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7V. Jahrgang. V S-g Meno-Ausgabe Mittwoch, ». Mai »SS Gegründet 185V LraLI-mlchrist: «achrichl,» De«,»»». Aerniprecher, Sammelnummer: 2S 241. Nur Mr 4I»ch>s»Ipriiitzr! 20 011. oom l. Ul, iS. Mai 192«, o», täglich zwrimalifter 3mt«Uu„g >r«t „aus >.»- Mord ^"AUgS^VvevUyl Poilt>e»ug»pr«i» ltir Monat Mai Z Mar» ahn« PollzusI«Uunq»-,«diidr. Mar» ohl Si»^»I»»»->rt I» Ptanaig. Di» Anzeigen werden noch lvoldmard »»rechnet, die Anzeigen-Preise: " Äa. -uherkold liiert engediidr ZS Piq. yamilienanzeiqen und SleUenge.i 20 Pi«., die 9t) mm breit» Tteklameieäe gediidr Ik> Vs». 4lusw. Auilräae »ege» Mora je ,v mm dreile uche obne ISu Pi», oraueoetart Schuttleituno und A uplgeichäil»I>elle: Marten! ira >« 28)42. Druch u. Vertan von äteptch L Reichardi in Dr«»d«n. Poillchscti-Äonto IOSS Äre»d»n. Nachdru-N nur mtt deutttcher vuellenanaad» „Dreedner 4iaMr'> nilitiita Unnerlnnate SchrtttllUkl» werden mch mniewadrt. Der Berkehrsftreik in England gescheitert. Die Regierung verlangt Streikabbruch als Voraussetzung jeder Verhandlung Abschluß -er Pariser Luslverhan-lungen. - Der Slreil um -ie Flaggenverordnung. - Die „Aorge" aus -em Fluge nach Spitzbergen. Die erske Dresche. London, 5. Mai. Dar Vcrkehrsstreik ist in ganz Eng land gescheitert. D!c Ost-Wcst-Linic der Lvndoncr N n t er grün übahn fährt von heute ab im 6-Mi»utcn-Bctrieb, halt wie normal im 4-Minuten-Bctrtcb. ?lnf den wichtigsten clekirischcn Vorortbahnen von Nord-London nach der City wurde der Betrieb bereits gxstern nachmittag wieder in regel mäßigen Zwischenräumen aufgenommen. Im kommunistisch durchseuchten Glasgow konnten gestern nachmittag bereits Ll Pcrsoncnzügc nach allen Richtungen abgefcrtigt werden. Im sozialistischen Nordcngland fuhren auf den wichtigsten Strecken 15 Personenziige. Die Direktion der Nordostbahn in Nork macht bekannt, daß von ihrem Personal sich nur öl Mann von einigen SV WO im Ausstand befinden, und im wichtigsten nordenglischen Kohlengrubcnort Hüll lehnten die Ciscnbahnbeamtcn und Arbeiter über haupt den Eintritt in den Streik ab. Eine Enilassnngs» drohung des Oberbürgermeisters von Portsmouth mit drei Stunden Befristung genügte, «m das gesamte Personal der städtischen Straßenbahn und Omnibusse zur sofortigen Aufgabe des Sympathiestreiks zu veranlasse«. Heute vor- mittag sichren wieder Schnellzüge von London nach Derby. Manchest.'r, Liverpool, Leeds und Schottland. Tie viiciibnhiigcscllschaficn erwarten, daß es möglich sein werde, heute bereits einen Mprozcnligcn Verkehr ans fast alle» Linien durch,iiisühren. Die englische Notzcitnng „British Gazette" ist heute nacht mit einer Auslage von 7MN0» erschienen, die bis auf vier Millionen erhöht werden soll. Die großen Londoner Zeitungen haben ihre gestern abend angekündigic Absicht, heute früh kleine Ausgaben zu veranstalten, nicht durch- führen können. Starke Streikposten haben arbeitswillige Setzer trotz starken Polizeiaufgebots an dem Betreten der Gebäude verhindert. Trotz der Besserung tm Bahnvcrkchr bot London heute früh wieder ein eigentümliches Bild. Aus allen Vorstädten waud sich ein unübersehbarer Zug von Fahrzeugen aller Art »ach der City. Wiederum mußte» viele Tausende zu Fuß gehen. Die Telephon- und Postämter sind stark überlastet. Fühlbar macht sich jetzt der Mangel an Telephonen — Lon don verfügt bekanntlich über sehr viel weniger Tclcphon- aiischlüsie- als Berlin. In Newcastle wurde der Versuch ge macht, die Eisenbahnstationen zu stürme«. Der Versuch wurde jedoch durch daS Eingreifen der Polizei verhindert. Auch wurde versucht, den Omnibusvcrkehr zu verhindern. Dabei wurde ein Krastomnibuä stark demoliert. Gewalttaten gegen den Aukomobil-Derkehr. Schwere Zusammenstöße mit der Polizei. London, 5. Mai. Nachdem der gestrige Tag ohne Ruhe störungen verlaufen war, kam es abends in den östlichen Be zirken Londons z» Ausschreitungen. Autos und