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71. Jahrg««,. ZL«88 »»V* A*sVA« Freitag. IS. Okloder 1826 Gegründet ISSN o«m I. dt» >». v»««d»r I»r» »,1 I«,l«ch 3uft»vun, ir», »au, I.dv M». Bezugs »Gebühr A8d„>ia,pr«t» >Ur «on,^0k>od»r^^°^ ^n^P°k»uft,llunr,,i,«dUdr. <D„ Ani»ta»n ««d«, nach «oldmar» d»r«chn,l: 0>» einipaMa» w mm o„», Anz-Ig-n-Pr-IIe: L aus,»rlx>ld 200 Plc,. 0If«t»na»dUI>r 10 Via Au»«. UuUrLg» <,»->. Do^u»d«,a»,Iunc> DradlinIchrtN Nachrtcht«, E«rnlp^ch»r-Samin»lnumm»r: 2S Schl. Nur >Ur Nachla-tpriich«: SO 011. Schr»»«Uunq und »auplgekchiillsllro»: »artenltr,., SS chS Druch u. D«rlaa oon U«»Ich a, «»Ichardl in Drradrn. Pvstlchrch-Aonlo 10SS Drr,»rn. Nachdruch nur mt> d»Uttch»r au«ll»nanaad» ' Dr—dn»r Nach» "> ,ul!IMa Unorrlanai» Schrt'chiich» w»r"rn ni»> auldrwadri. i-iotsl Vsilevue k>t«StirNt11«g-D«« mit Xonssrl. dcklltsg- unä /^dsnrl-'rata« >m Dsrrssssn-Ss«« sn ct«r Tld«. Ssksnnts vornslim« Dstsimusil«. ss«»»»LI« ni «»nksrsnulmmse. ^scisn l^/Iitt^ock ^bsr»c! k^suniOri Hindenburgs Besuch in Braunschwelg. Die dritte Beratung des HohenzoNern-Abkommens im Preußischen Landtage Verstimmung -er preußischer, Dolksparlei über -ie Verzögerung -er Koalilionsverhan-lungen -urch -ie Sozialdemokraten. Die Vearllhunqsselern. Bra«nschweig. 15. Okt. Brannschweia begrüßte beute den Reichspräsidenten v. Htndenburg. Die Ankunft des Zuges des Reichspräsidenten im Halwtbahnhvs erfolgte um V-l» Ukr Der Borsttzendc des brniinschwetgiickcn StaatS- mintstcrtumS. Minister Marguardt begrüßte den hohen slast. Oberbürgermeister Dr. Traut mann entbot den Grus, der Stabt Nach Abschrciten der Shrenkomvagnie und »ach deren Vorbeimarsch nahm der Reichspräsident die Meldung der in Braunschmcig wohnenden inaktiven Generale und Admirale entgegen. Anschließend an die Front dieser Herren hatten sich Offiziere und Militärverbändc Ausstellung genommen. Die Häuser sind mit Bahnen und Tannenariin ge» schmückt. Am Natnihvs war eine schlichte Ehrenpforte in den Stndtfarhen Rot-Weih errichtet. Am Eingangsweg bildeten Vereine Innungen und Schulen Spalier Trotz anhalteiidem Regen war rin zahlreiches Publikum erschienen, um den Reichspräsidenten aufs herzlichste zu begrüben Vom Bahnhof begab sich der Reichspräsident zum Schlotz- hof, w» die Veteranen von 1881, 1886 und 1870 71 Auf» stell««« genommeu hatten, von hier nach dem Sch loh, in welchem er Wohnung nahm. Im Sause des Vormittags stattete der Reichspräsident dem Staatsministerium im Schlosse einen Besuch ab. Weiter erfolgte die Begrüßung der Spiten der braunschweigischen Behörden und öffentlichen Körperschaften, (»egen 11 Uhr vormittags fuhr der Reichspräsident nach dem Rathaus. Am Eingang des Rathauses wurde der Reichs präsident vom Oberbürgermeister begrübt. In der Vorhalle erfolgte die Vorstellung und Begrüßung durch den Stadt- vcrorbnetcnvorsteher. Hierauf wurde der Reichspräsident nach dem würdia geschmückten Sitzungssaal,! der Stadtverordneten- Versammlung geleitet. Hier hatten sich die Mitglieder deS Rates und der Stadtverordnetenversammlung eingcfunden. Oberbürgermeister Dr. Trautmann begrühte den Reichs präsidenten mit einer W i l l k o m m e n s a n s p r a ch r. die mit den Worten schloh: Rehme« Sie als WillkommenSgruß daS Gelöbnis unwandelbarer Treu« ,n unserem geliebten deut schen Batcrlande und seinem Führer entgegen. DaS ist daS Höchste, das ist das Heiligste, was wir Ihnen als Will» kommrnogrnh unserer Stabt in dieser feierlichen Stunde darhrin««!