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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 22.12.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-12-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19051222012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1905122201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1905122201
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-12
- Tag 1905-12-22
-
Monat
1905-12
-
Jahr
1905
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 22.12.1905
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V—»erei gab zur Eimichtuug eine Hypothek vo» !15 000 Pik. her. Vn 29. Oktober UAK wurde dc»S lltestanrant ne» crössnct. Cs gkiw in den erste» Monaten glänzend, so daß in nicht ganz 6 Monaten fast 700 Hektoliter Bier ausgeschänkt wurde». Von Weihnachten 1904 an ließ der Verkehr merklich nach. Bereits in» Februar 1905 hantierte Schmidt stark mit Wechseln, mn nur die laufenden Bierrechnunge» bezahlen zu können. Im März und April, als der Zusaninienbrnch des Geschäfts nicht mehr auszn- halten war, bat der Anarklaare unter Verschweigung seiner »nß- lichen Verhältnisse zwei Freuiioe, hiesige Kanflente, um Darlehen aut einige Tage. Er bekomme demnächst von Verwandten eine größere Summe und werde dann alle Verbindlichkeiten regeln Der eine Kaufmann gab 3000 Mk. und wurde durch Abtretung von Mietfvrderungen mit 240 Mk. entschädigt. Der andere hä» digte dem Angeklagten zwei Pfandbriese über je 200 Mk. aus, welche Schmidt bald zu Geld machte. Dieter zweite Zeuge ist um 350 Mk. geschädigt worden. Am 10. Mai miihte zum Ver mögen Schmidts der Konkurs eröffnet werde», wobei sich die Aktiva ans 3050, die Passiva aus 20 000 Mk. stellten. Eine genaue Vermögenöiibersicht war nicht zu erlange». Eine Eröff nungsbilanz lag nicht vor. die notwendigsten Geschäftsbücher be fanden sich i» einer mangelhasten Verfassung. Aach dem Kassa- buche hat Schm bis zum März l!>05 nur 38000 Mk. eingenom men. dagegen 45000 Mk. nnsgegeben. Der Angeklagte wird in vollem Umfange schuldig befunden und zu I Monaten Gefängnis verurteilt. — Der Kaufmann Ernst Mviitz Krug aus Weinböhla betreibt gemeinsam mit seiner Ehefrau Marie Theresia geb. Schmidt rn Weinböhla ein Versand Geschäft unter der Firma „UnionS-Verlag". Der Mann beschäftigt sich außerdem mit der Herstellung kosmetischer und hngienischer Artikel. Beide sollen im Jahre 1903 einer Finna in Klaacusurt unter hochtrabenden Ver sprechungen ein Rezept zur Herstellung von Kokosbutter verkauft und die Abnehmerin um 500 Mk. betrogen haben. Ein strafbares Verschulden kann den Eheleuten jedoch nicht nachgewiesen Werdern Krug allein hat von den Vuchdruckereibesitzern Friedrich Wilhelm Karl Vetter aus Weinböhla und Gustav Hermann Brummer aus Dresden Broschüre» und Prospekte zum teil anstöszigen Inhalts Herstellen und verbreiten lassen und sich selbst in einem Prosvekte den Doktortitel beigelegt. Nach teilweise geheimer Beweisaus nahme wird Krug wegen Vergehens gegen 8 181 des Strafgesetz buches, Anmaßung eines Titels und Ungebühr vor Gericht zu l Monat Gesüngnis, l Woche Hast und 10 Mk. Geldstrafe oder weiteren 2 Tage» Hast, die Mitangeklagten Vetter und Brummer zu je 30 Mk. Geldstrafe oder 0 Tagen Gefängnis verurteilt. die Ehefrau Krug überhaupt ireigesprochen. Das Gericht verfügt die Einziehung der beanstandeten Schriften und die Unbrauchbar- Einzi machung