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SS. Jahrgang. .16 21!. «Mwoch» S. Mai 1S22. Gegründet 18S8 «rabt-nschrM: ».chrtchle» »r«»«. 8»rnl»»ch«r - Sainnulnummek SSSckl Nur tür vachl>»spri>ch«! SV 011, Bezugs-Gebühr M« «mlpaMae L mm breite geil« M. Au! Famüien-nzeigen. Ilnzeiee» unirr Arueiaen-Dreiie. SlkUen-u. W°»»unz^narl>l. l spatlige An. «.Verk»»!« W-(». DorzllgepMI,- iaul 1°"^'!*' Aumnörlige Aiiilriii,» arykN Avrausbr^aiilun». Etn»»In»mm«r I.so W. SchrNllriiun, und LauokqelchLNeLetl»: MertrnNrad« 38/^0. Druck u-D«rla> von >'«»lch ck SleicherU In Drrvd» Pofilcheck-ckonl» 10SS Drevte». «achdrucd nur mU deutlicher Saellenangad, („Dresdner A-chr.'- »Elsig. llnv-riaugie LLnstslüche werden nichl auIbewodN. Schloßstraße 19 (neben 2Ut-Laß»nexn:) ^ l,»rvoee»n»nao yua!I»»t Srstoo Cag«»«LafL mit feinen ÄsnSitoret-Spezialltäten pvlrolcl L Hulkom vfsgclsn Reue Verzögerung der Frankreich verweigert die Unterzeichnung des Memorandums. Geuua, 8. Mal. Barrere erklärte in der Rachmittaqs- sitzuug der ersten Unterkommlssiou, dast er vormittags von Paris Instruktionen erhalten habe, die ihm die Unter zeichnung des Memorandums in der russischen Frage n« möglich machten, Er müsse neue Instruktionen ab- « arten. UNimaltve Forderungen Slsyd Georges an Frankreich? Paris, 2. Mal. Die nationalistische «Liberi«" erhält von ihrem Sonderberichlerslaticr in tzienua ein Telegramm demzufolge Bart hon nach Paris Vorschläge von Llond «George mitnimmt, die einem Ultimatum recht ahn. lich sehen. Wenn Frankreich ihm nicht in seiner russische» Politik bis zum äußersten folge, werde Lloyd George ohne Frankreich mit den Sowjets verhandeln. Wenn Frankreich ablehne, nach San Nemo z« gehen, wo nach Lloyd Georges Wunsch vor dem 81. Mai eine Tagung des Obersten Notes «baehaltcu werden solle, werde er bas als eine A»r Bruch bejra-htcn. Diese drohende Haltung habe gcsiern zu dem be dauerlichen Ergebnis geführt, das, Varthon Belgien «klein gegen das für die Nüssen bestimmte Memorandum protestieren liest. «Wenn mir nicht unsere letzten Fieniidc unterstützen, fügt der Berichterstatter hinzu, lausen wir Ge fahr. morgen vollkommen allein Laznstchen. Wenn wir nichl reagieren, wird Llond George uns zwingen, uns seinem Pkane zu fügen, der die Abrüstung und den Verzicht <!t au! die Reparationen bedeutet." DarHsus und Llond Georges Abreise vs» Genua. ErholungS- oder politische Reise Lloyd Georges? Genua. 2. Mai. Barthou ist heute nach Paris ab- gercrst, um dort Bericht zu erstatten, die Verteidigung gegen eventuell« Angriffe aufznnehmen und Mastnahmcn in der Frage des rnssischeu Korupromisscs zu verabrede»». Die französische Delegation in Genua ist überzeugt, das; Barthous Verhakten dis Billigung des MinistcrratcS finden wird. Vorthou wird Sonnabend wieder in Genua erwartet. Nach seiner Rückkehr sollen die Be sprechungen über den Gottcösricden, die zuletzt völlig ruhten, wieder ausgenomnrru werden. Nach der Abreise Barthons erfuhr man, dast auch Lloyd George noch heute Genua sür 28 Stunden ver lassen wird. Das Ziel seiner Reise wurde nicht bekannt- gegeben. doch dementiert die englische Abordnung ent schieden. dast er nach London zurückkehren ober sich nach Paris begebe» wird. In italienischen Kreisen erinnert man daran, dast Lloyd George schon längst beabsichtigt, mit Frau »nd Tochter Florenz zu besuchen. Vielleicht nutzt er also die Verhandlnngspanse der Konferenz ans. um sich vor Wiederbeginn der Russcnverhandlungeu zu erholen. Antwort an Rußland. Zunächst scheint nur sestzustehen, das, Lloyd George ln Italien bleibt, was natürlich nicht auüschlicstt, das, er noch nach der französischen Grenze fahre» könnte. Bon anderer