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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 27.09.1913
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1913-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19130927026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1913092702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1913092702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1913
-
Monat
1913-09
- Tag 1913-09-27
-
Monat
1913-09
-
Jahr
1913
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Dresdner Nachrichten A., Nr. LK7 fleht. Wetter forderte der Vortvaaendc unter Hinwelö aus üble Erfahrungen in Preuße» und Sachsen, eS müßte durch Verordnungen festgelegt werben, daß die entscheiden den Stellen alle Entwürfe zu Wasser- und Brttckenbauten den zu ständigen Organen der Denkmalpflege ohne weiteres zur Begutachtung vorzulegen haben. Nur in Bayern ist die» der Fall, in Preußen versagen die Bestimmungen im Wassergesetz für die Denkmalpflege gänzlich. Die Denkmalpflege, die leider nicht so volkstüm lich ist wie der Hrimatschutz. „ins, sich bei allen Berwal- tungcn und ihren Organen immer mehr als ein gleich berechtigter Faktor neben der Technik und der Volkswirtschaft durchsetzen. Der Redner schloß mit dem Hinweis auf die einseitige Ausbildung unserer Tech niker auf den Hochschulen und befürwortete auch ihre all gemeine Durchbildung,- ein Ingenieur mit offenen Angen für die Schönheit unserer Heimat und für die Bedeutung unserer Denkmäler werde am besten im Einzelfall die Mittel und Wege zeigen können, der Denkmalpflege zu dienen. O v e r r c g i e r u n g S r a t D r. Eassimir aus München schloß sich in seinem Korreferate in den wesent lichen und grundlegenden Gesichtspunkten den Än-führun- gen des Vorredners an. Er ergänzte dessen Darlegungen noch durch Ausführungen aus zwei Gebieten des Wasser baues, bei denen in besonders weitgehendem Maße in die begehenden Verhältnisse der Natur cingcgriffen wird, so daß hier die fragen des HeimatschntzeS eine äußerst wich tige Rolle spielen. eS sind dies die F l n ß k v r r e k t i o - n e n und die A n S n n tz n n g der Wasserkräfte. Der Redner, der in der Hauptsache sich ans die Verhältnisse in Bauern bezog, ivieS darauf hin, daß es bis in die neueste Beit als etwas fremdartiges erschien, Flußkorrcktionen auch vom ästhetischen Standpunkte aus zu würdigen. Als in den 187,Oer fahren in Bauern Korrektionen geschiebe- nihrendcc GellirgSslüne in größerem Maßslab eingcleitet wurden, wurde an Stelle der wechselnden Krümmungen und der verschiedenartigen Prvsilsvrmcn, die der Fluß in seinem natürlichen Zustande zeigte, ein gerader Flusilauf mit einem trapezförmigen Querschnitt gesetzt und der Fluß zwischen die beiderseitigen Nvrmallinicn hineingedrangt. Der Begriff Normallinie erbte sich über ein halbes Jahrhundert lang gewissermaßen als nnantasibareS Heilig tum in Theorie und Praxis fort. Den warnenden Stim men hervorragender flnßbantcchniker gelang eS schließlich, neue Bahnen zu gehen und Grundsätzen Geltung zu ver schaffen, die nicht nur vom sinanzwirtschaftlichen Stand punkte ans befriedigende Ergebnisse liefern, sondern die auch den Verehrern der N a t u r s ch ö n U e i t c n der wil den ungebändrgten GebirgSslüsse hohe Genugtuung ge währen. Heute bat in Bauern die schablonenmäßige Gcrad- leiinng der flnßläuse anfgehort, mit der unnötigen Um gestaltung der flösse in „Gebilde dcS Zirkels und Lineals" hat