der zur Herstellung benützten Platten und Formen. Die mehrfach vorbestrafte ^chließenn Auguste Karoliiie Wilhel- mine TdomaS verw. gew. Billiger geb. Schmidt wird nach ge heimer Beweisaufnahme wegen Kuppelei zu > Monat Gefängnis verurteilt. — Der 21jährige Gartenarbeiter Oskar Alfred Schmidt stahl im September in einem Hause der Moseustraße einer Wob nungsgenossin Wäschestücke im Werte von 23 Akk., verpfändete sie und verkaufte den Pfandschein. Da Schmidt erst am 20. Oktober d. I. zu 2 Jahren 0 Monaten Zuchthaus und den üblichen Nebenstrafen verurteilt worden ist, erkennt die 0. Strafkammer aus eine Gesamtstrafe von 3 Jahren Zuchthaus. Generalleutnant von Trotha hat in Berlin, einem gelegentlichen Mitarbeiter der „Tägl. Rundsch." einmaligen und ihm verschiedene Mitteilungen über seinen Aufenthalt in Südwestasrika gemacht. Er berichtet darüber u. a.: Dreimal wurde ich von General o. Trotha empfangen und jedesmal hat er auf mich den Eindruck eincs nackeilsteifen O'ftzierS gemacht, der aber einem Menschenkenner deutlich merken läsft, das; er unter dein Soldatenrock ein warmes Herz, ein wohlwollendes Wesen birgt. General o. Trotha erklärte mir u. a. über die südafrikanische Episode in seinem Heben: „Ganz offen will ich Ihne» sagen, und Sie dürfen es auch ohne weiteres veröffentlichen, dag ich seit dem Tage, Ivo ich, dem Befehle meines Kaisers folgend, in die Oejsenllichkeit trat, keine ruhige Stunde mehr hatte. Und wahrlich, übler als der Gegner im Felde hat mir ungerechtes Urteil im Hellnal- lande mitgespielt. Ich werde wich übrigens, nachdem ich meinem obersten Kriegsherrn Bericht ersigtlel, auch vor der Oessenl- lichkeit zu rechtfertige» wissen!" lieber die a n c, e n b l i ck - Di ch e Lage sagte General v. Trotha: ...Kornelius führ! in der Sorge um sein Haupt den Krieg noch im Bethanier-Lande weiter. Eine Erledigung der Morenga-Frage ist erst dann zu erwarten, wenn die im Namalande stehenden und durch Krankheiten, sowie Gesechtsverliisle dezimierten dcutscheii Truppen wieder aus ihre Gefechtsstärke gebracht werden. Tann bin ich überzeugt, das; sich auch dieser letzte fechtende Nest den gegebenen Verhältnissen fügen wird. Das Kommando der Schutztrnvpc bat setzt Oberst Dome übernommen, der sich in Ketmannshoop befindet. Dort weilt auch zurzeit der nach dem Kriegsschauplätze beorderte eng- lischc Oberst Freuch" Bevor sich der Mitarbeiter der „T. N." an den Gencral selbst wandte, suchte er zwei seiner Mitkainpser aui: einen der höchsten Unterführer des Generals und einen schlichten Reiter, der dem Hauvtanartier zngeleilt war und während An ganzen Zeit deni General v. Trotha zur Seite stand. Der Offizier aus seiner Umgebung sagte kurz und bündig, daß er und mit liwi wohl alle übrigen Oftizicre. die in Südwestasrika gekämpft haben oder noch kämpfen, sieh niemals, weder iw Frieden noch »in Felde, einen besseren, wohlwollendere» „,,d für seine Trumm» väterlicher sorgenden Befehlshaber wünschen könnten. Was ober die viel zitierten Erlasse belresic, io Höllen die Beurteiler in der Heimat nur ein einziges Mal die bestialischen Vcrslüm- mclunqen seben müssen, die gerade die H e r c r o s r a n e n an den bilslos daliegenden deutschen Verwundete» verübten und ihre scharfe Kritik wäre dann sicher verstummt. Trotz seiner auf den ersten Bück etwas schroffe» Ausienscite sei gerade General leutnant v. Trotba linier den ihm Näherllebenden