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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 02.04.1926
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1926-04-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19260402019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1926040201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1926040201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-04
- Tag 1926-04-02
-
Monat
1926-04
-
Jahr
1926
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 02.04.1926
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Briands Pyrrhussieg in der Sinanzsrage. Neue SchVierigkeUeu -evorsiehend. Pari». 1. April. Da« französisch« «abtnett «st durch die vrmüdungSoolitik vrland» »»nächst gerettet worden, «die Kammer «trd am Karfreitag in dt« Beratung der Zoll, «arlfe ««»trete». I« der Zwischenzeit behandeU dt« Finanz- kvmmisfiou de« Senat» da« Ergebni» der Kammer, «bftimmung. und da» Plenum de« Senat» dürft« am Kar. sreitag zweifellos wieder verschiedenes umstoßen. wa« eben erst mit soviel Mühe unter Dach und Fach gebracht worden ist. K» erwartet «a« ». B. bie Ablehn»«« de« Petrale»«, w»«a»»l«, »a« »»» de, Kammer bekanntlich mit der Finanz« resarm verknüpft worden ist. Am Sonnabend vor Ostern wird dann die Kammer über bie vom Senat vorgenvmmenen Aenderungen zu beraten haben. Die Möglichkeiten neuer Schwierigkeiten und Kon» klikte besteht also durchaus weiter. Da» ist namentlich bei der Abstimmung über die Umsaststeuer klar geworden. Der 8 t, der im Grundsatz die Vermehrung der Umsatzsteuer um 0^ Prozent ausdrücklich festlegt. wurde mit 288 gegen 140 Stimmen angenommen. In Pariser politischen Kreisen wirft man die Frage ans. warum e» denn des Sturze» zweier Kabinette und eine» wochenlangcn Kampfes bedurfte, wenn man schließlich doch in den sauren Apfel beißen mußte. Im allgemeinen bat man aber die Empfindung, daß die Negierung vrtand auf überaus schwachen Füßen steht, und daß von einem politischen Steg nicht bie Rebe sein könne. Kritische Deirachiungen -er Pariser Presse. Pari«, 1. April. Zur Annahme deS GteuergesetzeS schreibt »er „Temp»": Da» Ministerium ist heute früh nicht gerade al» Triumphator erwacht. Es ist geglückt, die schwierige Stelle zu überschreiten, an der das vvrangcgangene Ministerium, da» ihm wie ein Bruder ähnelte, gescheitert war. Die Ursache dieser mittelmäßigen Abstimmung ist die Ermüdung der Kammer darüber, immer in demselben Kreise zu drehen, Io» wie die Furcht vor einer nenen Krise und der Wunsch endlich, Positive« z« leisten. Ueberall mußte man setzt mit einer oder zwei symbolischen Gesten die provisorische Neu» tralität der äußersten Linken erkaufen, indem man ihr u e u « M o n o po l e als Knochen zum Nagen hinwarf, oder besser gesagt ei» versprechen aus neue Monopole. Die Gozialtften werdeu aber sicherlich an die Einlösung erinnern. — »Journal de» D < bat «* schreibt, die Abstimmung über die Gteuergesetze sei zurückzusübren aufNesignationund Ermüdung. Da» Blatt hebt hervor, daß SM Abgeordnete sich der Abstimmung enthielten und daß man daraus schließen könne, daß tatsLchlich keiue Mehrheit vorhaude» sei. Die Kammer sink« mehr aus da» Niveau eine» General- rate» der Provinz hinab. — Der radikale »Pari» Sotr* erinnert daran, daß die bewilligten Steuern kaum für den Ausgleich de» Budget» genügen. Wolle man sie richtig durchführen, werde die Kammer bereit» morgen noch Zusahsteuern. besonders die Erhöhung der Zoll tarife, annehmen müssen. Rtchl» sei geschehen, solange man