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71. Jahrgang. AK SSL Abeno-Ausgabe Areilas» 17. Dezember 192S DnldlanIchkMi Nackrtcht« A»mpi»«d»r»Samm«numm«. LS 2.1 Nur ür Nachta»IprSch« SO 011 »>»31. D««md»r IPS^d», täglich jw,lm-Uo«r Zuftrlluuo ,r»> bau» I.V0 M» vvevul)r Paftd«iua»vr«>» Fr Mona, Dezember 3 Ward »»ne Po»zu»«llung»geblU»r ai,,»In,»»»r I» Pleaulg. D>» Anreisen werben nach «oldmarb «erechnel dt, »impaUta« 3V mm vre», Anzeigen-Preise: LS^'Ä,''' aulierbalv So Isrrtenoebüdr 10 Pia. Auew Au'lrSa» oeaen Doraueber»! ki. SchrtMettung und ttaupIselchitNetlell»: M.rt«,ltr«>j» 38 -»L Druck ». Vertag oon Uteplch » «etchar»! in Dresden. PoMcheck.Asnto 1088 Dresden. Nackdnub nur m« oeu.ltcher Quellenan^ad» »Dresdner Nachr - tulitlli» Urverlanol» SMnttftücke werdrn ,»ch> "Uldewabrt. I-iolel ösüevue dssCtlMlttSg-D«« «7ll< Konrsrt. dckittsg- unci /^vseict-Tat«« >m I'srrssssn-Ssal sn ct«r ^id«. Ssksnnts vof-n«Nnis l'sfslrnusik. kv»«»LI« mi Xon»«r«n»Immvr. ^sclsn /^bskicl l^Si^jJIOIF FWungnahme der Volkspartei nach rechts. Die Deutschnationalen lehnen wegen ungenügender Sicherungen ab. Marr un- Weskarp beim Reichspräsidenten. Berlin. 17. Dez. Wie das Wolfs. Bureau erfährt, rmpling Reichspräsident v. Hin de»bürg heute vormittag gegen 10 Uhr den Reichskanzler Dr. Marx der ihm über die parlamentarische und die Lage des Kabinetts Bericht erstattete. Im Anschluß an diese Besprechung empfing der Reichspräsident den Grasen Westarp. Als Ergebnis der 13.1S Uhr beendeten Fraktionssitzung der Dcntschnationaleu erfährt unsere Berliner Schrtstleitung. das, bindende Be- Beschlülke nicht gcfafit wurden, vielmehr wurde dem Grasen Westarp Vollmacht erteilt, im entscheidenden Augenblick namens der Fraktion so zu handeln wie er eS siir richtig halte. Dieser Beschluß dürste aus die Erwäguna zurück- zuführen sein, daß noch in letzter Stunde neue Momente aus. treten könnten, die die sofortige Entscheidung erheischen. Bisher hat sich der Reichskanzler nicht an die Deutsch, nationalen gewandt, so daß vorderhand kein Anlaß besteht, der Regierung zu einer Ablehnung des sozialdemokratischen Mißtrauensvotums zu rcrhelfen. Inzwischen ist nun soeben insofern eine neue Lage cingetretcn, als nach Schluß der deutlck'nationalen Fraktionss«,uiig, wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren. ein Vertrauensmann der Bolkspartei au den Grasen Westarp herantrat und diesem die Mitteilung mack'tc. das« die Dentsche Bolkspartei soeben bek^GNen habe dem Zentrum und Demokraten offiziell mitzuteilen, dak die Bolköpartci unabhängig vou dem Abstimmungsergebnis de« Rücktritt der Negierung fordern würde und als Be dingung sofort eiuznleitcnde Berhandlnngen über die neue Regierungsbildung und die Herbeiziehnng der Deutschuationalen stellen würde. Bon deutschnationaler Seite soll bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesc» worden sein, daß sa eine die Annahme Die enlsebei-en-e Relchskaasilhung. Müller-Frauken als Sekundant Scheidemanns. Berlin, 17. Dezember. In der heutigen Sitzung des Reichstages wurden die Zusatzvcrcinbarnngen zum Handels- »nd LchissahrtSvcrtrag mit Italien ohne Aussprache und der Gesetzentwurf zur Regelung der Sozialversicherung und der ErwerbSlosenstirsorge der bei Reparattonöarbeitcn im Aus- lawde beschäftigten Arbeitnehmer endgültig angenommen. Darauf wurde die politische Aussprache zur dritten Lesung des Nachtragsctats. verbunden mit den Mißtrauensvoten der Sozialdemokraten und Kommunisten fortgesetzt. Abg. Dr. Haas (Dem.) bodauertc di« Haltung der Sozial- Demokratie. Ihre Resolution sei auch staatsrechtlich nicht halt bar. In dem Augenblick, i» dem die Negierung zurücktrcte, lxrbc -er Reichspräsident das Wort, und nur dieser, weder eine sozialdemokratische noch irgendeine andere Fraktion, noch eine Kombination von