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Dresdner Nachrichten : 21.04.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-190304213
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19030421
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19030421
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Bemerkung
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-04
- Tag 1903-04-21
-
Monat
1903-04
-
Jahr
1903
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 21.04.1903
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Personenzug in den Schneewehen stecken blieb: bei ben versuchen, lo» in kommen, entgleisten zwei Personenwagen, Zu derselben Zeit waren au- gleicher Ursache auch die Linien <s chandau - Nieder- neuktrch zwischen Neustadt und Krumhermsdorf. WilSdrusf- Rossen zwischen tzerzogswalde und Mohorn, Annaberg Seitschen und Reichenbach O.-L., Bischofswerda-Zittau zwischen NeugerSdorf und Ebersbach, sowie Ebersbach.Löbau gesperrt. Auf der Linie Flöha-Reitzenhain ist bei Gelobtland eine Lokomotive entgleist, ebenso sitzt aus der Linie Annaberg- Weipert nahe Königswalde eine Maschine im Schnee fest. Den überall mit größter Energie betriebenen RäumungSarbeiten war eS gelungen, bis zum Abend des Sonntags die Strecken Wilsdruff- Nossen, Ncustadt-Krumherinsdorf-Schandau und Jlöha-Rcitzciihai» wieder betriebsfähig zu machen. Ter in der Nacht vom Sonntag zum Montag ungeschwächt weiter wütende Sturm hatte leider er neut viele Störungen im Gefolge. Infolgedessen ist nun auch die Teilstrecke Cranz ahl-Buch Holz verweht, so das, der Betrieb auf der Gesamtlinie Buchholz-Weipert ruht. Die Linie U a m enz - Pulsnitz-Arnsdorf ist zwischen Bischbeim und Pulsnitz ver- weht; auf der Strecke Pulsnitz - Gros, röhrsdorf ist nur ein Gleis befahrbar, der Zuasvertehr zwischen Arnsdorf und Pulsnitz ist darnach notdürftig aufrecht erhalten geblieben. Gestern morgen ivaren ferner unsahrbar: die Strecken Löbau-N eichen- dach O.-L-, Lübau-Ebersbach, Bautzen-Königs- wartha, Zittau-Reichenau und Leutersdorf.Eibau- Neu ge rsdorf. In den Mittagsstunden des gestrigen Tages gelang cs, ein Gleis der Linie Dresdcn-Gvrlitz für den Betrieb wieder frei zu machen: auch die Strecke Buchhvlz-Cranzahl ist wieder frei. Auf dem Bahnt,ose Bischofswerda ist am Sonnabend abend infolge der Schneeanhäulungen in den Gleisen eine Maschine entgleist, wodurch das eine Hauptgleis unsahrbar wurde. — Zu den Verheerungen, die am Sonntag der Sturm angeiichtet bat, ist ferner zu berichten: Bei den in Borstadt Räcknitz stattfindenden Schleiüenbauten muhten im Laufe des nachmittags von den Wärtern zwei starke Bäume, die in ihren Wurzeln sich gelockert batten, zur Vermeidung gcößeren Unheils, niedrrgelegr werde». Jin Restaurant ..Bmgergarten" in Vorstadt Löbtau und im Nauhlitzer St>ahe»bahn-Dcvot wurden Ziegeldächer teilweise abgedeckt. Ans dem an der Pteschencr Allee im Großen Gehege gelegenen Röderschen Elbiand-Ablageninasplatze fiel dem Sturm eine starke Linde znm Opfer. In zwei Meter Höhe zeigte die Bruchstelle in, Innern weit vorgeschrittene Fäulnis, so daß der morsche Baun, nur geringen Widerstand zu leisten vermochte. Die sturmerprobten Baumrleleu des Großen Geheges haben sich jedoch anis neue bewährt und weisen nur geringe Beschädigungen aus. Da gegen ist ein auf der Brnhlsck, en Terrasse stehender stark- stämmiger