als warm herzig im Innersten seines Wesens und als für die Allgemein, beit redlich mitfühlend bekannt, lind was sagte der Mann im Kommiß? Er meinte drastisch: „Erzelle,iz kann einen mächtig anichnanzen, aber darum Hallen wir Soldaten ihn doch olle aufrichtig gern, denn wir wußten, das; er es immer gut meint. Er teilte mit »ns stets den Bissen vom Munde, er reichte uns oft im Sonnenbrand seinen letzten Schluck, und er schlief mu uns unzählige Male im Keren Felde auf dem blöken Erdboden, obwohl sein Reiiewagen daneben in Bereitschaft stand Immer und immer wieder — wie oft stand ich dabei! —' schärfte er den Soldaten ein, daß sie den Frauen und Kindern der Herero und Hottentotten ia nichts Schlimmes zniügen dürsten, ja., das; sie nicht einmal Wiedcrvergcltmig an ihnen üben sollten, selbst wenn man sie bei einer ihrer scheußlichen Greueltcllen beträfe. Wilde seien eben Wilde, aber deutsche Soldaten Wichten sich der hohen Kultur ihres Vaterlandes würdig erweisen!" Unsere Verluste in Südwestasrika betragen bis her im ganzen mit den ermordeten Farmcrfamilien 1997 Seelen. Tie militärischen Verluste vom Beginn des Bondelzwartsausstandcs bis jetzt belaufen sich aus 1 7 7 5 Mann, davon tot 1109, verwundet 666. Wege» Krankheit oder in Rekonvaleszenz befindlich oder weaen llebertritts ins Heer sind heimgeschickt etwa 1000 Mann. Der Gefecht s v erlust der Truppe beläuft sich auf 1172 Mann, davon 1 1 0 Off > z > cre, der zehnte Teil des Ganzen. Gefallen sind vor dem Fcinoe einschließlich der Chargen 499 Mann, verwundet wurden nn Gefecht 634 Mann. Beachtenswert ist die geringe Zahl der an Wunden Gestorbenen l34l im Verhältnis zur Gesamtzahl der Verwundeten 16661 im gleichen Mcche anffcillend die hohe Zahl der an Krankheit Gestorbenen zur Zahl der vor dem Feinde Ge fallenen 504 : 498. Z» bemerken ist hier, das, viele, die als „an Krankheiten gestorben" bezeichnet werden. Opfer der gewaltigen Anstrengungen lnamentlich Herzlähmungs und der schlechten Wasserverhältnisse lTyphnss geworden sind, während klimatische Erkrankungen nur selten Vorkommen und dann ans die Wärme- unterschiede bei Tag »nb Nacht zurückziiführen sind. Gin Wendepunkt für unsere Kolonial- Verwaltnnst scheint bevorzustehen. In kolonialen Kreisen ist man allgemein und mit Recht überzeugt, das; die Hcimbcriisnng des Gonvcr- veurs v. Puttkamer mit seiner endgültigen Abberiisung identisch ist. Diese Abberufung, der eine Reihe weitere: 'wichtiger Personalvcrändcrungen in unserem kolonialen Außen- dicnst folgen sollen, wird in den leitenden Regicrungskreiseu als ei» Wendepunkt in der Verwaltung unseres Kolonialbesitze betrachtet. Weder das System Leut wem »och das System Puttkamer. die beide gründlich Fiasko gemacht haben, soll in Zukunst in den Kolonien slallhabcn. Offenbar von maßgebender Stelle injssirierl, führt eine Berliner Korre spondenz aus: „Es soll gewissermaßen der Typus ai-nes neuen Gouverneurs nach englischem Vorbilde geschallen werden, und dazu ist mit der Berufung des Herrn v. Lind e g u i st aus den Gouvernemenlsposten von Südwestasrika schon ein verheißender! Anfang unternommen worden. Damit wird dann auch jür j immer die Möglichkeit beseitigt sein, daß hervorragende Posten in den Kolonien mit Männern besetzt werden, die weder über die erforderliche Begabung und die besonderen Sachkenntnisse, noch über das Mindestmaß der zu verlangenden Eharokicr- eigenschasleii verfügen