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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 29.09.1916
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1916-09-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19160929015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1916092901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1916092901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-09
- Tag 1916-09-29
-
Monat
1916-09
-
Jahr
1916
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 29.09.1916
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M'ri? ertigs Lefev am Freitag morgen. Der Reichskanzler verbreitete sich gestern in seiner Rede zur Wiedereröffnung der Rcichstagsverhand- lungen über die allgemeine politische und militärische Lage. Der Aelteslen-Ausscbutz des Reichstages beschloß, daß der Staatshaushaltsausschuß beute seine Beratungen beginnt: die nächste Vollversammlung des Reichstages fiirdet Dvnnerstag. den 5. Oktober, statt. Die Bierverbandsmächte werden ihre» Protest gegen die Anerkennung der Tauchboote als Handelsschiffe bei der amerikanischen Negierung erneuern. , Die Verluste der englisch . französischen Truppen waren in den letzte!, Wochen so bedeutend, dab grobe Transporte Leichtverwundeter nach Italien ge bracht wurden. Der Wert der amerikanischen KricgSliefe- r un gen betrug im letzten Rechnungsjahre nach amtlichen Angaben insgesamt 972 Millionen Dollar. Im Piräus sind 5000 Mann Truppen des Bierver bandes an Land gegangen: vor Korinth sind zwei italie nische Kriegsschiffe eingetrosfen. Die Erste Kammer deS sächsischen Landtages tritt Montag vormittag ^12 Uhr, die Zweite Kammer nachmittags (40 Uhr zusammen. Der Landeskultur rat für das Königreich Sachsen erlägt einen Ausruf mit der Aufforderung zur Zeichnung der fünften Kriegsanleihe. Wctteranfagc der amtl. fächs. L a n d e s w e t t e r w a r t e: Zeitweise Trübung sonst keine wesentliche Aenderung. Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg: Meine Herren! Als nach der Kriegserklärung Italiens an Oesterreich-Ungarn unser Bot schafter Rom verlieb, haben wir der italienischen Negierung mirgeteill, die italienische Armee werde bei ihrem Kampfe mit österreichisch ungarischen Truppen auf deutsche Truppen stoben. Deutsche Soldaten haben dann mit ihren vster- i eichisär-ungariskhen Kameraden vereint an der italienischen Front gefochten. So war äe iacto der Kriegszustand hergeslellt. Eine sörmkiche Kriegserklärung aber erfolgte nicht. Offenbar scheute Italien vor den verhängnisvollen Folgen zurück, die seine wirtschaftlichen Beziehungen zu nnc> nach dem Kriege erleiden muhten. Auch wünschte man in Rom, die Initiative uns znzuschieven. Wir hatten keinen Anlas;, dar- Spiel Italiens zu spielen. Daß unsere Taktik richtig war zeigten die ununterbrochenen Anstren gungen der Entente, Italien zur Kriegserklärung zu be wegen. Ucber ein Jahr lang hielt die italienische Regie rung stand. Am Ende hatten die Daumenschrauben, die England mit der gleichen Rücksichtslosigkeit wie bei den Neutralen, so auch bet seinen Verbündeten ansetzte, zu stark gepreßt. Italien ist in seiner Kriegführung von englischer Kohle und englischem Gelbe abhängig. Und so hat es sich gH schließlich gefügt, wenn auch die italienischen Balkanaspira- uonen mitgewirkt haben mögen. Bekanntlich wünschte ^ Italien auf dein Balkan seinen Einflug