nicht die Tilgung der schwebenden Schuld, die Regelung der vssentlichen Schulden nud die Stabilisierung der Währung in Angriss genommen habe. lW. T B.s Die Friedensmöglichkeilen in Marokko. Paris, l. April. Die Anwesenheit Steeg» in Pari» ver anlaßt das -Echo de Paris", die unsichere Haltung der Negie rung in der Marokkopolitlk anzugreifen. Wenn auS Gründen der Innenpolitik, schreibt das Blatt, aus Rücksicht aus die äußerste Linke und dergleichen die feste Linie der Marokko- Politik verlaßen werden sollte, so würden die erst im Lause des Winters unterworfenen Stämme wieder Lust bekommen, abzufallen. Dann steht das ganze nordafrikanische Kolonial- reich Frankreichs in Gefahr, lieber die am Ouat d'Orsay ab- gehaltene Konferenz verlautet nach einer anderen Meldung noch folgendes: In der Hauptsache wurden die Aussichten des Marokkosrühfahrsfeldzuge» geprüft. Die sranzüsische Negierung mußte auf Grund de» von Steeg er» statteten Berichte» den Eindruck gewinnen, daß die Angriffs» kraft Abd el KrimS noch ungelähmt ist. Die Möglichkeit eines sofortigen Friedensschlusses mit Abd el Krim, über die Steeg berichtete, wurde anssührlich zur Sprache gebracht. Der Keneralgouverncur von Marokko war in der Lage, ein detailliertes Friedensangebot Abd el ArimS mttzuteilen, über da» zurzeit noch beraten wird. Ae ersten ZawesHahlungen der Industrie. 62'/, Millionen Zinsen -er Zn-uslrie- Obligalionen überwiesen. 8erN». l. April. Die Bank für deutsche Industrie- Obligationen hat heute vormittag 6 3,5 Millionen Gold- mark gemäß den Bestimmungen de» JnduftriebelastungS- geletzes ans das Reichsbankkonto des Generalagenten für die Reparationszahlungen auf Ncchnuna de» Treu händer» für deutsche Jndustrieobligationcn überwiesen. Dieser Betrag stellt die erste Hälfte der für daö zweite Ncvarations- lalir vorgesehenen JahreSzinslcistnng von 2.K Prozent auf die Fünf-Milliarden-Belastung der deutschen Industrie dar. die den Treuhändern seinerzeit in Form von JndustriebondS und veräußerlichen Obligationen übergeben worden ist. Mit dieser Zabluna sind trotz der schwierigen Lage der deutschen Wirtschaft die zum 1. April d. I. aus der Jndustrtcbelgstnng sich ergebenden Verpflichtungen frist- und ordnungsgemäß er füllt worden. Die Einwan-erung nach Amerika. Deutschland an erster Stelle. Washington, 1. April. Die amerikanische Regierung vcrösscntltcht die Ziffern über die Einwanderung nach Amerika in den letzten zehn Jahren. Den Hauptanteil an Einwanderern hat Deutschland gestellt. Von der aus Deutschland entfallenden Quote von kl 227 sind 35 4N2 Ein wanderer zugclassen worden. An zweiter Stelle steht Groß, brttannten und Irland, von besten Quote von 84 »07 28 NM Personen einwanbertrn. — Nach einer Londoner Mel- düng soll eine Mastenauswcisung Fremder aus Amerika zu erwarten sein. Das amerikanische Arbeitsamt wünscht die Sntscrnnug von etwa 166 Mi Fremden, die sich ohne aus reichende VUaubniS in den Vereinigte» Staaten aushalten. Bomba,. t. April. Lord Irving, der neue Vizekönig von Indien, ist hier etngeirvssen. Volksentscheid in Neuyvrk über das Alkohol« Gesetz. Reuyork, 1. April. Das Landesparlament de» Staates Neu york hat beschlossen, durch einen am 8. Juni abzu haltenden Volksentscheid das Land darüber z» befragen, ob das A n t i a l k o h o l g e s e tz in der bisherigen Form be- stehen bleiben oder durch die Znlastnna von Herstellung und Verkauf geringprozenliger Viere und Weine gemildert werden soll. Auswelfnng des „rimes"-Korrespondenlen aus Konslanltnopel. London, i. April. Ter „T i