* kßuue». . . . , Der Reichspräsident dankte mit freundlichen Worten, in denen er zum Ausdruck brachte dah Einigkett zum Wiederaufstieg nötig sei. Darauf trug sich der Reichs präsident im Natszimmer in daS G o l d e n e B u ch der Stadt Brannschweia ein. Hierauf begaben sich der Reichspräsident die Herren Minister, -er Oberbürgermeister und der Stadt vcrordnetcnvorstehcr zu Fuß zum Gildehaus, wo der Reichspräsident den Ehrcntrunk der Innungen entgegcnnahm. Das Preutzenparlament unter Polizeifchutz. Me kommunistische Sabotage wird sorlqesetzt. Berlin, 16. Oktober. DaS HauS ist gut besucht, die Tri. büncii sind aber nur schwach besetzt. Vor Eintritt in die Tages ordnung begründete Abg. Pieck (Kom.) einen kommunistischen Antrag, dah der Landtag aufS schärfste die vom Präsidium sür die heutige Sitzung getroffenen polizeilichen Mah. nahmen mißbillige. lTehr wahrl bet den Kom. Ge lächtcr rechtö.s Die Kommunisten beantragen Aussetzung der Beratungen, bis die Kriminalbeamten aus dem Landtag ver schwunden feien. (Stürm. Zust. b. d. Kom.s — Präsident Bartels erklärte dazu, dah er es ebenfalls sür beschämend halte, daß Polizei zur Aufrechterhaltung der Ordnnug im Landtag nötig sei. Er bade aber diese Maßnahme wegen des Verhaltens »on Mitgliedern deS HauseS treffe« müsse«. (Großer Lärm b. b. Kom. Lebh. Zust. rechts u. t. d. Mitte l Nacheinander marschierten dann noch mehrere kom munistische Abgeordnete aus. um die Maßnahmen deS Prä sidenten zu kritisieren. Präsident Bartels erklärte iedoch. dah er eine Kritik an seinen Vorbereitungen für die heutige Sitzung nicht zulasten könne, und dah er, wenn diese Kritik doch versucht werden solle, den Rednern das Wort ent ziehen müsse. Nei diesen Morten erhob sich ein neuer und anhaltender Lärm bei den Kommunisten. Inzwischen lmt der Ftnanzminister Dr. Höpker-A schoss, von einigen Herren seines Ressorts bcalettet. am RcgierungStikche Platz genommen- Die Kommunisten halten die linke, eine Gruppe dcnischnationaler Abgeordneter die rechte Trevve zur Redner tribüne besetzt. Di «Erregung tm Hausewächst. Die immer erneut zu GckchäftSordnungsreden antretenden Kom- munisten werden mit Schlnhrufen empfangen. Aba. Schwenk- Berlin tKomm.l beantragt, dah vor der Entscheid»,!« über die Hohenzollernvorlage zunächst der für später aus der Tagesordnung stehende kommunistische Mißtrauensontrag argen das StaatSmintstertum zur Abstimmung gelange. Unter großem Lärm der Kommunisten scheiterte dieser Antrag am Widerspruch der Rechten. — Abg. Bartel-Krcfeld lKomm.l forderte die sofortige Behandlung des Antrags: Der Landtag erklärt sich für ansgelSst. Der Redner sprach so lange, bis Ihm daS Wort entzogen wurde, worauf abermals bet den Kom- munisten aroßer Lärm elnsctzte- Ohne Debatte überwies dann das HauS einen Antrag deS Abg. Kries-Stegen iSvz.l, die für daS Giegerland und daS vahngebiet bewilligt« Staats Hilfe zu verlängern, an den HanptauSschuh. — Abg. Pieck lKomm.l forderte dann, dah die Abstimmung zur zweiten Lesung der Hohenzollernvorlage wiederholt werde. Auch dieser Antrag scheitert am Wider spruch der anderen Parteien, ebenso der deS Abg. Eberletn lKomm.l, die Weiterberatung -er Hohenzollernvorlage um vier Wochen auSzuletzen. Dann wurde in die TageS- ordnung etngetretrn. Ohne Debatte wurde ein inter fraktioneller Antrag ans Ausbau der Eisenbahn Bochum- Herne—Recklinghausen dem HanptauSschuh überwiesen. Nach Erledigung von einigen Berichten folgte die dritte Beratung der Hohenzollernvorlage. Abg. Bartcl-Crcseld lKvmm.l beantragte eine Mindest rcdezeit von zwei Stunden für diese Sache, während vom Aeltcstenrat nur eine Stunde vorgesehen war. Als der Redner weitere Ausführungen machen wollte, bezeichnete Präsident BartclS seine ganz« Rode als „überflüssig". (Stürm. Wider spruch bet den Komm.), weil der Aeltcstenrat die Rcdezeit bereits festgesetzt habe. AIS der Redner erklärt«, der Präsident müsse es chm schon tiberlassen. waS er für überflüssig halte, wurde ihm das Wort entzogen. (Neuer groher Lärm bei den