Lindenbaum umgebrochen und ebenso in den Ailingen des früheren „GondelhascnS" eine Trancrwcwc stark beschäftigt worden. — Der Fernsprechverkehr mit Berlin war gestern abend ans eine einzige Leitung angewiesen, jodaß Zeitwerte in einer Richtung mehr als 20 Aniircloungcn Vorlage». — In Zwickau wurde die neuerbaute Unterkuiiftshallc des Naturheilvcreius voll' ständig zerstört. — Landgericht. sProzeß Bernhardt.) Am Sonn, abend ist das erwartete Protokoll aus Lausanne angekommen: die Verhandlung kann also ihren Fortgang nehmen. Dos Protokoll, datiert vom 11. April 1903, kommt zum Vortrag. Daraus geht hervor, daß Frau Louise Andrer den Titel freiwillig abgetreten habe, „damit Viktor Andrer seiner geschiedenen Frau keine Schwierigkeiten mehr mache." Eine Pression habe Tr. Bern- Hardt nicht ausgeübt, Iran A. sei ganz ruhig und natürlich er> schienen und habe ohne Zögern unterzeichnet. Demgegenüber er klärt die heute nochmals als Zeugin vorgerufcne Frau Louise A„ daß sie bei der Unterzeichnung zwar äußerlich ruhig, aber innerlich furchtbar erregt gewesen sei: an ihre Schwiegertochter habe sie im Augenblicke der Unterzeichnung nicht im geringsten gedacht. In der Folge machte sich noch die Vernehmung des Herrn Justizrats Dr. Reichel nötig, um eine Abweichung in den Aussagen des Staats- auwalts Dr. Littet und des Rechtsanwalts Dr. Fischer aus Leipzig auszugleichen. Viktor Andrce erklärt schließlich noch, daß er aus Grund des Auseinandcrsctzungsverlrages an seine geschiedene Gattin 15000 bis 20 000 Mark mehr Ausgaben als Einnahmen als Bevollmächtigter gehabt habe. — Herr Staatsanwalt Brcnd- lcr: Viele Gründe waren für den besonders großen Umfang des Prozesses maßgebend. Auf die Vorgeschichte brauche er nur vorüber- gehend einzugehen. Der Angeklagte soll am 25. Februar 1901 Frau Louise A. bewogen haben, 20000 Mark abzutretcn, indem er sich falscher Vorspiegelungen und Bedrohungen bediente. Ter Staatsanwalt beleuchtet nun den ganzen Ehescheidungsprozcß und die Vermögenslage der A.schen Eheleute. Daß V. Andrce nicht zahlen konnte, möge in den wirtschaftlichen Verhältnissen gelegen haben. Frau A. wandte sich nun an Dr. B., den „berühmten und schneidigen" Rechtsanwalt, dem ein Honorar von 3000 Mark be willigt wurde, das später auf 5000 Mark erhöht wurde. Wenn auch Viktor A. Zahlungen an seine geschiedene Frau leistete, waren die Verhältnisse der letzteren nicht glänzend. Die Forderung von Sckapcr u. Bergner an Iran Marthc A. war nun einmal in der Welt. Der Frau A. und ihrem Anwalt mußte alles daran liegen, den Schuldtckel zu beseitigen. Verhandlungen zwischen Viktor Andrer und Dr. Bernhardt führten nicht zum Ziele. Am 22. No vember 1901 endlich erwarb Viktor Andrer die Forderung für 7000 Mark, aber nicht für sich oder seine Frau, sondern für seine Mutter. Darüber waren sich auch Schapcr u. Bergner klar. Von der Erwerbung habe Dr. Bernhardt alsbald Kenntnis erlangt, ohne zu widersprechen. Wenn auch Viktor Andrce die Klage um die 12000 Mark nicht anfocht, so machte er doch dcni Dr. Bernhardt insofern einen Strich durch die Rechnung, als er das Mobiliar der Frau A. pfänden ließ und so dem Dr. B. d>e Aussicht nahm, das Honorar in bar zu erhalten. Die Behauptung, daß die Ein tragung eines Nießbrauchrechtcs auf die Rochwitzer Grundstücke unter Tr. Bernhardts Namen geschehen sei, um sic vor neuer Be