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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 29.05.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-05-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19030529029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1903052902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1903052902
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-05
- Tag 1903-05-29
-
Monat
1903-05
-
Jahr
1903
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Diese» Blatt wird den Leserif von Dresden und Umgebung am Tage vorher bereit» als -ugestcllt, während eS die Post.Abo»»c»tcr» Vv am Morgen in einer Gesamtausgabe crhaUcn. Fsnreigeii-Laii?. Lnnabm« von Anknnbianuocn bis nachinillaai s stl» So»»- »na Nk>eriaa« nur Mancusim«? ss von r> d>L '/>iUln Tie livaiNaeÄcund- reile (ca 8 Silbem 2a Ps» . «n- tündmunakn ans ücc LnvaNeile Zeile L> itNa : die Lwaiuae Zeile als „Ein- aelandl' oder aus Tevlleile so P,„ 8» Nummern nach sonn- und Ncicr> lagen > de, rwalliae Grundicilen so. «o de» so und so Pi» „ach bc- londercm Tarif. AuSwürtige Aul- «rLlie nur gcaen VorauSbejahluna. Belegblatier werden »nt roVia. derechnel. Sernsprechanlchluk: Amt I Nr. U und Nr. 209«. «I. HA. IV«ri»,MMmI,»u<IlWA, IVi L ^sI-11. WZ«>ItL8tr«88v L. kei»8i»'. V«r«Iv»>»x-, Rttieriii- uuct AI«8vt4»vii»v, I-VS8VI44VVINV, Riiliüi"«, tlvAitsvtlv rmff 1r»NLÜ8i!«vIiv OtrrLNiprr^irvr. Nr. 148. Aikikl: Ncuesle Drahtbcrichlc. Hosiiachrichten. Kirchciikassierer M. Hilsebei» si, Straßenlumulte, Städleaiisstellulig. Gotteskaslen. »Der Troubadour", Sarah Bernhardt als Rameliendame. Freitaff, 29. Mai IW?;. Neueste Druhtmeldnngen vom 28 Mai. Berlin. Der Kaiser sprach gestern nach der Vorstellung im Foyer des Opernhauses die aus Wunsch des Kaisers hier cingc- trosienen sämtlichen kommandierendeu Generale rcsp. deren Ver treter. Hierbei war der Reichskanzler zugegen, der auch der Vor stellung beigewohnt hatte. Heute nachmittag bcgicbt sich der Kaiser in das Lager bei Döbcritz. — Prinz Eitel Friedrich ist hier cmgetroffen. Berlin. Hier starb an einer Lungenentzündung Fürstin Eleonore Salm-Salm, geb. Prinzessin Cray. Berlin. Der Bundcsrat stimmte m der heutigen Sitzung dem Anträge von Sachsen-Allcnburg beir. Prägung von Denk münzen anläßlich des 50>ährigen Rcgierungsjubiläums des Herzogs Ernst von Sachsen-Alten bürg zu. Penig. Dem „Penigcr Tagebl." zufolge versuchte im be nachbarten Markersdorf gestern die Mutter des Gemciudedicncrs, die Strumpswirkerswitwe Kramer, das fünf Wochen alte unehe lich geborene Kind ihrer 18jährigen Enkelin durch Messerstiche zu töten, und brachte sich dann selbst einige leichte Schnitt- wunden bei. Das Kind ist schwer verletzt, während die Täterin sich ihrer Verhaftung durch Ertränken entzog. Posen. Wie das „Posencr Tageblatt" meldet, sollten gestern nachmittag gegen 4 Uhr in Dembno 45 Kinder aus den umliegen den Ortschaften, die dem Konsirmationsunlcrricht bcigcwohut hatten, in einem schon etwas schadhaften Kahne über die Warthe gesetzt werden. Kurz nach Verlassen des Ufers drohte der Kahn zu sinken. Die erschreckten Kinder stürzten nach dem landsscitigen Kahnende und brachten dadurch das Fahrzeug zum Kentern. Der Fährmann und etwa 11 Kinder ertranken. Gegen abend hatte man 10 Leichen geborgen. Budapest. Abgeordnetenhaus. Ter Jinanzministcr legte heute die Jnvestitionsvorlage in einer Gesainthöhe von 266 Millionen Kronen vor, von denen 70 Millionen für die Erweiterung des Eisenbahnnetzes der ungarischen Staatsbahncn und 60 Millionen für die Hafenbahnen in Fiume, Erweiterung der Bahngcbäude, der Donaubrückcn, sowie Anschaffung von Lokomo tiven