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72. Jahrgang. Zs 2« Abend-Ausgabe Freitag, 22. Juni 1S2S Gegründet 1858 Dra-tanlchklft: Nachrichte» Lreetze» gernlprecher-Lammrlnummer: SS 2^1 Nur sür R»chtgelpr»che: 20 011 vom 1«. bt« SO.Ainilßr» bei «üglich ,«eimaliger Zustellung srei Hau« 1.10 Mark. vLgUgs^tDövUyr P,stb,jug»prei1 für Monat Juni «.«0 Mark ohne Postjuftellui,a«gcbühr. «inzelnammer 1» Pkennlg. Di« Aiueiaen «erden nach Goldmark berechnet: die einspaltige SO mm breite Zeile l>» Psg., sür auZIväri« tU Big. Familienanzeigen und Stcilengeiuche ohne Rabatt ^t'igrlALil-^ZrLllL» l» Psg., außerhalb 33 Psg., die go mm brcile ReNamezeiie 200 Psg., außerhalb 3S0 Psg. Ossertengebühr »0 Pfg. Autwiirtige «usträge gegen Vorausbezahlung. TchrifNeitung und HaupigelchSsUsteNe: M-rienstraße 3S/42 Druck und Verlag von Liepsch » Nelchardt in Dretde« Posticheck-tkonto 10SS Dretde» Nachd-»ck nur mit deutlich»! Quellenangabi (»Dretdner Nachr."> juläilig. — Unverlangie Schristslückc werden nicht aulbewahrt. Die Trotze Koalition gescheitert. LL.LL L.SÜÜL". «ersuch mit der Weimarer «lalNion «m Sange. Schwere Siratzenkümpfe i« Belgrad und Agram. Stephan Radilfch gestorben? IDrohtmeidung unserer SerltnerSchrlftleituiig.» Berlin. 22. Juni. Wie wir aus der Wilhelmstrabe hören, sind die Telegraphenlinien nach Südslamien noch kaum be nutzbar «nd «an kragt sich in politischen Kreisen, ob Stephan Naditsch überhaupt noch lebe. Jedenfalls gingen gestern in de« Nachmittags-, Abend- und Nachtstunden in Agram Ge rüchte um, dast Stephan Naditsch seinen Verletzungen erlegen sei. Nichtig ist wohl daran, dast sich sein Befinden gestern er heblich verschlechterte. Die Nachricht, dast Naditsch gestorben sei, wnrde auch in Kroatien verbreitet. Vs ist daraufhin zu schweren Unruhen gekommen, über deren Ausmast und Bedeutung sich ein zuverlässiges Bild noch nicht gewinnen lästt. Jedenfalls versammelten sich in folge der Nachricht von dem angeblichen Tode Niditschs in der Kloftcrgassc in Agram gegen SlIÜN Personen, die demon strierend vor die Redaktion des „Jutaryi List" zogen. Da die Polizei sich als zu schwach erwies, um die Menge zu zer- ^aM-rsfwEk«U-, Hera,.gezogen, doch anch diele erwkete» sich als «»Kilos. Bor Den» Eassö, „Korso" wnrden Barrikaden errichtet. Die Wache sah sich genötigt, von der Schustwgsfe Gebrauch zn machen »nd gab MN Schüsse ab. Zwei Arbeiter worden ge tötet und gegen 13 teils schwer, teils leicht verletzt, über 18Ü Verhaftungen wurden vorgenommcn. Gegen 1 Uhr nachts durchzogen Polizei- und Gendarmericpatrouillcn die Strastcn nnd hielte« alle Passanten nach Ausweisen an. Die Leich?» der getöteten Abgeordneten sollen heute morgen 8 Uhr in Agram eingetrossen sein. Die Behörden haben ans diesem Anlast grobe Sicherhcitsmastnahmen getrosfen. Auch in Belgrad kam es zu blutigen Zusammcnstösten. Studenten und Kommunisten veranstalteten in den Abend- stunden einen Demonstrationszug. wobei Ruse gegen die Negierung laut wurden. Die hcrbcieilendcii Gcndarmeric- »nd Polizctbeamten versuchten die Demonstrantc» z„ zer streuen. Diese errichteten jedoch an verschiedenen Straßen ecken der Stadt Barrikaden und griffen die Polizei mit Steinen an. Die Polizei machte von der Schußwaffe Ge brauch, wobei vier Personen getötet und zwölf verwundet wurden. 