lastung zu schützen, erscheine unglaublich. Um aber doch in den Besitz des 20000 Mark Titels zu gelangen, gebrauchte Tr. B. die Mittel, die ihn auf die Anklagebank brachten. Um das Ziel er reichen zu können, mußte Viktor A. in den Zustand der Unfreiheit gebracht werden. Daher das Betreiben seiner Verhaftung. Nach einer Rekapitulation über die Vorgänge in Montreu; kommt der Staatsanwalt zu der Folgerung, daß Dr. B. schon damit die Un> Wahrheit gesprochen habe, daß er die Frau Louise A. auf die am gebliche Unmöglichkeit eines Verkehrs mit dem Verhafteten hin- wies. Diese Unwahrheit sei eines Anwalts unwürdig. Durch das Versprechen, sich siir den Verhafteten zu verwenden und mit Drohungen habe Dr. Ä. die Abtretung erzwungen, ohne etwas zu tun. Nach der Abtretung habe er sich 628 Mark auszahlcn lassen. Die Anklage stützt sich in der Hauptsache auf die Aussage der Frau Louise Andrce, aus Biktor Andrce solle weniger gegeben werden. Aber die Hauptzeugin, eine 70jährige Dame, erscheine völlig glaub haft. Als Folgerung seiner Ausführung beantragt der Staatsanwalt Bestrafung wegen BctruasundEr- Pressung. — Von den Verteidigern spricht zuerst Rechtsanwalt Tr. Klöan er. Er beschäftigt sich zunächst mit der Person des Angeklagten. Der Verteidiger verkennt nicht daß der Auge klagte in der Wahrnehmung der Interessen seiner Man dantin zu weit gegangen und selbst Partei geworden sei. Wie weit hierin ein Verstoß gegen die Standcs- chre liege, sei eine andere Frage. Dr. Bernhardt sei im Jahre 1901 noch em junger, hitziger, etwas nervöser Anwalt gewesen, der mit einer gewissen Schneidigkeit dort vorg>ng, wo ein älterer An walt mit Ruhe mehr erreicht haben würde. Ganz unrecht sei cs, dem Dr. B. Mangel an Wahrheitsliebe vorzuwcrsen: die Aussage des Untersuchungsrichters widerlege dies. Auch der Vorwurf, daß Dr. B. sich zu seiner Rechtfertigung der sozialdemokratischen Presse bedient habe, treffe nicht zu: ebenso wenig könne man ihm Hab sucht und Geldgier vorwerfcn. Uebermäßige Honorarforderungen kann man dem Beschuldigten gleichfalls nicht nachsagc», wie in der Verhandlung nachgewiesen worden; so z. B. habe er Für Frau ' Martha A. 1320 Mk. eingenommen und 1370 Mk. ausgcacbcn. Die .Erwerbung deS 20000 Mk.-Titels von Frau Martha A. sei ja not- wendig gewesen, wenn er nicht von anderen Gläubigern mit Be schlag oclegt werden sollte. Aus der Hauptverhandlung sei Dr. B auch von dem Vorwurf, ein intimes Verhältnis mit der Frau Martha A. unterhalten zu haben, glänzend gerechtfertigt hervor- gegangen. Die treibende Kraft in dem ganzen Prozeß sei Viktor Andrer gewesen. — In Dresden halte man ihn nicht für den ehren werten Mann, wie er in der Anklageschrift basteh«. Er habe eine grvße Menge Gesellschaften mit beschränkter Haftung gegründet, ' Lte, weil «lt wenig Kapital ins Leben gerufen, nicht lange be standen. Ob bei diesen Gründungen nicht auch gegen das Straf- rrsetz verstoßen worben sei. könne nicht von ihm — dem Ver- eid.ger — untersucht werbe». Einem solchen ungewöhnlichen Manne gegenüber mußte Tr. B. auch ungewöhnliche Mittel ge brauchen. Dem Viktor A. sei das Schlimmste zuzutraue», »n Gegensätze zu Dr. Bernhardt. Tie Scheidung habe Viktor A. erzwungen: der AuSeinanderfetzungsvertrag sei von A. gleich mit der Absicht geschlossen worden, ihn nicht zu halten. Er selbst habe an fe«n« Frau und Familie nur etwa 1000 