auf Gebietsteile au-7-zuslreckeu, die zur Interessensphäre Griechenlands ge- hören. Um nicht ganz ausgeschaltet zu werden, erschien ^ Italien die Teilnahme an der Sarrail-Expedition er wünscht. Und diese wiederum mußte zu erneuten Zu- V mmmenstögen italienischer und deutscher Truppen in Mazc- Z donicn führen. Gleichzeitig hat auch Rumänien sich unseren Gegnern angeichlossen. ^ L Unsere Beziehungen zu Rumänien --^beruhten auf einem Bündnisvertrag, in dem sich die Ver- tragschliehendcn zu gegenseitiger Waffenhilfe im Falle « I eines uuvrovozierten Angriffes von dritter Seite verpslich- 8steten. Nach dem Kriegsausbruch vertrat König Karol mit »» .Energie die Ueberzeugnng. daß Rumänien nicht nur nach Z sr dem Wortlaut des Vertrages, sondern auch um der Ehre A ^ deS Landes willen sich den Zentralmüchtcn entschließen müsse. L «Aber in dem entscheidenden Kabinettsrat drang der betagte 2 2 König mit seiner Meinung gegenüber einer Regierung »'S nicht durch, die von Anfang an überallc bestchendcu L Verträge hinweg mit Ser Entente sympathi- E^sierte. Kurz darauf starb der König an den Folgen der seelischen Erregung, die ihm das Bewußtsein bereitet hatte, ^ daß Rumänien seinen Bundesgenossen verraten hatte. Die rumänische Politik unter Leitung des Herrn Bratianu ging Atz darauf aus, sich auf Kosten des in dem Bölkerkriege unter- . liegenden Teiles zu bereichern, ohne große eigene Opfer ^ bringen zu müssen. Für ihn hieß es, rechtzeitig zu er- SK kennen, auf welche Seite sich die Wagschale des Sieges end gültig neigen werde, um den Augenblick des Anschlußes nicht zu verpassen. Nach dem Kalle von Lemberg schloß erst vermutlich Bratianu hinter dem Rücken seines Königs einen Vertrag mit Rußland, und nach dem Falle von Przemml war die Zeit gekommen, sich über den j Iudaslvh n zu verständigen. Die Verhandlungen schlu- > gen indes fehl. Rußland wünschte seinen eigenen unge heuren Länderbesiv durch die Bukowina zu vergrößern. Auf den Balkan aber hatte Serbien ein Auge geworfen, wäh rend Rumänien nicht nur die Bukowina, sondern auch weitere österreichische Gebietsteile für sich haben wollte. So kam cs nicht zum Abschluß. Aber die rumänische Neutralität nahm immer mehr die Form einer einseitigen Begünstigung der Ententemächte an. Um die Hungerpolitik Eng lands zu u n t e r st ü tz e n. suchte man das von uns auf- gekauste Getreide zurttckzuhaltcn und cs bedurfte unseres lehr energischen Druckes, um seine Freigabe zu erwirken. Nach dem Durchbruch bei Gorlice wurde Bratianu zweifel haft. Die in der Schwebe gehaltenen Verhandlungen mit der Entente gerieten ins Stocken. Als dann aber die große russische Offensive in diesem Frühiahr kam und danach die Angriffe an der Somme, glaubte Bratianu den Zusammen- lruch der Zentralmächte vor sich zu haben. Jetzt war er ent schlossen, an dem vermeintlichen Leichenraube sich zu beteiligen. Auf Serbien brauchte die Entente keine Rück sicht mehr zu nehmen, um so freigebiger konnte sie sich Rumä nien zeigen. Mitte August würde Bratianu mit unseren Gegnern handelseinig. Den Zeitpunkt des LvsschlagcnS be hielt er sich vor und machte ihn von gewissen militärischen Voraussetzungen abhängig. Der König hatte uns bis dahin unverändert versichert, daß er neutral bleiben werde. Am z. Februar d. I. hatte mir der hiesige rumänische Gesandte aus Vesebl seines Königs die formelle Erklärung abgegeben, daß der