und andere Investitionen verwendet werden solle». Ferner sollen verschiedene Bauten in der Hauptstadt und in der Provinz vorgenommeu werden. Für das Jahr 1903 werden von diesen In- veslitionen insgesamt 30 Millionen in Anspruch genommen werden. Budapest. Der Husarcu-Oberlcutnant Vecscy hat sich in der Wohnung der Schauspielerin Marie Ezonzory in dem Augen blick, als der Priester die sterbende Schauspielerin mit der letzten Oelung versah, erschossen. Paris. Der „Figaro", der seit längerer Zeit Stellung gegen den Marinc miliister Pclletan genommen und u. o. behauptet hatte, daß der ehemalige Sekretär der Frau Humbert, Parayre, der als Mitschuldiger verhaftet, jedoch nach einiger Zeit wieder freigelassen worden war, Pclletan schriftlich um seine Ver wendung beim Justizminister gebeten hätte, vcröfseiitlicht heute das betreffende Schreiben Parayre^ ?n diesem Schreiben vom 25. September 1902 heißt es: „Da Ich Ihnen unbekannt bin, kann ich kein anderes Recht geltend machen, als meine vollständige Ver schwiegenheit in bezug auf die beträchtliche Summe, die ich Ihnen als Sekretär im Hause der Frau Huinbcrt übergeben habe, für Ihre Intervention in der Sitzung vom 23. Dezember 1889 an- läglich der Debatte über die Wahl des Gegenkandidaten Humberts. Das Ausgabenbuch, in dem die Uebcrgabe der erwähnten Summe, sowie der Anlaß hierfür verzeichnet ist, ist niemanden zu Augen gekommen. Ich allein kenne seine Existenz." Der „Figaro" deutet an, er hoffe, daß seine Enthüllungen die Stellung Pelletans er schüttern werden. Paris. Das „Echo de Paris" berichtet, daß Brugtzre den Oberbefehl über die diesjährigen Hcrbstmanöver führen werde. Paris. Die Gesellschaft französischer Künstler hat dem Gold- schmied Rakumowsky die Medaille 3. Klasse verliehen. Madrid. Prinz Heinrich von Preußen und die königliche Familie besuchten gestern den Palast in Aranjuez mit dem Park, sowie das Gestüt. Heule wird Prinz Heinrich mit dem König einer Triippenbcsichtigung in Eharabanchel und nach mittags einem Stiergestcht beiwohnen. In Vigo fand gestern nachmittag an Bord des Panzers „Karl der Große" eui Fest stall, bei dem zahlreiche Familien der Stadt zugegen waren. , London. Wie. die „Times" aus Tokio melden, ist im javanischen Unterhaus eine Adresse auf die Thronrede eingebracht worden, die ein Tadclsvotum gegen das Ministerium enthält. Sie wurde aber mit 228 gegen 123 Stimmen abgelchnt. Konstantinove l. Nach Konjularbcrichtcn aus Monastir ist die Lage im Vilajet und die Stimmung der türkischen Be völkerung beruhigt. Einige diplomatische Stelle» haben die Pforte auf die Gefahren oufmcrklam gemacht und ihr freundschaftliche Ratschläge erleilt. Besonders die Masscnverhaftnngen von Bul garen scheinen an vielen Orten »ngerechlserligt bczw. unüberlegt u sein. Die Ausnahmemaßregclii gegen die Bulgaren scheinen urch den Uebereifcr untergeordneter Organe unnötiger Weise zu weit zu gehen und auch auf Unbeteiligte ausgedehnt zu werden. Konstantinope>. Unter den in den Vilajets Uesküb, Saloniki und Adrianopel, besonders in Monastir, verhafteten Bulgaren befinden sich auch viele Geistliche. Tie Bewohner der betreffenden Dörfer beschwerten sich deshalb bei verschiede ne» Stellen, indem sie darauf hinwiesen, daß nicht einmal für die Bestattung eine geistliche Assistenz vorhanden sei. Nach einer Meldung aus Prizrcnd bat cm Teil der Albanesen von Djakova die Reformen angenommen. Die auf dem Wege nach Kon- staiitinopel befindliche'Ulema-Kommission übcrbringt eine bczüg- lichc Ergcbenhcitsadresse an den Sultan. Ein Teil der Albanesen setzt die dortige Opposition gegen die Reformen fort. OertlicheS und Sächsisches. Dresden. 