m e s". K o r r e sp o n d e n t In Konstanlinvpcl ist, wie Reuter meldet, auf Ncschl der Ne gierung aus der Türkei anögewiesen worden. De, Ne- gierungSkominissar für die nationolc Verteidigung veröffent licht eine Erklärung, in der er feststcllt, daß in Znknnst alle ausländischen Korrespondenten auSgcwicscn würden, wenn sic falsche Nachrichten in Umlans brächten, die Argwohn gegen die Politik der Türkei erwecken und die Ruhe des Lande- stören könnten. (TU.) Sieg der Frauen über Ponyalos. Athen, 31. März. In einer Pvlizeiverordnung wird be- kanntgcgcbcn. daß das Dekret des Ministerpräsidenten PangalvS Uber die kurzen Röcke der Frauen als aus- gehoben zu betrachten ist. <W. T. B.s Der Kamps um Peking. Tientsin, l. April. Reisende, die in AutoS an» Peking etngetrofsen sind, berichteten, daß der Weg nach der Haupt stadt von endlosen Zügen der vordringenden Mukdcntriippen bedeckt ist Täglich verlassen 1k Züge Peking nach Nankau und Kalgan mit „nationalen Truppen". Die Mukdcntrupvcn beabsichtigen anscheinend, auf Nankau vorzustotzen, um die in Peking bleibenden Nationalen abzuschneidcn. (W. T. B.l Litauische Regierungsmahnahmeu gegen -as Memelstatul. Me»el« 1. April. Der Manische Sejm hat die Abänderung deS 8 2K de» Wahlgesetze» für den Landtag de» MemelgebleleS in alle» drei Lesungen mit 2S gegen 22 Stimmen angenommen, wonach de« i« Memclgebiet registrierte« Litauer» da« Wahl recht z«steht. Dazu bemerkt da« „Memeler Dampsboot*: -Rach der Memelkonoentio» haben Richt«e«ellä»der kein Wahl recht zur Volksvertretung de« Memelgebietcs. Daran kann kein Beschluß oder Gesetz de» Sejm etwa» ändern. Denn die Memelkonvention ist da» memelländische StaatSgrund- ge setz, mit dem alle anderen Gesetze ln Ueberelnstimmung zu stehen haben. Wer Bürger de» Memelgebietcs ist bzw. werden kann, wird — nach der Memelkonvention — allein von einem Gesetz bestimmt, da» der Landtag de» Memelgebiete» auszuarbeiten hat.* Wie da« „Memeler Dampfboot* mitteilt, ist den Zeitungen im Memelgebiet die Möglichkeit genommen worden, amtliche statistische Nachrichten über den Hasen zu veröffentlichen. Als daS Blatt, wie seit Jahrzehnten, vom Lotsenamt die Nach richten über Schiffseingänge und SchissSausgänge. über Tem peraturen. Pegelstand usw. holen lasten wollte, wurde mit geteilt, daß der Hafenoorstand verboten habe, die stati stischen Nachrichten anSznhändigen. „WaS man mit dieser neuen Maßnahme erreichen will,* so bemerkt da» „Damvs- boot", »ist uns unerfindlich. Schaden tut sie doch wieder nur dem Staate selb^' denn alle auswärtigen Interessenten, die diese Nachrichten genau verfolgten, werden durch den Ausfall nur mißtrauisch. Den Nachteil aber hat der Hafen, man wird Ihn meiden * Die Exekution gegen da» SUN Tepl beantragt Berlin. 1. April. Nach Blättermeldungen auS Prag hat daS Bodenamt in der Angelegenheit der Marienbader Bäder gegen das Stift Tepl Antrag auf Exekution ge stellt. um die Uebergabe der Bäder bis spätestens unmittelbar nach Oster« z« erzwingen und die Näder bereits wahre«- der diesjährigen Knrsaiso« im Besitz z« haben. Italienische Koionisaiionsplöne in Deulsch- Oslasrika. Berlin, 1. April. Wie der Asten-Ost-Europa-Dienst an» bestinsormierter englischer Quelle erfährt, führt die italienische Negierung gegenwärtig in London Verhandlungen mit dem Kvlonialamt über die italienische Besiedlung D e n t s ch. O st a f r i k a S. Italien schlägt eine großzügige Ansiedlung italienischer Kolonisten unter italienischer Kon trolle und Finanzierung ln Deutsch-Ostasrlka vor. Mussolini