Sette verlautet, Llond George werde zwei oder drei Wochen länger als man ursprünglich gedacht, in Genna bleiben. Er wird aber inzwischen nach London zurück- kehrcn. um dem Parlament über den Verlaus der Verhand lungen tn Genna zu berichten. Die englische Delegation sieht die Stellung des Pariser Kabinetts gegenüber der Konferenz als bedeutsam verändert an. Llond George glaubt, dast eine Konferenz der Signatarmächie in San Nemo statt- sindeu wird, unmittelbar nachdem er Genua verlassen habe. Englische Bedenken gegen eine Anleihe an Rußland. London, 2. Mai. Dein «Daily Ehronicle" wird ans Genua geschrieben: Wenn tn dieser Woche in den russische» Verhandlungen alles gut gehe, so werde das nächste Stadium eine Konferenz zwischen Llond Gcorgc und Poinearö sein. Danach werde der Weg für die Festsetzung der europäischen Pakte frei sein. Sollten die russischen Verhandlungen nicht abgebrochen werden, so werde die Genueser Konferenz in zwei oder dreiWochen enden. Die graste Schwierig keit sei, das? der russischen Negierung keine Anleihe gegeben würde. Tic Verhandlungen seien sehr heikler Art. Die Frage Lev sofortigen Anerkennung <i« zur« sei keineswegs die schwierigste. Die von den Russe,» geforderte Anleihe von All Millionen Psund könne gar nicht in Frage kommen. Wenn Deutschland beginnen würde, alle Re parationen zu zahlen, so könnte eilte Vereinbarung getroffen werden, durch die ein Teil davon für russische Zwecke ge zeichnet werden könne. Weiter hetstt eS in der Zuschrift: Die letzten Ereignisse bestätigten, dast Frankreich niemals das Risiko einer Anleihe übernehmen würde. Die Mei nungsverschiedenheiten zwischen Lloyd George und Bcnesch in bezug auf die Sanktionen könnten beigelegt werden und seien bereits erledigt. Keine Macht oder Mächtegruppe werde die Vollmacht von Polizisten erhalten. ES sei jedoch nichts dagegen einzuweuden, dast die östlichen Mächte bezüg lich einer gemeinsamen Aktion für den Fall, dast der Bnrg- sricdenpakt verletzt werden sollte, cbcrffo wie England und Frankreich ihre eigenen Pakte beabsichtigten für den Fall, daß Deutschland angrilfe. Wie dev Berichterstatter des «Tailn Cbronicle" in Genua schreibt, sei es schwer, einzusehen, wie Poinearö die Einladung Lloyd Georges nach San Nemo ablehnen werde. Jeder objektive Beobachter in Genna iehc ein, dast der Boykott der Genueser Konferenz von Poinearö von Ansang an sich als ein Fehler erwiesen habe- Ein englisch-russischer Pelrolsumverlrag? Paris, 2. Mai. Nach einer Meldung der «Information" aus Genua soll gestern vormittag in Rapallo ein Vertrag zwischen der S v w j c t r e gi e r n n g und der cnglik ch e n P c t r o l e um g c s e I l s ch a f t Shell abgeschlossen ,vor bei» sein, durch den die Gesellschaft daS Monopol für den Transport und den Verkauf des russischen Petroleums er hält. W. T. B.) Scharfe Worke - ernste Folgen. Tie Krise in Genu« hat sich nunmehr klar und unver kennbar zu einer persönlichen Fehde zwischen Poincar« und Lloyd George zugcspitzt, deren hitziger Charakter auS den zwischen Paris und London hin und her fliegenden Wortgeschossen sclxvcrstcn Kalibers erhellt. Ten Anfang mit dem groben lSeschützfencr hatte Poinearö gemacht. indem er dem englischen Premier unverblümt den Vorwurf des Wortbruches machte. Dieser jeder Rücksichtnahme bare Ausfall PoincaröZ brachte das Temperament Llond Georges begreiflicherweise stark in Wallung, und dir Empiinanngen. die das plumpe und vierschrötige Gebaren des der feineren diplomatischen Kunst ermangelnden Poinearö bei seinem geschmeidigen und auf bessere Formen haltenden Gegner hcrvorgernfcn hat, spiegeln sich mit einer jeden Zweifel ansschlietzenden Deutlichkeit