cS ein Ende. AlS Hauptgrnndsatz gilt heute, daß alle Bauten möglichst der bestehenden flnßlage anzupasscn sind, die früher so beliebten Durchstiche sind auf das unvcr »leidliche Maß zu beschränken, Im zweiten Teil seines Vortrages behandelte Dr. Eanimir die Ausnützung der Wasserkräfte. Der Redner hob ausdrücklich den hohen Wert hervor, den die Wasserkräfte für ein kohlcnarmes Land heute schon, namentlich aber in der Zukunft haben, und erachtet cS für eine äußerst wichtige Ausgabe des Staates, mit weitem i Rltck diese Naturschätze möglichst der Allgemeinheit zunutze zu machen. Aber ebenso durchdrungen sei er! von der Ucberzeugnng, daß auch ans dem Gebiete der Wasser- kraftanSnutzung Radikalkuren vermieden werden müßten. sBravo!) In welcher Weise selbst bei ganz um fangreichen und schwierigen Projekten diese Forderungen be rücksichtigt werden können, erläuterte der Redner in aus führlicher Weise an dem staatliche» Walchenseeprojekie. das! in seiner jetzigen form neben den finanztechnischcn Gesichts- s punkten auch den ästhetischen Forderungen Genüge geleistet habe. Zum Schluß hob der Vorsitzende hervor, daß gerade der schassende Ingenieur von allem Ansang an bei der Be-! arbeitnng seiner Projekte auch die ästhetischen Gesichtspunkte ! würdigen solle. ES erscheine ihm zweifelhaft, ob die jetziges Ausbildung unserer I n genienre in dieser Rich- ! tiing befriedigend genannt werden könne. sGeheimrat! G n r l i t t: „Sehr richtig!"» Er babe vielmehr das E mP-! finden, daß in den letzten Jahrzehnten sich die Auffassung j immer mehr Bahn gebrochen habe, als ob der Zchwerpnnlt > der Ingcnieurtätigkeit in einem Ueb ermäße von! mathematischen Kenntnissen liege. Eine solche ein-! fettige Ausbildung halte er namentlich für Ingenieure, die j später in öffentlichen Stellungen tätig sein sollen, geradezu für schädlich. lGcheimrat Gnrlitt: „Bravo!"» Zu allem, schloß der Redner, gehört die Begeisterung für ^ eine hohe, ideale Lache. Der Schutz der Heimat, der Schutz der Natur verdient diese Begeisterung. Im Zanberkreis der Natur erfüllt sich unser Herz mit neuer Kraft, wenn uns auch noch so sehr die niederen Sorgen dcS Daseins drücken. „Greifen wir daher nicht ohne zwingenden Grund in die Naturschönheiten ein, die in ihrer stillen Erhabenheit einen wohltuenden Gegensatz bilden zu dem ruhelosen Hasten eines gewinn- und genußsüchtigen Menschen geschlechts!" Reicher Befall folgte den Referaten. An der Debatte beteiligte Frankfurt. Professor meister S i r n ck m a n n - Hildcskeim. beschloß, die Referate als flugichrisien Darnach beriet man über den näch stcn Tagungsort. Die dritte gemeinsame Tagung wird 1917, Einladungen lagen a»S Bremen, Münster, Köln l sich Architekt Linncmann onö f u ch S - Stuttgart und Obcrbürgcr- Die Versammlung verbreiten zu lassen. slattfinöen. und Karls ruhe vor. Dir Vorsitzende Le» Bunds» s!»r Heimmschuv Rehorst sprach warm für Köln; di« Versammlung solle dem Studentenltede: »An den Rhein, zieh' nicht an den Rhein" nicht folgen. (Große Heiterkeit.) Der Vorsitzende des TaaeS skr Denkmalpflege Geheimer Hosrat Professor v. Oechelhäuser ttbcrbrachte die Einladung der Stadt Karlsruhe. Da diese aber 1V1S da» soofährige Jubiläum seler». was natürlich viel Unruhe mit fick bringe, so riet er. der Etnladung de» Magistrat» keine Folge zu leisten. lHetterkeit.» Beigeordneter Rehorst: „DaS ist allerdings eine etwas merkwürdige Einladung!" lGroße Hetterkelt.) Gegen dle «lue Stimme