Fraktionen, hätten es i» der Hand, zu be stimmen, wie di« nächste Regierung auSsehrn wende. Re, aicrungskriseu seien sehr schön, wenn man wisse, wie die schwächere Regierung durch eine stärkere ersetzt werde. Das sei hier nicht der Fall. Wenn man mit Rücksicht auf die Außen politik der Ansicht sei, dab man zusammenhalten müsse, dann hätte dt« sozialistische Resolution nicht gefasst werden dürfen. Trotz der Polemik des Herrn Bredt gegen Dr. Wirth sei doch beiden der Gedanke gemeinsam, dak es ein Unglück wäre, wenn e» einmal hiebe, hie Bürgertum, hie Proletariat. Biele Ausführungen in der Rede ScheidemaanS seien ihm schmerzhaft und pcinltch gewesen. Sozialdemokratie, Zentrum und Demokraten hätten gemeinsam manche Mängel in der Reichswehr abstellen wollen. Man dürfe aber nicht in der Bergangenhelt zwecklos herumwlihlen. Alles, was damals ge, schehen sei. werde gedeckt dnrch die Namen Sdert, Wirth «nd Rathena«. Dr. Wirth habe sich zu seiner Rclchswchrpolltlk bekannt und die Demokraten sagten sich, daß sie mit Stolz die Verantwortung trügen, dle damals Rathcnau übernommen habe ES wäre aut gewesen, wenn die Sozialdemokratie in Erinnerung an Ihren Eberl erklärt hätte: auch wir tragen mit Stolz die Verantwortung, die er damals in schwerer Stunde übernommen hat. Der Redner fragt dann die Deutschnationalen, die BolkS- partet und die Bayrische Bolkspartei, ob die Politik RathenauS national so schlecht gewesen sei. Sie müßten jetzt begrctsen, daß sie in manchen Stunden den Männern um Rathenau schweres Unrecht getan hätten. Indem sie die deutsche Jugend damals so aufrelzten, daß jener wertvolle Mensch be seitigt worden sei. den sozialdemokratischen Mihtrauentantrag sichernde Stellung nahme der Dentschnationalen notirendigermeise den Sturz der Regierung bedcute, die ganz im Sinne dieser volks- vartcilichcn Entschliekung liegen würde. Man hört auf deutschnationaler Seite aber auch die Auffassung, dak dieser neue volkövartcilichc Schritt zunächst einmal den Zweck habe, die Dcntschnatwlialen zu einer Sttmmenthaltuna zu be wegen Man hoffe dann eine geringe Mehrheit für Ab lehnung des Mitztraucnsantragcö zu haben. Um L Uhr mittags wird die Lage im Reichstag sehr pessimistisch beurteilt. Die Versuche, die Dentschnationalen zu bewegen, dak sie sich bei der Abstimmung der Stimme enthalte« würden, sind bisher gescheitert. Auch die Empsänge beim Reichspräsidenten haben eine positive Klärung nicht herbei« geführt. Wie das Wölfs-Bureau von führender deutschnationaler Seite erfährt, werden die Sicherungen für eine Verbreiterung der Negierung nach rechts als unzureichend betrachtet. Darauf- hin sind von -er Bolkspartei erneut Anregungen an die anderen Regierungsparteien in dieser Rich tung ergangen. Das Zentrum hat sich jedoch in seiner FraktionSsitznng, die sich bis in den Nachmittag hineinzog, abermals ablehnend entschieden. Das „Pariser Scho" -er gestrigen Xeichsiags- Verhandlungen. Paris. 17. Dezember. Die Pariser Morgenpressc schenkt den gestrigen RcichStagSverhandlungen aroße Beachtuim. Die Blätter kommen übereinstimmend zu dem Schluß. dak das Kabinett Marx zu Fall kommen werde. Nach Ansicht des Berliner „Matin"-Korrespoiidcnten bat die Groke Koalition, die gestern noch möglich schien, keine Aussicht ans Ver wirklichung. Die Hoffnungen der Dentschnationalen, zur Regierung zu kommen, seien zweifellos voreilig, dp die Zeit für eine Zusammenarbeit zwischen Dentschnationalen, Zentrum und Demokraten noch nicht gekommen lei. Der Korrespondent hält cs für sicher, das, das Kabinett Marx wtcderkehrcn werde. lT. U.i Die Reichswehr muß alle Beziehungen zu politischen Verbänden abbrcchen. Als Politiker wäre es mir a« liebsten, wenn eS keinen Stahlhelm «nd keine« Mehrmals und auch kein Reichsbanner gebe. Anch dnrch das Reichs, banner darf die Reichswehr