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Dresdner Nachrichten : 07.08.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-08-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192708073
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19270807
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19270807
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-08
- Tag 1927-08-07
-
Monat
1927-08
-
Jahr
1927
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 07.08.1927
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7. 1«7 Fr. ZS7 S-«e 7 Der Dresdner Arbei1s«arkr neigk -nr Verschlechtern«-. Während die letzten Wochen und Monate «inen erfreu- lichen Rückgang an Erwerbslose« brachten, ist leider dies« rückläufige Bewegung seit voriger Woche zum Stillstand ge« kommen. Zu erklären ist die» einmal damit, baß die not- wendigsten «ufräumungSarbetten im Katastrophengebtrt be endet sind und sich die dorthin vermittelten ArbeitSkräste er neut al» arbeitslos angemeldet haben. Außerdem sind nur die Außenberufe, Landwirtschast und Baugewerbe, voll be schäftigt. Die Landwirtschaft insbesondere zeigte einen dauernben Bedarf an landwirtschaftlichen Kräften aller Art, der nur schwer zu decken war. Dagegen wurden durch saison bedingt« Umstände viele Berufe au» Industrie und Handwerk gezwungen, zur Kurzarbeit überzugehen oder größere Ent- Fassungen vorzunehmen. Go meldeten sich zahlreiche Ange- hörige der Schubwaren., Konserven, und Süßwarenindustrie als erwerbslos an. Da auch in dieser Woche insbesondere Jugendliche, die nicht mehr in genügender Anzahl zur Verfügung standen, angefordert wurden, war e» möglich, offene Stellen in der Metall, und in anderen Industrien mit langfristig erwerbe- losen und insbesondere älteren Kräften zu besetzen. Insgesamt wurden während der vergangenen Woche 2606 Stellen durch den Arbeitsnachweis besetzt. Durch den er höhten Zugang an Arbeitsuchenden stieg aber trotzdem die Zahl der Erwerbslosen um 1185 auf 18 476 (17 841). Aus Mitteln der ErwerbSlvsenfürsorge wurden 7668 und aus denen der Krisenfürsorge 2728 Vollerwerbslose unterstützt. Kurzarbeiter-Unterstützung erhielten nur noch »7 Personen. An Dresdner Notstandsarbeiten sind gegenwärtig 1642 be teiligt. während bei städtischen Saisonarbeiten 1652 Mann be- schästtgt werde». — Di« Mchuhmacher-ZwaagSi«»»», hielt lhre Hauptversammlung tn den AnnensLlen ab. Nach Begrüßung der Versammlung gedachte Obermeister Jüptner der durch da» Unwetter tm Erzgebirge Ge- schüdtgten und beantragte tm Austrag de» Vorstände», 266 M. zu b«° willigen. Dieser Antrag wurde mit veisall angenommen. Hieraus erfolgte die Ernennung de» Kollegen Springer zum Ehrenmeister al» Anerkennung sür seine SdsShrige Tütigkett im Vorstand. Al» Ge schzst»ftcllenlelter gab Kollege Springer in ausführlicher Weise den GeschdstSberlcht. Er streifte den Berband»tag in Limbach, den künfti gen Bundestag mit Ausstellung tn Leipzig, die Tätigkeit tm In nung». und Bezirk»au«schuß de» Handwerk» sowie die Tätigkeit der gewerblichen Kommission und der Verwaltung. Notwendig sei «», daß die Kollegen genau Buch führen, um sich vor Uebersteuerung zu schützen und später eventuell reklamieren zu können. Obermeister Angermann und Kollege Besser unterstrichen