König entschlossen sei, die Neutralität ausrecht- znerhalten und daß seine Regierung in der Lage sei. Liese auch durchzusühren. Gleichzeitig erklärte Bratianu dem Baron v. d. Busschc, daß er sich dieser Erklärung seines Königs völlig anschließc. lHört, hört!) Wir konnten uns dadurch täuschen lassen. lieber die Verhandlungen Bratianus im August dieses Jahres waren wir fortlaufend unterrichtet. Wir haben den König unter Erinnerung an sein Neutra- litütsversprechcn auf die geheimen Machenschaften hingewicsen. Das gleiche haben wir gegenüber den politi schen Faktoren Rumäniens getan, die entschlossen gegen den Krieg waren. Der König erklärte, er glaube nicht, daß sein Minister sich an die Entente gebunden habe oder binde. Noch sechs Tage vor der Kriegserklärung er klärte der König unserem Gesandten, er misse, daß die große Majorität Rumäniens den Krieg nicht wolle. lHört! Hört!) An demselben Tage versicherte Ser König einem persönlichen Vertrauten, daß er die Mobilmachungsorder nicht unter schreiben werde. Am 26. August, also am Tage vor der Kriegserklärung, erklärte der König dem österreichisch- ungarischen Vertreter, daß er den Krieg nicht wolle. lHört! Hört!) Als Kuriosum erwähne ich nur, dab Bratianu an demselben A>. August dem österreichischen Gesandten er klärt bat, er sei entschlossen, die Neutralität aulrecht zu er halten. Der Kronrat, der für den nächsten Tag angesagt ivar, werde die Wahrheit seiner Worte beiveisen. (Hört! Hört! und Bewegung.) Nach zuverlässigen Nachrichten stellte dann plötzlich Russland das Ultimatum. Ob dieses Ultimatum ein mit Bratianu abgekartetes Spiel war. lasse ich dahingestellt. Briand hat Rumänien für sein Verhalten gelvb». Also politische Zustände, unter denen Minister- und KönigSwvrte nichts mehr galten! Rumänien bat seine Raubpolitik vom ersten Tage abhängig gemacht von der Einschätzung der allgemeinen Kriegslage. Es wird sich ebenso militärisch verrechnen, wie cS sich tn Gemeinschaft mit der Entente politisch bereits verrechnet hat. denn man hoffte doch znversichtlich. die Kriegserklärung Rumäniens werde den Abkall -er Türkei und Bulgariens von uns nach sich ziehen. Aber die Türkei und Bulgarien sind nicht Rumänien und Italien. (Sehr gut! und Beifall.) Fest und unerschütterlich sieht ihre BundeS- treue. (Beifall.) Sie hat aus de» Schlachtfeldern der Dvbrudscha glänzende Siege gefeiert. (Beifall.) Soviel über die politischen Ereignisse. Auf den Schlachtfeldern toben harte Kämpfe in Ost, West und Süd. Seit Anfang Juli dauert fast ohne Unterbrechung an der Somme der erbitterte Angriff der Engländer und Franzosen an. Die große gemeinsame Offensive der Ententeheere, lange vorher angckttndigt, hat eingesetzt. Jetzt sollte cs glücken, jetzt sollte die Front der verhaßten Deutschen durch- krochen. Frankreich und Belgien befreit und der Krieg über den Rhein hinweg nach Deutschland hineingetragen werden. Und was ist geschehen? Wvhl haben die Fran zosen und Engländer Vorteile erstritten, wohl sind unsere ersten Linien um einige Kilometer znrückgedrückt. Auch schwere Verluste an Menschen und Material haben wir zu beklagen. Bei einer in so großem gewaltigen Maßstabe angelegten Offensive ist das unvermeidbar: aber das, was unsere Gegner erhofften und erstrebten, der Durchbruch i m großen Stile, die Aufrollung unserer Stellung im Westen, das ist ihnen nicht geglückt. lBeisall.) Un gebrochen