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Dresdner Nachrichten : 13.02.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-02-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192702136
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19270213
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19270213
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-02
- Tag 1927-02-13
-
Monat
1927-02
-
Jahr
1927
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 13.02.1927
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Oreräner llachrickien Sonntag. 1Z. 5ebk. 1927 Ich halN einen Kameraden... Eine Erinnerung zum HcldengcdächtniStag. Von FrItzKaisrr. Ilmenau. Ans dem Riesengebtrge kam er nach Thüringen in die kleine Bergstadk »nd wurde in Quinta »nser Mitichüler. Ich «ehe ii», noch in seiner kurze», ditnnen Leine» Hose und der bianen. knappen Matrosenbluse bescheiden in das Klasse»- 'lttinmer treten, Georg hies, er. lind bald erfuhren wir. das, er keine Ellern mehr halte, nur eine Ltiesmnlter und eine Stief schwester. (5ine rechte Schwester von thm weilte in der fremde, Sr ist ein armer Junge, saqtc» meine Elter», als ich vv» thm M Haute erzählte. -lind ich habe in den folgenden Monate», und .Vahren, die wir beisammen waren, dieses Schicksal >» einer nauzell Hcryhcit so recht an thm verstehen gelernt. Er var nicht nur dem Namen nach ein Waisenknabe, sondern auch » seinem Herze». Liebe erfuhr er zu Hanse nicht. Oit aber cheltende Worte, viel Entsagung und Entbehrung. Nicht weit cine Mutter eine arme Näherin war. Auch ein wenig be gütertes Elternhaus kann seinen Hindern eine unvergeßliche, scheine fugend bereiten. Es gehört gar nicht so viel dazu. Wenn das Herz warm ist dann überstrahlt e die leeren Hände und eriugt Licht in stille Kümmernis. Nach bei seinen Mitschülern fand Georg nicht daS rechte Verständnis. ES gab so viele dumme Iungen dabei, die sich zu netz und zu fein fühlten, als mit ihm, dem ärmlich Ge- tleideie». zu verkehre». Sie besahen keine innere Vornehm heit »nd setzten Georg vst zurück. Er war seinempsindend. und inhite das, war gekränkt, und sagte doch nichts davon, trugs heimlich. Er war zn taktvoll, als jemandem aus der ersahrcnen lsuHerechtigkeit und Härte einen Borwurs zu mache». Mir ist nichts entgangen, was nm Gevr« vorging. Ich habe still mit ihm die vielen kleinen Enllüwichnuge» ge tragen,, aber sie nie im Gespräch berührt, nm nicht die Klust zwilchen ihm und den andern zu verbreitern, '.ich schlos, mich tlnn an, wcnn'S keiner tat, und das Bündnis ward inniger, als alle vvn ihm liehen, weil einer seiner Lehrer die Takt losigkeit beging, ihm einmal vor der ganzen »lasse der Lässig keit in seiner Kleidung, Wüsche und Körperpflege anzuklagen. Alle vv» den Schülern der »lasse besahen cine Mutter, die sich liebend der Pslege ihrer Kinder annalnn, Georg halte nie manden. Dieser Gedanke fuhr mir durch den Kops bei der Auge des Lehrers, und ich verzieh Georg sein Versäumnis z» derselben Stunde, da die andere» Mitschüler ihn ächteten und sich ivnwders was dünkien neben ihm. Durch eine ivvcheulauge Verlaiseiihoit begleitete ich den jungen Freund, und lveun er in dieser Zeit »achhvllc. was a» ihm der Lehrer