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Nr. 833. Zehnter Jahrg. Erscheint: «glich früh 7 Uhr. Inserate »rrdrn angenouimen« hi» Abends tt,Sonn tag- bi» Mittag- IS Ubr: Marienstraße IS. Mittwoch 83. August 18«S^ >az«ig. in dies Blatt«, da» jetzt in 71 Uxemplaren erscheint, finden eine erfolgreich, Berbreituug. Fkonnemenl: vietteljLhrlich 20 Ngr bet unentgeldlicher Lid« srrung in'» Hau». Durch die Lönigl, Pof vierteljährlich -2 Rgr Eiiijel'ne Nummer» 1 Ngr. Tageblatt für Unterhaltung nnd Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Drobisch. Inseratenpreise: Für den Raum ein« gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Eing»- sandt" die Zeile L Ngr. Druck und Eigenthum der Herausgeber: Estepsch Ä kstelchardt. — DerantwoNlicher Redacteur: InllUS Neichardt. Dresden, den 33. August. — Se. König!. Hoheit der Kronprinz ist in diesen Tagen von Tarasp in der Schweiz hierher zurückgekehrt. Die Krön Prinzessin ist vorläufig noch dort zurückgeblieben. — Ihre König!. Hoheit die Prinzessin Georg hat sich gestern von hier nach Frankfurt a. M. begeben, woselbst sie mit ihrem Gemahl zusammentreffen wird. Bon dort aus be absichtigen die hohen Herrschaften noch eine kleine Neise zu unternehmen. — Mr. Clcllan, der bekannte Unionsgeneral, ist nach dreitägige», Aufenthalt in Dresden, woselbst er im Hotel Belle vue gewohnt, beriils vor mehreren Tagen von hier wieder abgereist und hat sich zunächst nach Frankfurt a. Ai. begeben — Herr Nathsuhrmacher Martini, welchem bekanntlich die Reparatur der so viel besprochenen Neustädter Thurmuhr übertragen worden ist, giebt im „Communalblatt" eine aus führliche Beleuchtung dieser Angelegenheit, welcher wir folgende Punkte entnehmen: ,Als vor 8 Jahren genannte Uhr ausge stellt worden, war der Dienst derselben während der ersten 2 Monate ein zufriedenstellender, dann aber entstanden bedeu tende Differenzen im Gange dieser Uhr, bestehend in ganz un regelmäßigem Zufrühgchen von 10 bis 20 Minuten per Tag. Bei der angestellten Untersuchung, ob etwas los sei oder sich verschoben hätte, ergab sich nicht das Geringste, vielmehr war Alles in der, wenigstens scheinbar untadelhaftesten Oevnung. Ich beobachtete die Uhr und das bei derselben allminutliche Fortsprin en der Z iger (meine Secundenuhr in der Hand) wohl eine Stunde lang ohne Erfo g. Jenes Durchspringen (Fortspringen) der Zeiger geschah vielmehr nach Ablauf jeder Minute so äußerst präcis, daß man seine Freude darüber nicht unterdrücken konnte, und doch mußte selbstverständlich eine ae- heime Ursache vorhanden sein, welche diese unerklärliche Er- . scheinung hervorbrachle. Das räthselhasteste dabei war, daß Tage vorkamen, an welchen jene Differenzen nicht vorkamen. So gingen diese Brxationen wohl eine Woche hindurch unter steten, oft viele Stunden dauernden, die kostbare Zeit rau benden Beobachtungen fort, wobei mich mein Gehülfe, der be reits seit 11 Jahren in meinem Geschäft, ein tüchtiger Uhr macher und denkender Kopf ist, ablösend wesentlich unterstützte, Ich hätte ihm gern die Ehre gegönnt, den Fehler entdeckt zu haben, wenn er so glücklich gewesen wäre. Auch ein College, dem ich meine Roth klagte, stand mir bei meinen Beobach tungen bei, leider aber ebenfalls ohne Erfolg. Endlich gelang es mir, jenes räthsilhafle corpus äelicli aufzufindcn, worauf ich meinen Abhilfeplan entwarf und denselben der betreffenden Behörde vorlegte. Diese ernannte, u:r ganz sicher zu gehen, eine Commission Sachverständiger, welche meinen Verbesser ungsplan prüfte und ihn einstimmig als zweckentsprechend an- erkannle. Diese hierauf von mir ausgeführte Verbesserung hat sich auch vollständig bewährt, und selbst der Erbauer der Uhr, Herr Mann Hardt, konnte ihr, als er vor 2 Jahren bei seiner Anwesenheit hier sein Werk besah, seinen Beifall nicht versagen. Das unregelmäßige Zufrühgehen schlug näm lich plötzlich in ein