de» Bremer Vertreter» wurde Köln zum Tagungsort 1918 gewühlt; der Tag für Denk malpflege bestimmte für seine nächsttäbrlge Tagung Augs burg. Der Bund sür Helmatschutz hat sich noch nicht ent schlossen, sür 1014 rlnen Kongreß elnzuberufen. Darnach ergriff der Hamburger Baudtrektor Professor Fritz Schumacher, der in Dresden von seiner hiesigen Berufstätigkeit her noch in gutem Andenken steht, SaS Wort zu einem Vortrag über die Banpslege dcS HamVurgische« Staate». Der Vortragende ging davon aus, daß es besonders schwer sei. für die Großstadt die richtigen Maßnahmen zu treffen, ui» ihre harinoiltsche Entwicklung zu fördern und sic vor Entstellungen zu schützen. Die Grundsätze, die sich unter dem Begriff des „Hcimatschutzcö" entwickelt habe», versagen hier vielfach, well sie an historische Vorbilder au- knüpfcn wollen in Fragen, für die eS keine historische Ent wicklung, sonder» nur ein Erfüllen neuer Forde rungen gibt. ES gilt deshalb, das Problem „Großstadt und Hcimatschutz" als etwas Besonderes zi» erfassen und nitSzubanen. DaS Hamburger Baupflcgegcsctz ist «ine Vereinigung von dein, was an anderen Orten teils alS „Denkmalschutz", teils als „Bcriinstaltungsgeittz" au-ge- bildet ist. Alle historischen Denkmale sind der Rflcge einer Kommission zum Schutze ihrer Eigenart und ihrer Um gebung anvertraut. AlS besonderes Arbeitsgebiet ist dieser Kommission aber die Sorge für die Neubauten übertragen. Diese Sorge erstreckt sich nicht nur. wie in manchen anderen Gesetzen, aiif besonder» geschützte Zonen, sondern uinfasit die gesamte Bautätigkeit privater und staatlicher Natur in allen Distrikten dcö Hamburger Ge bietes. Diese weitgehenden Pflichten und Rechte sind nun einem ausführenden Körper anvertraut. der so zusammen gesetzt ist, daß die größtmögliche Bürgschaft für eine sach gemäße und objektive Bebaiidlung gegeben wird. Ganz besonders wird dies ermöglicht dadurch, daß die Kommission gemäß ihrer Geschäftsordnung ein eigenes, einem künst lerisch befähigten Baninspeltvr unterstelltes Bureau be sitzt, in dein alle Eingänge vcn gearbeitet werden. Die Kom petenzen dieses Bureaus sind so abgemessen, daß sich ans ihnen ganz von selber die wichtige Einrichiiing einer Bau- beratniigSstelle ergibt. Und hierin sieht der Redner die vielleicht bedeutsamste Seite der Gestaltung der Ham burger Banpslege. Der Redner setzte die Gesichtspunkte auseinander, nach denen ihm eine Baupslegctüligkcit sür die schwierigen Verhältnisse der Großstadt ersprießlich zu werden scheint: Streben nach gesunder Massenverteilung, konseanentc DachanSbildiing. Bereinbeitlichnng von Bnn- tomplcxen, Kontrolle der Uebcrgänge zwischen verschiede nen Architekturen, solide Materialbehandliing. Er zeigte im Lichtbilde einige Beispiele iür Arbeiten, welche die Bäu- pflcge niitcr Leitung des Vorstandes des BanpflegcburcaitS Bauinspektors Hellweg bisher geleistet hat. und fügte ver schiedene Abbildungen hinzu, welche zeigen, wie die Vor gängerin der Baupflcgc. die Fassadcnkommiisio» der Mönckebergstraße, bei diesem schwierigen Durchbruch im Zentrum der Stadt gearbeitet bat. Für das Ziel, dem un bestimmten Gesamtbilde, das die moderne Großstadt zur zeit bietet, wieder einen bestimmten Charakter zu erobern, sieht der Redner das Mittel allein darin, daß die gesamte künstlerisch arbeitende Architektcnschast einer Stadt, an- knüpsend an einen für die Gegend charakteristischen Bau- sioss, einen M a t c r i a l st i l entwickelt, der