichsjustiz, minister Dr. Marx die Bitte richte, das Amt -eS Reichs» kanzlerv anzunehr vr. Marx begab stch darauf zum Reichspräsidenten v. Hindenburg und wurde von ihm endgültig als Reichskanzler mit der Leitung desReich». kabinett» in seiner bisherigen Zusammen- s eh« ug betraut. Die ungelöste Spannung. Berlin, 16. Mat Dadurch, baß jetzt ber bisherige Justiz» minister Dr.Marx als Reichskanzler an di eSvitz« des Kabinetts tritt, ist zwar rein äußerlich die Krise beendet: will man aber den tatsächlichen Verhältnissen gerecht werden, so muß man von einem Fortbestehen der Spannung reden, die ein gedeihliches Zusammengehen -er Parteien verhindert. Es liegt aus der Hand, daß so schwerwiegende Differenzen, wie sie sich zwischen den Koalitionsparteien des Reichstages ge- zeigt haben, sich nicht dadurch aus der Welt schaffen lasten, daß an Stelle Dr. Luthers, den die Demokraten „beseitigt" haben, Dr. Marx zum zweiten Male sich dem deutschen Volke als Reichskanzler vorstellt. Das Vorgehen der Demokraten, die einen ganz einwandfrei vollzogenen.Negicrungsakt, nämlich Neuer glänzender Sieg -er christlichen Ellern Bei de« Dresdner ElternratSwahle« am Sonntag er« langte« die christlich«, Elter« mit «81 Vertreter« aegenüber 1« Weltliche« eine« Zuwachs von 88 Vertretern: die Welt liche» ginge« «m weitere vier Sitze zurück. Im Land« ist das Ergebnis ähnlich günstig. den Erlab ber Flaggenverordnuna. mit aller Erbitterlmg bekämpft und den Reichskanzler zum Sturze ge bracht haben, den selbst die von der Frakt'on ins Kabinett entsandten Vertrauensmänner deckten, hat tn der Deut schen wie auch in der Bayrischen VolkSvartei eine so starke Verärgerung hervorgerufen, daß von einem einmütigen Zusammengehen der KoalttionSvartcien nicht mehr die Red sein kann. Das jetzige Marr-Kabinett ist darum nichts weiter als ein Uebergangskabinctt. daS dte Geschäfte so lange fortführen wind — man rechnet im allgemeinen damit, daß dieses nach der Sommerpause des Reichstags der Fall sein wird — bis es eine Reaieruna mit festen Mehrheitsverhältnisten wieder ablösi. Es liegt aber durchaus im Bereich -er Möglichkeiten, daß dieses schon früher der Fall sein kann. Bo« den Demokraten hört man, daß sie sich jetzt mit der Flaggenverordnuna einverstanden erklären wolle«, wobei sie allerdings hoffen, daß -ie Aktion, die der Reichspräsident in seinem bekannten Brief zur endgültigen Beseitigung deS Flaggenkonfltktcs angeregt hat, schon zu einem Ergebnis ge führt haben werde, noch eh« die Verordnung in Kraft tritt. Hier liegt bereits ein großer Gefahrenpunkt für das nun mehrige Marx-Kabinett. Es kann kein Zweifel darüber be- tehen. daß. wenn tatsächlich ernstlich daran gegangen wird, die Flaggcnfragc tn Angriff zu nehmen, die Leidenschaften Man noch ärger auflodern, als sich dies jüngst gezeigt hat. braucht nur daran zu denken, daß es die Deutsche Bolkspartei , war, die vor längerer Zeit im Ncichstagsausschuß Anträge der Stellung abhängen, die die Demokraten dabei einnehme» zur Abstimmung gestellt hatte, die als Rcichsfarben wieder > werden Schwarz-Wciß-Not sehen wollten. Auf der anderen Seite stehen die Demokraten, die am Schwarz-Rot-Gold nicht das geringste geändert haben wollen, zu keinem Kompromiß bereit sind, und die sich in der Hoffnung wiegen, daß es ihnen gelingen werbe, Schwarz-Rot-Gold soweit »um Siege zu verhelfen, daß es schließlich auch die Handelsflagge werde verdrängen können. Hinzu kommt, daß gerade die Deutsche Bolkspartei dem jetzigen Leiter des Kabinetts mit starkem Mißtrauen gegenübersteht. * Wohl noch niemals ist selbst bei unserer Handhabung -eS Parlamentarismus eine Regierungskrise so provisorisch, so anfechtbar, und vor alle» Dingen mit so wenig innerer Logik gelöst morden, wie cs diesmal der Fall gewesen ist. Durch sie wird die ganze von -cn Demokraten angezettelte Krise zu einem grotesken Widersinn- Es war eine parteivolitisch ge drehte Lüge, Dr. Luther znm Sllndenbock zu stemveln für ein« Negierungshaudlung, für die das ganze Kabinett die Verant wortung frciwill- übernommen hat. Das ganze Kabinett mußte sich durch das Mißtrauensvotum gcgn Dr. Luther ge troffen fühlen und hat es getan. Damit aber — auch der Demokratcnßäuptling und Mtnisterstürzer Koch hat darüber keinen Zweifel gelassen — war die Koaltton gelvrengt, da sie tn der Flaggcnfrage völlig entgegengesetzter Meinung war. Und wenn jetzt dasselbe Kabinett mit denselben Ministern im Amte bleibt, wenn jetzt die Demokraten in der Flaggcnfrage klein beigeben, dann wirb man vergeblich nach einem Sinn dieser über dte Maßen leichtfertig vom Zaune gebrochene» Krise fragen. Selbst die „Franks. Ztg." bat auS dem „Fünf- monate-Exverimcnt dieser Kombination der Mitte, die den Entscheidungen ans dem Wege gebe," bas Fazit gezogen, -atz „es nicht zur Wiederholung