vermißt, so ahnte letzterer wohl nicht, das; cs einen ganz anderen, viel gütigeren uns taktvolleren Einslus; als dem seinen zu danken war. Georg kam damals alt in mein Elternhaus. Die Wärme tat ihm wohl und der Bissen auch, der nicht vom Ueberittis; gereicht wurde. Nie war ein Kind dankbarer als der junge llamerad. Ich erlebte dann noch die Frcnde, das; bas Ver hältnis des Berlassenen zu seinen »lasscngesährien wieder ein besseres wurde. Ich hätte Georg vvn Herzen gewünscht, das; er sich »och ein paar Jahre dieser srcnndlichen Wendung hätte, erfreuen dürfen. Aber in Tertia schieb er von uns, kam weit Ion. nach Metz und kernte dort als »och. Wie glückt-tch das für des hageren »naben Wachsjahre war. habe.ich später er fahren. Jahre waren verstriche». In einer Abendstunde trat ein hoch »nd breit gewachsener, jugendlicher Mann vvn statt lichem Eindruck in mein Jim wer. Ich Halle tzicorg wahrhaftig nicht wieder erkannt, obwohl wir während der ganzen Beit bin und wieder Briefe gewechselt. Die Frenndschgst, -ie in Idindcrsahren begonnen, ward ne» bestätigt miß fürs Leben' seit gemacht.' Heidelberg nahm jetzt den Jüngling auf. dieselbe Liadt, -ie in meinen Schülerlränmcn vom Sliideiitenieben im Vordergrund gestände»., Dann war'S Hamburg, die freie Hansastadt, die den Ire und in ihre Arme ries. Da kam der Krieg. Der so wenig Liebe erfahren Im Heimatland, sv ivcnia Lichtblicke in seinem Leben gehabt, stand als einer der ersten Freiwilligen beim Hamburger Insantcric- Negiment 7«i. In Heimatlicbe und Iugendbcgeisternng slammie sein junges Herz. Sei» Grus; flog mir zn von der statin nach dem Osten. Nie hat schöner »nd zuversichtlicher ein Wort auf das Leben geklungen als diese Botschaft des junge» Soldaten, Sie schien mir wie ein Aintakt. wie das Ausholen zu einem grösst» Wurf, wie der erste Schritt zn einer gewaltigen Tai. Um so betörender nach diesem Voll- klang war das Schweigen, das durch W ehen hindurch währte, van» stand das Herz vor einer Stille, die »ndnrchdr'ngbar war. Und dann flatterten ans dieser Stille wenige Worte, wie ein paar verirrte Vögel, die sich zn Tode geflogen: „Er ist gefallen fürs Vaterland! Wir habe» ihm einen Hügel getürmt, ei» Kreuz mit seinem Helm daraus gesetzt »nd ei» Gebet verrichtet für ihn. den wir alle so gern gehabt!" Das Matt entglitt meiner Hand. Mein ältester und liebster! Frenn-d. er war nicht mehr. Als Waise gelebt und ge litten als Held gestorben. I Ein paar Wochen danach war in der kleinen Stadikirchc GedachlniSsctcr für den Georg. Während des AbcndgvtieS- LiensteS. Als man das Lied vom guten Kameraden iang oben ans dein Chor, da herbe ich mich still aus dem Kirchlein ge schlichen und seil meinen Kinderjaiircn zum erstenmal wieder geneint. Drinnen In der Kirchenvank hätte mir's das Herz zerschnitten, und sie Hüller, mich nicht verstanden, die ihn nielI gelaunt, dir nichts non unserer Kinder- »nd Lebenssrenndichait gewusst. Und für rührselig und überschwenglich gehalten zn werden, dazu war mir mein Schmerz nm den Toten zu lieb un? zu heilig. Einer nur Hab' Ich'S später anvcrtrant. Das war Georgs rcilstc Schwester, -ie aus Amerika znrüekkaw in ihre Heimat. „Das Land. für das er sein Leben liest, dos soll mir nahe