diese Aus führungen. Obermeister Jüptner bat, daß sich die Kollegen recht zahlreich an ber Kollektivausstellung tn Leipzig beteiligen. Wenn auch für den einzelnen nicht gleich Vorteile herauSsprtngen, so müßte man doch imJnteresse unbAnsehen deSHandwerk» stark vertreten sein. — Im Eentral-Theatrr vom 8. bi« mit 15. August, allabendlich 8 Uhr: Rastelli, der König der Artisten, sowie da» übrige Barietö- Programm. Sonntag, >44 Uhr, dt« gleiche Vorstellung. — Selbstmords Zeuge» aesucht. Am 8. August ist «tn Wächter der Dach- und Schltetzgesellschast Zeuge gewesen, wie ein etwa 2V« bt» Sllsähriger Mann sich abends In der ll>. Stunde von der August»»- brücke tn die Slbe gestürzt hat. Etn« nähere Personen- teschretbung kann der Anzeigererstatter nicht geben. Da annehmbar weitere Personen den Vorgang beobachtet haben werden, die viel leicht tn der Lage sind, nähere Angaben zu machen, werden diese ge- beten, ihre Wahrnehmungen de« LandeSkriminalamt Dre»den, Larr- d«»zentrale für vermißt« und unbekannt« Tote. Schteßgajs« 7. Zimmer 266, zu übermitteln. — Verkehr»»nsall. Ze«ge» gesucht! Am 1. Juni 1927 gegen I Uhr nachmittag» ist an ber Eck« Haupt- und Nitterstraße eine Wasch» srau von einem landwärts fahrenden Straßenbahnwagen, LInle 7, angefahren und zu Boden geworfen worden. An den Folgen de» Unlall» ist sie verstorben. Zeuge de» Vorgang» soll ein bisher nicht ermittelter ZeitungShändler sein, der »ster an der Unsallstelle ge- standen haben soll. Er wird ersucht, sich bet der Kriminalpolizei zu melden, ebenso etwaige andere Augenzeugen. — Diebstähle. Nachschlüsjeldlebe drangen am 8. August mittag» i« der Ublandstraße in etn Milchgeschäft ei». Sir erlangten einen größeren Geldbetrag und nahmen außerdem «tn eiserne» Geld- käftchen, ILXISXb groß. Innen rot gestrichen, Messingtzenkel, mit. Vetter wurden am 1. August zwei wertvolle lachsfarbene FavorllluS- Auchthühner gesteh'«». Sachdienliche Mitteilungen werden an die ürimtnalpollzet erbeten. — Dt« Feuermehr wurde am Freitag mittag 12,49 Uhr na» tzapiermühlengasse 4 geruscn, wo Brikett» sowie Säcke und Bretter, die zum Abdecken de« Brikctthausen» benutzt wurden, aus unermtttelte Weise tn Brand geraten waren. b,18 Uhr abend» er folgte ein Alarm nach Mobschatzer Str. 18. Hier war in einer Küche de» zweiten Stocke« ein Brand durch eine unter Strom ge blieben« elektrische Plättglocke verursacht worden. E» brannten etn Plättbrett und ein Tisch. In der Nacht zum Sonnabend 1,86 Uhr waren in einem Fabrikgebäude Palmstraß« 22 vor der Kessel» seueciing liegende Brikett» durch hcrau»sallcnde glühende Kohlen, teile in Brand geraten. Vereinsveranslallungen. — Wanbrrbnnd Im G. D. A. Sonntag Badewandernnq nach Weixdorf. Tressen 7 Uhr, Jndiistriogeländc, Straßenbahn-Haltestelle. — Bund der Kinderreichen. MonaiSversammlungen: Montag: Bezirk Altstadt-West, Gemeindesaal, Jahnstrabe: Bezirk Cotta, Turnerheim, Hebbclstraße: Bezirk Leuben, Goibrner Anker: Bezirk Rensladi-Oft, Hotel Goldener Apsel; Bezirk Neustadt-West, Wachtelschänk«. Hechtstr. 