nicht politisiert werde«. Wir wollen ein Heer, das nicht schon durch die Art des Ersatzes einseitig auf den monarchischen Gedanken eingestellt ist. Löbe, Wirth und Haas wollen nicht, wie der Bayrische Ministerpräsident behauptet, die Reichswehr zu einem In strument der Sozialdemokratie machen, sondern zu einem zu verlässigen Instrument der deutschen Republik. Abg. Müller-Franken lSoz.) führte aus: Durch die scharf« Kritik, die die Rede Schcidemanns erfahren habe, werde deren Inhalt nicht widerlegt. Wir sind bereit, uns mit den Deuii'chnationalcn vor den Wählern über den schweren Vorwurf -cs Landesverrats auSeinan-erzusctzen. Dr. Wirth hat darauf hingewieien, dak in den Jahren 1922/23 das Schick sal des Vaterlandes an einem Seidenfaden hiirg. Wenn da- mals unsere Freunde an Rhein und Ruhr, an der Saar und im Osten nicht zum Reiche gestanden hätten, würbe eS Heute nicht mehr bestehen. Nur der kleinste Teil des dem Reichskanzler übermittelten Materials ist von Schcidemann vorgetragen worden. Der Reichskanzler hat erklärt, ein Teil habe sich als unrichtig er wiesen. Der Beweis für diese Behauptung ist noch nicht er bracht. Unsere Behauptungen über Rußland halte« wir ans- rccht. Außenpolitisch konnte Schcidemanns Rede «nr nützen, denn sie zeigt, daß wir mit unerträglichen Zuständen endlich radikal Schlus, machen wollen. Das liegt gewiß im Sinne der Politik Gtrcsemannö. Der Grenzschutz in Oberschlesten ,var notwendig, aber er ist sehr bald danach zu einer Gefahr für die friedliche Bevölkerung geworden. Erklärungen der Re gierung. daß Beziehungen der Reichswehr zu de» Sclbstschntz- verbändcu verboten sind, genügen uns nicht. Wir verlangen als sofortiges Programm, bas, diese Verbote endlich durch, geführt werden. Zu Gebier habe« wir in dieser Beziehung kein Bertranen mehr. Anch die Erklärung, daß Geldspenden an die Reichswehr der Genehmigung des Ministers bedürfe« sollen, genügt «nS nicht. Die Reichswehr hat gar keine Geld« spenden auznnehmen. Verbindung der Reichswehr mit dem Reichsbanner hat Löbe niemals gefordert. Der Redner begrütidrt bann dt« Forderung seiner Fraktion, daß die Re. gterung zurücktrete. Wochenlang habe der Reichs kanzler mit den Sozialdemokraten verhandelt, bis Dr. Scholz ihn desavouiert habe. Deshalb hätten di« Sozialdemokraten kein Vertrauen mehr und glaubten, die personellen und fach, lichen Garantien für ein« Neubildung der Regierung durch d«n Rücktritt der bisherigen schaffe» zu müssen. Die brennende Frage -er Schulaufsicht. Der westfälische Schulstreik, der sich von Dortmund aus über die ganze Provinz ausgebrettet hat. ist eine sehr un erfreuliche Erscheinung, da es sich nicht um einen Lohnkampf handelt, bei dem sich die Parteien bis zum bitteren Ende be fehden können, ohne mehr als materiellen Schaden anzu- richtcn. Es geht vielmehr um das geistige Wohl und Wehe der schulpflichtigen Jugend, die nicht nur in der fortschreiten den Entwicklung ihres Wissens sondern anch in ihren Anto- ritätobegrtffen gegenüber der staatlichen Gervalt bedroht wird. Bei uns in Sachsen haben wir ia zur Zeit des Radika lismus, als das Schulgebet abgeschasst und die Teilnahme von Lehrern und Schülern am Gottesdienst an staatlich nicht anerkannten kirchlichen Feiertagen unter Straf« gestellt wurde, ebenfalls einen Schulstreik gehabt. Wir werden uns also hierzulande ganz besonders in die Lage der westfälische» Elternschaft hineinversetzeu un- die Gründe würdigen können, durch bi« sie allen entgcgenstehen-en Bedenken »um Trotz »n ihrem Entschlüsse getrieben worden ist. Der westfälische Fall ist ein« Sache der gesamten deutschen Elternschaft, weil es sich dabei um ein Dorpostengesecht für den erbitterten grobe». Kampf handelt, der im nächsten Jahre um das nicht länger htnauszuzügernbe Reichsichulgeseh entbrennen wird. Der Ursprung