zu einer für die manvigsachen neuen Bedürfnisse der Großstadt geeig neten AlltagSsprache wird, die dann auch dkr DurchschniitS- baucndc zu sprechen vermag. Das hat München für einen lokalen P u tz n i l bereits geleistet. Für Hamburg sicht er ein ähnliches Ziel in der systematischen Kultur des B a ck st c i n Materials. Der Redner warnte aber davor, hierbei daö Ziel in einer verkannten Auslegung dcS Hei- maischntzaedankenS nur auf eine sentimentale Nach ahmung eines vermeintlichen alten BancharaktcrS ein- zustellcn. DaS Problem „Heimatschlitz und Großstadt" ver lange ein LoSlöscn von den Rezepten der Vergangenheit. DaS Heimatliche. dnS cS zu wahre» gäbe, liege in einem k o n s e g n c n t r » Behandeln der Erfordernisse v o n O r t u n d M a t e r ia l. Tie Rücksichten aus Er fordernisse dcS Zweckes losten innerhalb der Grenzen der heutigen Großstadt daS Schassen ganz von selber los zu einer selbständigen Weiterbildung des ttcberlieserten. Nur eine Banpslege, die ihre Ausgabe in diesem weithcrzi- aen Sinne verstehe, könne von Segen werden sür eine Großstadt. iLanganhaltcndcr Beifall.» Lehr von Wert war eS, daß die anschaulichen Bilder bei vollem Tageslicht gezeigt werden konnten: die Firma Earl Plan! verwendete hierzu ihren neuen Tageslicht-Proiek- tionöschirm. Der Vorsitzende Rchorst sprach dem Vor redner den herzlichen Tank der Versammlung ans und be glückwünschte die Stadt Hamburg, daß sie einen solchen Stadtüaurat wie Fritz Schumacher habe. lBravo.» Ter Vortrag wird ebenfalls als Flugschrift Verbreitung finden. Als letzter Redner sprach Dr. med. Bonne iKlein- Floitbcck» über die Verunreinigung der Ge wässer. Damit war die Tagesordnung erschöpft. Beigeordneter »«Horst dankte allen Versammelten für ihr große» fntrresse. insbesondere auch Sr. König!. Prinzen Johann Georg. D»n Dank der die beit teilnehmer au die beiden Bor Nehorst gr . obeit dem Kongreß» und von Oechelhäuser kleidete Geh. Rat Scheicher in Worte reicher Anerkennung ihrer Verdienste. Kurz vor 2 Uhr ging man auseinander, um sich »ach der Besichngung der Kunstdenk mäler der Stadt am Abend im Rathaus zum Abend- essen wieder zu treffen. — Morgen findet ein Ausflug nach Bautzen. Schandau und Pirna statt; am Sonn- tag besichtigt man die Ausstellung in Leipzig. Sertliches und Sächsisches. 26. September, besuchte gestern Dresden, —* Herr Iustizminister Dr. Nagel das Amtsgericht i» Pirna, nahm die Vorstellung der Beamten entgegen und besichtigte unter Führung des Gc- richtSvorstandeS Geh. Iustizrat Dr. Wetzel die Diensträume der Gcrichtsgcbäube und das Arrestbaus. —* Den Pfarrern Dr. phil. Lempe in Kieritzsch lBez. Borna» und Schulze in Wilschdorf b. Stvlpen wurde beim Ucbcrtrttt in den Ruhestand das Ritterkreuz l. Klasse vom AlbrcchtSordcn verliehen. — Der Schmied Tzschabran ge». Mucke in Pirna erhielt die Friedrich- August-Medaille i» Bronze. — Der König hat geilchmtgt, daß der Inhaber der Firma Felix Scmnilcr in Leipzig Kaufmann Alfred Kluge den Titel als Herzog!. Aiihaltt- scher Hoflieferant annehmc und führe. —* Abschied vom Schrämte. Der dritte Rektor des König!. Gymnasiums zu Dreöden-N. Geb. S t u d i c n r a t D r. Richard Friedrich schied mit dem Abschlüsse dieses LchulhalbiahreS ans dem Amte nach Vollendung deS 67>. Lebensjahres. Nur sieben Jahre hat er an der Spitze der Anstalt gestanden. Die Hauptarbeit seines Berufslebens lag in den Leipziger und Bautzner Jahren. AuS seiner Tätigkeit am Gymnasimn in Freibcrg 