82: Bezirk Prohli», Gasthos Reick: Bezirk Striesen, Adler» BeretnShau»: Dienstag, den 9. August: Bezirk Löbtau. Thüringer Hos, Deubener Str.: Mittwoch, den 16. August: Bezirk Johannstadt, Bolk»wohlsaal, Gutenbergstraße; Freitag, den 12. August: Bez. Friedrichstadt, Mareollntschlößchen, Marcolini- ftraße 2: Bezirk Altstadt-Ost, Restaurant Theurtch, Neue Gasse: Bezirk Plauen, Liebscher» Restaurant, Zwickauer Straße, sämtlich >48 Uhr, bi» auf Neustadt-Oft, die um 8 Uhr beginnt. — Verein DreSduer Handelsvertreter, e. v. Montag, >48 Uhr, im Italienischen Dörfchen MonatSversammlung. — veret» Sewerbtrelbender Dresden. DtenStag: vcstchtlgnng der Kammgarnspinnerei und Tuchsabrlk non Bruno Kloß u. Sohn tn Bcrnvruch bet Kamcnz. Gemeinschaftliche Abfahrt von DreSden- N,»stabt vormittag» 9 Uhr. Rückfahrt ab Kamenz 19,22 Uhr oder 22,1» Uhr. — Die Vereinsleitung hat beschlossen, da» >m August vor- gesehene Sommersest fallen zu lasten und dafür einen gröberen Geld betrag den Hochwassergeschädigten im Osterzgcbirge zu spenden. » SreiSvcrband der evang.-lnth. Jnngmännervereine Dresdens. Jg«». ber Kreuz,emeiud«. Jugendheim An der Kreuzkirche 8: Sonntag 8 Uhr obend» Vortrag Pfarrer Seidel: „Au» Weimar» großer Zeit." J,m». der JohanneSgemetnd«. Mittwoch 8 Uhr abend« Bibel- besprechung: „Lebendige» Opfer." 8. Die Füße tn Gotte» Dienst. J«n,schar St. JohaaneS. 1. Abt.: Sonnabend, den 18. August, Spielen. 2. Abt.: Sonnabend, den 18. August, Lehrgang. J>«v. Dresde».Pla«e» <Äuserstehung»ltrche>. Da» Heim ist «ährenb der Ferien geschlossen. Jgm». der ZtanSkirch«. Dienstag 8 Uhr Hobe Straß« 49: vor- trag von vunbe»s«kre<Sr Riebold: „Wege zur Heimat." Jg«o. St. P««l«S. Montag 8 Uhr Vortrag im Schützenhos. TonnerStag 8 Uhr Großenhatner Straße 148, Erdg.: vereinbabend. Bund Deutscher Jugendvereiue, Ortsgruppe Dresden. Sonntag oormtttag Geländespiel aus dem Heller. Abmarsch der Jungmänneroeretne Andrea« früh 8 Uhr vom Fürsteuplatz, Löbtau 8 Uhr vom H-im Dtolleftraße 17, Apostel Trachau 7 Uhr vom Wilden Mann. — Jungmännervereln Löbtau, Stollestraß« 17, Sonntag, >48 Uhr, Vortrag M. Welse über Hermann Lön». — Jungmänner verein Apostel Trachau, Böttgerstratze 8. Sonntag, 7 Uhr, Sptelabend. Bund sür Entschiedenes Christentum, DreSde«. J»ngmäun«rgr«ppeu: Sonntag, >48 Uhr, Wethestunde: nach- mittag» 8 Uhr tm Garten. Gruppen Altstadt, Räcknitzftraß« 7: Donnerstag, 8 Uhr. Jngendbiindstunde. Altstadt, Ztnzendorfüraße Nr. 17: Sonntag, 2 Uhr, Wanderung. Tressen Schusterhau» iLluie Nr. IN); Mittwoch, 8 Uhr, vtbelbesprechung. Mruna, vobenbacher Straße 29: DtenStag, 8 Uhr, vibeiauSleguna. Cotta, Pennrtcher Straß« 81: Mittwoch, 8 Uhr, Jngendbunbstunoe. Striesen, Witten berger Straße 21: Montag, X9 Uhr, Der Christ al» Herr. Neustadt, Langcbrückrr Straße 16: Donner»tag, 8 Uhr, vlbelan«legung. — Jnngmädchengrnpp«»: Gruppen Altstadt l, Räcknltzstraße 7: Miss- woch, >49 Uhr, Juaendbiinbftunde. «lsstad« ll: Lbrlsttanstraße 7: Frettag, 8 Uhr, MtstlonSstunde. Meustab», Langebrücker Straße 16: Mittwoch. A8 Uhr, Bitbelbesprechung. Striesen, wtttenberger Straß« Nr. 21: DlenSIag. 