und für sich nur die Zufälligkeit emcr günstigen verwandtschaftlichen Konjunktur aiisilhren können. Kaiser Wilhelm selbst hat in letzter Zeit ein ganz besonderes Interesse für unseren Kolonialbesitz. seine Entwicklung und seine Zukunft bekundet, seitdem die Ausstände in Siidwestafrika und Ostafrika den Beweis dafür erbracht habe», daß die nur gar zu leicht als „Nörgler" verschrienen und oe- kämpflen Kritiker unserer kolonialen Verhält nis s e, von manchen llebertreibungen abgesehen, doch ein richtigeres Urteil gezeigt haben als die, nach deren Ansicht sich alles stets und aus alle Zeit hinaus in schönster Ordnung befand. Ter Kaiser hat sich genau über alle hier in Betracht kommen den Fragen unterrichten lassen, sowohl durch zahlreickre Vor träge wie durch persönliches Studium des betreffenden Materials. Uno er Hai dabei eigenen Aussprüchen »ach die Eiusicht gewon nen, daß es uns immer »och an der genügenden Anzahl von Männern kehlt, die geeignet wären, einen engeren Anschluß unserer nicht- europäischen D spendenzen an das deutsche Mutterland herbeizufübren. Er hat ferner dem festen Willen Ansdruck gegeben, baß i» Zukunft nicht nur die horrenden G e l d a n s g a o e n vermieden werden müßten, d:e die letzten Aufstände vcruriachl haben und noch verursache» wer- den, sondern vor allem auch, daß nicht wieder so viel deutsches Blut in Kümpfe» eingesetzt werden dürfe, wo die Eigenart des Landes und die Fechlweiie der Eingeborenen Faktoren schaffen, die notwendigerweise Opfer im Gefolge haben, welche kaum mehr in einem Verhältnisse zu den Ziele» stehen, denen sie ge bracht werden." Diese Anschauung war längst, wie die Korre- sponbenz weiter mitleilt. die des Reichskanzlers, und dieser habe auch die Uebertragung der Kolonialverwallung au den Erbprinzen zu Hohenlohe veranlaßt, in dein er den Reorganisator unseres Kolonialwesens sehe. Zur Lage in Richlan- wird unS von einem früheren höherstehenden russischen Offizier, der genauen Einblick in die Verhältnisse hat und soeben von einer längeren Reise in Rußland nach Dresden zurückgekehrt ist, folgen des geschrieben: Zur Beurteilung der Aussichten für das Gelingen des neuen Ei s e n b a h ii st re i kS, den die revolutionäre Leitung, — als Beginn des allgemeinen Generalstreiks —, wie es scheint, wieder über Rußland verhängt hat, sei folgende Episode mllgeteilt: In diesen Tagen hatten sich zahlreiche Eisenbahn-Beamte und -Arbeiter in einem Hause in Rvstof lProvinz Jaroslavj zu einem „Meeting" versammelt. Kaum war jedoch die Sitzung eröffnet, als das Hans auch schon von einer nicht gerade srenndichastlich gestimmte» Menge umringt war. Steine und große Holzscheite begannen durch die Feilster in die Räume hcreinznsliegcn. und das Klirren der Scheiben, das Polter» der wuchtigen Wurfgeschosse vereinigte sich mit dem unzweidentigen Schreien und Johlen der großen Menge draußen zu einer Harmonie, die für die „bewußten" Eisenbahner nicht gerade verlockend klingen mochte, denn sie be gannen den Schauplatz ihres Meetings schleunigst zu verlassen. Die Menge draußen bildete» aber die Einwohner von Rostof und Umgebung, die an de» dnrchgckostewn Entbehrungen und Ver lusten bei den früheren Eisenbahnstreiks gerade genug zu haben und eine Wiedcrhoinng derselben osscnbar nicht nichr zu wünschen schienen: das Gerücht, das Meeting der Eisenbabner bezwecke die Vorbereitung eincs iimicn Streiks, hatte die