Konnn. Abg. Pieck rief: Der ist aber ausgepumpt worden! Heiterkeit.l Abg. Schweuk-Berlin (Kvmm.l beantragt die sofortige Einberufung des AeltestenrateS. um erneut über die Redezeit Beschluß zu fassen. — Präsident Bartels bezeich net« diesen Antrag als unzulässig und entzog dem Redner das Wort unter dem Beifall der Rechten und dem Lärm der Kommunisten. — Abg. Odnch lKomm.l bracht« den schon früher vom Landtag abgelehnten Antrag ein, den Minister- Präsidenten herbeizurufen, damit er sich wegen der Hohenzollernvorlage verantworte. Ein Antrag Dchmtlfan (Dem.l auf Herbeirufung aller Minister wurde einstimmig abgelehnt. (Rufe bet den Komm», nisten: So ein Theater! Sehr richtig! und Lachen bei den anderen Parteien.l Damit war auch der Antrag Obuch er erledigt. <Bei RchaktionSschlub dauern die Verhandlungen noch an.) Die Verschleppung -er Koatttions- Verhandlungen in Preußen. Berlin, 18. Okt. Der preußische Ministerpräsident Braun läßt Mitteilen, daß er am 8. November, dem Wunsche der jetzigen RegierungSiparteien entsprechend, mit den Frakttons sührern der Deutschen BolkSpartet über die Umbildung der preußischen Regierung verhandeln und dann das Ergebnis der Besprechungen den Regierungsparteien Mitteilen wolle. In den Kreisen der Deutschen BolkSpartet ist man durch den Versuch, die Verhandlungen zu verschleppen, ver- sti m mt, so b«ß die Hoffnungen auf das Zustandekommen der Großen Koalition weiter geschwächt werden. Dte Fraktion sieht in dem Verhalten -er Regierung und der RcgterungS- partet den Mangel -eS ernsten WtllenS zu einer Einigung zu kommen. Es wird darauf verwiesen, daß bereits die Er- nennung deS Ministerialdirektor» A-begg zum Staatssekretär, die erfolgte ohne daß man mit der BolkSpartet sich tu Der- btndung gesetzt hätte, jeden ernsthaften Willen vermissen ließe. Besonders verstimmt hat auch die Tatsache, daß von dem Er- gebnis der Besprechungen d«S Ministerpräsidenten mit den Fraktionssührern der Regierungsparteien der Deutschen BolkSpartet offiziell keine Mitteilung gemacht wurde, daß diese vielmehr erst aus der Presse Kenntnis davon erhielt. lieber die Haltung der Parteien »um Mißtrauen», votum der Kommunisten erfahren wir. baß die Deutschnatio- nalen und die Wirtschaftliche Bereinigung für dte Anträge stimmen werden. Nur werden dte Deutsch-Hannoveraner bet dem Mißtrauensvotum gegen den LandwirtschaftSmtntster eine ablehnende Haltung einnehmen. Di« Deutsche Volks- partei hat Slimmenthaltuug beschlossen. . . . Das Prager Experiment. Gestern hat sich das ncugebildete Prager Kabinett Svehla dem Parlament vorgestellt, jenes Kabinett, daS zum ersten Male in der allerdings jungen Geschichte des tichccho-sloivakischcn Staates auch Sudetendeutsche umfaßt, indem das Justizministerium und das Ministerium der öffcnt. lichen Arbeiten in deutschen Händen liegen. Diese aktive Be. teiligung der Vertreter der beiden stärksten bürgerlichen deutschen Parteien a» der Negierung ist wohl das bedeut samste innerpolttikche Ereignis seit dem siebenjährigen Be- stehen des neuen StaatSwesens. Um eS gleich vorwegzu nehmen: diese Negirrungskoalition zwischen Tschechen und Deutschen ist nicht das Ergebnis einer gefühlsmäßigen Ncu- cinstelluna der Tschechen zu -e» Sudetcndcutschcn. Es ist eine geradezu frivole Selbsttäuschung, das Zustandekommen dieser Arbeitsgemeinschaft als Ausstrahlung des sogenannten Locarno - Geistes — Filiale Tscheche- — zu werten. Kein anderer als Svehla selbst hat aus dem Klub tschechischer Agrarier fcstgestellt. daß die Stimmung der tschechischen Be völkerung für eine Zusammenarbeit mit den Deutsche,, noch nicht reif sei. Es handelt sich also — was psychologische Einstellung anbelangt — bcstensalls um einen Anfang, einen Versuch. Ob das Objekt hierfür