Mk., die Berliner Ver- waltungs- und Ballgesellschaft unter Andrees Leitung nur zwei Monate lang Rente gezahlt. Auf das Rechtsverhältnis zwischen Viktor und Manha Anoree eingehend, führt der Verteidiger aus, daß wirklicher Eigentümer der Grundstücke Viktor A. war, daß er also auch die damit verknüpslen Verpslichlungeu zu erfüllen hatte. Demgemäß mußte auch Viktor A. für die 20000 Mk. eintreten. Jedeusalls hatte die Frau entweder jene eingeklagten 12000 Mk. zu fordern, wenn der Auseinailderjetzungsvcrtrag galt, oder aber ihr cingebrachtes Vermögen von 57000 Mk., wen» der Vertrag nicht galt. Demnach habe auch Martha A. ein 3!echt aus Rückgabe des Schuldtitels gehabt. Zur Erwerbung des Schuldtilels habe, wie die Beweisaufnahme ergab, Frau Louise A. gar nicht die Mittel gehabt, nicht einmal Kenntnis von der Erwerbung durch Viktor A. Wenn Dr. Bernhardt mit der Absicht umgegangen wäre, sich aus unrechtmäßige Weise in de» Besitz des Schuldtitels zu setzen, hätte er sicher von seiner beabsichtigten Neste nach Moiilren; nicht allen seinen Bekannten und auch dem Staatsanwalt Mitteilung gemacht. Bezüglich der Vorgänge i» Montreux ständen Aussage gegen Aus sage: die Aussagen Dr. Bernhardts werden jedoch wesentlich Durch die Bekundungen des Advokaten Fabre unterstützt. — Rechtsanwalt Justizrat Dr. Scllo weist zunächst auf die ungeheure, verant- worlungsreiche Wichtigkeit der Strafrechtspflege hin. Es trete» Fälle e»>, wo Freiheit, Leben, Ehre auf dem Spiele stehen Tie Freisprechung bedeutet im vorliegenden Falle mehr als das Leben, die Verurteilung mehr als den Tod. Auf Grund einer einzelnen Zeugin, auf verhallende Worte nach Jahresfrist solle ein Urteil gefällt werden, welches einen »nbcscholtencn Menschen für stnmcr »is Elend stürzen könne. Es frage sich nun, will, kann der Zeuge die Wahrheit sagen'? Wichtige und schwierige Prozesse der Gegen wart haben gezeigt, wie Zeugenaussagen durch Liebe, Haß, moralische Minderwertigkeit beeinflußt werden können. Wie die heutige Zetzte Gegenüberstellnii^ des Justizrats Dr. Reichel! und des Staatsanwalts Dr. Titte! zeigte, daß schon nach kurzer Zeit eine Unterredung zwischen hochintelligenten, gewissenhaften Männern nicht mehr genau scstgeslellt werden kann, umsoweniger eine Unterredung, die nur dem Gedächtnis einer 70jährigen Greisin anvertraut ist, und die schon mehr als ein Jahr zurücktiegt. Daß sich Frau Louise A. am Morgen des 25. Februar 1902 bedroht und gcängsligt gesuhlt haben mag, sei außer allein Zweifel, daß aber dieses Gefühl durch Dr. Bernhardt veranlaßt worden sei, sei nicht anznnehmen. Auch die Zeugin Frl. Witwer komme nicht in Betracht, sic war darauf cingeschworen, mit Viktor A. in den Kampf zu ziehen gegen den verhaßten Feind in Dresden, trotz dem lasse sich ei» ganz bestimmter Zwiespalt zwischen den Aus sagen der Fra» Andrce und des Fri. Wilmer konstatieren. Jetzt sei es eitles Bemühen, in den Aussagen dieser beiden Zeugen Re Grenze zwischen Gehörtem und Erdachtem sestzustellen. Von der Aussage des Frl. Wilmer müsse man absehen; die Bekundungen der Frau Louise Andres aber trügen beinahe alle Kennzeichen, die geeignet sind, sie vor Gericht zu mißkreditieren, Ihre Ver gangenheit sei ein unbeschriebenes Blatt: sie sei setzt 7l> Jahre, und mit diesem Aster werde das Gedächtnis eines jeden immer schwächer, also werde es auch bei dieser Zeugin