reize". Nun, die Wiederholung ist da, aber statt deS „unpolitischen" Vorzeichens, das Dr. Luther bedeutet«, hat das Kabinett durch Marx zweifellos eine starke Linkstendcnz erhalten, dte seine Schwierigkeiten um so mehr erhöhen muß, als die unverkenn bare Radikalisierung der Sozialdemokratie und ihr« rein auf Agitation und Masscnverhctzung eingestellte Politik ein er sprießliches Arbeiten mit ihr so gut wie völlig auSschließcn. Das Kabinett Marx ist ein Kabinett der verschleierten Großen Koalition. Inwieweit aber bei den ernsten Aufgaben, denen sich die Regierung Marx gegenübersieht, auf die Sozialdemokratie zu rechnen sein wind, wird sich sehr schnell zeigen, da der Volksentscheid über die Enteignung der Fürsten bevorsteht und zum mindesten in dieser Frage das Kabinett sich in einem unüberbrückbaren Gegensatz zur Linken befindet. Und daß dieser Gegensatz durch dte unzuverlässige Haltung der Demokraten in der Fürstensrag« bis in die Koalition selbst getragen wird, kann gar keine Frage sein. Das neue Kabinett ist darum, zum mindesten solange die Fürstenfrage nicht er ledigt, der Flaggenstreit nicht gelöst und das verfassungS- ändernde Gesetz zur Verhinderung von Volksbegehren über dte Aufwertung nicht unter Dach und Fach ist, ein Provisorium übelster Art, weil es die Ausschiffung der demokratischen Kri senmacher auS der Koalition nicht gebracht hat und die Krank heiten der bisherigen Regierung in verstärktem Maße weiter- schleppt. Die Lebensdauer dieses Kabinetts aber wird in stärk stem Maße von dem Volksentscheid in der Fürstenfrage und Gegen Fürstenberaubung und Bolschewismus. Berliner Demonstrationen -er vaterländischen Verbände. Planmäßige GtörungSversnche der Kommunisten. Berlin, 18. Mai. Die Bereinigten Vaterländischen Ver bände hatten ihre Mitglieder am Sonntag zu großen Demon- trattonen gegen die Fürstenenteignung aufgerufen. An zwölf Stellen in Groß-Berlin sammelten sich die Demonstranten und i ogen unter Borantritt von Musikkapellen dnrch die Straßen »er betressenden Bezirke. Jeder Zug führte zahlreiche schwarz, weiß-rote Banner und Taleln mit sich aus denen gegen die Enteignung ber Fürsten protestiert wurde, und aus denen man Aufschriften las: „Für Recht und Ordnung" „Gegen Raub und Ungesetzlichkeit", „Gegen Fürsten- beraubung und Bolschewismus". Obwohl ber Polizeipräsident Gegendemonstrationen der Kommunisten ver boten hatte, mußte doch mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß die LinkSorgauisationen die Veranstaltung der Vereinigten Vaterländischen Verbände stören würden. AuS diesem Grunde waren außerordentlich starke Kräfte der Polizei mobilisiert, um Zusammenstöße nach Möglichkeit zu ver hindern. Jeder der zwölf großen Demonstrationszüge wurde an der Spitze und am Schluß von je einem Lastwagen mit Schupobeamten begleitet. Ferner sorgten Radfahrer- Patrouillen und Autostrcifen dafür, daß Zusammeystöße mit Hen Angehörige» des Roten Frontkämvfcrdnnbck, der zu Hnn» derien jede Marschkolonne der Bereinigte« vaterländische« verbände begleitete, vermiede« »nrde«. An einigen beson- der« gefährlichen Stellen hatte mau sogar die HanptzngangS- straßen abgeriegelt, da die Kommunisten dort in größeren Ver bänden auftraten. Die Demonstrationen gewährten ein eigen artiges Bild. Zu beiden Seiten und an der Spitze der Züge, namentlich aber in der Nähe der Musikka-elle, marschierten die Roten Front-Bunbleute und sobald die Musik Märsche into» nierte, stimmte die Gegenseite die Internationale an. Die Demonstranten antworteten mit vaterländischen Liedern «nd „Nie-crrnfcn" auf die Internationale, woraus von den Kom munisten das Echo kam: „Nieder mit den Fürsten". „Nieder mit der Reaktion". Die Kommunisten ginge« bei de« Störun^Sversnche« augenscheinlich ganz planmäßig z« Werke. An großen Straßen» kreuznngen und an Stellen, die der Zug voranssichtlich passte» re» mußte, standen starke Gruppen von „Pfeifern", die bei« Borbeimarschiere« der Züge pfiffen «nd johlte«. Je nach der Stadtgegend wurden die Demonstranten oder die Kommunisten auch durch Zurufe von Passanten und aus den Häusern unter- stützt. An den Dcmonstrationszügen war die Deutschnationale VolkSpartci außerordentlich stark vertreten. Man sah zahlreiche Ortsgruppenschilder und neben der schwarz-weiß- roten Fahne sehr häufig die alte KricgSflagge. An einige« Stellen soh stch die Polizei auch genötigt, einzngreise«, da die Kommunisten mit aller Kraft daraus drängten. Prügeleien und Zusammenstöße hcrbetzuführcn. Es mußte sogar zum Gummiknüppel gegriffen werden, weil die Kommunisten die Absperrungsltnien zu durchbrechen versuchten. — Der amt lich« Poltzeibericht stellte fest, daß eS insgesamt an sechs Stelle« z« Zwischenfällen kam, die jedoch größere Bedeutung nicht er langten. Ll Kommunisten mußte« verhaftet »erde«. Hervor»