Lastwagen wurde» verschiedentlich von sungen Burschen angehalien nnd die Insassen gezwungen. anSzusteigen. AIS im Laufe des Abends die Polizei verstärkt wurde, nahm die Feindseligkeit an Heiligkeit z». Die Polizei machte infolgedessen mehrere Vor stöße mit Knüppeln. Zahlreiche Personen wurden ins Hospital gebracht. Den Ausschreitungen des Pöbels fiel ein sehr wert volles Auto znm Opscr, das gänzlich zerstört wurde. In einem andere» Falle wurde ein Laslanto in Brand ge steckt und eine Fcucrwehrspritze am Weiicrsahrcn verhindert. Eine Autodrolchkc wurde von der Menge über eine Brücke ins Wasser geworfen. Wie die Pariser „Daily Mail" ergänzend miitcilt ,kam es am Tunnel von Blackwall zu schweren Ausschreitun gen. Hunderte von Streikenden hielten am Ansgange dieses TnnnelS alle Fahrzeuge an. die aus London kamen und miß handelte« die Fahrer, die sich ihren Weisungen widersctzien. Die Polizei trieb die Menge mit Gnmmiknüppcln auseinander «nd brachte zahlreichen Streikenden schwere Kopsvcrlctznn- gen bet. Keine Verhandlungen vor Streikabruf. London, 5. Mai. DaS neue Regierungsblatt „British Gazette" hebt hervor, alle Anzeichen deuteten darauf hin, daß der Streik nicht so vollständig sei, wie seine Ver anstalter gehofft hätten. Bevor der Generalstreik von seinen Führern nicht ansgchoben werde, könne nichts geschehen, dies sei ein» Bedingung, die jeder Wiedereröffnung von Verhand lungen oorauogehcn müsse. sW. T. B.j Freiwillige in riesigen Mengen. London, 5. Mat. Die Regierung teilt mit, daß Frei willige in riesigen Mengen ihrem Rufe Folge leisteten. Der Kanalverkehr zwischen Calais und Dover ist gestern mittag vermittels eines Pasiagierschifscs und zweier Fracht- -ampscr ausrechterhalten worden. Es wird geschätzt, daß in Hüll 25 NM Arbeiter streiken. In Cardiff erschienen die Mittagsblätter. Die Passagiere des gestern ans Ne», york in Southampton angekommenen Dampfers „Maurctania" wurden in Kraftwagen nach London befördert. In Liver pool haben zwei Üriegsschissc Lebensmittel ge landet. In Bristol war der Straßenbahn- und Autobusdienst in vollem Gange. Auf dem Dock ruht die Arbeit, doch werden Vorkehrungen getroffen, um das Löschen lcichtvcrderblicher Waren zu sichern. kW. T. B.) Die -eutichen Gewerkschaften un- -er Streik Berlin, 5. Mai. Heute nachmittag werden die dent- schen Gewerkschaften in Berlin zusammeiltrcicn. um zum Generalstreik >n England Stellung zu nehmen. Man hat erst jetzt die Tagung einberufcn können, weil innerhalb der Bergarbeiterverbände und des Deutschen Transport- arbeitcrverbandes selbst Klarheit über die cinzuschlagendc Haltung geschaffen werden mußte. Innerhalb des Berg- avbcitcrvcrbandes haben die Beratungen bis spät in die Nacht hinein gedauert, so daß die Delegierten erst heute morgen aus dem Rnhrrcnier abfahren konnten. Die Beratungen in Berlin sollen vor allem die Frage behandeln, welche -Haltung die Gruben- und die Transportarbeiter in den deutschen Steinkohlenrevieren, nicht nur im Rnhrrcnier, sondern auch in Schlesien, einnchmen sollen, und ferner wird man sich wahrscheinlich damit beschäftigen, ob nicht die Streikenden in England durch Bereit st ellung vongc-- w e r k sch a ft l i che n Mitteln und durch Sammlungen innerhalb der deutschen Arbeiterschaft Unterstützung in finan zieller Hinsicht gewährt werden kann. Ter Streit um die Kabinettssihung über -ie Flaggensrage. Berlin, 5. Mai. Heute vormittag kurz vor 11 Uhr ist daS Acichskabinctt zusammengctrctcn, um sich nach dem Einspruch der Demokraten, des Zentrums und der Sozialdemokraten erneut mit der geplanten Flaggenverordnung des Reichspräsidenten zu befassen. Später wird auch der inter- srakiioiiclle Ausschuß der Regierungsparteien zusammen- ircteu, um zu dieser Angelegenheit Stellung zu nehmen. Reichspräsident v. Hin de »bürg ist heute in den ersten Morgenstunden von seinem Hamburger Besuch in Berlin wieder cingciroffcn. Staatssekretär Meißner