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60. Jahrgang, 290. Dienstag, 19. Oktober 1915. L8SS Telegramm-Adresfe: Rachvicht«« Dresden. Sammelnummcr für sämtl. Telephonanschlüfse: LS 241. Orei^NZ-ZvnSant-3eko!mtaSe 0«i/r44»L- ^nfsm- Zekokolaöe 0r«4-r4irZ - Äidker- Aekokslaöe Desserb. Hauptgeschäftsstelle: Mavienstrahe 38/40. Druck und Verlag von Liepsch L Reichardt in Dresden. Rp^UaS«6oe^)Ü^)r vI«NNILIsNiq in D^c»drn beizweimaliger Zutragvng <an Sann. und Montagen nur einmal) 2.ns M., I Die einipallige Zeile (etwa 8 Silben) so Ps., BorzugrpUtze und An,eigen in Nummern nach Sonn. den Bororlen S,S0 M. Bei etnmaiiger Zustellung durch die Post s M. (ohne Bestellgeld). I lltliZLlILIi' ^dl-LlsL. geiertagen laut Tarif. — AueroSNige Ausiriig« nur gegen Borauodezahiung. — Belegblatt 10 Pf. M. (ohne Bestellgeld). Nachdruck nur mit deutlicher Quellenangabe („Dresdner Nachr.") ruliisfig. — Unverlangte Schriftstücke werden nicht ausbewahrt. Reue Mißerfolge der englisch-französischen Ssseufive. Sin deutsches Flugzeuggeschwader über Belsort. — brsolgreiche deutsche Angriffe südlich Riga und westlich Zlluxt. — Fortschritte der deutschen, öfterrelchlsch'uugarischen und bulgarischen Truppen in Serbien. — Die tapferen Sachsen im Westen. Der amtliche deutsche Kriegsbericht. (Amtlich.! Großes Hauptquartier. 18. Oktober. Westlicher Kriegsschauplatz. I DaS i» die feindliche Stellung weit vorspringcudc Werk nordöstlich Bermelleö wurde vou den Engländern wiederholt mit starken Kräfte« angegriffen. Alle Angriffe schlugen unter sehr schweren Berlnftc« für den Gegner fehl. Das Werk blieb fest in unserem Besitz. AngriffSverfuchc der Franzosen bei Tahure wurden durch Feuer uiedergchalten. ! Ein neuer feindlicher Vorstob zur Wiedereroberung der verlorenen Stellung südlich von Leintreq blieb erfolg los. kostete den Franzosen aber neben starken blutigen- Verluste« drei Offiziere. 17 Unteroffiziere und 73 Jäger au Gefangenen. Am Schratzmännle konnte der Feind im Angriff trotz Einsatzes einer erheblichen Menge von Munition keine« Fubbrcit Bode» wiedcrgcwiunen. Deutsche Flnggeschwader griffen gestern die Festung Belfort an, vertrieben die feindliche» Flieger und belegte« die Festung mit 8V Bombe», wodurch Brände hervorgernfeu wurde«. Oestlicher Kriegsschauplatz. Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hlndenburg: Der Angriff südlich vou Riga machte gute Fort schritte. Zwei Offiziere, L8» Mann blieben als Gefangene in unserer Hand. Russische Angriffe westlich von Jakob st adt wnrden > abgewieseu. Westlich vou Jlluxt bemächtigte« wir uuö in etwa S Kilometer Frontbrcite der feindlichen Stellung. Weiter südlich bis in die Gegend von Smorgon wnrden mehrfache, mit starke» Kräften unternommene russische Vorstöbe unter starken Verlusten für de« Gegner znrückgcschlageu. Es wnrden zwei Offiziere und 175 Manu zu befangene» gemacht. Heeresgruppe des Generalfeldmarfchalls Prinzen Leopold: Ein russischer Angriff beiderseits der Bah» Ljacho- «ttschi — Barauowitschi brach 400 Meter vor unserer Stellung im Feuer -nsammeu. Heeresgruppe des General« v. Llnfingen: Am GtyroFlusse von Rafalowka bis Kuli- kowiczq habe« sich neue örtlich« Kämpfe entwickelt. Balkan. Kriegsschauplatz. I» der Macva beginnt der Feind zu weiche«. Aus dem HSHengelände südlich Belgrad find unsere Trup, peu im Borschreite« gegen Cvetkov-Grob und de» Ort Brciu. Südöstlich »o» Pozareoac find Ml. Crutce und Bozeoac genommen. Bulgarische Trnppcn habe» die Höhe des Muslin-Perct« und Babiu»Z « b be setzt. Weiter südlich