sein: außerdem habe sic ein Interesse an der vorliegenden Sache und würde in einem Zivilprozesse gar nicht einmal beeidigt werden. Was aus diesem Gebiete recht ist, müsse auch im Strafprozesse der Fall sein, bei dem es sich um unersetzliche Güter, Freiheit und Ehre, handle. Auf dieses Zeugnis hin allein könne man dem unglück lichen Angeklagten unmöglich das Brandmal des Betrügers und Erpressers aufdrücken. Frau Louise A. möge eine gutgläubige Zeugin sein, die aber Erlebtes, Gehörtes und Erdachtes vermischt habe und selbst das Körnchen Wahrheit nicht mehr beraussinde; solche Zeugen aber seien die gefährlichsten. Fra» L. A. biete in ihrer jetzigen Darstellung nur „die Rosinen aus dem Kuchen", beseelt von dem Streben, ihren einzigen Sohn S» retten und — zu rächen, und dieses Bestreben habe Biktor Andrce auf diabo lische, rafsiuicrte Weile geschürt. Die Mutter batte in ihrer blin den Liebe alles sür ihren Sohn getan, und Viktor Andrce habe sich als geschickten Tragödien-Rcgissenr gezeigt, wie dies aus den verlesenen Kollusionsbriefcn hervorgehe. Wie hypnotisiert sei die Mutter die Psade gewandelt, welche Viktor A. vor geschriebe» habe. Der Keim der Aussagen der Louise A. sei schon zwei Tage nach der Unterredung mit Dr. Bernhardt gepflanzt worden. Merkwürdigerweise wisse die Zeugin zwei Tage nach derselben nichts, gar nichts von einer Bedrohung durch Dr. B Die Aussagen der Louise A. seien zum größten Teile Produkte der Phantasie. Am 17. April 1902, bei einem Zusammensein in Montreux unter Regie Viftor Andrees. habe man erst den großen Coup gegen Dr. Bernhardt beraten. Nach einem Mündigen glänzenden Plaidover schloß Dr. Sello mit dem Antrag auf Freisprechung seines Klienten: denselben An trag hatte auch Dr. Klockner gestellt. Es entspann sich darauf eine längere Replik zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Um 7 Uhr zog sich der Gerichtshof zur Urtcilsfällung zurück. . 2um 2Z. April 190Z. Das erste Mal, daß keine Fahnen weben Und daß an diesem Tag der Jabel schweigt; Das erste Mal, daß nicht des Volke- Flehen Für seinen König Albert zu dem Himmel steigt; Für ihn, der in verschiedenen Gestalten Lin Vorbild war von Treue und von Mut, Der nun durch der Vergänglichkeit Gewalten In stillem Schlummer in der Ahnaruft ruht. Ivie jauchzten sonst an diesem Frcudentage So gern die Sachsen ihrem Albert zu; vorbei die Zeit — sic ward zur Totcnklage; ver edle Herrscher schlaft in eiv'gcr Ruh'. Lr ging in trüber Heit von seinem Volke, Gewitterschwül zog um die Rautenkron' Sich eine düst're, »nheilschwang're Ivolke Und lagert schwer auf der Wettiner Thron. G, toter Hcldeiigrcis, laß heut' ein Mahnen Durch deines Sachscnlaiidcs Gaue geh'», Zeig' Fürst und Volk die wahren, rechten Bahnen Zu einem treuen Zucinandersteh'nl — Dann bringt dein Wiegenfest »ns frohe Kunde, Trotzdem der Tod dein liebes Auge brach, Und eint das Vaterland in ernster Stunde Zu einem weihevollen Alberttag. icari Lmmrlch. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Ter Deutsche Kronprinz und sein Bruder Prinz Eitel Friedrich bcgahcn sich gestern vormittag von Neapel nach Torre Annunziata und reisten von dort zu Wagen nach Pompeji weiter. Wie aus Donaneschinaen mitgeteilt wird, gedenkt der Kaiser etwa am 10. Mai zum Besuche des Fürsten zu Fürstcnbcrg dort einzutressen. Die „Ostdeutsche Rundschau" hatte nach angeblich zuverlässiger Information die Meldung als falsch erklärt, daß an die prcupi chen La ndräte ein allgemeines Verbot vom Minister ergangen ei, eine Wahlkandidatur anzunebmen. Ein Beweis hicr- ür sei, daß >m Wahlkreise Wirsttz-Schubin Landrat Graf von Wartcnsleben-Wirsitz als deutscher Kompromißkandidal ausge stellt worden sei. Auf dieses auch durch „Woliss Telegrapycn- Bureau" verbreitete Dementi entgegnet die „Freisinnige Zeitung", welche die Nachricht von dem nngebliche» an die Landrcile er gangenen Verbot zuerst gebracht bat: „Die Nachricht der ,,Ostd Rundsch." ist keine Wid-rlegung der Meldung über ein Verbot der Annahme von Kandidaturen siir Landräte, vielmehr eine in direkte Bestätigung einer schon im Februar verbreiteten Ankündi gung eines scharfen Reskriptes deS Minister-, daß den Landräten überhaupt untersage, die Wahlen zu beeinflussen, wobei die Ne gierung die polnischen Bezirke ausdrücklich ausnchinc." Ucber einen ganz neuartige» Versuch bei Hebungen .von Reservisten berichtet die „Kobl. Ztg.". Danach soll Ende dieses Monats >u Koblenz ein Reserve-Jnsanterle-Rcaiment Nr. 28 aus Offizieren, Unteroffizieren und Mauuschastcii der Reserve, die bei den Jnfaiilerie-Regiinentern des 8. Armeekorps ihrer Dienstpflicht genügten, gebildet werden. Unter Hinzuziehung einer Anzahl aktiv dienender Ossiziere werde dieses Regiment aus die Dauer von drei Wochen zusammengezogeil und ivie ein Linien- Neaiincnt aus drei Bataillone» mit je 1 Koinvagnicu bestehen. Die Ueoungspslichtigen werden in Kvblenz eingcklcidct, feldmarschmäßig ausgerüstet und mit der Eisenbahn »ach dem Ucbungsplatz Elsen- born befördert. Dort finden Regiments-Exerzieren und «ine Schießübung statt. Nach beendeter Ucbung wird das „Reserve- Regiment" wieder »ach Koblenz befördert, und von dort aus wer den die Mannschaften in die Heimat entlassen Unter der Spitzmarke: „Eine c> inerikan > sche Ohrfeige" schreiben die ,,Hamb. Nachr.": „Die Meldung von einem bevor stehenden Bestiche des amerikanischen Europagcschwaders im Hasen von Marseille zur 'Begrüßung des Präsidenten Loubct wird vom offiziösen Berliner Telegraphen bestätigt. Aus Ersuchen des Staatssekretärs des Auswärtigen Hay wird si.ch also Marinejekrclör Moody und das europäische Geschwader der amerikanischen Flotte nach Marseille zur Begrüßung des Präsidenten Landet bei dessen Rückkehr aus Algier begebe»! Man verleiht in Washington an geblich der Hoffnung Ausdruck, daß Deutschland dies nicht als Geringschätzung sür sich in Hinsicht aus die Ablehnung der Ein- ladung zu einem Besuche dcS amerikanischen Geschwaders in Kiel aussasten werde, da die Umstände bicr „ganz andere" seien. Da mit dürste man aber bei der deutschen öffentlichen Meinung kein Glück haben. Als das nordatlantstche Geschwader der Vereinigten Staaten in die europäischen Gewässer gehen sollte, wurde cs vom Teutschen Kaiser eingeladen, Kiel zu hcsuchen, woraus aus Washington der Bescheid erging, das Geschwader könne nicht nach Kiel koiiiinen, weil es überhaupt keinen europäischen Hasen aus seiner Uebniigssahrt nach den Azoren anlausc; kaum einige Wochen später aber erhält daS amerikanische Mittclmcergeschwadcr der Vereinigten Staaten den Befehl, nach Marseille zu gehen und dort an dem Empfange zu Ehren des aus Algier heimkehreu- den Präsidenten der französischen Republik teilzuuehinen Die Einladung des