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71. Jahrgang. ZL 9»1 Dvmrer»ras, 2L. Dezember 192S S-rnn—ck-r-Saaml-Ununm-r S» 2ai. Nur ür N-chlA-sprsck»! »0 011. 2-Mgs.S-bühr I» vlrimt,. Dt» 4ln»»ta«« w«rd«n na» Voldmar» v»r»ck»«>; dl, MvpaMa» SO n,m d»N« Anzeigen^-»-: «rTWILLVlN«: ^ut,«rd<>ld 200Plo. 0ft»rl»n-,»küt>, lÜ Ps». " " Au»w. Aullrüg» «g. vorauadezadlung ck »auploeschilN«»«»»: «arteaftraü» SS as Druck «. Bartag von >lt»»sch » 2trlch«»»I N> Dresden. Poftlcheck-Itonlo IO SS Dra,»»». Dockdruck »u, mV dauIUcker vuellenonaab» .Dreadner Dackr.-> ,ulilMa Unverlanal» Sckriilllück» werden nick! auldewadrt. psrrimmon S pfg. / (orp5 Diplomstique 10 pkg. Dis tonangebenden Kgavelten mit svIrtSFUL 5trokmnn6stüek I». W»IL»I»Xr>llI. LItlS«p»8k»r,»»Mot»e ..»»Ztlmr,", »emmlmu II ck »«rttr, «V. «, »» m» LIllmI»mp»i»ImpI«r Slsmmiisus gsgr. 1SSO Deutscher Protest in Paris und Koblenz. Ernste Vorstellungen Dr. Slresemanns bei Brian- durch den französischen Volschasler in Berlin. Der neue Reichselal für 1927. — Bremer Feier für Dr. Lukher. - Der Eigenlumsskan-al im amerikanischen Senak. Laagwerih v.Skmmern prolesiieri in Koblenz Koblenz, 22. Dez. Aus Anlaß deS Urteils des Kriegs. gerichtS in Landau hat der NeichSkommIssar für die besetzten Gebiete, Frhr. Langwcrth v. Siminern. hcntc gegen- über dein Stellvertreter dcssranzösischcnRbcinland- lommtssarö die tiefgehende Erregung der. Bevölkerung des besetzten Gebietes z»m Ausdruck gebracht und die Besorg. niS ausgesprochen, Latz baS ergangene Urteil die von de« Locarno-Mächten verfolgte Politik der Verständigung und Be- sriebnmg in beklagenswerter Weise beeinträchtigen könnte. In gleichem Sinne hat der NeichSkommIssar sich telegraphisch an den in Paris wellenden Präsidenten der Rhetnlandkommission. T i r a r d, gewandt. Wir bereits Reichsminister Dr. Bell hervorgehoben hat, ist anch, der deutsche Botschafter in Paris mit einem Protest- schrttt beauftragt worben. Erklärungen Slresemanns au -en sranzösischen Botschafter. Lauda« der Grund für die Ausgabe der Acgyptenrcise. yerliu, 22. Dez. Die Empörung Wer das unerhörte Schandurteil -es französischen Kriegsgerichts in Landau ist. «aS sowohl in der Berliner Presse, als auch in den Dis kussionen der politischen und -er Regicrungskretse znm Aus druck kommt, noch immer im Steigen begriffen. Wenn man nach einem Beispiel für ein ähnliches starkes Nnsslammcn -er Entrüstung eines ganzen Bolkes sucht, so muß man, trvtz- -em tnzwtischen von sramüsischcr Seite wahrlich genug ge schehen ist, was starke Empörung au-löste. VIS airf den Ruhreinfall »nd die damit verbundenen Bestialitäten -er französischen Sol-ateska zurückgchcn. Des aanzc politische Veden stellt jedenfalls im Zeichen der unglaublichen Rechtsver letzung. die sich das französische Kriegsgericht zuschulden kom me« liest. Hm -en Berliner politischen Kreisen wird mit starkem Nachdruck betont, daß dieses Urteil, selbst wenn es noch eine Acnderung ersahren sollte, sehr leicht -azu angetan sein könnt«, die Beziehungen zwischen Deutschland und Frank reich in schwer schädigender Wciiie zu beeinträchtigen. Dast der ReichSaußenministcr seine Erholungö» reise »ach dem Süden, die er ans ärztliches Drängen fetzt endlich autreten sollte, wieder verschoben hat. habe seinen «igentliche« Grund darin, dast Dr. Strescmann da» ganze Werk der BersvhnnngSpolitik mit Frankreich, überhaupt die ganze Politik, die sich an die Name« Th »ir, «nd Locarno knüpft, für ernst lich gesährdet hält. Dr. Stroseman» hat, wie man erfährt, nicht nur durch den deutschen Botschafter in Paris den französischen