dringe« sic über Egri-Palanka vor. fW. T. v.s Oberstc Heeresleit« « g. schließlich unter schweren Verlusten zurück- geschlagcn. Sonst im Küstenland« sowie im Tiroler Grenzgebiet Gcschützkamps. Südöstlicher Kriegsschauplatz. Die im Aoala-Gebiet geschlagenen serbische« Di visionen weichen beiderseits der nach Süden führenden Straße znrttck. Unsere Truppen befinde« sich im Angriff auf die noch nördlich der Nalja stehenden feindliche» Ab teilungen. Auch in der Macva wurde der Gegner zum Rückzüge gezwungen. Beiderseits der unteren Morawn ge wannen die dcntschen Divisionen abermals Raum. Die Bulgare» haben die Höhen des Muslin-Percin und des Babin-Znb besetzt. Weiter südlich dringen sic über Egri-Palanka vor. Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabs: (W. T. V.j v. Höfcr» Fcldmarschall-Lentnaut. Deutsche Kraft. Sefterrelchlfch-unsarischer Kriegsbericht. Wie«. Amtlich wird verlantdart de« 18. Oktober ISIS mittags: Russischer Kriegsschauplatz. In Ostgalizie », au -er Jkwa und im wolhyuische» KestnugSgebicte auch gestern keine besonderen Ereignisse. Am Sorminbache und am untere« Styr führte der Feind eine Reihe heftiger Angriffe. Bei Kulikowice, Rowosielki und Rafalowka wird noch gekämpft. Au allen audereu Punkten war der Gegner schon gestern abend blutig abgewieseu. Seine Verluste sind grob: am Kormiu räumte er in »oller Anslösnng unter Zurücklassung von Gewehren und Rüftuugsstücken das Gefechtsscld. Auch die an der obere« Szara stehende« k. «. k. Streitkrästü schlugen eine» starken rnssischen Borstob ab. Italienischer Kriegsschauplatz. AnderJsouzofroat entwickeln die Italiener wieder eine lebhaftere Tätigkeit. Es kam auch gestern abend im Norbweftabschnitt des Plateaus von Doberdo bei Petc- ano zu heftigen Sämpse». Starke italienisch« Infanterie griss neuerdings unsere dortigen Stellungen au, gelaugte teilweise bis nahe an die Hindernisse heran und wurde Die Kämpfe in Frankreich sind, nach den Berichten der Obersten Heeresleitung zu urteilen, in den letzten Tagen wieder etwas aHgeslaut. Ob das einen vorläufigen Ab schluß der feindlicher: Durchbruchsversuchc überhaupt oder nur sine kurze Atempause zwischen zwei großen Anstrengungen bedeutet, ist natürlich nicht zu sagen. Es scheint aber doch, als ob der Feind mittlerweile recht erholungsbedürftig ge worden sei. Wurde doch schon der zweite Stoß gegen unsere Front in der Champagne und im ArtoiS nicht mehr mit der selben Wucht geführt, wie jener erste, durch den, wie Joffre in seinem Armeebefehl sagte, die Deutschen aus Frankreich vertrieben und die besetzten Gebiete befreit werden sollten. Unsere Heeresleitung hat dieses Schriftstück in einem Augen blick veröffentlicht, in dem die Erfolglosigkeit des mit so ge waltiger Macht unternommenen Angriffs klar am Tage lag. Auf einem im Verhältnis zu Ser ungeheuren Ausdehnung der Kampflinie sehr schmalen Streifen ist cs dem Gegner ge lungen. sich in den Besitz der ersten deutschen Verteidigungs linie zu setzen. Daß von einem Durchbruch in bas „freie Gelände" keine Rede sein konnte, das mußten die Kavallerie- Regimenter, die der Feind gegen unsere Gräben anlausen lieb, recht schmerzlich erfahren. Nichts war erreicht, als eine von strategischen Gesichtspunkten aus vollkommen be deutungslose und auch taktisch kaum wertvolle Ausbuchtung der deutschen Front auf einer Breite von einigen zwanzig und in einer Tiefe von höchstens vier Kilometern. Und selbst dieser spärliche Gewinn ist dem Feind zum Teil wieder durch energische deutsche Gegenangriffe, so besonders