steht unsere Front da. Schwer und hart sind die Kämpfe an der Somme, und ein Ende ist noch nicht abzu- sehen. Sie werden noch manche Opfer kosten, noch ein und das andere Dorf möge verloren gehen, aber durch kommen sic nicht! tLebhafter Beifall.) Dafür bürgt unsere Führung, dafür bürgt die unvergleichliche, die beispiellose Tapferkeit der Truppen aller deutschen Stämme. lBeisall.) Auch im Osten tobt der Kainpf weiter. Nachdem die große Offen sive des Generals Brussilow von den Truppen -es Erz- Herzogs Karl und des Generals v. Linsingen zum Stehen gebracht war, haben schwere russische Angriffe westlich von Luck, an der Najarowka und in den Karpathen erneut ein- gesetzt, und unter blutigen Verlusten der Russen sind sie zusammengebrochen. Auch hier werden die Kämpfe fort gesetzt,- aber auch hier wird gehalten dank dem unvergleich lichen Heldenmut unserer Heere. lBeisall.) Seit einem Jahre ist der neue große Balkanplan der En tente bereit, bestimmt den Bierbund zu sprengen, unsere Vereinigung mit dem Orient zu zerreißen, die Türkei. Bulgarien, Oesterreich-Ungarn, eins nach dem andern niederzuzwingen, um dann die vereinten Kräfte allein gegen Deutschland richten zu können. Seit fast einem Jahre wird als Vorbereitung dazu ein großes Heer in Saloniki unterhalten. Immer neue Dtvksionen treten hinzu, englisches und französisches Völkergemisch von der ganzen Welt wird mit Russen, Serben, Italienern und schließlich Portugiesen zusammengedrillt. Der Verrat Ru mäniens schloß die Kette, und wieder frage ich: WaS tst erreicht? Die Lage unserer treuen und tapferen Verbündeten ist un- erschüttert. Oesterreich-Ungarn steht an der Ostfront zu sammen mit uns bis nach Siebenbürgen. Türkische Trup pen kämpfen in Galizien. Bulgarische, deutsche und türkische Truppen haben die Rumänen in der Dvbrudscha geschlagen, vereint kämpfen sie in Mazedonien. Der Plan der Entente, in der Dvbrudscha und in Mazedonien einen entscheidenden Schlag zu führen, ist im Entstehen gescheitert. Die Saloniki- Armee ist über schwächliche Angriffe nicht htnauSgekommen, und in der Dvbrudscha ziehen bulgarische, deutsche und tttr- kische Truppen gegen Norden, anstatt wie die Feinde eS sich dachten, 'Russen und Rumänen nach Süden. Im ganzen also, meine Herren: An der Sommefront einzelne Erfolge der Gegner, die aber die Gesamtlage nicht ändern: im übri gen erfolgreiche Abwehr aller feindlichen Angriffe und da- mit Durchkreuzen der feindlichen Absichten auf dem Balkan, Scheitern der feindlichen Pläne. (Beifall.) Meine Herren! So geht der ungeheure Krieg weiter! Immer neue Völker stürzen sich tn das Blutbad. Zu welchem Ende diese Kriegs- ziele, die unsere Gegner immer unverhüllter verkünden, führen sollen, das duldet keine Mißdeutung: Erobcrungslust un- VcrnichtungSwille! (Zustimmung.) Ich habe hier wiederholt darüber gesprochen: Konsiantinopel den Russen. Elsaß-Lothringen den Franzosen, das Tftcntinv und Triest den Italienern und jetzt Sieben bürgen den Rumänen. Für uns war seit seinem ersten Tage der Krieg nichts anderes als Verteidigung unseres Rechtes auf Leben, Freiheit und Ent- Wicklung. (Beifall.) Darum konnten wir als die ersten und die einzigen unsere Friedensbereitschaft erklären. Ich habe darüber am 9. Dezember v. I. und später wiederholt deutlich gesprochen. Asguith und Lord Robert Cecil schassen meine Worte nicht mit der Behauptung aus der Welt, wir