Außenminister Briand aus -ie unheilvollen Folgen Hinweisen lassen, die sich aus dem Schmachurtelk von Landau für die Politik er geben können, für die sich die beiden Minister eingesetzt haben, sondern er hat auch Lieranlassung genommen, dem französischen Botschafter in Berlin eindeutig zu erklären, dast solche skanda löse Vorkommnisse die ganze Friedenspolitik, die er bisher unter grösste« Anstrengungen «nd Opsern zu führen sich be müht habe, einfach über den Hause« wersen. Dinge, wie das Urteil des französischen .Kriegsgerichts, verstärkten die Front, die in Deutschland gegen die bisherige Außenpolitik bestehe, ans das entschiedenste. Dr. Stresemanu hat ferner darum er sucht. dast alles geschehen möge, «m die unerhörte Heraus forderung des Rcchtscmpsindens, die das Urteil darstelle, z« beseitigen, und darum gebeten, seine Ausstthrnugen dem fran zösische« Austenminister Briand »» übermitteln. V . » In Kreisen des!Berkiner A«Svärtige« Amte» mir- bas Urteil in Landau als «ln Versuch -er französischen MUttärsronde ausgesaftt, die BerftänbignugSpotitik zwischen Deutschland und Frankreich -n durchkreuze«. Das Landauer .KrtcgSgerichtS-urteil steht, wie hervorgehobcn wird. im krasse« Widexspruch z« der durch Locarno »nd Thoirq eiugeleiteten Befriedungspolitik, die seinerzeit ausdrücklich durch die Note der Botschafter konferenz vom 14 November 1925 festgelegt wurde und in der Deutschland zngesagt worden ist. daß in Ankunft in den Rhcinlanden eine liberale Politik zur Anwendung gelangen «nd eine Revision der Rheinlandordonnanzen im Geiste des Vertrauens und dcr Entspannung erfolgen werde. Sollte das mit dem deutschen Rechtsempfinden vollkommen unvereinbare Landauer .KriegögcrichtSurteil etwa gar rechtskräftig werben, so könnte daraus für das ge samte dcntsche Volk eine Lage entstehen, deren möglichen Auswirkungen sich keine deutsche Regierung entziehen könnte. ProteNaufruf der Valerlündifchen Verbände. Berlin, 22. Dez. Die vereinigten Vaterländischen Ver bände Deutschlands wenden sich mit einem Aufruf an die Oeffentlichkeit. in -cm sie zu einer »«ndgebung gegen das Schandurteil am kommenden Mittwoch ansrufcn. Sinheikssronl rheinischer Parteigruppe«. Krefeld, 22. Dez. Die Krefeld er Parteiorganisationen haben an -as Außenministerium und an -as Ministerium für die besetzten Gebiete ein Telegramm gelandt. in dem es u. a. heißt: „Unterzeichnete Parteien finden sich zusammen in gröss ter Entrüstung über das Landaner Schandurteil, dos sic trotz eigener sechsjähriger Erfahrungen sür unmöglich hielten. Erst -er restlose Abzug der Belobung wir- dieser schamlosen RechtS- wi-rigkeit ein Ende machen." Der Protest ist von folgenden Parteien unterzeichnet: Deutsche Bvlksr-artci. Demokratische Partei, Deutschnationale Bolkspartct. Wirtschaflspartei,Sozial demokratische Partei und Zentrum. Ahein'andschicksal im Jahre 1827. ES ist kein Zweifel, -aS Landauer Schandurteil für den Mörder Roucicr hat Frankreich nicht nur um seinen Ruf als Rechtsstaat in dcr zivilisierten Welt gebracht, es hat auch einen dicken Strich durch-ie nächsten Pläne Briands in feiner Rhein landpolitik gemacht. Der Abordnung von französischen Be- satzungsofftzteren, -ie -as Kriegsgericht des 22. Armeekorps bilden, lag es offenbar gar nicht -aran, nach Recht und Ge rechtigkeit ein Urteil zu fällen, wenn auch -ie einer Gerichts verhandlung ähnliche dreitägige Prozedur zu einer solchen An nahme hatte verleiten können. Was sie wollten und was sie taten, das war, -aß sie einem Angehörigen ihrer Kaste formell bestätigten, daß nach französischer militärischer