8 Uhr, Der Lhrlst, «tn Herr nnd Knecht. Cotta. Peuurtche» Straß« »1; Donn«r»tag, >48 Uhr. Jngenbbunbstnnb«. Trachenberge, Marienhosstraße 89: Frettag. >48 Ubr, vtbel»«sprech»«g. Schermesfer un- Puöerquafle. Artfe»rl«-en vo« jetzt und elujt. Ich wüßte mir keine fesselnder« Beschäftigung al» Berufskunde. Go «tn bißchen treibt sie ja jeder Mensch. Einsicht zur Geltung bringen muß. Ueber nicht» ist »Habet?» die Leute aber gutl" sagt man dann mit dem Brust- Evastochter erbitterter, als über eine Verhunzung ihre» ton brr Ueberzeugung, wenn man sich einmal tm Vorbei gehen überlegt hat. wa» der besondere Borzug dev Berufe» sei. den irgendein Mitmensch auSttbt. Man steht sa immer nur die Sonnenseite. Immerhin, ich gestehe: nicht, daß mir ber Barbier ober Friseur oder Haarformer — e» sind die» aber verschiedene Dinge, die nur tu gewissem Betrachte zu- lammenhängen — als ber begnadetere Sterbliche erschienen, wohl aber al» der Vertreter eine» nicht allein nützlichen, sondern auch höchst abwechslung». und anregung». reichen Berufe» vor ber Seel« gestanden sei. Neulich bin ich sogar aus den Gedanken gekommen, e» sei ein höchst ein- trägltcher Beruf. Ich saß tn diesem Augenblick« gerade be- schäumt und des Messers eines Künstler- tn diesem Berufe gewärtig auf einem Lehnstuhl, den Kopf über meine Schultern verlängert, und Ganymed erzählte mir Staunendem, baß der Barbterberus fett der Vorkriegszeit um 100 Prozent gewonnen habe. Hätte man da» doch eher gewußt! Aber der Mensch soll gründlich sein; und so bin ich zu einem kundigen Ber. treter des Fache» gegangen und habe »interviewt". Da habe ich nun allerdings mein« laienhaften Begrtfse tn mehr als einer Hinsicht revidieren müssen. Nämlich, e» ist gar nicht an dem, baß der »Verschönerung», rat" heute noch auf ber Stufe stünde, auf der er früher ein mal gewesen. Vor 36 und 46 Jahren, ja, da ist der Barbier noch eine sehr vielseitige Persönlichkeit gewesen, nicht allein die Haare verschnitten ober den Gestchtsstachcl entfernt hat er; nein, er war ein Heilküastler tm kleine«. Durchgängig — so bertlbtete mir mein Gewährsmann — stellte er einen Zahntechniker dar; er operierte Hühneraugen — kukirolen kannte man tn jenen finsteren Tagen noch nicht. Er ließ zur Ader, er schröpfte und setzte kunstgerecht Blutegel an; er stach — was er freilich noch heute darf — Ohrlöcher. Mit einem Worte, er war etn sehr vielseitiger Mann und genoß eine allgemeiye Achtung deshalb. Heute bars er die meisten lener Aufgaben nicht mehr erfüllen. Andere haben sie ihm aus der Hand genommen. Und seither ist eS dem Barbtergewerbe gar nicht mehr gut gegangen. Der Vorkriegszeit entstammt der Barbier »für 5 Pfennige". Dazu mechanisierten sich die Obliegenheiten de» BerschünerungSkommtssionörateS mehr und mehr. Was gehört schließlich noch für eine große Kunst dazu, wenn man die Maschine ansetzt und nun nach Belieben des elektrischen Stromes arbeiten läßt. Di« Deutschen hatten oder sollen früher auch viel volleres Haar gehabt haben. Da bedeutete es natürlich etwas anderes, mit der Schere eine anständige Tonsur zurechtzustutzen. Aber die Maschine! Wie überall, bedeutet die Mechanisierung auch hier eine Einbuße an Oualttät der Letstung. Kanu man sich — sagte mir mein Berater — einen Künstler köpf mit der Maschine be- handelt vorstellen? Der Mann hat tn seiner Jugend noch Lenbach behandelt. Freilich kann man auch der Meinung sein, daß eS der deutsche Haarkünstler tn dieser Hinsicht an sich fehlen lasse. WaS man so sehr entbehrt, und, wo es ausnahmsweise geboten wird, so dankbar hinntmmt, ist sach kundige Beratung. Wer unter «nS Männern — Hanß aufS Her, — weih denn, »«8 