hätten entweder gar keine oder unerträgliche und erniedri gende Friedensbedingungen kundgegeben. Wir haben das Unselige getan. Wer wagt eS, von uns ein neues Friedens angebot zu verlangen, wenn unsere Gegner, wie eS ganz kürzlich der französische Ministerpräsident Briand getan hat. einen heute zu schließenden Frieden als eine Erniedrigung, den Gedanken an Frieden als eine Heraus forderung, als eine Schmach an das Andenken der Toten bezeichnen'? Wenn manche den Krieg führen, weil sie ihre utopisttschen Kriegsziele zu erfüllen hoffen? (Mit erhobener Stimme): Ihre Eroberungslust ist es. die die Schuld trägt, daß die Berge der Toten sich täglich türmen. (Lebhafte Zu stimmung.) Herr Briand äußerte in einer seiner jüngsten Reden, Frankreich kämpfe für einen festen und dauernden Frieden, tn dem internationale Abmachungen die Freiheit der Nationen gegen jeden Angriff schützen werden. Das woll n auch wir. Wir wollen Deutschland für alle Zeiten und gegen jeden Angriff schützen. (Lebhafter Beifall.) Glaubt Herr Briand. daß Me Ge- danken, die unsere Gegner vor dem Kriege zusammensühr- ten. französische Revanchepolitik, russische Eroberungslust, englische Einkreisung und Weltbeherrschungsdrang. daß der Haßgeöanke und der Vernich tungswtlkc, die Boykottierungstcndcnzcn, die ihre Politik nicht nur fetzt im Kriege, sondern weit über den Krieg hinaus be stimmen, den Boden für internationale Abmachungen bereiten, daß sic allein die Würde der Nationen im Dienste der Sittlichkeit verbürgen? Oder meint Herr Briand ernst lich, sein hohes und ideales Ziel durch einen Vernichtungs krieg erreichen zu können, in welchem die jetzige Jugend Frankreichs auf den verwüsteten Schlachtfeldern an der Somme dahinstirbt? Meine Herren, letzthin ist wieder die Mär aufgewärmt worden, Se. Majestät der Kaiser habe Lurch seinen Einfluß beim Zaren die Entwicklung Ruß lands tn freiheitlichem Ginne gehindert. Diese Behaup tung — ich will das öffentlich feststellen — ist unwahr. Sie ist das strikte Gegenteil der Wahrheit. (Hört, hört!) Im übrigen aber, meine Herren, in innere Zustände an derer Länder mischen wir uns nicht ein. Wie Rußland seine inneren Verhältnisse regeln will, ob autokratisch oder konstitutionell, das ist Rußlands Sache, ich verliere kein Wort darüber. Ich vertrete nur deutsche Inter essen. Nur die Achtung vor dem deutschen Recht, vor den deutschen Interessen ist daS. was wir im Frieden von an-' deren Mächten verlangen, sie mögen unter diesem ob« jenem Regime lebxn. Von England: Was sich England von der erhosften Beute behalten, was eS sich von den Kolonien zueignen will, hat es bisher nicht gesagt. Aber mehr als das. Was dt« Briten au» Deutschland machen wollen, darüber lassen sie keine« Zwei, sel: Militärisch wehrlos, wirtschaftlich zerschmettert und bovkvtticrt von aller Welt, verurteilt zu dauerndem Siech, tum, so sieht das Deutschland aus, das England sich ,» Füßen legen soll. Wenn dann keine deutsche Konkurrenz mehr zu fürchten ist, wenn Frankreich sich verblutet Hai. wenn alle Kriegsverbündeten wirtschaftlich und finanziell England Frondienste leisten, die europäischen Neutralen jedem englischen Geheiß, jeder Schwarzen Liste parieren müssen, dann soll auch ein ohnmächtiges Deutschland den Traum einer englischen Weltherrschaft nicht mehr stören. Für dieses Ziel- kämpft England mit einem tn seiner Ge. schichte unerhörten