hat ihm am Vormittag über die Flaggensrage Vortrag gehalten. Wie verlautet, beabsichtigt der Reichspräsident, zunächst daS Er gebnis der K a b i n e t t S s i tz u n g abznwarten, ehe er weitere Schritt- *'> die'-'' Angelegenheit nniernimmt. sT. U.) Berlin, 5. März. Wie in parlamentarischen Kreisen ver lautet, hat die heutige Sitzung der Rcichsregierung das Er gebnis gehabt daß das Reichskabinctt an der beabsichtigten Flaggen» rorbnyng fcfthalten will. Eine endgültige Ent scheidung ls» I doch noch nicht getroffen ivorden. Man will erst dle Besprechung mit den Vertretern der NegicrungS- pan. icn abwarten. die um Uhr im Reichstage beginnt und an dcr a>ch der Reichskanzler tcilnehmen wird. Um 6 Uhr findet dann eine nochmalige Kabinctissitznng statt, in der die endgültige Entscheidung fallen soll. In demokratischen und i» Zenirumskreisen hofft man. daß die Minister dieser Parteien ihre» frühere» Standpunkt i» dcr Flaggcnsragc rcvidie- Flaggenverordnung. ren würden. Die Fraktionen der Demokraten und des Zen trums wollen, wie cS heißt, von ihren Vertretern im ReichS- kabinett verlangen, daß sic künftig in Fällen von so grund legender Bedeutung, wie es die Flaggcnsragc sei, sich erst mit ihren Fraktionen ins Einvernehmen setzen, bevor sic von Amis wegen ihr Votum abgeben. Nur bei Erledigung sogenannter laufender Geschäfte sollen die Minister freie Hand behalten. Alle deulfchen Missionschefs dafür! Berlin, 6. Mai. Der Gedanke, dcr durch die Flaggen- v c r o r d n u n g zur Ausführung gebracht wird, Ist schon von früheren Kabinetten erwogen worden und alle deutsche« Missionschefs im AnSkandc find ohne Unterschied ihrer partei politischen Stellung für ihn «ingetrcten. Sic haben eine solche Maßnahme für nötig gehalten, um dem unseligen Flaggen- zwist ein Ende zu machen, dcr dem Ansehen des DcuischiumS im AuSlande nicht gerade förderlich gewesen ist. Bei allen offiziellen Anlässen war in den deutschen Anslandskolonie« zu beobachte», daß die Konsulate und Gesandtschaften die NeichS- klagge setzten, während die NnSlandSdentschen entweder schwarz-weiß,rote Fahne» zeigten oder überhaupt nicht flaggten. Dieser Zwiespalt soll durch die Flaggen- ncrordnung beseitigt werden. Nach der Verordnung werden die deutschen Missionen neben den Rcichssarbcn die Handels flagge setze» und die Ausländsdeutschen werden ebenfalls die HandclSflagac zeigen. Damit wird die Einheitlichkeit i» dcr Flaggen frage wieder hergeftellt sein. Die polnische Krise. Von Graf E. v. Zedtwi tz. Als Gras Skrzynski von seiner Reise nach Prag und Wien, wo er sich billige Triumphe holte, nach Warschau znrück- kehrtc. erwartete ihn dort böse Kunde: die polnischen So zialisten hatten eben am Tage zuvor ihr Wirtschafts programm veröffentlicht, das in so scharfem Gegensatz zu dem des Finanzministcrs Zdzicchowski steht daß ein Kompromiß im vornherein unmöglich und das Ende der „Großen Koalition" in Polen bereits sicher mar bevor die letzten ver zweifelten Versuche zur Erhaltung der gegenwärtigen Re gierungsmehrheit sehlschlugen. Mit dem Austritt der Sozialisten aus der Regierung war das Kabinett Skrznnski dann seiner Mehrheit beraubt und di- Krise da. die abzu- ivcchrcn sich alle Parteien so lange bemüht hatten. Eine Ueber- raschung bildete diese nach allem was vorangcgangen war. weder für die Parteien noch für das Volk, ebensowenig aller dings die Art ihrer Lösung denn eine Lösung mußte gesunden werden, koste es was es wolle. Und darin waren die Parteien dcS Seims von allem Anfang an einig: lieber eine Lösung, die keine ist als eine Krise, die dann um jeden Preis gelöst werden muß. Mit Angst und Schrecken denken sie alle, von der äußersten Rechten bis zu den Sozialisten PilsudskiS. an die kommenden Neuwahlen im November nächsten IähreS, von denen bei aller Ungewißheit eines bereits gewiß ist. nämlich, daß sie dcr jetzigen Herrlichkeit ein Ende machen un- den Kommunisten und anderen