ganz regelmäßiges Zuspätgehen, täglich genau 18 Minuten, um. Dies lag an der neuen Art der Befestigung der 60 Pfund schweren Pendellinse, welche (die Befesti ung nämlich) in der Theorie und auf dem Papiere ganz sicher erschien, es in der Praxis alnr nicht war. Hieraus geht unwiderlegbar hervor, daß nicht Alle Werke von großen, berühmten Männern gleich gut und sicher sind. Sie schaffen auch mitunter Werke, die kleine Mängel haben; besonders passirt da» denen leicht, die in ihrem Fache Männer des Fort schrittes sind, so wie es Mannhardt ist. Ich habe noch nie einen strebsameren genialeren Künstler gekannt, als es der Großuhrmacher Man-.hardt in München in seinem Fache ist. er ruht und rastet nie, um im-n.r Besseres zu erfinden, und besitzt eine außerordentliche Kühnheit, seine Ideen zu verwirk lichen. Davon zeugt sein Werk hier aur dem Neustädtcr Ki.ch- thurme, denn die Idee, die diesem Werke zu Grunde liegt, ist unbestreitbar eine tiefsinnige, entzückend schöne. Sein Plan dabei war lösender: Die äußerste Richtigkeit des Ganges der Uhr war sein Hauplstreben, deswegen mußte er so bauen, daß die Schwingungen des Pendels möglichst isochronisch wurden, d. h., daß dirselb n in Zeitdauer und Schwingungs bogen fast mathematisch sich gleich blieben. Hierzu war vor Allem nothwendig, daß er das viel Kraft erfordernde Fort- bewegen der 4 Zeigerpaare dem Geywerke e.bnahin, und diese schwere Arbeit dem Viertelstundenschla: werke rU ertrug Düs war jedoch so leicht nicht, denn hierzu war »in etwas compli- eirtes Hebelwcrk von c genthümlichcr Construction nöthig, so daß diese, ganze Mechanismus als eine etwas schwache em pfindsame Seite der Uhr erscheint, was auch Mannhardt, als ich diesen Tadel vor 2 Jahren gegen ihn aussprach, mit den Worten zu erkennen gab: „Ich weiß wohl, ich taue kerne Wieder so." Hieraus geht sonnenklar hervor, daß selbst Mann Hardt wahrheitsliebend genug ist um einzuschen, daß er nicht unfehlbar ist, sondern daß seinem großen Genie auch waS Menschliches widerfahren kann, und nicht alle Schüsse bei ihm das Schwarze treffen Auf die von vielen Seiten an mich gerichtete Frage: „wie es überhaupt komme, daß die Uhr ein paar Wochen hindurch so ganz verwaist still stehen konnte?" glaube ich nicht unterlassen zu dürfen, eine kurze zufrieden stellende Antwort zu geben. Als nämlich das Stehenbleiben der Uhr in den letzten Monaten sich immer öfter wiederholte, machte ich vor längerer Zeit bei der Behörde mit der Bemer kung hiervon Anzeige, daß möglicherweise in kürz rer oder längerer Zeit dieselbe so fest sichen bleiben könne, daß äußere Hilfe fruchtlos sein werde, und ihr nur durch eine Nadical- reinigung und Untersuchung geholfen werden könne. Da nun zu dieser Rei ignug resp. Reparatur zwei Behörden ihre Ein willigung zu geben hatten, und da man von diesen Seiten für gut fand, mit Mannhardt brieflich deshalb zu verhan deln, so muhten darüber natürlich mehrere Wochen Zeit ver gehen, bis diese Angelegenheit zu einem definitiven Abschlüsse kam. Dazu kam, daß der von mir befürchtete Zeüpunkt des gänzlichen Stillstehens der Uhr noch um ein Paar Wochen früher eintrat, als ich gefürchtet hatte, und somit konnte wohl der Argwohn entstehen, daß in einer öffentlichen Angelegen heit zu langsam vor>egangen werde. — In der vorvcrgangenen Nacht gegen 1 Uhr fand auf der Fischhofgasse, in der Nähe der Centralhalle ein Auflauf statt, der mit langandauernder Störung der nächtlichen Ruhe verbunden war. Veranlaßt wurde er durch einen hiesigen Restaurateur, der von einem Unbekannten beleidigt sein wollte, deshalb laut scandalisirte und sich weder durch den herbei- geeilte.r Nachtwächter, noch durch die dazu gekommenen Gen darmen beruhigen ließ. Der Lärm, den er verursachte, wurde immer größer, die Zahl der zusammenlaufenden M-nschen immer bedeutender, so daß sich die Gendarmen endlich veranlaßt sahen, den Mann