sei», ganz nahe, nahe lein,und bleiben bis an mein Lebens ende Letzt erst weist ich. was mir mein Deutschland ist!" Ich habe ihr Herz in der zitternden Stimme gefühlt Tics baden sie meine Worte crgrUicn. die ich nm die gemeinsamen Jatzre mit Gcvrq spann. Ader auch versöhnlicher nahm sie je: > das schwere Eksrhick. nun sie wusste, daß er nicht ganz veilaison und einsam gewesen war. „Ich habe cs selbst nicht leicht arbabt als alleinstehendes Mädchen im fremde» Land. Kampf macht hart, das wisse» Sie. Und wen» man selbst ost ums eigene Leben ringt, dann vcr- gini man auch vinmnl den Nächsten" Die Auirichligkeit des Mädchen? gefiel mir. Mir war'S, ois ob tch 'irvch etnmalnN das Antlitz meines Frenndös schaute! Auch iip AeuHeren gvar, so viel Aehnlichkeit. > Uniep.Handschlag beim Anscinanderg' Iw» war ciwstummer Segen für das tkiirc Loldaienarab drüben in Polest. Die Dastkb'nVkeit^bcr Schwester.sandle mir später dcS Frestndes alte Geige i zu: H „Tgigkls Süe'sstwas Lebendiges von ihm haben Seine Lust und äuch itin Schmerz liegen vergöabcu darin. Erlösen Sic beides mit Ihrer kündigen Hand, »nd Sie haben Ihren jungen Kameraden wieder, wie er in der Vergangenheit leibt und lebt." Eie hat nicht zu viel gesagt, die gntc Schwester. Men» sch den Bogen führe dg».», ist es mir, gsS ob.ich dem droben in Walhalls-elp Ständckieir.g,»siptcLc.. manch lustigcsrund.manch ernstes, ein Stückchen ans seiiiein Loben, wie er's hinieden ge lebt. Ist; kann mir nich^j denken, das; jemand schöner seinen Helden ehren kann. Wo menschliche Worte am Ende sind, da schwingen Gefühle des Herzens in Tönen der Mnsik mit un begrenzter Beredsamkeit noch fort. Aus -er Terrasse. Von Theodor Da übler- Den Hellenen war der Htmmel ein grostes Bilderbuch, voll vvn Iagdabeiiteuer». Wenn aber Sirius. Gottes andere Lonne, mit dem Hund ln der Morgendämmeruiig ausinnkeli, so fühlt der Mensch am deutlichsten, die nnenüliche Hitze im All, spricht noch heute über die Gestirne, die sie bringen! Aus Athen, der Hauptstadt des Nahen Ostens, flieht wer kann: es wird still durch Hitze. Das ereignet sich wohl ebenfalls in kälteren Ländern, doch mit weniger nachgeborner Ahnung wird vom gestirnten'Himmel, der es sichtbar io verfügt hat. gesprochen: überdies verbringt nur ein Südländer die Nacht wach lm Freien oder schläft, wo nicht bet Tag ln verdunkelter Stube geschlummert wird, ans Balkon, Hängegarten, Dach Auch wir besitze» eine groste Terrasse zu entzückendem Ver weilen: vier Göller, groß, wie sie hohe Künstler geformt habeil, stehen, in Nachbildungen, a» den vier Ecken: Apollo rvu Belvedere, Eirene mit dem Plutvsknabcn des Kepht- i'odvt, Hermes Farnese und Hera Barberlni. Der kaum geborene Mond, »och wie ein Kindlei», ver krümmt im Dunkel des MutterschvsstS, wird, ln seine» vvm Himmel perlenden Wiegcnschleiern, für uns bald wcg- schliimmer». Aphrodite aber strahlt prachtvoll, gar lange schon, allabendlich nnicrm Reich dcS hellstcrntgen Löwen: dem Zeuith glimmt Kronos zwischen den ewigen Leuchten der Iungsraii: herrlicher jedoch und kühner sprühend als selbst Lpiea, verwundert uns Zeus, im gleichen erhabenen Sternbild. Für mich hinterm Standbild der Hera, beim Skorpion, seinem furchtbaren