28. Bla!. —* Seine Majestät der König hat Herrn Kreishauptmann v. Schlichen beaustragt, den Provinzialstäuden, den städtischen Verlrclecn von Bautzen, Zittau, Löbau. Bischolswerda, de» Beamten, Geistlichen und Lehrern, den Körperschaften und Vereinen von Stadt und Land und der gesamten Bevölkerung, die ihm aus seiner HuldiguiigSreisc durch die Lausitz einen so Herr lichc» und warmen Empfang bereitet haben, seinen herzlichen Tank anszusvrechcn. —* Die Frau Prinzessin He i n r i ch von Preußen besuchte gestern das Magazin von L. Olivier, König!. Hoflieferant, Prager Straße 5. —* Der durch seine Projektionsvorträge im Residenz-Theater bekannt gewordene Wcltreisendc Joachim Harms war gestern abend nach dem Weißen Hirsch geladen, wo er der Frau Prin- cssin Heinrich von Preußen und dem Prinzen Bat teu er g im Gesellschastssaale von Lahmanns Sanatorium die „Reise um die Erde" vorführte, bei welckfer Gelegenheit sich die Herr schaften sehr lobend über die Demonstrationen des Herrn Harms aussprachen. —* Der bayrische Gesandte Freiherr v. Niethammer, hier, besichtigte gestern in Meißen d>e beiden Fabriken der Ver einigten Graba- und Schreger-Wbrke, und zeigte das größte Interesse für den vielseitigen Betrieb und seine Massenfabrikation. —* Tie Straßen tum ulte, die am Dienstag abend in der Jriedrichstadt und in der Neustadt im Anschlüsse an die Aus sperrung der B a n h a ndw e r k e r stattgefunden hatten, haben sich im Laufe des gestrigen Abends wiederholt und eine Form an genommen, die vielfach einen mehr als bedenklichen Charakter trug und die Geduld der Sicherheitsmannschaften auf eine sehr harte Probe stellte. Die Polizei mußte in der Neu stadt SuccurS aus Altstadt holen und mit blanker Waffe Vorgehen; vielfach wurde mit Steinen geworfen, es kam zu Verwundungen von Tumnltnaisten und Polizeibeamten, Fensterscheiben und Straßenlaternen wurden zertrümmert, die Ruhe und der Verkehr ans den umliegenden Straßen stundenlang auf das Empfindlichste gestört. Wie stets bei wichen Gelegen- heilen, waren die eigentlichen Urheber der Skandale, die über die zugezogcncii ausländischen Arbeiter erbitterten ausgeipcrrten Bauhand werkcr nur in Verl ch windend geringer A »zahl beteiligt. Das Gros der tobenden und jkandalierendcii Masse bildeten vielmehr jene überall in industriellen Zentren zu findenden Elemente, die aus Lust am Radau und glücklich, ihrem rauflustigen verhetzten Innern cinnial Luft machen zu können, jed wede Ruhestörung in der Ocsientlichkcit als einen willkommenen Anlaß erachten, ihrer zügellosen Natur steien Laus zu lasse». Namentlich junge, halbwüchsige Leute waren vertreten, aber auch das weibliche Element in alle» Allersklassen fehlte nicht, und lvgar Kinder konnte man bis spät in die Nacht unter der nach Tausen den zählenden Menge bemerken. Ter von amtlicher Stelle über die Vorgänge ausgegebene Bericht äußert sich wie folgt: »Die ans Anlaß des Balihandwerkerstreiks in den vorgestrigen Abend- und Nachtstunden criolgten Ausschreitungen haben sich gestern, und zwar diesmal hauplsächlich an dem Vau an der Louiscnstraße in Vienstadt, wiederholt. Da dort die Menge gegen Abend unter wüstem Gejohle und nach Eindrückung der Bretter planke versuchte, gcmcinlam und mit Gewalt die aut dem Bau- grundstückc iiiitergcbrnchlcii Arbeitswilligen herauszuholen, iah sich die Gendarmerie gezwungen, schließlich »ist blanker Waffe vorzu- gehen lind nach Herbeizichling von berittenen Gendarmen die an grenzenden Straßen zu säubern und zu sperren. Da die Menge den heiligsten Widerstand leistete und zum Teil die Gendarmerie direkt ongrisf, ist es zu zahlreichen Verhaftungen gekommen." Im Einzelnen