hat ferner den Wunsch nach einer VerwaltungS- und Kultur- antvnomie für dir italienischen Kolonisten geäußert. Der von Mussolini entworfene italienische Stedlnngsplan für Deutsch. Ostafrika wird im englischen Kolonialamt mit Wohl» wollen behandelt. iT. U.j Unregeimkihigkeiken bei einer Reichsbahn- -irektlon. Berlin, 1. April. Im Zusammenhang mit dev im Jahr« 1N2K anfgcdcckten Unregelmäßigkeiten bei der NeichSbahndirektton Frankfurt«, d. Oder war die Berliner Kriminalpolizei ersucht worden, bei der Aufklärung der Angelegenheit mitzuwirken. Jetzt sind mehrere Beamte der Ncichsdahndirektion, darunter auch der NcschSbahnrat Friedrich Hülsing, verhaftet worden. Als letzterer heute vor- mittag ins Gefängnis eingeliefert werden sollte, stürzte er sich während des Transports in die Oder. Die reißende Strömung deS Flusse» führte ihn sofort stromabwärts, so daß er bisher nicht geborgen werden konnte. iWTB.) Berlin, i. April. NeichSaußenmtntster Dr. Stresemann wird den Ostcrurlaub mit seiner Familie in der Südschweiz verbringen, wo er sich 14 Tage aufzuhalten gedenkt. sWTB.j Ssll-WSseks p». yiuUiilten ru nieOrix-tei, p-el»«n emvtelöe Ick Mr «»»»- descicl ^oncl Mr Ausrleuecrveclce kenderüxe mit K!»»« lledeclslcen m» N>»»en — kettücker - 0«un«r,-0ovkan ISO : M cra »on gzz. 62 — a. 80.— »n. Settstotte ieüer Lrt. Wallstrotz« S s ünclung»l«8r ,»»> l.sinsnßau« k. bleekl ß Sp«rI«N»i»» wr gut» Serzog Georg H. von Meiningen. Z« seinem ltzv. Geburtstag. 2. April 1»20. Den „Tlieatcrhcrzog* hat man ihn genannt, wa» aber Georg II. von Sachsen-Meiningen leibst gar nicht gern hörte. Denn er n>c>r mehr als nur ein Fanatiker des Theater- spIelrnS, er war eine vielseitige Künstlernatur. Wilhelm v. Kankbach. den er in Berlin kenncnlcrnte, soll ausgcrusen haben: „Schade, daß er ein kleiner Fürst und nicht ein großer Künstler wird!" Er ist es aber geworden, konnte es werden, gerade, well er ein kleiner Fürst war. Denn dies« hohe Stellung gewährte ihm Zeit und Mittel, Freiheit und Autori tät. seine künstlerischen Ideen durchzusctzcn. Ohne all daS wäre es ihn, kaum geglückt, der erste große Regisseur Deutschlands z», werden. Seine Thcatcrrrsorm hat den Be griff deS künstlerischen Regisseurs überhaupt erst zur vollen Ausbildung gebracht. Das 1». Jahrhundert hat theater- geschichtlich das Rcgietheater geschaffen: sein erster Höhepunkt war Georg ll. Vor ihm haben Jmmermann in Düsseldorf. Dlirgelstcdr in Weimar und Wien, Eduard Dcvrient in Karlsruhe in der gleichen Richtung auf die Schaubühne als gesamtkünstlerische Anstalt hingearbeitet und die Ideen Richard Wagners erfüllten die Atmosphäre der Zeit mit neuer Begeisterung für das große Schau- und Hörphänomcn „Theater" und gipfelten in der Schaffung deS Bayreuther Festspielhauses in derselben Zeit, in der Herzog Georgs „Meininger" durch ihre ersten lsßrstspiele in Berlin einen uns kaum noch verständlichen Kamps der Meinungen ent fesselten, Es war die seelische Hochstimmung „im neuen Reich" nach 187». von -er beide großen Bühncnreformwerke getragen wurden, der nenerschlostene Sinn für den germanischen MnihuS und die Romantik der Hohenstaufenzeit, und der historische Sinn, der durch eine Blllte der deutschen Geschichts schreibung allgemein geworden war. Parallel dazu war tn der Malerei die grosse mythisch-historische Kartonkunst Kaul- bachS, -er sinnliche Prunk Makart», der historische Stil PilotyS durchgedrnngcn. und von dieser Seite her war deS jnngen Herzogs künstlerischer stielst ln Schwtnivmg gesetzt worden. AIS Schüler deS jüngeren