Leute veranlaßt, Meeting sowohl wie Streik ans ihre Weise zu verhindern Der Rückzug aber der Teilnehmer a» dem Meeting gestaltete sich zu einem höchst schmerzhaften: beim Verlassen des Hauses wurden sie einzeln von der Volksmenge in Empfang genommen nnd auf das jämmerlichste verprügelt. —- Dasselbe dürfte auch bei neuen Streiks ans den anderen gemeinnützigen Gebieten, ivie Post und Telegraphen ufw., geschehen, wälnend die Arbeiter der Privat-- sabrike» seit den ersten Streiks lehr gewitzigt sei» durfte»: die meisten von ihnen gingen auch früher nur gezwungen mit, und alle fangen jetzt an, an der Streikleitung rrre zu werde»; die versprochenen paradiesische» Resultate sind immer noch nicht da, und die schöne» marxistischen Redensarten genügen um so weniger, als die allermeiste» das fremde, kauderwelsche Zeug einfach nicht versiehe». Unterdessen geben aber immer mehr und mehr Fabriken die Betriebe ans, die Arbeitslosigkeit ergreift die Masten mit ihren bleichen Schrecken, und die 50 Pfg., die die Streikleitung für jeden Tag des Ansstandcs verspricht, - in Wirklichkeit muß jeder Arbeiter immer nur an die Streikkasse zahlen —. könnten, auch wenn sie dauernd sicher mären, die Leute mit ihren Familien vor schlimmem Hungern nicht schützen. Die Ereignisse in Rußland gehen ihrer Reise entgegen. Nach mißlungenem bevorstehende» Generalstreik kommt das letzte Mittel — der „bewaffnete Aufstand" — an die Reihe, denn die russischen Revolutionäre, eigentlich im Grunde doch auch nur verbrecherische Dilettanten und Illusionisten — das könnte jetzt schon bewiesen werden — werden trotz aller Aussichtslosigkeit auch vor diesen, unnützen Blutvergießen mit seinem schrecklichen Gefolge von Mord und gemeinem Plündern und Sengen gewiß nicht znrückschrcckcn. Unterdessen aber wacht Rußland — die tiefen, großen 100-Millwnenwasscii — nach und nach aus dem lange» Schlafe der Trägheit, Tatenlosigkeit. Unwissenheit aus; der bis jetzt zum größten Teile stumme Koloß beginnt sich zu regen, und zwar in völlig anderem Sinne, als die verbrecherischen penitischci' Spekulanten, die Revolutionäre, es sich gedacht hatten: ihr krampfhaft ins Feld geführtes Täuschnngsiiiitlelchen -- das Märchen von den obrigkeitlich organisierlen „schwarzen Hunderten" — täuscht wohl niemand mehr als sie selbst. Ruß land, gereizt, geärgert, sängt an das Spiel satt zu bekommen, und die seit dem Manifest vom 17./30. Oktober eigentlich ver schwindend kleinen Revolutioiisoarleieil erwartet ein Ende mit Schrecken, schlimmer als jede Reaktion es ihnen hatte bereiten können. Sie werden wohl sehr erstaunt sein, diese gefährlichen, verbrecherischen Illusionisten, über das Ende der blutigen, blöd sinnigen Tragödie, die sie, teils treibend, zum größten Teile aber getrieben durch ibre phantastischen, userlosen Impiil e und die Teilerfolge, die mehr einem große», fellale» Mißverständnis, als ihrem Tu» und Lassen zuzuschreiben sind, über ihr un glückliches Vaterland gebracht naben. Kleine Beispiele in Njeihiii, -Odessa, Tomsk usw. Aaben schon gezeigt, wie schrecklich dieses Ende werden wird! Sehnde nur. schrecklich schade, daß auch viele Unschuldige aus der „Intelligenz" m>d aus anders gläubigen Kreisen ebenfalls unler diesen Schrecken leiden werden. Tagesgeschichte Die Unruhe» i» Schanghai. Ein Ed i k t d es K a isers von China weist Chons» an, gemeinschaftlich mit dem Gouverneur von Kiangsn nachdrückliche