Kräfteeinsatz, mit Mitteln, die einen VölkerrechtSbruch an den andern reihen. Darum ist England der selbstsüchtigste, hartnäckigste, erbittertste Feind. Ein Staatsmann, der sich scheute, gegen diesen Feind jedes tau,,, liche. den Krieg wirklich abkürzende Mittel zugebrauchen.dieserStaatötnannverdtcnic gehängt zn werden. (Lebhafter Beifall und Hände klatschen.) Ich sehe, daß Sie aus meinen Worten den Grad von Unwillen oder von Verachtung erkennen mögen, Len mir die immer wieder verbreitete Behauptung erwecft. als ob aus einer unbegreiflichen Echonnng, aus veralteter Verständtgungsneigung oder gar aus dunklen Gerüchten, die das Licht des TageS scheuen, gegen jenen Feind nicht jedes irgendwie gebrauchsfähige Mittel angervendct würde. AuS Rücksicht auf das auf jeden unserer AuSürücte lauernde Ausland gehe ich nicht darauf ein. Die Zeit ist zu ernst dazu. Als wir im August 1914 gezwungen wurden, das Schwert zu ziehen» da wußten wir alle, daß wir gegen eine mächtige, ja fast übermächtige Koalition Haus und Hof zn verteidigen hätten. Eine brennende, bisher unbekannte, oft verschwiegene Liebe zum Vatcrlande loderte in allen Her zen auf, kampfesmung und siegesbewußt. Heute nach zwei Jahren des Kampfes und Ringens, des Dnldens und Ster bens wissen wir genauer als je zuvor, daß es für uns nur eine Parole gibt: Durchbalten und siegen, und wir werden siegen. (Lebhaftes Bravo!) Wenn sich im vorigen Winter die Sorge zu regen begann, ob unsere Lebensmittel reichen würden — sie haben gereicht —, stellt uns beute eine neue, gute Ernte alles viel sicherer, als im vorigen Jahre. Ich weiß, reichlich ist es trotzdem nicht. Ich kenne die Schwächen und Mängel der Organisation. Ich hoffe, bas, im Laufe der Beratungen die Herren uns mit besseren Vor schlägen helfen können. Ich kenne die Schwierigkeiten, unter denen zahlreiche Existenzen für ihren Lebensunterhalt kämpfen müssen, ich teile die tiefe Trauer um die Gefalle nen und um die Verstümmelten. Ich neige mich vor allem Heldensinn, mit dem die Opfer getragen werden von Frauen wie Männern ohne Unterschied von Rang und Klaffe, einig in der heiligen Liebe zum Lande, das all ihr Eigen um schließt, das in Arbeit und Kämpfen erworben ist. Hoch und groß ist das, aber höher und größer ist der Todesmut unserer Söhne und Brüder draußen, mit dem sie den wüten den Anstürmen der an Zahl und Geschossen überlegenen, mit äußerster Tapferkeit kämpfenden Feinden trotzen. (Beifall.) Nie hat vordem die Menschengeschichte Slehnliches gesehen. Bor ihren Heldentaten muß unser Leid ver stummen. Kein Wort der Klage darf an ihr Ohr draußen klingen, nur Dank, heißer Dank aus.der Heimat soll ihr Gefährte sein, wenn höllisches Trommelfeuer sie umdröhnt. (Lebhafter Beifall.) Sind wir denn ihrer würdig, wenn wir nicht alles entschlossen drangeben, um ihnen zum Siege zu verhelfen? In diesen Tagen hat das deutsche Volk wiederum Gelegenheit, bei unserer Kriegsanleihe zu beweisen, daß es zu allen Opfern fähig ist, baß es fest an unseren Sieg glaubt, weiß, daß wir uns auch in dieser Sache auf die Kämpfe hinter der Front verlassen, daß jeder Deut sche, der sein Vaterland liebt, cs als eine Ehrenpflicht an steht. durch die Hergabe aller verfügbaren Mittel die Riesen arbeit unserer Streitmacht zu unterstützen und damit das Kommen des Sieges zu beschleunigen. Die Zähne aus- einanüergsbtffe», aber die Herzen und die Hände