7N Demonstranten wurden verhaftet. Der Klub der kroatischen Bauernpartei hielt gestern nach mittag eine Sitzung ab, um anläßlich der Ermordung seiner Mitglieder Beschlüsse zu fasse» Man kam dahin überein, baß die Kroatische Banernparici die Skupschtina verläßt und alle Beziehungen zu der Negierung abbrtcht, die sie nicht mehr anerkennt und die sic sür das Verbrechen verantwortlich macht. Damit werden die neuen Staatsgebiete, welche die Bauernpartei vertritt, jedenfalls in schärfste Kampfstellung rohen. Die innennolitischc Lage ist aufs höchste gespannt. Die Erregung in Kroatien wächst non Stunde zu Stunde. Diese gereizte Stimmung gibt ein Artikel des führenden Agramcr Blattes, „Nwosti", wieder, in dem cs heißt, daß der Mörder Naditsch' nur der Vollstrecker eines Planes gewesen sei, den die korrumpierte Clique der Belgrader Hegcmonisten erdacht habe, »m die stärksten Gegner der Hegemonie zu beseitigen. Es müsse ein kroatischer, ein slowenischer und ein serbischer Staat entstehen. In der Todesanzeige der Bauernpartei sür die ihren Ver letzungen erlegenen Abgeordneten Paul Naditsch und Basaritschek heißt rS, daß beide als Opfer eines vorbereiteten Anschlages i» gerechtem Kampf sür die Gletchbcrccliti>q>i»q »»d Menschlich keit gefallen seien. Der Banernklub hat die Beisetzung der beiden Toten auf Staatskosten, welche die Regierung beschlossen hatte, abgelehnt. Ferner wurde das Beileidsschreiben des Ministerpräsidenten mit dem UmfchlaaSvermcrk „W i r d nicht angenommen" zurückgewics««. Die feierliche Beisetzung der ermordeten demokratische» Abgeordneten soll heute nachmittag in Aaram stattiinden. Der Abg. Pernar, der einen Lungenschub erhielt, schwebt in Lebensgefahr, während das Befinden des verwundeten Ab geordneten Grand»« zufriedenstellend ---'^eint. Der radikale Abg. Rattchitkch. der die Tat verübt hat, erklärt, er habe sie bewnstt anSgestthrt. da er nicht länger habe znschen können, wie alles. «aS serbisch sei. mit Schmutz beworfen werde. Ratschitsch sagte, er liebe sich gern ohne Urteil er- schieben. Die Negierung hat tn einer gestern abend abgehaltencn Sitzung nochmals die Lage besprochen »nd beschlossen, vor läufig nicht zurttckzntrcten. Trotzdem glaubt man aber in politischen Kreisen, dast der Rücktritt der Regierung un vermeidlich sei. tDrahimeldung unserer Berliner Lchrtftleitung.I Berlin, 22. Juni. Die Besprechung, die heute der sozialdemokratische Abgeordnete Müller-Franken mit den Führern der sür eine Grobe Koalition in Frage kommenden Rcichstagssraktioncn hatte, dauerte nur eine halbe Stunde. Der Abgeordnete Dr. Scholz erklärte, dast die Deutsche Bolkspartei von ihren bekannten Forderungen nicht abgchcn könne, dast sie insbesondere fcsthalte« müsse an dem sofortigen Baubeginn des vom verflossenen Reichstag be schlossenen Panzerkreuzers; an der Ablehnung des Nationalfeiertages und an der Forderung, dast die anderen Parteien der Dcntschen Bolkspartei die Zusichernn« geben, dast die Verhandlungen zur Umbildung der preustischcn Negierung sofort ausgenommen «nd noch im Juli zum Abschluss geb recht werden. Daraus erklärte der Abgeordnete Müller- Franken, dast unter diesen Umständen weitere Verhandlungen über die Groste Koalition keinen Zweck mehr hätten. Er würde sich mit den Parteiführern nunmehr über die Regierungsbildung anf anderer