Maßregeln zur Wiederherstellung der Ordnung in Schanghai zu ergreifen, sich zur Einleitung einer strengen Unter suchung dorthin zu begeben und die Bevölkerung zur Aufrecht erhaltnng der Ruhe »»d Ordnung ciiisznsmdcrn. lieber die V o r a c s ch i ch t e der Unruhe ir entnehmen wir der ,,Köl». Ztg ": Am 9. d. M standen zwei Weiher vor dem gemischten Gerichtshöfe unter der Anklage, 15 junge 'Mädchen ge raubt zu haben. Das Konsulaikorps hatte die europäische» Bei sitzcr des Gerichtshofes küulich ongcwiescn, sämtliche weibliche Gefangene» nach dem städtischen und nicht nach dem chinesischen Gefängnis z» senden. Die beide» Weiber sollten, da ihre Ange legenheit vertagt wurde, in Hast bleiben, und der britische Bei sitzer deS Gciichlshofcs befahl, der Weisung der Konsuln ent sprechend. sie in daS städtische Gefängnis ahznsiihrcn. Der chstie sische Beamte gab de» Gegenbefehl, die Gefangene» in das chine sische Gefängnis zu bringen, worauf dessen Boten sich ans die Polizisten der Europäer stürzten und cs zu einem Hand» gerne ii ge kam. Dorant ries ein zweiter chinesiicher Beamter den Polizisten zu. sie sollten bedenken, datz auch sic Ehiuesc» und keine Fremden seien. Schließlich gelang es der Polizei, den Be seht des biiinchen Beisitzers auszusühreu. Die Sache verinsachte nlSbald viel Aufregung unler den Chinesen, die Versammlungen veranstaltelen und unter Androhung ves Boykotts die Entfernung deS briliicheii Beisitzers verlangten. Der Zivstchenjoll bildete dann de» Gegenstand von Verhandlungen zwilchen deni britischen Gesandten in Peking und dem W a i -- w u si u. Letztere Behörde war schon seit Monaten von dem vor erwähnten Besihlus; der Konsul» in Kenntnis gesetzt worden. Der Gesandte gab sich jedoch mit einer Darstellung des Waiwupu von der Rechtslage zufrieden und lies; die 'Weisung nach Schanghai ergehe», die beiden tlntersiichungsgefangenen lrcizngeben. Das Konjnlarkorps entsprach dieser Weisung, obschon die Gesungenen kraft eines rechtsgültige» Haftbefehls des gemischten Gerichtshofes verhaftet worden waren nnd das Verfahren, das die Konsul» neuerdings für den gemischten Gerichtshof vorgeichrieben hatten, durchaus notwendig erschien, ui» die mißbränchliche Rechtspflege der Chinesen zu bessern. Der Tavlai sah sich dadurch ermutigt und ließ den gemischten Gerichtshof einfach schließen, woraus die schlimmsten Verwicklungen entstehen können. Am 12. d. M. wollten die Konsuln über die Lage be raten, miltlerwefte aber verlangte die europäische Kolonie die Ein setzung eines vorläufigen Koiisulargcrichls. Deutsches Reich. Der Kaiser hat. wie gemeldet, dem Fürsten von Pley zu Pleß die Hcrzvgsw ü r d e für leine Person ver liehen. 50 Jahre sind verflossen, seit Hans Heinrich XI. Fürst von Pleß, Gras von Höchberg, Freiherr von Fnisteuberg als Nachfolger seines Vaters Hans Heinrich X.. des ersten Fürste» von Pleß, die Herrschaft des Füistenlu.nS Pleß antrat. Der jetzt im 76. Lebens fahre stehende Herzog hat während dieser Zeit seinem Vatcrlande große Dienste geleistet. Dem Herrenhaiije gehörte er feit dem Tode seines Vaters an, 1967 bis I87u war er 'Mitglied des nord deutschen Reichstages, 1871 bis 1979 'Mitglied des deutschen Reichstages. Im denlsch-französischen Kriege hat er als Konigl. Kommissar und Militärinspekteur der Freiwilligen Krankenpflege bei der Armee im Felde eine aufopfernde Tätigkeit entfaltet: mit dein Eisernen Kren; 1. Klasse geichinnckt. kehrte er aus dem Kriege zurück. >890 wurde er zu», Mitaliede des preußische» Staatsrats ernannt : seit 1897 ist er Kanzler des Ordens vom Schwarze» Adler. Auch das Amt des Oberstiagermcisters des Kaisers bat er i»ne und säst in jedem Jahre sieht er den Kaiser als Jagdgast ans seiner Herrschaft. 