Lindenschmitt, als Freund von Cornelius und Kaulbach hatte er lein malerische» Talen? entfaltet, in Berührung mit Mendelssohn tn Leipzig und Meyerbeer in Berlin entwickelte sich sein musikalische» Inter, esse. Daß er nach seinem Regierungsantritt die Meininger Oper auslöst« und nur die Kapelle bctbehielt, war die erste Tat zieibennlßter Selbsrbcschränknng. Obwohl da» Meininger Orchester, dem Han» v. Bttlow, der junge Richard Strauß. Fritz Steinbach, später Max Reger vorstanden, ka-um weniger Rubin erwarb als daS Schauspiel» war -och diese- da» Gebiet, auf daS der Herzog alle seine Kräfte vereinigte. Aber seine musikalische und malerische Begabung war die voraus- setzung fllr die Erneuerung des Theater», die von ihm au», ging, für die Schaffung ser visuellen und a-knstsschen Regle. Ein Drittes mußte hinzukommen: das Verständnis für die dramatische Dichtung. Auch bas belaß Herzog Georg. Das ergab die neue Einheit der Schaubühne: Dichtung, Darstellung und Szene tn vollkommener Gleichwertigkeit, zusammen- gcfaßt zum „Geiamt-Kunstwerk" der Theatcrkunst. An allen drei Pnnkicn hat Herzog Georg Entscheidendes geleistet. Das Wort des Dichters kam wieder zur Herrschaft. Die jämmer lichen Verstümmlungen der klassischen Dramen, die kläglichen Bearbeitungen wichen den Urfassungen tn schoncndster An passung an die Notwendigkeiten der Bühne. Shakespeare und Schiller erstanden neu tn ganzer dichterischer Größe. „Man soll wieder auf daS Schauspiel achten, nicht nur auf den Schau spieler". forderte der Herzog. Das war sein Ausgangspunkt, di« Grnnderkenntnis, auch wenn sic später durch Anschmellcn des Acußrrlichcn verdeckt wurde. Aber dem Vorwurf der Nebcrlaüenhcit gegenüber, der den Regickttnsteu des Herzogs gemacht wurde, ist daran ,» erinnern, daß er Ludwigs „Erb- förstcr" z. B. tn schlichtester Einfachheit gab. immer ausgehend vom Sinn und Stil der Dichtung. Die Darstellung erfuhr durch Herzog Georg die wichtigsten Reformen. Unterordnung unter bas Werk war das erste, damit Ausschaltung deS wuchernden Virtuosentums der Zeit. Alles wurde gleich wich tig an seiner Stelle im Kunstwerk. ES gab kein Nollenmono- pol mehr; jeder spielte, was nötig mar. Die Statisterie wurde zur Komparserie, bie Masse zur beseelten Einheit, die Solisten zu Dtalogsvtelern, die Gesamtheit der Darsteller zu einem wirklichen Ensemble. Das „stumme Spiel" wurde zur Voll- endung erhoben. Jeder hatte jederzeit sein Nestes berzu- gebcn. Die berühmten Volksszencn zeigten zum erstenmal de» Begriff der Massenregie verwirklicht. Die Phantasie des herzoglichen Regisseurs schuf stumme Zwischenspiele ans dem Gehalt der Dichtung heraus, wie ToinetteS Aufräumen im Zimmer de» „eingebildeten Kranken" oder das Lachterzett in „WaS ihr wollt", schauspielerische Szenen von ungeahnter Wirkung. Ans seinen Schauspielern, die der Herzog mit seiner getreuen Helferin Ellen Franz, der zur Freifrau von Hcld- burg erhobenen dritten Gemahlin, selbst auSwählte und schulte, konnte er alles machen, was er brauchte. Nur keine Gentes freilich: bie blieben aus oder kamen nur zeitweilig von anßen her unter die Meininger, wie Joses Kainz. Die Szene aber war Herzog Georg» größte Schöpfung. Er war der erste Raumlünstler der Bühne. Während man überall noch die ganze rechteckige Viihnensläche. kaum verengt, al» Spielraum für alle» bcnntztc, schuf er sinngemäße weite oder enge Räume, Etnbautcn und Ausbauten, intime Szenen und monumentale Hallen. Alle technischen Künste Reinhardts iaußer der Drehbühne« hat er vorweggenommcn. Auch die Treppe nach