zu verhaften. Gegenüber der Ankündigung seiner Arretur und der Aufforderung, nach der Polizei zu folgen, erhob er aber lauten Protest, und schlug, als die Gendarmen nunmehr an ihn Hand anlegen wollten, mit Händen und Füßen wie ein Wüihender um sich. Mit Hilfe mehrerer Um stehenden mußte er endlich auf die Polizei getragen werden — — Am vergangenen Freitag Abend verlor ein hiesiger Handlungsreisender auf dem Wege von der Hellig'schen Ne stanration bis auf den Leipziger Bahnhof eine Brieftasche mit 200 Thalern Kassenanweisungen. Zu seiner nicht geringen Freude hat er die Tasche sammt Inhalt gestern durch den orangen Dienstmann Nr. 175, der sie selbst gefunden, wieder zugestellt erhalten. — — Im Zoologischen Garten sind an Thiercn angekom men: 2 Marabu, 5 Paviane, 3 Frankalin-Hühner. Der Marabu, auch Kropfslorch genannt, ist ein sehr interessanter Vogel; er wird in seiner Heimath, am Senegal, und über Haupt im heißen Afrika durch Vertilgung vieler Reptilien und, wie sein Verwandter in Ostindien der Adjutant Marabu (Oieoriia ar-rula), auch durch Verzehrung fauler thierischer Kör per sehr nützlich. Allbekannt sind die von ihm herrührendcn Marabufedern, welche der Vogel unter seinem Schwanz trägt. Ein Rittergutsbesitzer auS dem Voigtlande schenkte dem Gar ten eine merkwürdig aussehmds Ente, welcher dis Schwimm häute fehlen, deren Füße daher den n der Hühner ähneln — Gestern Vormittag wurde vom Exercierplatze ein Ar tillerist mittelst Chaise tn's Militärhospital transportirt, welcher beim Herabstürzen vom Pferde das Bein gebrochen haben sollte. — Eine langsam fahrende Droschke überfuhr gestern Nachmittag in der Nähe des Neustädter Nathhauses ein drei bis vierjähriges Knd, ohne dasselbe wesentlich zu verletzen. — Da« kurze, aber fürchterlich starke Gewitter, das sich vorgestern Mittag gegen 1 Uhr über der Stadt durch einen Blitzstrahl, dem im selben Augenblicke der Donncrschlag folgte, entlud, ist, soweit b-kannt, ohne Schaden für die Stadt vor übergegangen. Man sagte, der Blitz sei an dein Adlciter der Krcuzk-rche niedergesahren. der Thüimer behauptet aber, es sei nicht wahr. Komisch war die Angst eines Lehrburschen, der vom Altmarkt in die Wilüdruffcrstraße mit der Hiobspost stürzte, der Blitz sei unter die Marktfrauen gefahren - es sah freilich, wer von der Ecke der Wilsdruffer- und Schloß- straße Zeuge des Strahls war, täuschend so aus — und alles Gemüse stünde in Brand. Er betheuerte, er habe cs ganz deutlich gesehen. — Herr Eduard Bunzcl, Professor der Kalligraphie cm der Universität zu Prag, wird im Laufe dieser Tage hierselbst wieder einen C rsus Inner bekannten Schreiblehrmethode be ginnen, die ihm seit Jatren schon in Dresden viele Schü ler zugeführt hat. AIS Meister der Schönschreibkunst, ver danken ihm Handwerker eine schöne geläufige Handschrift, deren Schriftzüze früher kaum zu entziffern waren ode. aus Man gel an geeigneter Anweisung sich höchst mangelhaft e wiesen. Die, binnen kurzer Zeit erzielten Resultate sind wahrhaft überraschend,' — Wie die „Preßb. Ztg." berichtet, ist der auch in Dresden bekannte Kunstreiterdrrector Suhr am 15. d M in Temesvar vom Schlag betroffen worden, was seinen sofortiger» Tod zur Folge hatte. — Ein Jndustrientter, welcher vorgestern Abend die hie sige Medinger BierhaUe besuchte und. eingedenk seines Grund satzes: „Um Irrungen zu vermeiden, wird gar nicht bezahlt", nach eingenommenem Beefsteak und Bier sich heimlich drücken wollte, wurde durch die Aufmerksamkeit eines Gaste- in dem selben Augenblicke von der flinken Kellnerin Minna an der Thür abgefaßt, als er im Dunkel der Nacht verschwinden wollte. Seiner Versicherung, er werde morgen wiederkommen und bezahlen, schenkte die couragirte Kellnerin keinen Glauben) sie schüttelte ihn ein wenig an der Brust und ließ es sich nicht nehmen, ihn wenigstens sämmtlichen Gästen als Zechdurch- brenncr