Auffassung ein Besatzungsoffizier im Rheinland trotz Locarno und Genf Immer noch Immunität genießt für alle Vergehen un- Ver brechen des Strafgesetzbuches, -aß dcr -en-sche Staatsbürger Freiwild bleibt für Lffiziersreitpeitsche und Revolver, und daß den französischen Militärs die ganze Richtung nicht paßt, die als offizielle Politik einen Abbau dieser Willkürherrschaft un- am Ende gar eine Räumung der Rheinlande gegen ander weitige Vorteile herbciführen möchte. Offiziere, die sich nur als Fronvögtc in erobertem Land fühlen, haben eS nicht unter lassen können, einen Fusti.zsall zu benützen, um diel« Politik ihrer eigenen Diplomaten zu durchkreuzen. Die Enthüllungen des „Oeuvre" über die Vorgeschichte des Urteils liefern Le« Beweis dafür, wenn cs eines solchen noch bodnrfte. Demgegen über drängt sich für die -rutsche Regierung, abgesehen von -er weiteren Verfolgung des GermerKheimer Falles, -er mit -cm Landauer Urteil nicht erledigt sein kann, -ie Pflicht ans, die -ringende Aufgabe -er Rheinlandbesreiung keinen Augenblick mehr aus den Augen zu verlieren. Baldige Räumung Ist tat sächlich -ie einzige Möglichkeit, wie solche Konflikte, -ie nur dank-er vollkommenen deutschen Wehrlosigkeit keinen blutigen Ausgang haben, in -er Zukunft wenigstens vermieden werden können. Die Ueberzeugung, daß das anbrechende neue Jahr daö Schickfalösahr für das -entichc Rheinland werden muß, setzt sich in allen am Rhein interessierten Ländern immer mehr durch. Englische Zeitungen haben cs offen ausgesprochen, daß in der Entwicklung der eingeschlagenen europäischen Politik 1927 das Jahr der Rhcinlandräuniung werden müsse, selbst ein Teil der französischen Presse kann sich den -ahin drängenben Argumenten nicht mehr entziehen, und Dr. Streiemaml, so zurückhaltend er anch in Hamburg über -as Genfer Ergebnis gesprochen hat, ist -och recht verständlich geworden in -er An deutung, daß mit -er letzten Genfer Tagung -er Weg frei- gemacht sei „für -ie praktische Inangriffnahme anderer austen- politischer Probleme, -ie an Bedeutung -i« bisher geregelte» Fragen noch weit übertreffen -ürst«n". Ohne Zweifel hat -er deutsche Außenminister hier auf den in Genf offen gebliebenen Punkt -er Rheinlandverständigung angespielt, -ie in Ver bindung mit den gleichsalls noch ungelösten Fragen dcr Ent- waffnungs-Restpnnkte di« deutsche Außenpolitik der nächsten Monate bestimmen wird. Es ist -aö zugleich -er Punkt, -er unter den Genfer Ergebnissen noch einer gewissenhaften Prü fung bedarf, nachdem -aS Interesse für -te-i« Fragen in de» letzten Tagen vor den innenpolitischen Vorgängen in Deutsch- land vorübergehend bat zurücktretcu müssen. Wie erinnerlich, hat -er Völkerbiiu»Srat zwar in feiner Erklärung znm Investigation-Protokoll -en deutschen Stand punkt insofern berücksichtigt, als er -ie Einrichtung einer Svnderkvntrolle im Rheinland — -ie französische Forderung -er „ölomontn stn-ir-" — ausdrücklich ablehnte. In einem Nachsatz zu -ieler Feststellung heißt es aber: „In der ent- militarisierten Rheinlandzoue können derartige bs sondere, nicht In Artikel 218 vorgesehene Elemente nur durch ein Abkommen zwischen de» beteiligten Regierungen ein gerichtet «»erden." In dieser Erklärung liegt mit-er Wieder- cinführung deS Begriffes „entmilitarisierte Zone" eine ein seitige Verpflichtung Deutschlands un- zugleich daS wenigsten» theoretische deutsche Zugeständnis der Bereitschaft zu Verhand lungen, die alS Ziel die Einrichtung einer solchen Sonder« kontrolle unter gewissen Bedingungen verfolgen. Wenn man die Andeutungen des Berliner Auswärtigen Amtes recht ver. steht, dann lauten die deutschen Gegenforderungen für ei« solches Zugeständnis: vorzeitige» h. wohl sofortige Rhetn- lan-ränmung und außerdem Ausdehnung der „entmilitari sierten Zone" auch aus die französischen und belgischen Grenz, gebiete bei gemeinschaftlich-gleichberechtigter Sonderkontrolle -er vier in einer .