Grundlage unter halten müssen. Abgeordneter Dr. Scholz verliest daraufhin die Besprechung. Der Abgeordnete Müller-Franken bat nun die anwesende» Parteiführer, nämlich die Abgeordneten Wels iSoz.j, von Gnsrard sZentr.s, Koch (Dem.) und Leicht sBayer. Bp s. bei ihren Fraktionen eine Entscheidung darüber herbeizusührcn, ob sie zu Verhandlungen auf der Grundlage -er Weimarer Koalition bereit seien. Die Parteiführer begaben sich zur Beratung über diese neue Frage zu ihren Fraktionen. Die sofort z«. sammengetretene Sitznng des Zentrums war nur von kurzer Dauer. Die Fraktion nahm lediglich den Bericht ihres Führers von Gusrard über die Parteislthrerbcsprechung entgegen. Im Anschlnst daran trat sofort der Vorstand der Zentrnmssraktion zusammen. Die Fraktionssitzung der Sozialdemokraten, die sich mit der gleichen Angelegenheit be, schästige« wird, beginnt «« 1 Uhr. die der Demokraten um 5 Uhr; Erst nach dem Vorliegender Antworten des Zentrums Wh «Kd Mjjllex sich »um Reichspräsidenten begebe«, ««ihm Bericht z« erstatte». Ae Volk-Partei bleibt fest. Geringe Aussichten für Müller-Frankens neuen Versuch. Die Aussichten sür Sine Weimarer Koalition, die der Abg. Müller-Franken nun tn Angriss genommen hat. sind noch ge ringer als die für die Grosse Koalition; denn namentlich die Bayrische Bolkspartei zeigt gar keine Lust, sich an einer Weimarer Koalition zu beteiligen. Hinzu kommt, daß infolge der Haltung der Bayrischen Bolkspartei, mit der das Zentrum ja in Arbeitsgemeinschaft steht, auch der rechte Zcntrumsslügel eine Weimarer Koalition ablchnt. ES wird nun im Reichstag das Gerücht kolportiert, daß, da sich der Abg. Müller-Franken vielleicht schon in kurzer Zeit ge nötigt sehen wird, seinen Auftrag in die Hände des Reichs präsidenten zurückzugeben, der Reichspräsident vielleicht einem ZcntrumSführcr, und zwar dem Abg. v. GuSrard den Auftrag zur Bildung eines Kabinetts erteilen wird. Der Abg. v. Guerard würde dann, da eine Große Koalition, wenn sie zustande käme, die aussichtsreichsten Mchrheitsverhältnisse hätte, eine solche zu bilden versuchen. Allerdings würden sich auch hier die gleichen Schwierigkeiten zeigen, an denen der Abg. Müller-Franken gescheitert ist. Welcher Weg dann verbliebe, steht im Augenblick noch ganz dahin. In allen rechtsstehenden politischen und parlamentarischen Kreisen ist sedcnfalls das Verhalten der Deutschen Volks partei. welche konsequent an ihren einmal ausgestellten For derungen festhält, lebhaft begrübt worden. Allerdings soll diese Konsequenz, wie'cs heißt, etwas in Widerspruch zu den Ansichten des Parteiführers der Deutschen Bolkspartei, des Reichsanßenministrrs Dr. Stresemann, stehen, doch ist die Fraktion in ihrer überwiegenden Mehrheit in ihrer heute vormittag abgehaltenen Fraktionssitzung, die über drei Stun den dauerte, zu der übereinstimmenden Meinung gekommen, daß sic von ihren.einmal gefaßten Forderungen nicht abgche» könnte, ohne ihrem Ansehen die schwersten Schädigungen zn- rufügen. Die Verleitung in -enAeichslagsausschiissen. Berlin, 22. Juni. Der Acltcstenrat des Reichstags fand heute nach längerer Beratung einen komplizierten Ver teilungsschlüssel. nach dem die Reichstagsausichüsse von den verschiedenen Fraktionen besetzt werden sollen, so daß die Mehrheitsverhältnisse in de» einzelnen Ausschüssen