tauglich ist, hat sich erst noch zu erweisen. Aber Svehla geht In seiner Klarstellung in ge fühllos anmutcnden, aber anerkennenswert klaren Worten weiter: „Politik ist ein Geschäft und dieser Handel lohnt sich nur. wenn Ihr billig seid!" Und auch den Grund, weshalb sich dte Tichcchcl auf dieses Geschäft überhaupt einläht. nennt der Ministerpräsident: Die immer radikaler werdende Hal tung der tschechischen Sozialisten macht «ine national- tschechische Koalition unmöglich So muß der Versuch mit den Deutschen unternommen werden, und da er nun einmal unvermeidlich ist. dann besser sofort, als später! Ans zwingen der inncrpolitischcr Notwendigkeit also beruht die scheinbare Ueberbrückung nationaler Gegensätze. , Diese inncrpolitische Notwendigkeit ergibt sich auS der besonderen staatlichen Struktur der Tschecho-Dlowakei. ES ist mehr als nur eine Ironie der inkousrguenten Weltgeschichte, daß daS alte Oesterreich seiner — angeblich unzeitgemäßen — staatlichen Struktur halber zertrümmert wurde, und daß in der Zeit der feierlichen Verkündung deS Sclbstbestimmungs- rechtes, der alleinigen Berechtigung des Nationalstaat«- au» einem dieser Trümmer ein Staat geschaffen wurde, der tm entscheidende» Punkte ganz dte gleichen Züge aufwcist, di« zur Verurteilung des Habsburger Reiches geführt hatten: auch dieser neue Staat ist ein Nationalitätenstaat. Und mit dieser gleichen Eigenschaft hat die Tichecho-Slowakei die gleich« erschwerende Verknüpfung innerpolitischer Probleme über nommen, die dem alten Oesterreich zum Verhängnis werden sollte. Neben die, den unzeitgemäßen Charakter dieser neuen Staatengrttnduna offenbarenden Probleme der „nationale» Minderheiten" treten die zeitgemäßen, alle Staaten erfüllen den Probleme sozialer Natur: die Klassengegensätze. Dieser Zweiheit der Schichtungen hat di« Tschecho-Slowakei dte ständigen, sich zu unüberbrückbarer Breite erweiternden Krisen zu verdanken, die zu einer ernsten Gefährdung b«S Staates werden können. Dte Tichecho-Slowakei wandte sich zunächst -er .Lösung" des ersten ProblcmeS zu, die sie in einer möglichst rücksichts losen Entnationalisierung finden müssen zu glaubt«. Di« wesentlichen Punkte dieser — für die Slchctendeutschcn bitterst« Leiden mit sich bringenden — Politik hat der Baseler Pro fessor Hassinger in seinem Buch über die Tichecho-Slowakei folgendermaßen im einzelnen festgelegt: 1. Verminderung der Zahl der ihrer Nationalität Bewußten; 2. Verminderung der Rechte der ihrer Nationalität Bewußten: 8. Zersprengung der geschlossenen Wohngebiete -er Nationalitäten: 4. Wirtschaftlich« Begünstigung des Staatsvolkes auf Kosten der Minderheiten: 6. Entgütcrung der Minderheiten. Schärfste Opposition», stcllung der um ihr Dasein ringenden Sudetendeutschen war die natürliche Folge. Hierin trat mit überraschender Plötzlichkeit im Juni ». F. eine gewisse Aenderung ein. nicht infolge zunehmender Dym- pathien für die Deutschen, sondern als Folg« einer immer un- erträglicher werdenden Verschärfung jene» zweiten Geg-n- atzeS: DaS soziale Problem verdrängte da» nationale. sa^H ich. Lösung heischend, in den Vordergrund. Und hier begann erstmals das. was Svehla als .Handel" bezeichnete: eine Füh- lungnahme mit den bisher ln strenger Opposition verharrenden Sudctewdeutschcn. Sie führte dazu, daß die beiden größten bürgerlichen deutschen Parteien, die Chrlstllch-sazlale Partei und der Bund der Landwirte, über die Wahrung rein wirt- chaftltcher Interessen hinausgehend, sich für eine Unterstützung des BeamtenmtntsterlumS Serny gewinnen ließen. Insofern bedeutet die nunmehr erfolgte unmittelbare Beteiligung dieser beiden deutschen Parteien dte Fortsetzung eine» vor annähernd vier Monate« -eschrtttene« Wege», Ne« «Her und t« höchste«