Himmelsbereich, purvurt Ares. Wan» sah ich je die Oimnpier so majestätisch, uns z» Häiiple», versammelt'? Helios und wohl auch Hermes müsse» fehlen,' den Göttcrboten, als der Sonne nächsten Planeten, soll doch selbst Kvpernikns niemals erspäht haben: jedenfalls verhüllt ihn uns immer schon der schlichteste Sichel- INVNd! Bevor Christi Glaube gesiegt hatte, gaben die Hellenen dem Sternhimmel und besonders den Planeten ibre Götter, als magisch wirksame Namen, wieder: das mag sich aus Samothrake. beim Geheimdienst der Kabinen, ereignet haben: auch Schelling scheint so anznnehme». lieber den finsteren Umrissen des Apollo, ans der Ter rasse, erbliele ich den nahen Lnkabettos: er flimmert so sacht, wie etwa ein ungeheures Sternengcmvlk am Südhimmel: nnch konnte man ihn als ein Gletschcrgebirge, bei ebner Hvchstadt in den Kordilleren, deuten. Wenn die "Nacht, mondlos geworden, schon lange mit allen Sterne» ihre Macht vor Auaen und Herzen austut, steht der Schütze steilgcreckt neben Hera, der Hüterin im Sü-deck, über unserer weiten Terrasse. Der Skorpion ist so tief, bis ,',nm Meer, gesunken, das; im Lcnchttnrm deS Piräus sein letzter Stern ausslackern könnte! Artemis, da der Schütz in Mvndesdiensten. hat aber bereits Orion, weil er die stcr- ncnde» Täubchen. Hnaden und Plejaden, verfolgt, mit einem seiner Pfeile rcrletzt. Hva''en, euer Aufaane, — wnstte der Hellene — wird de» Regen besorgen, die Jahreszeit der Fruchtbarkeit den Sterb lichen bringen: eranieken: der Stunde Tauichwestern vvm Himmel, als ewige Mütter, wurdet ihr erkannt! Herder hat euch, über die Sage ragend, als Inhaberinnen der Ideen, genannt nnd geleiert. In der Urvcrscnktheit Ruhe spinnt ihr des Daseins lebhafte Hüllen, schmückt mit eiaenem Ab glanz das Gewebe voll wechselnder Wesen: verschenkt euch aber auch plötzlich, in friedfertiger Jütte, an ein zum Himmel führendes Gemüt. Warum sollten die Schwestern in den Sternen Goethe nicht, durch Faust zu Helena berufen, auch befragt, weil gesunden haben? Mephistopheles meint zum Magier, der, Hellas witternd, zu den Müttern darf: „Versinke denn! Ich könnt auch sagen: Steige! 'S ist einerlei. Entfliehe dem Entstandnen, In der Gebilde losgebnndne Reihe: Ergötze dich am längst nicht mehr Vorbandncni Wie Wo'kmizüge schltnat sich das Getreide. Den Schlüssel schwinge, halte sie vom Leibe!" Der Neigen der hohen Bilder kippt westwärts nieder und verschwindet. Unter der Mtlchstras;e, wie sie sv hell, schimmert die Akropvlis über einem Athen verlöschender Lichter. O. ein Bild erleb' ich setzt, barock und im Stil d'Aniiiinzios. doch es fasst mich wie eine Wirklickk tt, ich soll es stammeln: ein Ricsengefäst. durchsichtig und klar, ist. bei kühlendem Hauch einer Nacht, die Burg dcü Pcrikles: in sie stürz, sich, für uns, der Milchstraste übkrüimmlische Ilut. Soeben schim mert der Behälter, luer ans E^''» vor meinen Blicken, voll rvn gespendetem Labial unendlichen Reichtums der Gestirne. An vielen suchende» Liernbildern vorbei, zeigt mir der N>"'No vv» Belvedere, gm Lvknbcttos entlgng. die Sommer- ftclle. wo die Sonne emporkommt. Und sic folgt, aus den Augenwttik. dem Gott der Erleuchtung im Geiste. Schon wogt istr Gold, ein rasches Morgcnkorn, aus a""n Tristen