2InS dee ersten Ehe des Herzogs mit Marie v. Kleist slammeiO drei Söhne und eine seit dem IO. September 188l »ist dem Oherslkämmcrer Fürsten zu Solins-Barnth ver niäblte Tochter. Ans der zweiten Ehe mit der Bnrggräfin und Gräfin Mathilde zu Dohnn-Schlobstteii entsprossen ei» Sohn und eine Tochter. Unter der Svitzmarke „T er Kanzler, Tr. Spahn rmd die Reichstags-Tagegelder" schreibt die „Deutsche Tageszlg.": Die Nachricht, daß der Lbertandes- ger-chtspläsideirl Dr. Spahn ziiiu Reichskanzler berufen worden sei, hat in der Presse hie und da die Vermutung hervorgerufen, daß es sich in der Unterredung der beiden Männer um die Einführung oon Tagegeldern für die Reichslagsabgeordneten gehandelt habe. Angeblich soll cs dem Fürsten Büiow gelungen sein, die Bedenken der maßgebenden Stelle zu zerstreuen, und cs >oll zu erwarien sein, daß dem Reichstage bald nach feinem Wiederzusammeniritte eine Vorlage zugehen werde, die im allge meinen aus dem Boden des Zcntrumsaiitrages stehe. Wir haben Grund zu der Annahme, daß diese Vermutungen in der Luft schweben. Oelbst wenn es dem Reichskanzler gelungen jein sollte, die Bedenken zu überwinden, und selbst wen» dem Reichstage eine derartige Voelaae zugeheu sollic. so würde doch kein Grund vorhanden gewesen ieiu, darüber uni dem Herr» Tr. Svahn zu verhandeln, zumal da er dem Reicbslaae augenblicklich nicht angehvrt. Richtig ist ici. daß die Bedenke» gegen Reichstags- diälsn in letzter Zeit iebr abaesihwächt zu sein 'chciuen: und es ist nicht aauz ausgeschlossen, daß der Reichstag sich binnen kurzem ans Grund einer Vundesraisvorlaae mit der 'Angelegen heit belassen wird. Wir halten aber nach wie vor an der An schauung seit, Laß der gegenwärtiae Reichstag nicht für sich, son- der» erst für seinen Nachfolger Tagegelder be schließen kann. Tie jetzigen Abgeordneten sind unter der Vorausietzung der Tiätenlosigkeit gewählt worden: es würde dem Geiste der Verfassung nicht entsprechen, wenn diese Voraus setzung beseitigt würde. Der Bund der Kaufleute hat betreffs der Personen- tarisrefowm dem Reichskanzler eine Eingabe unterbreitet, in der es am Schluffe heißt: „Wir richten an Em. Durchlaucht die ebrerbielige Bitte, durch Einwiikuiig von Reichs wegen eine Zurückstellung der geplante» Betriebsmittelgemcinschaft und der niit ihr verbundenen Personentarisreform zu verhindern, gleich zeitig aber eine Korrektur der zur Verbandst»^ stehenden Projekte in der Richtung aiiznstreben, daß die Perjonentarifreform den Grundsätzen der Einfachheit und Billigkeit unter Anerkennung einer bevorrechteten Stellung der Kaufmannschaft innerhalb des Vcrkehrsshslems, jedenfalls aber unter sorgfältiger Vermeidung einer unwiilschastlichen Belastung deisclbcn, wirklich entspreche." Die „Kölnische Zeitung" schreibt über die angebliche Ent senduiig von d e u t s ch e n K r i e gss ch i ss e n n a ch Ruß land zu», Schutze der dentschen Reichsangcljörigen: „Es heißt, daß einige Kreuzer und Torpedoboote secbercit liegen, um aus- znlanfe», sobald die Lage der gefährdeten Deutschen dies erfordere. 