radikalen Parteien einen gewaltigen Stimmenzuwachs bringen werden. Diesen ge- fürchteten Augenblick schon setzt herbeizuführen, wünscht , nie mand im Seim — also lieber weiter Kompromisse schließen, lieber aus den widersprechendsten Entwürfen ein neues Ne- giernngsprogramm zusammcnbrauen. das wieder über einige Monate hinwcghilftl Und der Staat? Der hat sich noch immer geholfen und wird sich auch letzt Helsen, denkt man im Seim und macht sich deshalb »m den Staat keine Sorgen. Und wartet weiter auf den „starken Mann", der wohl zur rechten Zeit kommen und Polen retten wird.... Als Grandseigneur flott in den Taa zu leben, und dann die sich häufenden Schwierigkeiten mit halben Mitteln oder gar nicht zu bekämpfen, war stets einer der Hauptfehler -cs polnischen Volkes, unter dem das alte wie dasncuc Polen viel zu leiden hatte. Auch diesmal sind es dieselben Ursachen, die den polnischen Staat in seine jetzige Lage gebracht haben. Als die Ententemächte 1918/1N daß neue Polen schufen, gaben Ne dem jungen Staate große, durch deutsche, österreichische und rnssische Kulturarbeit wertvolle Gebiete, eine glänzende Stel lung und ausreichenden Kredit, und überließen cs der polni schen Republik, ihr Auskommen ebenso zu finden wie die Tschccho-Slowakci und Jugoslawien. Als Polen dann zu den einst österreichischen und russischen Industriegebieten nm Krakau und Lodz auch noch Obcrschlcsien erhielt, aalt eS mit Recht als eines derrcichstenLänderEurovas. und nicmand in den Ententcländern zweifelte daran, daß es schon in wenigen Jahren eine achtunggebietende Stellung in der europäischen Wirtschaft cinnehnicn werde. Was aber geschah?! Posen, Wcstpreußen und Galizien sind dank dcr polnischen Mißwirtschaft heute um Jahre in ihrer Entwicklung zurückgeworfen, der polnische Kredit tm Auslände ist ver nichtet, was irgendwie verwertbar ist. ist verkauft oder ver pfändet. Nur die Großmachtstclluiig. von der Polen träumte, blieb zum Teil erhalten dank der Opfer, die das Land hierfür brachte: eine ungeheure He er cs macht mußte erhalten werden, und ein gewaltiger diplomatischer Apparat, dessen Umfang in keinem Verhältnis zu seinen Leistungen stekt und der insbesondere dann glänzend versagte, als die polnische Großmannssucht den Zollkrieg mit Deutschland Her ausbeschmoren batte und überall vergebens Ersatz für den verlorenen deutschen Absatzmarkt suchte. Inzwischen fraß die Wirtschaftskrise im Innern so ziemlich alles, was die In flation übrig gelassen hatte, und als Grabski. der Reformator der polnischen Finanzen, abirai. war die Wirtschaft derart zerrüttet und der Außenhandel so gründlich zerstört, das, keine Möglichkeit bestand die ..stabilisierte" Währung zu halten. Im Gegensatz zu allen anderen Ländern, die vordem von der Inflation hciingefticht wurden und sich dann aus eigener Kraft oder mit fremder Hilfe eine neue Währung schufen, konnte Polen seine Goldwährung nicht halten, sondern mußte wiederum zur Ausgabe ungedeckter Noten seine Zu flucht nehmen. Erst der Z l o t y st n r z hat dem Volke etwas die Augen geöffnet und die Gefahr gezeigt, in der das Land schwebt, während die ParlameniSparieien um die besten Plätze an dcr staatlichen Fnttcrkripve stritten und feilschten. Daher die allgemeine Befriedigung über das Zustandekommen der „Großen Koalition" und der grenzenlose Optimismus, mit dem bas Kabinett Skrznnski begrüßt wurde. Von den Fähigkeiten des neuen Ministerpräsidenten von dem guten Willen seiner Mitarbeiter erwartete man alles nichts schien unmöglich, wenn die KoalitionSpgricien wirklich zusammen- arbeiteten. Das Zusammenarbeiten der polnischen Parteien -er Rechten und Linken bestand bekanntlich in einer völligen Un tätigkeit der Koalition, die am M. Dezember zwar ein große- Finanz- und Wirtschasisprogramm anfstellte. dann sedoch nicht die Kraft ausbrachtc, dasselbe durchzuführcn. ES blieb bei -cm sogenannten Dczemberkompromiß. das di«