AttikaS. Ich aber hoffe aus die folgende Nacht: Ne darf fast genau wie die vergangene verrinne», kis der Mond, heranwachsend, eine Woche lnnn allein wird zaubern wollen! Mit besonderer Genehmigung des Verlages Paul Isol-nay, Wien, dem Jahrbuch des Verlages für das Jahr ll127 entnommen. Der Narrenpalasl. Von N. A. Livingstone sNcnyorkj. Egrstvn lag in sclncm Studierzimmer ans der Chaise longue, rnnchte zahllose Iigarelte» und gab sich Gedanken hin, die alles eher als freundlich zu nennen waren. Aber wenn ein Mann erst seit einem Monat mit dem süstcstcn Mädchen der Wett verlobt ist, und dieses besteht darauf, mit Irriindc» eine Reise nach Italien zn unternehmen, so ist es wohl begreiflich, das; er sich gnsrcgt, eine Post nach der gliederen gnkvmmen zn sehen, ohne das; sic ihm Nachricht von der Geliebten bringt. Als cs nun schon znm dritten Male an Earstons Türe klopfte, sprang er mit einem I-luche ans, aber als er dann dcS Gastes ansichtig wurde, wandelte sich sein Grimm in Helle J-rcude. „Nannor, du bist cs?" schrie er. „Wann bist du heim- gekehrt?". „Der Dampfer kegle heute an." Mit. der Miene eines Man'neS, der sich beim I-reunde zu' Hanse fühlt, ging der Gast zu dem kleine» W>attdschrä»k- cheii, entnahm ihm cine Flasche Kognak und schenkte sich ein Gläschen voll ein. Als er d-anu wieder näher trat »nd Carstvn ihn im vollen Tageslicht iah, machte bicser ein höchst verdutztes Gesicht. „Ja, alter Bursche", sagte er, ,chast du mit einer wilde» Katze gckämpst?" Der andere fuhr sich mit der Hand über die kaum ver heilten Kratzwiistden im Gesicht. „ES sicht verdammt schc»s,l!ch anS", sagte er. ,^bcr es war keine Katze, es war Ich komme auö Rom, weiht dn,.-n»-d ich-bin dort dem Geist der Katakomben begegnet." Er füllse sein GlaS wieder nnd stgrrke dann mit müder Miene vvrsich hin. Dann raffte er sich auf und sagte: „Ich werde dis die Geschichte erzählen. Aber im Ernst gesprochen: sie spielt nicht in den Katnkombcn »nd cS kommt glich kein Geist in ihr vor. ES ist eine ganz moderne Tragödie, und sie hat mich n-m den Schlaf gebracht, nm meine Ruhe und meine Nervest. Es begann damit, das; ich mich eines Tages ent schloss, mich ein wenig von meinen wissenschaftlichen Studien zu'erholen.' Ich sehnte mich danach, die Lungen wieder ein mal mit frischer Lnft zn füllen, und auch nach Erregung, Mustk, Volksmenge» nnd Gelächter. Die richtige Wurstel- praterstiminung hatte mich überkommen, nnd gerade in dieser ('seit begegnete ich Bobb» Wallace Bobb» kam gerade aus lenem Etablissement, das den Name» „Narrenpalast" führte. Er tobte vor Begeisterung. Ta beschloß ich, mir dort auch ein wenig Abwechslung zu holen. Die Straßenbahn führte mich bis zum „Narrenpalast", der eine Stunde vor der Stadt lag, dann stand ich vor einem großen hölzernen Gebäude. Nur eine Lira kostete cs mich,... die schrecklichste Erfahrung meines Lebens zu machen. Beim Eintritt machte der Unternehmer große Reklame für sich, indem er erklärte, keine Garantie gegen Unfälle und Nervenschocks übernehmen zu können, und übergab mir auch eine Oricntieriulgslasel des Palastinnern mit der dring lichsten Bitte, sie nicht zn verliere». T» kannst dir das über legene Lächeln vorstcllcn. mit dem ich