Deutschen Kaisers also lehnt man ab, dem Prä sidenten Loubet aber sendet man unaufgefordert ein Äegrüßungs- gcschwadcr, obwohl dieser Herr keine Besucbsrcisen in die Ber einigten Staaten oeranstaltet. Allerdings handelt cs sich nicht um die Entsendung des nordatlantischen PanzergeschwaderS, das nach der amtlichen Mitteilung des Washingtoner Kabinetts bei seinen diesjährigen Uebungssahrten keinen europäischen Hafen an- lauscn. sondern nur eine Uedungsfahrt nach den Azoren und dem Mittelmecre unternehmen sollte, und deshalb der kaiserlichen Ein ladung nach Kiel nicht habe folgen können; das ändert aber nichts an der Tatsache, daß diese geflissentliche amerikanische Höslich- keitserwcisung gegenüber dem Oberhaupts der sranzüsiichen Re publik so unmittelbar nach der Ablehnung der deutschen Einladung in Deutschland, wie im Auslände den Eindruck machen muß, als wen» man dadurch die Zurückweisung der deutschen „Liebens würdigkeiten" nur noch mehr habe markieren wolle». Und selbst angenommen, daß die amerikanische 'Regierung eine solche Absichi nicht gehabt hat, so hätte doch, wie selbst ein dem neuen Kurs so ergebenes Blatt, ivie der „Hann. Eonr.", hcrvorhebcii muß, das einfache Taktgefühl und die Höflichkeit gegen Deutschland ge boten, daß die Entsendung des Mittelmeergeschwaders nach Marseille unterblieben wäre. Hoffentlich hat die Sache wenigstens die gute Wirkung, daß nun deulschericits mit dem System der »»verlangten Liebenswürdigkeiten Amerika gegenüber ein für alle Mal gebrochen wird. Das Verhalten der amerikanischen Regie rung ist, darin hat das „Berliner Tagebl." vollkommen reckt, eine drastische Lehre sür jene Politiker, die durch Prinzenbcsnche und Schenkung preußischer Köiiigsstatuen, im übrigen aber durch eine Politik permanenten Zurückweichcns und fortwährender Kon zessionen eine dauenide Entente zwischen Deutschland und Amerika herbeizuführen wähnten. Und der berühmte Herr Speck von Sternburg, der versprochen bat, die deutsch-amerikanischen Be ziehungen so zu gestalten, daß sich alle Welt darüber wundern sollte, hat die amerikanische Ohrfeige nicht zu hindern vermocht. Hoffentlich wird er dafür abbernsen. Freilich ändert das an der Blamage nichts." In der Schlußsitzung des Internationalen Kongresses gegen den Alkoholismus in Bremen ereignete sich noch ein Zwischenfall. Ter Vorsitzende, Direktor Tr. Delbrück-Bremen, verlas folgende Erklärung: „Die Delegierten der katholischen Mäßigkeils- und Enthaltsamkeits-Vereine von Oesterreich-Ungarn, Holland, Luxemburg und Deutschland bedauern lebhaft die während der Kongreßverbandlungen zutage getretenen Aeuße- rungen gegen die christliche Weltanschauung. Pastor I. Reu mann, Delegierter des westdeutschen Mäßigkeits-Ausschusses, des darauf habe ich kurz zu erwidern, daß es mir zwar leid tut, wenn ich dem religiösen Gefühle des einen oder des anderen wehe getan habe, daß aber die Evolutionslchre der Wissenschaft und nicht der Religion angchört. Der Kongreß hat weder die Mission, noch das Recht, das Aussprcchen der Ergebnisse der Wissenschaft zu verbieten. Letztere erkennt jetzt aber durchweg an. daß sämtliche Tierarten mit Einschluß des Menschen stamm verwandt sind. Die christliche Weltanschauung hat sich seinerzeit der Tatsache anbeguemcn müsicn, daß die Erde sich um die Sonne dreht und nicht umgekehrt. Dadurch hat die christliche Moral der