ihm »steht"? Ich denke mir den idealen Barbterladen mit einer Fülle von Bildern verschiedenster Haar- und Barttrachten ausgestattet, mit Stichen usw. Und der Barbier muß ein Mann sein, der einem sagt, daß einem die und die Tracht besonders glücklich stünde, und auch, warum sie es täte. Er müßte künstlerische Einbildungskraft besitzen, er müßte mehr wissen als man selber. Die hochtönende Frage: Wünschen Sie einen Millimeter oder drei? kann doch wirklich nach keiner Rich tung hin befriedigen. Da» eine ist sicher, daß da» Handwerk feinen Mann vor dem Kriege schlecht ernährte, und daß eS in der Inflationszeit nahezu am Untergange war. Auch heute noch kann sich der Barbier nur halten, wenn er nebenher den Verkaufvon Haarwässern und dergleichen betreibt; oder wenn er Maniküre und Pediküre unten seine Leistungen ausgenommen hat. Noch viel trüber stand es freilich tn der Inflationszeit mit dem Damenberuf. Die Frauen hatten derzeit als gute Hausfrauen, die sie nun einmal von Natur sind, weniger Geld als die Männer; da konnte sich der »Friseur" nur helfen, indem er das Rasier. Messer in die Hand nahm. Bon den zahlreichen Damen friseuren Dresdens find tn dieser schlimmsten Zeit des Be rufes nur zwei ober drei ihrem angestammten Handwerk treu geblieben. Unter Entbehrungen. Di« Rettung brachte der Bubikopf. Genauer gesprochen, brachte sie der kurze Rock und die schlanke Linie, denn die beiden haben den Bubi ja letzten Grundes unvermeidlich gemacht. Und heute ist darum eine Inflation de» HaarformergeschSftS " gekommen. Jeder halbwegs unternehmende Barbier schafft sich einen »Damensalon" an, in dem Ehefrau oder Lehr- Mädchen tätig sind, die kurzgeschorene Mädchenwelt zu ver. arzten. Niemals, so sagte mir mein Sachverständiger, sind unsere Läden so voll Publikums gewesen; niemals sind aber auch so geringe Anforderungen an uns gestellt worben wie jetzt. Wa« haben dagegen die Friseure oder Coiffeure in den Tagen eines Ludwig XIV. oder eines August des Starken für Kunstfertigkeit besessen! Sie hatten die hoch» aufgebauten, auf Befehl des Herrschers eingeführten Frisuren zu richten, die auch — unglückliche Frauenwelt — im Hoch, sommer getragen wurden. Sie waren noch »PerruquierS", und in ihren Läden — man konnte Beispiele noch vor einigen dreißig Jahren sehen — standen die Gipsmodelle der Köpfe ihrer Kunden. Welche» Herabfinken setzt! Gin Haar- schnitt nach Männerart ist ja keine große Sache. Freilich ist ber Beruf durch die neue Mode stark belebt worden. Ein« ähnliche Belebung hat ihm bisher nur ein einziger Mann, ber Franzos« Marcel, gebracht, al» er am Anfang de» IS. Jahrhunderts die Ondulation erfand. Marcel — ursprünglich der Inhaber eine» armseligen Lädchen« in einer Borstadt von Paris — ist durch seine Grsinbung bann auch ber wohl einzige Friseur geworden, der al» Millionär ge. storben ist. Der Damenfriseur stellt gegenüber seinem Kollegen vom Herrenfach zweifellos eine stärker beanspruchte Per- sönltchkett bar. WaS der Mann mit stoischem Gleich, mute über sich ergehen läßt — die Behandlung aus mecha- nischem Wege, vn masss. ohne Individualisierung, ohne Ein- gehen auf die Eigenart, ohne »Psychologie" —, darf man dem empfindlichen Geschlecht der Frauen nicht zumuten. Hier heißt eS also: Persönlichkeiten heraus unter den Friseuren! Die Frauen widmen ihrem Stev Heren große Sorgfalt. Auch sie kommen natürlich mit Wünschen in den Friseur- laben hinein; aber da» Ziel der Schönheit schwebt ihnen dabei vor. Und sie verlangen instinktiv von ihrem Haar- künstler, baß er ihre Intention versiebt. Sein« Auf. gab« kompliziert sich also hier dahin, daß er ber gnädigen Fra» nicht gerade»« widerspreche« darf, daß er aber, bet scheinbar gehorsamem Eingehen aus ihre Wünsche — merke es, Ehemann! — seine Geltung bringen muß. Ueber Überlegene die k>'-' hübschen GestchtchenS. Die Frauen merken natürlich, wenn der Friseur ihrer ausgesprochenen Absicht entgegenhanbelt, wenn er der Dame mit dem schmalen Langgestcht, die daß Haar an den Setten anliegend und den Knoten — sie hat noch eine» — auf dem Htnterkopf halbhoch ausgesteckt wünscht, seitlich die Flechten auflockert und so baS Gesicht tm Eindruck verkürzt: aber sie wagen tn ber Regel nicht» zu sagen. »Er soll dein Herr sein," auch tm Frtseurladen. Nur — richtig muß er seine Sache machen, sein Exempel muß stimmen. Dann werden sie die besten Kunden. Der Damensriseur rückt durch dies« gesteigerte Viel seitigkeit seine» Könnens in nächste Nähe des Königs unter den Friseuren, de» Iheater- frlfeurs. man soll ihn den König nennen, denn bei ihm steigern sich die Anforderungen auf den höchsten Punkt. Ein Theaterfrtseur muß zunächst mal die Malkunst besitzen. Sie verstehen, meine Gnädigste. Und er muß be- urteilen können, wer bargestellt werden soll. Er muß also Geschichte können. Sie wollen Schiller, Friedrich von Schiller, den deutschen Dichter, dargestellt haben? Schön. Aber was ist an dem Manne bezeichnend gewesen, wie muß er geschminkt werden? Schiller besaß die Eigentümlichkeit eines durchaus sommersprossigen Gesichtes: Die Sommersprossen müssen also erscheinen, so zwar, daß die Besucher des Parketts mit den Operngläsern die Pünktlein im Antlitz des großen Mannes erkennen. Goethe war ganz anders. Indes Schiller eine bräunliche Gesichtsfarbe hatte, rühmte sich Goethe einer interessanten Salon, blässe. Etn Mann von sotgnterter Erscheinung, mit ge pflegten Händen. — Oder wollen Sie einen assyrischen Priester dargestellt haben? Ja natürlich, auch die kommen gelegentlich mal dran. Dann dürfen wir die acht Stufe» tn seinem Bart nicht vergessen, denn die sind da» Kenn- zeichen seiner priesterlichen Würde. Der einfache Aflyrer hatte nur eine Stufe tm Bart. Mit einem Wort also: die Kunst deS TheaterfriseurS ist wirklich Kunst. Der Friseur muß auch wissen, bei welcher Beleuchtung ber Spieler auftreten will. Der Filmfriseur — natürlich gibt es den schon, und nicht nur tn dem unausstehlichen Hollywood — schminkt außergewöhnlich stark, so daß da» Gesicht in der Nähe geradezu abstoßend häßlich wirkt. Die grelle Beleuch tung ber Jupiterlampen läßt nachher alles echt, unüber- trieben erscheinen. Uebrigens spielt der Friseur nicht nur für baS Theater, sondern auch als Helfer deS Malers eine Rolle. Kaum wird man sich tn der breiten Masse der Kunstverständigen Rechenschaft davon geben, wie viel der Friseur bet der Entstehung deS einzelnen Bilde» mit- geholfen habe. Lenbach zum Beispiel malte am Bilde eine« hochstehenden alten Herrn mit wundervollem Barte außer