seine Worte ausnahm. Heute weiß ich. das, ich ein Narr war, zu lächeln. Zuerst kam ich in cine kurze Halle, die ich durchschreiten musste. Dann bog ein Gang um die Ecke uu-d ich staub in grenzenloser Ucberraichung und Bewunderung der Schön heit. die mir die Szenerie bot. Ich befand mich in einem veritable» Glaspalast. Es ist schwer den faiziniercnden Eindruck z» beschreiben, der sich mir bot, aber vielleicht kannst du dir eine kleine Vorstellung mache», wenn ich dir sage, daß cs ein großer Saal war. in unzählig viele kleine Abteilungen geteilt, und diese wieder in solche, die labnrinthmäßig ineinander mündeten. Man konnte sticht erkennen, wo die Türen waren, die diese Un zahl von Räumen miteinander verbanden, denn alles war ans Glas und Kristall. Auch der Plasond und Fußboden waren anS dickem klarem Glas, lind dieses Glas hatte die Eigenschaft, das Bild des Beschauers bald unmäßig in die Länge verzerrt, bald gnomenhaft vcrschrnmpst ziirückzu- wersen. Und vor allem konnte man durch alle Wände des Palastes hindurch die Besucher sehen, die sich in welchem Räume immer nushieltcn. Der Hauptclou des Unternehmens bestand darin: wenn es jemand gelang, genau den Mittelpunkt dieses verzauberten Palastes zn erreichen, so harrte seiner dort ein Goldstück, das für den glücklichen Finder bcreitgelegt worden war. Bezaubert durch die Scherzhaftigkeit, die in all dem lag, irrte ich immer weiter und weiter, ohne auch nur einmal die Orienttcrnngskarte zu Rate zu ziehen: endl'ch aber fühlte ich mich ein wenig müde und ließ mich aus einem Bänkchen» das vor einem Spiegel stand, nieder. Während ich io ruhend daiaß, vergnügte ich mich, durch die Gläser hindurch die Vor übergehenden zn betrachten. Und da zog ein junges Mädchen, dem ganzen Auftreten nach eine Amerikanerin, meine Auf merksamkeit ans sich. Sie war schön, elegant gekleidet und von einer nnbeichrciblichen Grazie. Sie war in Gesellschaft eines jnngen Paares nnd die kleine Gesellschaft schien aller bester Laune zu sein. Mehrere Male gingen sie an mir, aber durch das Glas getrennt, vorbei. Dann aber bemerkte ich. das; das junge Mädchen plötzlich durch eine Unachtsamkeit von seinen Be- gleitcrn 'getrennt wurde, und cs amüsierte mich sehr, den ver geblichen Anstrengungen zuzusehcn. die die Gesellschaft machte» wieder zueinander zn kommen. Immer wieder äffte sie die Tücke der Sprcgelzimmcr. Dann iah ich, das; der Mann dem Mädchen etwas zurief, was ich nicht verstehen konnte, aber die junge Dame nickte zustimmend. Dann entfernte sich das junge Paar, wobei der junge Gatte seine Orientierungstasel zu Rate zog. Sicher lich hatte man dem jnngen Mädchen gesagt, Geduld zu haben bis man Hilfe herbcigernfcn hatte. Ein Blick auf meine Uhr sagte mir, daß cs schon halb sechs sei, und daß auch ich keine Zeit mehr zu verlieren habe: denn man hatte mir gesagt, der GlaSpalast sei nicht zu be leuchten. Ich griff in meine Tasche, nm den Oricnticrungs- plan hervorziiholcii. und in diesem Augenblick erlebte ich den ersten Schrcekeiisaiisall an dic>cm Abend, der dann iür mich zu dem furchtbarsten meines Lebens werden sollte. Ich hatte den Plan verloren. Meinen durch lange Arbeit überreizter» Nerven erschien die Möglichkeit, die