des schweren Konflikts ist darin zu suchen, daß der demokratische Kultusminister Becker eS für airgcbracht hielt, einen ausgesprochenen Anhänger der weltlichen religionslosen Schule zum Auffichtsbcamten über die evangelischen Schulen des Dortmunder Bezirks zu ernennen, obwohl der Ober kirchenrat den Mann als völlig untragbar für daö evangelische Genüssen und Empfinden bezeichnet hatte. Erst als die be troffene evangelische Elternschaft alle anderen Mittel durch Eingaben und persönliche Vorstellungen vergeblich erschöpft hatte, als der Minister auf keine noch so dringlichen Bitten reagierte, wurde als letzte Reserve der Schulstreik ins Werk gesetzt. Ein Berliner rechtsgerichtetes Blatt urteilt über das Verhalten der zuständigen amtlichen Stelle, „eS sei wohl noch nie dagewesen, daß ein Unterrichtsministerium eine solche Empörung der christlichen Eltern gegen sich hervorgernfen habe wie -aS Ministerium Becker". Die Linke sucht, wie immer und überall, auch dicken Schulstreik, besten absolut überparteilicher Charakter ganz außer Zweifel steht, partei politisch aufzuzichen, und will darin einen Vorstoß der „Reaktion" erblicken. Sie hat in diesem Sinne den unter linksdemokratischcm Einfluß stehenden Westfälischen Lohrer verein mobil gemacht und ihn zu einer gegen -aS Vorgehen der Elternschaft gerichteten Erklärung veranlaßt. Der Evangelische Lehrer- und Lehrerinnenverein weist aber diese Ausfälle zurück und begrüßt in einer Gegenkundgebnng das Erwachen des evairgelischcn Bewußtseins, wie cs sich im Streik offenbare. Ihm hat sich der Evangelische Elternbund mit der feierlichen Versicherung angeschlossen, daß die in ihm ver einigte Elternschaft, der die verschiedensten Parteien von rechts bis links angehören, allein durch das Interesse der evangelisch-christlichen Erziehung ihrer Kinder zur Gc- sinnungS- nnb Kampfgemeinschaft »»sammcngcschmiedrt sei. und daß st« „wahrlich nicht leichten Herzens" zum Schulstreik gegriffen Hobe. Dt« Vorgänge in Westfalen geben ein eln-ruckSvolles Bll- von der Gewissensnot, in die jederzeit die christlich gesinnte Elternschaft geraten kann, solange nicht das Retchs- Ichulgesetz verabschiedet ist un- durch klare Bestimmungen jede administrative Vergewaltigung der konfessionellen Schule ver hindert. Nach Artikel 119 der Weimarer Verfassung ist der Religionsunterricht ln Ueberetnstimmung mit den Grund sätzen -er betreffenden Religionsgemeinschaft zu erteilen. Die Bürgschaft für diese Uebcrcinstimmung kann der Staat nicht übernehmen; er ist in religiöser Hinsicht neutral un- soll es bleiben. Er muß daher -tc im Artikel 119 festgesetzt« Bürg schaft anderen Stellen überlassen, die dafür besonders geeignet sind. Folgerichtig räumt den» auch der Entwurf eines NeichSschulgosetzeS jeder Religionsgciellschast das Recht ein. sich darüber zu vergewissern, ob der Religionsunterricht so ge staltet ist. daß dabet die Uebercinstlmmrin« mlt den Bekennt- niSgrunbsätzen gewahrt wird. Der Entwurf enthält aber auch die grundsätzliche bedeutsame Hinzufügun«, „unbeschadet / des staatlichen AufstchtSrcchtS". d. h. also, die Bekenntnisschule' bleibt anch tm Punkte des Religionsunterrichts StaatSichule. Durch diese ausdrückliche Bestimmung wird die von links her immer wiederholte grundfalsche Behaupt»»« wtberlegt, daß dle „Reaktion" die alte geistliche Schulaufsicht wieder- einführen wolle. Daß dafür tm neuen Deutschland kein Raum ist. »eigen Sie bestimmten Erklärungen sämtlicher bürgerlichen Parteien in Verbindung mlt dem geschlossenen Widerstände der Lehrerschaft. Unbedingt gefordert aber muß werden nach dem Geiste de» in der Weimarer Verfassung sanktionierten Schulkompromisses, daß nicht bissibrnttsttsche staatliche Schulräte zu AufstchtSbeamten über konfessionelle Schule» bestellt werben. DaS Hieße den Bock zu« Gärtner