gehen uns folgende Darstellungen zu: Aus dem Stadlimrern waren >n den Abendstunden Bauhand» werkcr und Neugierige in Hellen .Hausen nach der Friedrich- stadt geeilt, weil inan eine Wiederholung der Vorgänge von vor gestern erwartete. Wie in der Nacht vorher, war die Schäferstraße in der neunten Abendstunde von einer Kette Schutzleute von der Einmündung der Adlcrgasse an völlig abaesperrt worden. Die Schaulustigen sammelten sich in größerer Menge bei der Haupt- markihalle, wo sie durch Pfeifen und Johlen bis in die späte Nacht hinein ausharrtcn. In später Stunde wurde ein Polrzei- ossizicr von dem Mob Überfällen und stark bedrängt, was zur Ver haftung von drei Personen führte. In den Nebenstraßen herrschte das gleiche Gedränge, so daß sich das starke Polizeiaufgebot mehrfach veranlaßt sah, zur Räumung zu schreiten und eine strengere Ab sperrung vorzunchmen. Das Hauptinteresse konzentrierte sich natürlich auf die Baustellen an der Ecke der Schäfer- und Mcnagerieltraßc, obgleich es eigentlich dort nichts zu sehen gab. Die Arbeitswilligen, die die Nacht vorher in den Kellerräumlichkeiten der dort im Entstehen begriffenen Häuser zugcbracht hatten, hatten ihre Arbeitsplätze schon vor 6 Uhr verlassen. Unter starker Polizei- sicher Bedeckung waren sie im Zuge nach dem Hause Vorwerkstraße Nr. 3 geführt worden, wo sie in einer leerstehenden halben Etage Unterkunst fanden. Decken, Stroh, Lebensmittel usw. wurden ihnen zugesührt und die Straße ebenfalls gesäubert, da vielfach Verwünschungen zum Ausdruck kamen. Tags über waren sie jedoch nicht behelligt worden, obgleich das Areal des ehemaligen Freimaurer-Instituts, das Tag und Nacht von Polizeiposten be wacht wurde, von Neugierigen und Ausgesperrten fortgesetzt be- lagert worden war Einzelne Zugereiste sah man nach den Bahn- Höfen zurückkehren, da stc es angesichts der Schwierigkeit ihrer Lage Vorzügen, wieder cibznreisen. Im allgemeinen beschränkte sich die Anteilnahme an dem Krawall auf Neugier und die Lust am Skandasieren. In der Neustadt waren die äußere Königsbrückerstraße »nd die in diese einmündenden Straßen, die Louisen-, Jordan-, Eschcn- und Grenadierslraße der Schauplatz der tumultuöscn Auftritte. Hier war es vor allem das Verweilen von arbeitswilligen aus ländischen Bauhniidwerkern ans dem Neubau des Herrn Bau meisters Krebs, das die Menge erregte Gegen 8 Uhr abends hatten die Tumultuanten, die icdes neue Aufgebot von Polizei Kunst und Wissenschaft. si* Mitteilung aus dem Bureau der König!. Hoftheater. Im Overnhause gastiert Sonnabend, den 30. Mai, Frl. Marga Vurchardt vom Stadtthcater in Rostock als Elsa in Richard Wagners „Lohengrin" auf Engagement. 7* König!. Hofopcr. ..Der Troubadour." Auf Engagement gastirende Künstler haben in den meisten Fällen keinen leichten Stand; sie fordern unlvillkürlich zu Vergleichen heraus, die nicht immer zu ihren Gunsten ausfallen, und diese Vergleiche ergeben sich gewöhnlich auch nur aus Voraussetzungen, die man aus ver einzelten Einblicken in die Leistungsfähigkeit in einer oder einigen Rollen zu gewinnen in der Lage ist. Nachsicht und Wohlwollen sind daher wohl immer die ersten Bedingungen, die man bei Engage ments-Versuchen junger Künstler walten zu lassen hat. Aber auch unter solchen mildernden Umständen gemessen, ließ sich an dem Gaste der gestrigen Vorstellung, Herrn Walter Soomer vom Stadttheater in Halle, kaum ein bemerkenswertes künstlerisches Moment erkennen, das zur Berücksichtigung auf ein Engagement an die Dresdner Hofoper hätte stimmen können. Vor allem sind es die zur Zeit noch völlig ungenügenden Mittel des Gastes, die eine Aussicht auf Engagement unmöglich erscheinen