„Rheinland«ntente" zwsammenzuschließendeu Mächte. Briand hat sich während -er Genfer Besprechungen ganz «»s -e« StawbpmE PoinearL» gestellt, -aß Frankreich Guillauniats offene Sabotage der Verständigung. Eine Enthüllung -es „Oeuvre". Pari». 22. Dez. Wie schon gemeldet, gibt die Pariser Linkspresse unverhohlen ihrer Enttäuschung über daS Schmach- urteil von Landau Ausdruck. Ganz besonders bemerkenswert sind die Veröffentlichungen des „Oeuvre", die auf die Vor geschichte dev Urteils ein bezeichnendes Licht werfen. Danach sbllte ursprünglich Oberst Tribont der offizielle Wort führer der französischen Militärs bei der Urteilsbegründung sein. In Landau sei schon seit Tagen dcr haiivtsächlichste In halt seiner Rede bekannt gewesen. In letzter Minute sei dann «sne Aenderung in dcr Rollenverteilung vorgenommen wor den, da man einen zn großen Skandal befürchtet habe. Sonder barerweise, so sagt das Blatt, hat man überall verkündet, daß die deutschen Rechtsanwälte der Besetzung den Prozeß machen wollten. Aber die sranzösischen Militärs sind es. die deni Frieden den Prozeß machten. Sodann bringt daö „Oeuvres folgende geradezu sensationelle Enthüllung. >« Vorabend deS BerhandlnngSdeginne» rief ei« Offi zier de» ll. vurcan» de» Generals G «i l l a « m «« die Pariser Fvnrnalisten zusammen «nd setzte ihnen die Auffassung de» Generals über die Rheinlandsrage »nd die europäische Politik änSeinander. Dabei wurde u. a. erklärt, die GcrmerSheimer Zwischenfälle seien die logische Folge der Politik seit Locarno. Man »erabschene in der Rhctnarmee Locarno »nd ihoirtf. S» gehöre znm «nie« Don, mit Ironie über die Bemüh»»»«» Briand» zu spreche«. Alle» da», so beton« da« Blatt, m»rb« ans Anorb»««» de» General» Gnillanmat be» kanntDe»«»«». lT. U.) Der „Tempo" HSHnk. Wirkliche „ober oorgctänschte" Entrüst»«» in Deutschland. Paris, 22. Dez. Während die übrigen Abend-lütter wie der, wie die Morgcnblätter, beredt schweigen, weil sie offen bar nickt -a» gleiche tnn wollen, uns der offiziöse „TempS" beute abend tut. indem er das deutsche Volk mit den ungerech testen Borwürsen bel-enkt, tadelt als einziges Blatt -er links- republikanische „S o i r", -aß das Landauer Urteil nickt -azu beitragen werbe. Euroim zu besric-en. Dieses Kriegsgericht habe die Entstellung zu weit getrieben. Seine Rolle werde sür die Entspannung in Europa «nhcslooll sein dadurch, dast cs sieben Jahre nach dem Wasscnftillftanbr immer noch ein Kriegsziel versolge. Der „TempS" nimmt das Urteil in Schutz und sucht seine Beweisführung -damit zu bekräftigen, daß er -rutsche Staatsangehörige schmäht. DaS Blatt schreibt u, a.: Trotz wirklicher ^oder oorgetäukchter" Entrüstung der deut schen öffentlichen Meinung erscheine jedem nicht voreingenom menen Beurteiler die Verhandln«« in Landau unparteiisch: Alle Zeugen seien zu Wort gekommen. Die Verteidigung habe sich frei ausmirken können. Die Anklagebehör-e, die gegen Roucicr eine milde Verurteilung fordert«, habe die gleiche Mäßigung gegenüber den deutschen Angeklagten ge- zeigt. DaS Blatt will -ie Auseinan-ersctznngen nicht Ladurch verschärfen, daß «S auf -i« Vergangenheit znrückkomme. Die militärische» französische« Richter hätte« in voller Unabhängig, keil in einer sehe heikle« Angelegenheit «in Urteil gefällt.