vorzustellen. Beschämt schlüpfte er durch die Hin terthür. — Die Bewohner der Maschinenhaus straße sind leider fast täglich Zeugen von Scenen beim Vorübertreiben des Schlachtviehes, welche allem menschlichen Gefühle widerstreben. Ein solcher Act von Grausamkeit und Tierquälerei ereignete sich vor den Augen zahlreicher Erwachsener und der Schul jugend am vergangenen Sonnabend, als ein schweres Stück Rind, nachdem bei ihm die rafsinirtesten Mittel, um dasselbe zum Vorwärtsgehen zu bewegen, vergebens in Anwendung ge bracht worden waren, endlich vor Mattigkeit und blutend zu sammenstürzte. Natürlich konnte bei solchem Trauerspiele nicht fehlen, daß da» versammelte Publikum sich gegen die Treiber wandte und seiner Stimmung gehörig Lust wachte. Zu Aller Befriedigung erschien hierauf die Polizei und gab zunächst Ver anlassung, daß der Weitertransport des daliegenden Thieres mittelst Karren erfolgte. Schließ ich können wir uns der Br- sorgniß, wegen der Nachtheile für das allgemeine Wohl nicht verschließen, die aus dem alsbaldigen Schlachten eines solchen abgehetzten Thieres hervorgehen — Seit mehreren Tagen vermißte man in einem hiesi gen kaufmännischen Geschäft einen Lehrling. Derselbe wurde endlich in einem Stalle desjenigen Hauses, indem sich das Geschäft seines Principals befindet, unter Stroh versteckt auf gesunden und mit Hülfe eines Gensd'arms aus seinem Schlupf winkel hervorgezogen. In seinem Besitz befand sich ein Pistol vor, das geladen war und ein Zündhütchen aufgesetzt hatte. Damit hatte sich der Lehrling angeblich auS Lebens überdruß erschießen wollen. Der Lebensüberdruß löste sich aber später in eine kleine Unterschlagung auf, deren sich dec Lehrling zum Nachtheil seines Principals schuldig gemacht hatte; auf einer solchen war er ertappt und dies für ihn die Veranlassung zu dem Entschluß geworden, sich das Leben zu nehmen — Als Nachlese zum Sängerfeste diene noch folgende komische Episode. Eine der gefeiertsten Sängerinnen Dresdens hatte mit ihrem Bräutigam ein Fenster in der Parterrewohnung von Renner's Restauration in der Marienstraße eingenommen, um den Frstzug vorüberziehen zu sehen. Ein ansehnlicher Korb hübscher Sttäußchen und Bouquets stand vor ihr, um den deutschen Sangesbrüdern aus zarter Hand und sestgestimmtem, begeisterten Herzen den blumigen Tribut zu zollen, der ja in diesen schönen Tagen von den holden Frauen und Jungfrauen Dresdens so reichlich gespendet wurde. Vor Allem war die alte gemüthliche voigtländische Kreisstadt Plauen und deren Sänger bedacht, denn dort sieht unsere Sängerin in gar hohem Ansehen und großer Ehre, wird bei den ersten Familien der S a:t als Lieblingskind gehätschelt, wenn sie einmal bei großen Musikaufführuugen, die der strebsame und äußerst talentvolle Canwr Gast dann und wann arranzirt, dort einige Tage weilt. — Der Festzug dauerte schon lange, die Ungeduld unserer l'rinu, äomin will sich gar Nicht mehr zügeln lassen; endlich sieht sie schon von Wertem das Panier m l dem 'Namen „Plauen"; sie kommnr. die lang Ersehnt ». In wenig Se- eunden ist kein Sträußchen mehr im Korbe; viele der Sauger kommen selbst an's Fenster, um sich die letzte Spende zu holen; kein Blümlein, kein Vlättlei» war mehr zu sehen. Ausgefallen war der Sängerin nur der Umstand, daß sie keine bekannte Persönlichkeit unter Plauens Sängern gesehen. Der unpcsanle Zug gehl weiter; ein 'Musikchor, ein Sängerbund nach dem andern; so dauen's wohl noch eine gute Stunde, ehe de Sängerin wieder eiufernt das Panier sieht „Voigtländischer Sängerbund": ihre Arrsme, knrmleit üertt; sie kommen in alphabetischer Ordnung näher, Advrl, Auerbach endlich Plauen; jeyt, o freudiger Schocken, siebt sie die Bekannten, sie schwel len d.ir Hut, lassen sie stürmisch hoch leben, kommen an s Feilster, aber - - ..le n Brrimlein inehr. der Korb ist l-er." Welch eur Jirlhum. unsere gute Sängerin hatte ihre ganzer»