1880 an das neubcgründcte König!. Gymnasium in Leipzig berufen, das setzt König-Albert-Gymnasium heißt, hat er dort bis 1809 gewirkt. Dann hat er als Rektor das Bantz- ner Gymnasium geleitet, dem er bereits als junger Lehrer angchört hatte. In beiden Stellen hat er durch Berufs arbeit, wissenschaftliche Leistung und Tätigkeit für die tandcSgeincinschaft sich große Verdienste erworben. Aber auch in den Jahren seiner Dresdner Wirksamkeit hat er auf mannigfaltige Weise seine Kunst als Leiter und Lehrer zu beweisen Gelegenheit gehabt. Mit Nachdruck und Tat- lraft vertrat er die Sache dcS humanistischen Gymnasiums und der ihm auvertraute» Anstalt gegenüber der Ocffcnt- lichkcit. In seiner Amtszeit und aus seine Anregung hin sind am Gebäude des Gymnasiums viele bauliche Erneue rungen und Vervollkommnungen vorgcnvmme» worden. In dem Bemühen, auch im Unterricht neuen Forderungen nachzukommcii, machte er Versuche mit der Bewegungs freiheit in den Primen, Er ließ Schülerübungen für Phttsik und Biologie veranstalten und gewährte den Schülern Teilnahme an den Vaterländischen Festspielen. Bcsondcrs begabten und eifrigen Schülern bot er Gelegen- beit, durch Uebcrspringcn von Klassen die Schulzeit ab zukürzen. Leines Geistes Hauch verspürten ain unmittel barsten wie seine Leipziger und Bautzner Schüler seine Dresdner Oberprimaner, denen er Horaz, Sophokles und Goethe erklärte und durch den Unterricht wie durch die Aufgaben für die deutschen Aussätze die Erkenntnis er schloß, daß unsere heutige Bildung auf dem klassischen Altertum beruht und man ohne dessen Kenntnis auch die Werke unserer deutschen Klassiker nicht völlig verstehen kann. Besonders kunstvoll ausgestaltete Leistungen bot er in seinen frei vorgctragcnen Schulrcden. Unter seinem Rektorate legten Ihre Königlichen Hoheiten Kron prinz Georg und Prinz Friedrich Christian die Reife prüfung ab. Bereits 1900 durch das Ritterkreuz 1. Klasse dcS Verdienstordens ausgezeichnet, erhielt er 1908 den Titel Obcrstudicnrat und zum Abschied den Titel Geheimer Studicnrat. Tic Schüler huldigten ihm durch einen Fackelzug. In der Nähe der Prießnitzmündung an der Elbe versammelten sich in der achten Abendstunde mehrere hundert Schüler, von den Primanern herunter bis zu den kleinen flinken Kerlen an? der Sexta, die meist in Matroscnanzügcn er» schienen waren. Nachdem sie sich zu einem langen Zuge formiert hatte», wobei immer zwei ältere Schüler zwei jüngere in die Mitte nahmen, marschierten sic unter Vor antritt eines MusikkorpS, daS flotte Weisen spielte, durch die Holzhofgassc am Gymnasium vorüber, dann durch die Bautzner Straße, die Weint rauben st ra sie, die Wasserstraße und die Lowenstraßc. bis man wieder am Schulgebäude ringekonunen mar. Die Schüler der Ober- und Mittelklassen trugen Fackeln, die jiliigeren Lampions. Natürlich säumte die Straßen ein zahlreiches Publikum, das den stattlichen Zug, der ein hübsches, Iugendfrischc atmendes Bild bot, mit Blu men bewarf. Als die Ausstellung aus dem Schulhofe erfolgt mar. brachte ein Schüler ein Hoch aus „den verehrten Herrn Gcheimrat" aus, in daS begeistert eingcstimint wurde. Hier hatten sich auch die Angehörigen der Schüler und ver schiedene Lehrer eingesunken. Der Zug begab sich dann vor den Haupteingaiig und eine Deputation suchte Herrn Rektor Friedrich im Gymnasium auf, »in ihn mit einer Ansprache zu begrüßen. Bald darauf erschien der Gefeierte aus dem Balkon im 1. Stock. Mit bewegten Worten