ungefähr denen im Ncichstagspleiium entsprechen. Der Vorsitz in den wichtigsten Ausschüssen fiel der stärksten, nämlich der sozial demokratischen Fraktion zu: es sind dies der Auswärtige, der Haushalt-, der Uebcrwachungs- und der Wirtschaftspolitische Ausschuß. Ferner beschloß der Aeltestenrat, daß die Splitterparteien auch künftig bei großen Debatten nur in der zweite» Rednerrcihe das Wort erhalten, und daß ihre gemeinsame Redezeit knnn dieselbe ist, wie die einer Fraktion Dolschewisierung -es Eherechks. Ein sozialdemokratischer Jnitiativgesetzentwnrf. Berlin, 22. Juni. Die sozialdemokratische Reichstags fraktion hat zur Ehescheidungsresorm den Entwurf eines Jnttiativgesehes beantragt, der zum Ziel hat, die Be stimmungen über die Ehescheidung zu reformieren. Der sozialdemokratische Antrag verfolgt den Zweck, Ehescheidungen zu erleichtern und die Scheidung einer Ehe auch bann schon zuzulassen, wenn eine Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses cingetrctcn ist. Es ist zu erwarten, daß dieses Gesetz bis weit in die linksbürgcrlichen Kreise hinein auf Widerstand stößt, da damit eine weitere Bolschcwisierung des Eherechtes zur Tatsache werden würde. Dr. Stresemann im Schrvarzwaid. Bühlcrhöhc bei Baden-Baden, 22. Juni. Rcichsminister Dr. Stresemann ist zu mehrwöchiger Kur mit Ciattin und Begleitung im Kurhaus Buhlerhöhe eingetrossen. Dr. Enno bei Hoover. Der ehemalige deutsche Reichs kanzler Dr. Cuno, der von der Tagung des Rotary-Klubs znrückkehrtc, unterbrach aus Einladung Hoovers seine Reise für einen halben Tag. Er hatte eine fast einstündigc Unter haltung mit Hoover. Cisenbahnkalastrophen in aller Weit. Zusammenstoß -es Lapplan--Expreß.! «leist .Dabei wurde« vier Personen 0«»««««»«<»«« ^ ' . > » » HM schwer verletzt. Bier Eisenbahnwagen wnrden zcr- Stockholm, 22. Juni. Ein V-Zng nach Norrland, der trümmcrt. gestern abend Stockholm verließ, stiest kurz vor ^2 Uhr nachts > in der Nähe von Bollnäs mit einer Hilfst,okomotivc zu, sammtn. Die drei ersten Wagen des V-Znges sind zertrüipmcrt und inein andergeschobcn. Die Zahl der Toten steht noch nicht fest, wird aber anf 14 ge schätzt. Die Zahl der Verwundeten beträgt ungefähr fünfzig. Die Katastrophe ist wohl darauf znrückzusühren, daß das Gleis an der Nnglücksstclle in beiden Richtungen befahren wurde. Die Lokomotive, die de« Zusammenstob hcrbcigesührt hat, sollte die Strecke tn der Fahrtrichtung von Norden nach Süden benutzen. Sie hat aber ans Ursachen, die noch nicht anfgeklürt sin», z« früh Fahrterlaubnis erhalten, ehe der nordwärts gehende Schnellzug vorbei war. Auch ein russischer Schnellzug entgleist. ... Nach einer Meldung aus Moskau ist der Eebastypoler Schnellzug in -er Nähe von Moskau ent» Neun Todesopfer eines Eisenbahnunglücks in Guatemala. London, 22. Juni. Nach Meldungen ans Guatemala- Stadt ist der Wagen eines Zuges der Western«Railwaq» Company entgleist und einen Abhang hinuntergestürzt. Der Wagen wnrde vollständig zertrümmert. -Nenn Personen wnrden getötet, drei «eitere lebensgesShrlich verletzt. «V Loke un- Verletzte bet einem Grohfeuer ln Damaskus. London. 22. Juni. „Times" berichtet ans Kairo: Bei einem grasten Fcner in Damaskus, durch das verschiedene Basare nnd ei« Hotel fast völlig vernichtet wurden, find sechzig Personen getötet und verletzt worden.