in den Aenhernngen -er Lloyo George zur Verfügung stehenden Londoner Blätter wider. Soweit diese Auslassungen das persönliche Erbiet berühren, können sie an Schärfe überhaupt nicht mehr überboten werden. Cäsarenwahnfinn erblickt ein englisches Blatt in dem Verhalte» PoincaröS, das mit dem Gebaren des tollen Nero verglichen wird, als er mit der Fiedel in der Hand dem von ihm selbst angestifteten Brande Roms znsah. In der Tat. inan kann sich des Eindrucks nicht er wehren. dast Poinearö mit seinem unheimlich anmutenden Treiben zu derartigen Gedanken geradezu herausfordert. ES gehört eine nach deutschen und offenbar auch nach angel sächsischen Begriffen kaum faßbare Verwilderung der ganzen Denk- und Anschauungsweise dazu, um angesichts der un geheuren Friedensiehnsucht Europas, das mit jeder Fiber nach Ruhe und Wiederherstellung der wirtschaftlichen Ord nung lechzt, eine Politik zu befolgen, die auf der ganzen Linie darauf angelegt ist. das europäische NuhebcdLrfniS zu durchkreuzen und die zivilisierte Welt an dem guten Aus gange aller auf die Herstellung eines wirklichen Friedens ohne Lieger und Besiegt; gerichteten Bemühungen ver zweifeln zu lassen. Eine derartige hartnäckige ASschliestung gegen den einmütigen Willen der gesamten Knltnrwelt ist nur einer Persönlichkeit möglich, die sich tu ihrem be sonderen, engen, von Hatz- und Nachegesühsen erfüllten JSeenkrcis fest «ingesponnen hat und keine Fühlung mit einer weiteren Umgebung unterhält. Bon Poincarö gilt das deutsche Dichterwori: „Anders als sonst in Menschen köpfen malt sich in diesem Kopf dir Welt". Wie >ebr der Einslust der allgemeinen Triebkräfte, welche die hohe Politik nutzerhalb des beschränkten Kreises der französisch»!,!, Re vanchepolitiker bewegen, sich auch bei den Vertretern dieser Richtung geltend macht, sobald sie in intimere Berührung mit fremden Elementen kommen, hat sich in Cannes gezeigt, wo Briand die Flinte ins Korn werfen mutzte, weil er cinsah, dast auch die französischen Nevanchepatrioten »ich: mit dem Kopfe durch die Wand rennen können, und wen der damals bereits im Hintergründe lauernde Poincarö ihm die Befolgung einer cinigermasten cinlenkcnden Politik un möglich machte. Auch an Bartbou läßt sich setz! in Genua wieder daS gleiche beobachten. Barihou erkennt und emp findet in Genua mit der ganzen Wucht der Unmittelbarkeit, dast alle Welt sich gegen das französische Verhalten empört, Last Frankreich aus dem Wege, den eS Poincarö führen ivtll,. der völligen Isolierung entgegengeht. und er steht nun mit« !cn in beinsriben Zwiespalt, wie Briand in Cannes, indem er vergeblich nach einem Ausgleich zwischen Len Regungen und Forderungen der internationalen Vernunft aus der eiucn und der Desperadopolitik Poincarös aus der anderen Seite sucht. Für den Fall, dast an dem unbeugsamen Starrsinn PoincaröS die Konferenz scheitern sollte, hat die Londoner Presse in Verbindung mit ihrer persönliche» Abfertigung des augenblicklichen Herrn in der französischen Negierung ebenfalls eine Formel gefunden, die ganz klipp und klar ge halten ist und auch den Schein einer Zweideutigkeit ver meidet. Nur zwei Möglichkeiten sind danach vorhanden: cniweder geht von Genua eine neue friedliche Epoche tn der europäischen Entwicklung aus oder Grostbritaunien zer- ichncidet daS Tischtuch zwischen sich und Fronkreich und leitet damit eine allgemeine politisch Neuorientierung auf dem Kontinente ein. DaS Ist ein großes und bedeutsames Wort, das noch niemals von englischer Seite mit ähnlicher Schärf« und Bestimmtheit ausgesprochen wurde. Frank reich hört hier zum zweiten BLale, was ihm bereits tn Washington durch den Präsidenten Harüing zu Gemüie