auch durch sächsische Truppen, aus den Händen gewunden worden. Durch die Veröffentlichung eines weiteren Armeebefehls Joffres vom 21. September, der unserer Heeresleitung in die Hände gefallen ist, wird nun ein neues Licht auf die ungeheuren Anstrengungen geworfen, die unsere Feinde im Westen gemacht haben. Der Heldenmut unserer tapferen Kämpfer tm Westen erstrahlt in immer hellerem Glanze. Die Franzosen und mit ihnen Engländer und Belgier haben eingesetzt, was irgend an Sircitkräften verfügbar gewesen ist. Joffre sagt es selbst: Dreiviertel der französischen Streitkräfte nahmen an der allgemeinen Schlacht teil, 5000 Geschütze schleuderten in wütendem Trommelfeuer tagelang ihre Geschosse gegen die deutschen Linien, 13 englische Divi sionen unterstützten die französischen Anstrengungen, 12 In fanteriedivisionen und die belgische Armee, die auf min destens 100 000 Mann zu schätzen ist, standen zum Eingreifen bereit und haben wohl auch tatsächlich eingcgriffen, als der erwartete Erfolg auSblicb. DaS heißt nichts anderes, als daß Joffre ein Millivncnhcer gegen unsere Stellungen hat anrcnncn lassen. Dieses Millioncnheer sollte wie eine unwiderstehliche Sturmflut den Damm hinwcgspülen, den unsere Truppen in Frankreich errichtet haben, sollte unsere Kraft zermalmen und auch die Neutralen zwingen, sich auf die Seite unserer Feinde zu schlagen. Diesem Millioncn- heere haben unsere Braven standgehalten nach einem Ar- tilleriefeucr. das die Erde erbeben machte und seinesgleichen in diesem Kriege noch nicht gehabt hat. Abgesehen von zwei Divisionen, die beim Einsetzen der feindlichen Offen sive gerade auf dem Transport waren und andere Befehle bekamen, wurde, daran sei noch einmal erinnert, von unserer Obersten Heeresleitung nicht ein Mann anders verwendet, als cS seit langer Zeit bestimmt war. Unsere Wacht im Westen hat den übermächtigen feindlichen Ansturm allein arisgehaltcii, mit eisernen Nerven abgewehrt und damit einen neuen Beweis dafür erbracht, was deutsche Kraft und deutsche Entschlossenheit vermag. Ein Historiker hat diesen Krieg die Pcrserkriege des deutschen Volkes genannt, und fürwahr, wenn wir einst in der Schule mit staunender Be wunderung vernommen haben, wie ein Häuflein Griechen bei Marathon und Platää die Nicscnhcere der Perser ab- gewchrt hat — was deutsche Truppen im Oktober 191") in Frankreich vollbracht haben, das kann diesen Ruhmestaten eines längst versunkenen heroischen Zeitalters an die Seite gestellt werden, das wird ebenso und noch mehr als wahr haft heroisch, als heldenhaft im besten und schönsten Sinne des Wortes in der Geschichte verzeichnet werden. Niemals hatte ein Feldherr, vom rein materiellen Gesichtspunkte aus betrachtet, mehr Grund, aus siche ren Erfolg zu hoffen, als Joffre in dem Augen blick, als sein Ricsenhccr zum Sturme bereit stand, noch niemals ist aber auch ein Feldherr bitterer ent täuscht worden. Das Unwägbare, das nicht mit Zahlen zu Messende, der Mut und die Standhaftigkeit, die aus innerster, heiligster Vaterlandsliebe entspringen und aus einem unverrückbaren Gefühle des Rechtes und der Ge rechtigkeit, das alles hat in der wochenlangen Schlacht auf dem blutgetränkten Boden Flanderns und Frankreichs die Entscheidung gebracht, den Sieg für die deutschen Waffen. Ein Sieg war es, den unsere Truppen erfochten haben. Sie haben die gewaltigste HecreSmacht, die Frankreich heute noch aufbringen konnte, abgcwehrt. Wenn u«S die Früchte dieses Sieges auch nicht sofort in die Augen fielen in Gestalt von Gefangenen und erbeuteten