Nächstenliebe keinen Schaden erlitten. Ebensowenig wird cS mit der Evolutionstheorie der Fall sein. sStürmischcr Bestallst — Vorsitzender Tr. Delbrück-Bremen: Ich bin gewiß cnticritt, die religiösen Gefühle irgend eines Kongreßmitgliedes verleben zu lassen. Ich war aber nicht in der Lage, Herrn Proscsior Forel zu unterbrechen. Es freut mich, daß alle 'Richtungen hier zu gemeinsamer Arbeit zusammengckommen sind. Ich Halle es daher sür selbstverständlich, daß sich alle Redner befleißigen, alles zu vermeiden, was die religiösen Gefühle oder die politischen An schauungen des einzelnen verletzen könnte. Ich richte aber auch an die geehrten Zuhörer das dringende Ersuchen, nicht gar zu empfindlich zu sein und nicht jede Acußerung z» einem dalli zu machen. (Stürmischer Bestall.) — Pastor Fischer- Essen a. d. Ruhr: Im Namen des Evangelischen Mauen Kreuz- Bündnisses schließe ich mich dem verlesenen Protest an, daß bicr Hypothesen ausgesprochen werden, die wissenschaftlich durchaus noch nicht bewiesen, aber geeignet sind, die religiösen Gefühle zu verletzen, (Stürmischer Bestall und heftiger Widerspruch,) Wäh rend der weiteren, ins Unendliche ansgedchnlen Debatten — es sprachen etwa 60 'Redner — wird von den Radikal-Abstinenzlern den Vertretern der Mäßigkcitsbcwcgung von Neuem der Fehde handschuh lnngcworscn. Diese setzten sich diesmal aber entschie dener zur Wehr und lourdcn schließlich sogar von einem persön lich abstinent lebenden Redner, dem Hansgcisllichcn am Zellen- gesangnis in Hciibronn, Pfarrer Go ns er, in Schutz genommen. Redner protestierte entschieden gegen die einseitige Bestellung Abstinenter zu Referenten und die ebenso einseitige Forderung der Abstinenz von den Lchrcrcn. Er verwies daraus, daß drei ganz neue Erlasse in Württemberg für die Schulen den Bestrebun gen gerade der Mäßigkcitsvereinc zu danken seien. Zum Fall Wessel schreibt die „Straßb. Post": Alle» Be hauptungen ausländischer Blätter gegenüber, als habe die angebliche Verhaftung des ehemaligen preußischen Pioiiicrleulnants Wessel mit dem Fall Dreysiis irgend etwas zu Inn, sei hiermit nochmals scstgeslellt, daß Wessel und Wolf, während sie als aktive Offiziere in Spandau kommandiert waren, dort wichtige militärische Doku mente an Frankreich ausgeliefert haben. Durch die damalige Ge liebte des Wessel, eine Französin, ist der Verrat später zur Kennt- nis der deutschen Behörden gekommen. Mit dem Fall Drcysns haben diese Aktenstücke, deren die beiden sich mit unerhörter Frech heit bemächtigt hatten, nicht das Geringste zu tun. Der Fall Drcysus wird überhaupt in diese Angelegenheit nur hinein- gezogen, »m die Schuld des Wessel zu verschleiern. Als dieser 1900 zu Nizza verhaftet und dann wieder frcigclasscn worden war, erinnerte man sich im französischen Kriegsminislerium, daß Wessel in Beziehungen zu Tomps stand, dem bekannte» Kommissar beim Nachrichtendienst. Aus Veranlassung Gallisscls wurde Kapitän Fristch vom 2. Bureau des Gcncralstabcs nach Nizza geschickt, um nach „qucstgues pazstc-rs a» sout't'i-riua»" zu forschen. Diese Papiere wurden von Fritsch zurückbchalten; es waren Briefe zwischen Tomps und einer Dame M. B. . ., der Geliebten des Wessel, und bezogen sich auf den Fall DreyblS. Tomp» »beschwor" «L 5 Dresdner Nachrichten. 11V. Seite 3. M» Dienstag. S1. Avril 1SV3
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