oben oder unten wandte er an. Mit diesen Mitteln beschwor er Altertum, Renaissance, Gegenwart historisch getreu auf dte Bühne. DaS römische Forum Im „JultuS Caesar* baute er aus nach den Plänen des Konser- pator» der römischen Altertümer Visconti, mit dem er alle» besprach. Dte berühmte historisch« Treue der Ausstattung und Trachten war zunächst kein leeres Gepränge, sondern Ergel» ni» deS Zeitgeistes und der dichterisch-malerischen Phantasie deS Herzogs, der bekanntlich alles selbst entwarf und zeichnete Lein kulturgeschichtlicher Sinn feierte darin Triumphe: der historische Realismus entsprach dem Gefühl einer durch große Siege erstarkte» Nation. DaS muß betont werden gegenüber der Verurteilung der „Mciningeret*. dte nicht Herzog Georgs Schuld, sondern die ganz natürliche Wirkung der Vcräußer lichung seiner Grundsätze durch ungenialc Regisseure war. Dennoch ist festzuhaltcn, daß der moderne Regisseur erst von dem Meininger geschaffen worden ist. Nahezu alles, was die moderne Bühne kennzeichnet, kam von ihm: die Beleuchtungs- cffckte und die akustische Regie, die Lärmcrzcugung und die Sttminungömittcl des Flüsternd, der zarten Geräusche, des Mitsptclcns der Umwelt. Stanislawski, der Leiter des Mos kauer künstlerischen Theaters, hat unumwunden aberkannt, wieviel er Herzog Georgs genialen Künsten verdankte. So wohl der Naturalismus wie die Stilbühne haben noch davon gezehrt. Als ein „wanderndes Festspiel* durchzogen „die Mri- ntnger" 1874 bis 1880 Europa, mit Ausnahme der romanischen Länder, und haben an 2501 Abenden tn 8g Städten 41 Stücke aufgeführt, darunter Shakespeares „JnlluS Cäsar* allein 83» mal. Die deutschen Klassiker erstanden erst wieder durch die Meininger zum wirklichen Bühncnleben. ES war für damals „modernes Theater*, auch der zeitgenössischen Dramatik offen. Dramen von Albert Lindner, Fitger, Heyse, Mindina. Echegaran, Wildcnbruch, Bsörnion und al» kühnstes Wagnis schon 1886 Ibsens „Gespenster" bringend. Der Kamps der Mei ninger entbrannte lebhaft um die Prinzipien der Regie des Meininger Herzogs: die Feindseligkeit der Ueberholten leistete starken Widerstand. Aber die Meininger setzten sich durch, uns ihre Errungenschaften wurden bald Allgemcistgut. Paul Lindau, anfangs ihr stärkster Gegner, der da» Wort von der „Mclningcrci* prägte, wurde später Intendant des Herzog» Freilich war mit Abschluß der Gastreisen nach dem Tode des „BühnenscldwebelS" Ludwig Cbronegk, der des Herzogs ge treuester nnd befähigtster Helfer gewesen war, die große Aus- gäbe erfüllt, die Reform der deutschen Bühne vollbracht. Tad erkannte Herzog Georg klar. Sein Werk war getan. Wa» aut daran war, trug neue Frucht. WaS ohne seine geniale Künstler- schast weiterlebie. führte zur Entartung und Epigonle. Neues kam herauf. Otto Brahm formulierte 1882 schon sein Urteil über die Meininger so: „WaS sie können: eine von allen Leidenschaften hin- und hergcrisicne, aufgestachclte, rasende, empörte Volkvmasse vor unv hinstellen, so wahr tn Ton und Gebärde, naturaelre» tn Miene nnd Geste: was sie nicht können: einer Szene z« Ihrem Rechte verhelfen, bi: rein ans schauspielerische Wirkung gestellt ist und aus stark ausgeprägte künstlerische Individualitäten zählt, nicht auf Statisten * Hier setzte sowohl der Naturalismus VrabmS, wie der malerische Realismus Reinhardt» ein. und von dem nicht unberecbtlaten Einwand der mangelnden schauspielerischen groben Persönlich- ketten aus erstand eine neue Pflege der großen Solisten, dte
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