Nacht allein in diesem gespensti'ch-'n GlaSpalast verbringen zn müssen, als un beschreiblich schaurig. Zitternd vor Erregung begann ich nach einem Ausweg zn suchen, aber cs gelang mir nicht, einen Weg Ins Freie zu sinden, und nach dem verzweifelten Um- hcrirren einer Stunde setzte ich mich ermattet und ergeben in mein Schicksal ans den Fußboden nieder. Plötzlich siel cs mir ein. daß das junge Mädchen nebenan sich ja in derselben verzweifelten Lage befinde, wie ich. Wenn ihre Freunde ihr zu Hille eile» würden, wäre auch mir ge holfen. Es hieß nun nur. mich mit ihr in Verbindung zn bringen. Ich klvpstc an die Spiegelwand meines „Zimmers" nm die Aufmerksamkeit des iungen Mädchens zu erregen, aber trotzdem cs mir ansangs vorgckvmmen war. sie befinde sich lm nächsten Zimmer, mar cs mir nun. als sei sic viele Säle weit vvn mir entfernt. Kein Klopfen konnte ihr Ohr erreichen. Sie stand mit dem Rücken an eine Glaswand ge lehnt und ich bewunderte ihre mittige Entschlossenheit aus ganzem Herzen. Meine Uhr zeigte jetzt schon halb sieben. Warum ließen «denn die Begleiter der iungen Dame io lange auf sich warten? Später erfuhr ich. daß der iungc Ehemann vergessen hatte, sich den Ort genan zn merken, an dem er daS junge Mädchen verlassen hatte,, und daß man stundenlang im GlaSpalast umhergcirrt war, nw sie zu suchen. Plötzlich, wie angezogcn durch meinen starren Blick, wendete sich die junge Dame um »nd erblickte mich endlich. Ich winkte ihr lebhaft zn »nd sic schien meine Situation zu verstehen, was mir neuen Mut gab. Ich zündete mir eine Zigarette an. nm mir die Zeit zu vertreiben, bemerkte aber zn meinem Erstaunen, das; die Säle anstatt duiikler nun immer Heller wurde». Sic schienen von einem weißen Licht überflutet dessen Herkunft ich mir anfangs nicht erklären konnte. biS ich endlich begriff, daß der Mond seine Strahlen durch das Glasdach sende. Ich wünschte, dir begreiflich machen zu können, welch ent nervenden Eindruck dieses gcspensteriiaflc Licht aus mich machte. Und dann plötzlich . . ." Nannor schöpfte tief Atem, man sah cS Ihm an, daß er noch in der Erinnerung schwer litt. „Ter Aitt'liek, der sich mir dann plötzlich bot, entlockte mir einen Ausruf der Freude. In einem langen Gang, nur wenige Schritte vv» dem Mädchen entfernt, entdeckte »ich die Gestalt eines Mannes, in dem ich einen Wächter'vermutete. Sein Gang erschien mir zwar ei» wenig sonderbar, aber Ich dachte, die Spiegelung sei daran schuld. Endlich aber'war er so nahe gekommen, das; ich ihn fest ins Auge fassen könnte,... und da wußte ich alles. Er war an Gestalt fast ein. Zwerg, aber dabei sehr plump gebaut. Er ging nicht dghin wie andere Menschen, sondern hüpstc mit sonderbarem Schritt. Leine Kleider waren in Unordnung, sein Haar verwildert, und an seinem sonderbaren Blick erkannte ich sofort, nach einigen.Erfahrungen meines Lebens, den Mondsüchtigen. Mit grinsendem Lächeln betrachtete er die im Mondlichte leuchtenden Spiegel und in seinen Händen hielt er einen funkelnden Gegenstand, den er liebevoll betrachtete, und von dein mir bald klar war. es sei das im Mittelpunkt des Palastes deponierte Goldstück. Instinktiv, denn mein Ber-
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