weit aus. so sollen wir hinter unseren Feldgrauen sieben! Ein Mann, ein Volk! (Lebhafter Beifall!) — Ich komme zum Schluffe: Der Krieg steht vor uns. An die Werke des Friedens zu denken, ist uns nicht vergönnt. Ich las neulich das Wort: „Das Haus brennt. Zu löschen gilt es. Wie wir daS nach her ausstatten, bleibt spätere Sorge." Das mag sein. Und doch: Dieser Krieg — beglückt und erschüttert erleben wir cs täglich aufs neue — er hat uns gezeigt, auf wie festem und unzerstörbarem Fundament unser HauS gebaut worben ist. Was anders befähigte uns denn, diesen Kampf gegen fast die ganze Welt siegreich zu bestehen, als die Liebe zu dem Lande der Väter, die feine Söhne mit unzerreißbaren Banden um schlingt. als die unvcrlorene Kraft der Arme und der Herzen, die im Urgründe des Volkes lebt, aus dem sie in ewiger Er neuerung emporwächst. Nichts von dem, was uns diese Probe bestehen läßt, können wir im Frieden vermissen. WaS sich im Kriege so wunderbar bewährte, wird auch im Friede» leben und wirken. „Unermeßliche Arbeit erwartet un»", so schrieb Friedrich der Große, als der Siebenjährige Krieg zu Ende ging. „Unermeßliche Arbeit" war die Wirkung all der Kämpfe, tn denen wir seit 150 Jahren um unsere Existenz gerungen haben. Unermeßliche Arbeit war unser Glück und soll cS auch weiter sein. Die gewaltigen Aus gaben, die auf allen Gebieten des staatlichen und sozialen, des wirtschaftlichen und politischen Lebens unserer harrten, bedürfen zu ihrer Lösung aller Kräfte, die in unserem Volke leben. Eine Staatsnatwendtgkeit, die sich gegen alle Hemmungen durchsetzen wird, ist es» diese Kräfte, die da sind, die zu schaffen und zu wirken verlangen, für das ganze Volk zu nützen. (Bravo!) Freie Bahn für alle Tüchtigen (Lebhafter Beifall links), das ist die Losung. Die Negierung wird diese Losung vorurteilsfrei durchführen. Dann wird unser Reich festgefügt, weil jeder Stein, jeder Balken mitträgt und mttstüht, einer festen Zu kunft entgegcngehen, bann werden die Starken aus allen Ständen gern und freudig tetlnchmen an den Werken des Friedens, wie jetzt am blutigen Kampfe. (Lebhafter Bei fall im Hause und auf den Tribünen.) Abg. Spahn (Zentr.) beantragt Vertagung der Be- sprechungcn auf Donnerstag, den 5. Oktober. — Abg. Scheidemann (Soz.) erklärt, seine Fraktion hätte es lieber gesehen, wenn sich sofort an die Erklärung des Reichskanz lers eine Erörterung geknüpft hätte. Sie wolle aber dem von allen Parteien des Hauses ausgesprochenen Wunsche sich nicht widersetzen. — Abg. Lebebonr (Soz. Ag.) beantragt sofortige Besprechung. Was der ungarische Reichstag fertig- gebracht habe, das müsse der deutsche Reichstag auch können. Auf etwaige abweichende Wünsche der Regierung brauche man ketne Rücksicht zu nehmen. — Abg. Bafferma«« (ntlb.) stellt fest, daß der Antrag Spahn das Ergebnis der Be- sprechungen im Aeltestenausschuß ist, an denen die Regie rung in keiner Weife beteiligt war. ES sei praktisch rich- ttg» die Fragen der auswärtigen Politik erst im Ausschuß zu besprechen und dann, im Besitz deS gesamten Materials, im Plenum darüber zu beraten. — Der Antrag Lebcbour findet nicht genügende Unterstützung. Der Antrag Spahn wird gegen die Stimmen der Sozialdemokratischen Arbeit«, gcmeinschaft angenommen. Nächste Sitzung Donnerstag, den 5. Oktober, 11 Uhr vormittags. Schluß nach 4X Uhr. »
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