lassen. Die Stimme, ein hoher, glasiger, im Timber nicht reiner Bariton reicht, auch im Umfange nicht, für einen Grasen Luna der Dresdner Hofoper nicht aus, und auf gleich wenig bemerkenswerter Höhe, wie diese gesanglichen Mittel, stehen Vortrag und Darstellung. Mög- sich, daß Herr Soomer mit der Zeit noch das wird, was er heute anstrebt, für unser Hoftheater kann er vorläufig nach keiner Seite hin in Betracht kommen. Leider sind solche Engagements-Versuche gleich wenig erfreulich für den Besucher, wie sie dem Ansehen einer großen Bühne vorteilhaft erscheinen können. Der voll berechtigte allgemeine Wunsch geht dahin: weniger Anfänger und mehr Künst-- ler, wenn auf ein halbes Dutzend von jenen, auch nur einer von diesen kommt! 8. 8t. -ff* Central-Theater. Einer so eigen-, ja einzigartigen Er- scheinung wie Sarah Bernhardt gegenüber, um die nun schon seit Jahrzehnten der internationale Ruhm ihrer Kunst einen ganzen Kranz von Legenden wie eine leuchtende Gloriole hat er stehen lassen, wird der Kritiker von Beruf immer einigermaßen m Verlegenheit sein. Ist doch über die illustre Künstlerin von den erlauchtetsten Geistern der Welt in allen Kültursprachen so Vieles und Bedeutendes gesagt und geschrieben worden, daß es auch dem bescheidensten Kenner der Theatergeschichte des 19. Jahrhunderts nicht möglich ist. der „Göttlichen" und ihrer Kunst völlig objektiv entgegen zu treten. Man bringt nicht nur eine Welt von theatralischen Erinnerungen mit zu ihr; auch eine Fülle der Vorurteile, die jeder anderen Künstlerin gefährlich werden könnte, ja müßte. Und dann tritt sie auf, — und dann beginnt sie zu sprechen, — und wie in nichts zerstoben sind all' die Vorurteile, all' die Erinnerungen, all' die Vergleiche; selbst die Düse, die manches im Spiel elementarer und ursprünglicher gibt, vergißt man; sie macht auch den „gerissensten" — verzeiht das harte Wort! — Kritiker wieder zum naiven Publikum; selbst der Blasierteste gibt sich willig ihrem Zauber bin. Was Sarah Bernhardt spielt, ist dabei eigentlich völlig gleichgültig. Denn sie erfüllt jede Rolle mit Geist von ihrem Geiste, gibt ihr das zwingende und bezwingende Wesen ihrer großen Persönlichkeit, — sie stilisiert mit einem unendlichen Geschmack und dabei mit einer Diskretion, die allein — mag sie auch hierin aus der Not eine Tugend machen — der höchsten Bewunderung wert ist. Gestern sah man die Künstlerin als Kameliendame in Dumas' gleichnamiger Komödie, in einer jener Rollen, die sic berühmt gemacht haben, da ihr noch die Gunst des zweiten Empire lächelte, und in der sie noch heute als unübertroffen gelten darf, da ihr der zweite Wilhelm willig seinen Beifall spendet. Man rede solchen Tatsachen gegenüber nicht von Reklame und Suggestion. Lächerlich! Keine Reklame der Welt ist mächtig genug, um einen solchen Ruhm Jahrzehnte lang Vorhalten zu lassen, keine Suggestion ist allgemein genug, um das Publikum aller Nationen dauernd in Bann zu schlagen. Hier hat Tieferes und Geheimnisvolleres gewirkt: tue Macht einer Genialität, die, getragen von der Sicherheit einer großen künstlerischen Tradition, wie sie nur erlesenen Kulturen eigen ist, beherrscht von einem eminenten Können, das Ueberkommenes und Eigenes wunderbar zu einem Ganzen zu verschmelzen weiß, um so Gebilde und Ge stalten zu schaffen, die bei allem Raffinement des Technischen den Eindruck des Augenblicklichen, eben erst Gewordenen auch sür den Zuschauer an sich tragen, der schärfer sieht und feiner hört im vrcttcrnen Knlissenreich. Wie sic das Wunder wirkt, kann keine Feder der Welt beschreiben: das will gesehen und genossen sein. Rein äußerlich ist vielleicht das