gewöhnlich lange. Nur dem Friseur, der während der Dauer des Malens der Berater deS Modells blieb, verdankte der Maler, daß das Modell ihm bis zum letzten Tag« als die Verkörperung dessen erscheinen konnte, als was er eS zu- erst gesehen. Der Friseur ist dabei auch von dem Bilde abhängig, daS das Volk sich von einer Persönlichkeit macht. L» würde lächerlich wirken, wenn er Bismarcks ungepflegten Schnauzbart in wohltätige Fasson legen wollte, damit der Alte auf dem Bilde »schön" erscheine. Wie in jedem Berufe, so macht natürlich auch beim Friseur erst die Hebung den Meister. Ein Friseur muß den Menschen auch tn gewissen physiologischen Eigentümlich- ketten kennen. Zum Beispiel beim HaarfSrbeu. Das frühe Ergrauen ber Frauen ist eine Kriegsfolge. DaS Färben der Haare ist darum heutzutage gesucht. Aber man soll nicht immer färben. Nur bei voller Gesund heit der zu Färbenden kann man die Haltbarkeit der Fär bung versprechen. Auch in'S Raffenkundliche schlägt daS Friseurgcwerbe ein. Merkwürdig ist der Unter schied des Haares bet jeder Rasse, merkwürdig die Ver schiedenheit der Hautfarbe. Der echte Friseur kann den Japaner ohne weiteres vom Chinesen unterscheiden. Amerikanerinnen und Engländerinnen haben sprödes, »storres" Haar, Schwedinnen und Norwegerinnen seiden weiches. Das hat freilich den Nachteil, daß keine Frisur hält. Der kunstvollste Kuppelbau fällt alSbalb wieder ein. Daß der Arlseurtaden auch eine Stätte dramatischer Vorkommnisse ist, läßt sich wohl begreifen. Oft schon ist e» geschehen, daß ein junges Mädchen, vom verwünschten Triebe der Mode gepeitscht, ihr wunderschönes, reiches Haar — reiche» Haar ist «ine der edelsten Zierden der Frau — dem Schermesser preiSgab. Zweifelnd erwog der Friseur; dem au», gesprochenen Willen mußte er in diesem Falle aber gehorchen. Und nun der große Moment: wer hat ihn noch nicht erlebt? ES ist ja eine Schicksalsfrage für die Frau: wie wird eS auSsehen? Nach langer Arbeit ber Blick tn den Spiegel. Da brechen Träne« hervor! DaS naive erste Empfinden ist da» richtige: eine jämmerliche Entstellung! Oder «in anderer Fall: Eine Frau, verheiratet, einfachster Volksschicht zugehörig, hat sich nach langem Hin und Her den Bubt schneiden lassen. Als sie nach Haus« kommt, erklärt der Mann grob heraus: Go kommst bu »icht wieder in «ei« Ha«S Herei». Die Kinder behalte ich. Dem geschickten Friseur, ber die Anähnlichung an bi« Zeit ihre» Haarbesitzes herzustellen vermochte, gelang dt« Heilung ber gefährdeten Ehe. Im ganzen — ich will e» nicht verhehlen — ist mein Friseur mit mir zusammen ein Feind de» Bubi- kvpfe». »Ich sehne mich nach der Zeit, wo ich die Kunst meiner Jugend wieder auSUben kann," sagt er. Und er glaubt nicht an die Dauer dieser Mode. Ein politischer Ums schwung wird sie beseitigen. Mi dem Vubl lähi sich keine große Toilette v tragen. Ewig werben sich die Damen »im Puppenstand" nicht woht fühlen. Und die Herren die Damen nicht entzückend finden. »Das Leben ist eine Rutschbahn," sagt Wedekind. Auch die unbeschreibliche Köstlichkeit des vollen Frauenhaare» wtrd einst wieder auferstehen. O. 6. «1«r 0»u«»ett» yuGllt>l»tztzKg»n ZßrMur M Lo. » tMom^ilo- ». Iopm»1»s»«kß«tntt G ImMnor »tr.N. ,»1. «4GM
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