'An der Fahrt werden nicht A' ftlärungsschifse der aktiven Schlacht floltc tcilnehme», sondern einige als Artillerie-Schulschiffe ver wendete Kreuzer. Nach Schilderungen russischer Flüchtlinge ist das Schlimmste von den Aufrührern zu befürchten. Es liegt zuni mindesten die Möglichkeit vor, daß die Einschiffung der Deutschen nn Bord der Handelsdampfcr Ausschreitungen veranlaßt. 'An zu ständiger Stelle wurde uns auf Erknndignng versichert, daß bis heute kein Kriegsschiff oder Kriegssahrzcng Be'" »ach russischen Häfen erhalten hat." scfehl zue Abfahrt Tie reichsosfiziösc „Süddeutsche Korresp." veröffentlicht über die franz ösischen Pläne aus Marokko folgende 21ns lafsung: „Wir haben niemals die Hand auf Marokko legen wollen", so hat der „Teinps" die vor der Kammer verlesene Er klärung des französischen Ministerpräsidenten Ronvier resümiert. „Für die Zukunft hat diese Erklärung ihren Wert als ein ohne Hintergedanken abgegebener Verzicht, an den man sich erinnern wird, wenn wieder Bestrebungen, Marokko französisch zu machen, ans Licht treten sollten. Für die Vergangenheit wird, wer seine Kenntnis der Vorgänge in Fez nicht ans cinseitigen Quellen schöpft, hinter dem „Niemals" ei» Fragezeichen »i a ch e n Es ist eine u » a b ä n d e r l i ch c Tatfache. daß die Sprache des französischen Gesandten St. Rens Taillandier den Marokkaner» die tteberzciigniig eingeflößt hat. Frankreich wolle ihr Land unter seine Oberhoheit bringe». Diese Gefahr war nicht eingebildet. Sie winde cisl dadurch beseitigt, daß der Sultan die Annahme der sianzösische» Forderungen ablehnte nnd auf die Not wendigkeit internationaler Regelung der angeregten Fragen ver wies. Sie würde aber unabwendbar geworden sein, wenn der maioktaiiische Herrscher einen Vertrag unterzcichiiet hätte, der sein Schicksiil als das eines zweiten Ben von Tunis besiegeln und das A»faehc» des schcrisischcii Reiches in die französischen Kolonien Noidasrikas nach sich ziehe» mußte. Ohne das Dazwischentreteu Deutschlands wäre als Ergebnis fianzösisch-marokkanilcher Scmdcr- verhanblimgen ein solcher Vertrag bereits zu stände gekommen. Mit diesem Rechlstilel in der Hand hätte dann die französische Diplv niatie erklären können: Wirhaben für immer die Hand a n s Nt arokko gelegt. Von der Erhaltung des völkerrechtlichen -ckatiw g»o wäre dann keine Rede mehr gewesen. Wir verstehen es. daß inan in Paris über bas Febllchlagen einer früher vc> si'-igten Tcnden; damit hinweggeht. das; man diese Tendenz selbst desavonieil. 'Wir wollen auch andereftcilS das Vergangene iw emwlnc» nicht wieder aiisrollen. loweit dies nicht in iiotgedrniige- ner Abwehr gegen sranzössicbe Angriffe oder auf Grund einer nach wie vvl gebotene» Wachsamkeit gegen neue Aciißernngeii des afiilanische» Imperialismus der Franzose» in Marokko schehen muß." Wir haben bereits die Rückänßernug des englischen Premier- Ministers Eiiinpbcll-Vannermaii an die Aeftesicn der Kaufmann schaft iw» Berlin ober die von dieicn veranstallele Kundgebung für ein d e » i s cl: - c n g ! i s ch cS Ei » n c r » e l> m e » mit» geteilt. Dazu meldet der Draht ans London: Die liberalen Blätter drücken aroße Befriedigung über Eampbell-Bunirermanü Depciche a» die Aelleiien der Berliner Kaninignirschast aus. „Dailn News" sagt, die gegenwärtige liberale Regierung wird ge- Dver-nev Aachpichten. Nr. 384. Sekte 3. Areitag. 2L. Dezember ISV8
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