Ueberraschendste an ihr. daß man, sobald sie ein paar Worte gesprochen hat, vollständig vergißt, einer Frau gegenüber zu stehen, die die Sommcrhöhe ihres Lebens hinter sich hat; sie verjüngt sich geradezu im Verlaufe des Abends, ia. unleugbar erschien sie in dem gefährliche» letzten Akte gestern Abend bei dem ganz entzückenden Spiele mit dem Briefe Armands gerade am jüngsten. Die Anmut ihres Wesens, die sich im steten Einhalten einer graziösen Linie in der Haltung, dir Süße ihrer Stimme, die für die Töne der Heiterkeit ein leichtes, glitzerndes Zwitschern, für den Ausdruck der Wehmut ei» erschütterndes Vibrato hat, würde auch dann noch jeden bezaubern. wenn ihre darstellerischen Mittel nicht so gewaltig zu wirken im stände wären, daß sie sich selbst heute noch an die größten Auf gaben ihrer Kunst ungescheilt wagen darf, ohne aus das höchst Persönliche zu verzichten, das bei aller Bühnendarstellung dem Alter sonst am leichtesten und ehesten z»m Opfer fällt. Denn ihre Eameliendame ist stets etwas ganz Besonderes, völlig Origi nelles. eine Leistung, die sich — wie ihre Trägerin — nur mit sich selbst vergleichen läßt. Einzelne Züge, verschiedene Wendungen, allerlei Nuancen, — das alles wird sich an der oder jener be rühmten Eameliendame vielleicht in der gleichen Stärke finden lassen. — nie aber bei noch so feiner Filigran- und Detailarbeit, die gleiche Geschlossenheit der Komposition, die mit höchster Vornehm heit der edelgereiften Form eines überlieferten Stils das nachschaffende psychologische Verständnis einer große» Frauenseele verbindet, die uns in einer Szene mehr von dem Wesen der unglücklichen Maguerite Gauthier verstehen läßt, als ein Dutzend ipitzsindiger Kommentare in wochcnlanger Arbeit. Ob es freilich die echte Eameliendame ist. die „Dame aurCamblias" von Dumas Gnaden, die die Sarah Bernhardt gibt, ist eine andere Frage. Ihre Per sönlichkeit scheint uns von vornherein den Rahmen der Rollen zu sprengen, sie betont mit entschiedenem Nachdruck da? rein Mensch liche im tragischen Schicksale Marguerites. — die Courtisane läßt sie erst an zweiter Stelle zu Worte kommen. Das steigert, freilich auf Kosten des Autors und seiner Figur, wenn man so will, die Wirkungen ihres Spieles in einer kaum zu sagenden Weise: jede Bewegung, jedes Wort gewinnt an Bedeutung, — ein Mcnscheiischicksal spricht in der erschütternden Größe seines Leides zu uns in einer Sprache, tue wir alle verstehen, in der Sprache des Herzens. Darum wirkte sie auch gcslcni wieder am stärksten in zwei Austritten, in dem großen Duo mit dem Vater Armands und in der erschütternd gespielten Sterbcszcne. .Hier wie dort gab sie das Letzte und Größte in ihrer Kunst, überragende Im pressionen, die man an sich erlebt haben muß, um die Bewunderung verstehen zu können, die eine Welt dieser eigenartigen Künstlerin noch heute zu zollen nicht müde wird. Den Reichtum an Einzel- zügen. die ihre Eameliendame in der Durchführung und Steigerung des Charakters von der lebenslustigen Courtisane bis zur weh mutsvollen Märtyrerin das Bedeutende geben, nur annähernd zuer- schöpfen, kann im Rahmen einer gedrängten Tagcskritik unmöglich versucht werden: diesem sprühenden Leben gegenüber ist jede Kvitik etwas unsagbar Mattes, Unzulängliches, das Unfaßbare in Worte zu prägen verluchen, Töne von leichten Schwingungsdifferenzen, Blicke von blitzartigem Zucken zu fixieren sich unterfangen müßte. Allein die Sterbcszenc — ein abgeschlossenes Drama an sich — ist in der feindurchdachtcn Anlage des Hin und Her im Agieren, im Abwegen der schauspielerischen Effekte ein Bijonr kür sich, Dabei
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