sprach er den Schülern seine Freude und seinen Dank sür die artig anmuten. Der bekannte Theatermaler Ernst Stern, Max ReinkardrS künstlerischer Berater, hat eS mit ge- «vohntem Erfolge unternommen, wahrhaft reizvolle Bühnenbilder von der Entwicklung der Mode seit den Tagen »es Empire bis znm Ende deS IS. Jahrhunderts in Etappen von zehn oder sünfzchn Jahren vor den entzückten Zu- schanern zu entrollen. Für jede Zeit hat er ein entsprechen des „Milien" geschaffen, in dem sich die Männlein und Weiblein, angetan mit den damals modernsten Kleidern, bewegen und hier und da auch kleine Ballcttszcncn znm besten geben. Im glanzvollen Empircsalon bewundern wir Offiziere jener Tage, die mit niedlichen Dämchen schön tun. Ein Gartenzimmer versetzt nnS in die Bieder meierzeit und zeigt nnS einen etwa» steifen, aber gegen die heutigen Schiebe- und Wackel-Verirrnngen gar anmutigen Tanz an? GrsßvaterS Zeit. Ergänzt wird diese? gemütliche Bild durch eine Postkntschenszene, die unS wieder einmal zeigt, wie herrlich weit wir cS im Zeitalter dcS DampfeS und der Elektrizität mit unseren Verkehrsmitteln gebracht haben. Aber die äußere Schönheit hat entschieden darunter gelitten. AlS Großmutter ihre Hochzeitsreise im Wagen machte, konnte sie sich malerischer kleiden, als ihre Enkelin, die sich im rauchgeschwärzten D-Zuge befördern läßt. Tann kommt die Zeit der fürchterlichen Krinoline, häßlich zu schauen, aber jedenfalls begnemer, alS die heutigen Humvelröcke, die jedes flotte AnSschreiten unmöglich mache». Selbst EiSläuserinnen in Krinoline vermochten sich mit einer gewissen Grazie zu bewegen, wie die schöne EiS- lausszene an? der Mitte deS vorigen Jahrhunderts beweist. Gar seltiam, aber nicht lächerlicher, als unsere Gecken von heute, nehmen sich die Läufer in ihre» kurzen Gehpelzen und unheimlich hahen und breiten Zylinderhütc» auS, die der Berliner Witz wohl damals zuerst „Angströhrcn" ge nannt hat. Lehr anziehend wird auS dem Anfang der sechziger Jahre daS Leben und Treiben an der sogenannten Rranzlcreckc veranschaulicht, jener Straßenecke Unter den Linden, wo sich die berühmte Konditorei von Kranzler be findet, die inzwischen auch der NeuerungSsucht der Berliner ihren Tribut entrichten mußte und heute nur noch eines unter den unzähligen Casi'-s der Reichshauptstadt ist. Da mals war sie noch etwas ganz Besonderes, nämlich der Trefs- und Mittelpunkt der besseren Berliner Gesellschaft, in der damals noch auf den Straßen der Gardeleutnant dominierte, der heute weit mehr im Verborgenen blüht und kaum noch Zeit findet, das Straßenbild beleben zu Helsen» abgesehen von den wenigen Parade- und EinzugS- tagen. Damals drehte sich um ihn noch ziemlich daS ganze Berliner Straßenleben, er war überall auzutresfcn, nament lich aber in der Mittagsstunde bei und vor Kranzler, und daher ist er auch auf dieser Szene die Hauptperson, ein wenig karikiert schneidig in seiner stark altmodischen Uni form, die doch noch die preußischen Ofsiziere im Kriege von 1870 getragen haben. Mit Staunen wird mancher sehen, daß auch ans diesem Gebiete, das als besonders konservativ gilt, die Mode stark und schnell wechselt, und handle cS sich auch nur um Kleinigkeiten, wie den Schnitt der Beinkleider, die Höhe deS Helmes oder die Form deS Degens. Und dann sicht man aus diesem Bilde vor 50 Jahren zwei Typen, die damals an der Spree unendlich volkstümlich waren und heute nahezu ganz aus dem Berliner Straßen- lebcn verschwunden sind: den Schusterjungen mit seinem schlagfertigen, drastischen Witz, der nie um eine komische Antwort oder ein freche» Scherzwort verlegen war, und den „Eckensteher", später Dteilstman» geheißen, der stets dienst bereit an der Ecke stand, um jegliche „Kommission" gegen ein märchenhaft bescheidenes „Honorar" auSzusührcn. Rohrpost, Messcnger BoyS und namentlich Fernsprecher haben ihn überflüssig gemacht und nahezu ganz verdrängt. Damals aber war diese Figur sogar bühnenfähig, und der ganze Berliner Hof mit dem Könige an der Spitze „kugelten" sich vor Lachen, wenn sie in einem Vorstadt-Theater die Burleske „Nante, der Eckensteher" sahen, deren Glanzpunkt daS polizeiliche Verhör dieses geschworenen Gegners der damals freilich noch gar nicht geborenen Autialkohol - Be wegung war. lieber die harmlosen Scherze, die dieser Nante verzapste, würde heute nicht einmal mehr ein Ecken steher, wenn eS ein derartige» Exemplar in der deutschen RcichShauptstadt noch gäbe, lachen. Diese Modcrückschau — womit natürlich nicht die nur nebenbei angestellte Rückschau aus Schusterjungen und Eckensteher gemeint ist — schließt mit einem Modesalon aus den siebziger Jahren, wobei von den Zuschauerinnen besonder- dle damals grassierende „Tournüre" belacht wird. Wenigstens von den älteren. Die jungen kennen diese merkwürdige Vor- oder Einrich tung wohl kaum noch. Wie erklärt man ihnen wohl, ohne Anstoß zu erregen, um was cs sich dabei handelt? Also sagen wir: eine Touruürc war eine Vorkehrung zur Auf füllung des verlängerten Rückens. Deutlicher kann man beim besten Willen nicht werden . . . Wir haben diese Berliner Ausstellung so eingehend besprochen, weil sie es wirklich verdient, da sie in jeder Hinsicht zu den wirksamsten und sin jedem Sinne des Wortes) anziehendsten Veranstaltungen gehört, die man hier seit langem zu sehen bekam. Das gleiche Lob kann man der ihr einigermaßen wescnovcrwandten „Anö- stcllung für Körperkultur und Körperpflege" leider nicht spenden. ES gab da viel Dinge zu sehen, deren innerer Zusammenhang mit dem Thema beim besten Willen nicht erkennen ist. Oder weiß jemand, was schlechte Oel- gemäldc, plumpe Möbel lallcnfalls abgesehen von Betten und anderen Nuhegelcgenheitcn) mit Körperpflege und Körperkultur zu tun haben? Oder gar Klaviere und Kon trollkassen? Aber es reißt hier in Berlin immer mehr der schlechte Brauch ein, daß man, um reckt viel Platzmicte herauSzuschlagcn, alles mögliche und noch einiges andere, was schlechterdings nicht hinetngehürt, in eine solche Aus stellung hincinpackt. Sonst gab es manches Nette und auch Lehrreiche zu sehen, nur, daß man es in größerem Rahmen schon anderswo besser und schöner gesehen hat, wobei man freilich, wenn einem der Appetit nicht ganz vergehen sollte, an die unvergleichliche Dresdner Hygienc-AuSstellung schon gar nicht denken durste. Zu den verschiedenen Kunstausstellungen, die Berlin gegenwärtig beherbergt, der „Großen" in Moabit, der Sezession und der Iuryfreien, ist seit kurzem eine neue binzugctrcten, die sich einfach und bescheiden „Erster deut scher Herbstsalon" nennt. Doch hier stock' ich schon. Wes halb „erster". Soll damit gemeint sein, daß cs vor diesem vom Herausgeber der Zeitschrift „Der Sturm" veranstal teten Hcrbstsalon noch keinen in Deutschland gegeben habe, so wäre das tatsächlich falsch. Sollte aber damit der Rang bezeichnet werden, den dieser Herbstsalon unter seines-
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