Kanonen, seine Wirkungen sehen wir heute an der Verwirrung, von der die Negierenden im Viervcrbanöc ergriffen worden sind, an dem fortschreitenden Angriff auf dem südöstlichen Kriegsschauplätze, der uns mit jedem Tage dem Ziele dieses Krieges, der Sicherung der deutschen Art und deutschen Arbeit vor heimtückischen Ncberfällcn, näher bringt. Die deutsche Heeresleitung trifft heute mehr wie je ihre Maß nahmen ganz aus eigenem freien Entschluß, der Gegner hat sich damit abzusinden und wird sich vergeblich abmnhcn, die Verwirklichung dieser Maßnahmen zu hindern. Mit ruhiger Gelassenheit beobachten mir all die verzweifelten Anstrengungen unserer Feinde in dem sicheren Gefühl unserer Kraft, die sich selten glänzender bewährt hat, als in den Oktobcrkämpfcn an der Front im Westen. Die tapferen Sachsen im Westen. b. llcber die Tapferen vom Sachscnlande berichtet Dr Ma ^ Osborn, der Kriegsberichterstatter der „Boss. Ztg." im Westen, u. a.: „Besonders ausgezeichnet haben sich bei der Abwehr der Angriffe sächsische Rcserveregi- ment er," so hieß es im Bericht der Obersten Heeres leitung über die Champagnekämpfc am 28. September. Und eben wieder, am 15. Oktober, erzählt der Bericht von den sächsischen Truppen, die „ein Franzosennest aushobcn". Das will was bedeuten! Der deutsche Generalstab ist sparsam mit solchem Einzellob. Kein Punkt unserer Riesenfrvnten, wo nicht wett über das hinaus, was sich befehlen ließe, dem Baterlande gedient wird, kein Armeekorps und kein Batail lon, das nicht dreifach und vierfach seine Pflicht erfüllte. Man fürchtet ungerecht zu werden, wenn man ans den Millionen bestimmte Gruppen hcranshebt. So läßt sich ermessen, wie cs einzuschätzeu ist, wenn ge legentlich doch von der Regel eine Ausnahme gemacht wird . . . Man muß sich an Ausschnitte und Sondcrbeispicle halten, um eine Vorstellung von dem zu gewinnen, was hier Tapferkeit vermocht hat. Der Zufall führte mich zu einem sächsischen Reservercgimcnt, das die wuchtigsten Stoße des Feindes aushielt und zurückwies. Jetzt lag es nach den ungeheuren Anstrengungen, die es betroffen, in wohlver dienter Ruhestellung und tonnte erzählen . . . Das Regi ment kennt den Krieg der Champagne. Monat um Monat lag es den Franzosen gegenüber. Sieben Wochen lang hat cs in der Winterschlacht ernste Kämpfe bestanden. Nun stand cs an einem Wehrpunkte, gegen den der Feind mit allem wildesten Ungestüm anrannte. Schon seit Ende August hatte mau hier beobachtet, daß die drüben etwas Ungewöhnliches Vorhaben mußten. Die Sommerpause schien sich dem Ende zuzuncigen. Es wurde lebcrrdig bei den Franzmännern. Sie sappten sich mit unverkennbarem Eifer näher heran. Die Flicgerbesuchc mehrten sich. Die Artillerie ward munterer. Die Herrschaften schossen sich ei». Und dann kamen die schrecklichen Tage des Septembcr- cnües. Drei Tage und drei Nächte ging es ohne Pause und Unterbrechung, ein Spritzen und Streuen der schwersten Kaliber. Tic neuen 28-Zentimeter- Geschosse sausten in die Grüben, in die Verbindungswege, um den Gefechtsstand des Regimentskommandeurs. Ter Tag des Weltunterganges schien angebrochen. Die Männer in den Unterständen hören das Furchtbare. Still und ge saßt blicken sie sich in die Augen, drücken sich wohl auch die Hand. Sie wissen, daß der Schutz des ErdwalleS über ihren Köpfen sie wohl gegen Granatsplitter und Schrapnellkugeln verteidigt, daß er aber ohnmächtig märe, wenn ei» Voll treffer der Artillerie gegen die Schicht raste. Ihr Schicksal schwebt über ihnen. Sie fürchten nicht und hoffen nicht, sie