ge führt wurde. In der amerikanischen Bundeshauptstadt war es auch die unsriedfcrtig« Gesinnung der Franzosen, die den Erfolg der Konferenz bedrohte, und als die Dinge auf des Messers Schneide standen, erliest Präsident Harbin» in der Presse tn einer Form, die keinen Zweifel an der Herkunft der Auslassungen gestatictc. eine Mahnung an die französische Adresse, den Rogen nicht zu Überspannen, da er sonst ohne Rücksicht in aller Ocfsentlichkeit feststellen iverde. wer die Schuld an dem Scheitern der Konferenz trag«. DaS half. Frankreich zog gleich darauf die Krallen ein und gab sich halbwegs gemäßigt. Jetzt hat Llond George das Beispiel des Präsidenten Harding nachgeahwt und in der Londoner Presse ohne Umschweife erklärt, er sei fest entschlossen, die Verantwortung für einen Mißerfolg der Konferenz festznstellen, und die Lenke, welche die Konferenz Dis ReparationskommWonzum Rutziandvertrag „Verletzung des Versailler Vertrags durch das deutsche Abkommen mil Rußland." Paris, 2. Ptai. Tie juristische Abteilung der Rcpara- tionskommilsi 'n bat ihr Gutachten über den Vertrag von Rapallo angegeben. Sie füllt darin lest, dast Deutschland durch Liesen Vertrag die Artikel 23S. 818 und 2«ia des Ver sailler Vertrages verletzt, in denen sich Deutschlaod «in» «erstanden erklärt hat. Last es seine wirtschaftliche» Ein nahmen direkt der Ncparatiouskommission zusühreu wolle, uvü denen zufolge der NrparatioliSkommifston alle Rechte von dentscken Staatsangehörige» zustchcn. die in Rußland Uuternchn'nngcn und Konzejsionen besitze«. sMcd. Tcl.j Französische Truppenverschiebungen im Rheinland. Berlin, 2. Mat. Im Kehler Biückenkopfgcbict werden, wie dem «B. T." gemeldet wird, seit zwei Tagen auffallende Tr n pp e n v e r s ch i e b u » g e n »w» genommen. Augen blicklich ist die von Truppen und Posten besetzte Linie gegen das badische Land hinein verkürzt worden und auS mehreren Ortschaften sind die französische» Vorposten nach Len KortS des Brückenkopfes Kehl zurückgcnommeu worden. Wieder einmal die Arlegsvrozesse im englischen Unterhaus. London, 2. Mat. Im Untcrhanse fragte gestern Sir John Dutcher. ob der Premierminister jetzt in der Lage sei, den Bericht zu veröffentlichen, der im vergangenen Januar von dem vom Obersten Rat zur Berichterstattung über das Verfahren gegen die deutschen KrtegS- Keschulb tgten in Leipzig ernannten Juristenausschnst verfasst wurde, ob ferner der Premierminister den Grund mittcileu könne, weshalb diese KriegSbeschuldigten nicht ge mäß dem Versailler Vertrag unverzüglich abgcurteilt wer den sollten und ob ihre Aburteilung übereinstimmend mit dem Frieden-Verträge balderwartet werden könne. Chamberlain erwiderte, die Antwort auf die erste Frage laute verueincud. Es werde über diese Angelegenheit zwischen den alliierten Negierungen weiter beraten. Die im zweiten und dritten Teil der Anfrage berührten Punkte wurden noch nicht vom Obersten Rat erwogen. >W. T. B.j England lehnl -ie Teilnahme an neuen Zwangsmatznahmen ad. London» 8. Mai. Chamberlain erklärte im Unterhause auf eine Anfrage, England sei durch keiner lei Vertrag verpflichtet, an einer militärische» Aktion gegen Deutschland teilzuuchmen. wen« dieses seine« Verpflich tungen nicht nachkommt. Die englische Negierung sei nicht bereit, mit Frankreich gemeinsame Sache zu mache«, falls diese sich dazu enffchlsrste» sollte, das Rohrgebiet z« besetzen. Der „mitzverslandene" Poineare. London. 2. Mai. Der Sonderberichterstatter des «Daily Cbrontcle" in Paris erklärt, dast Poincare gestern nach mittag vor den Vertretern der britischen Presse über die letzten, in englischen Blättern veröffentlichten Kritiken seiner Rede tn Bar-le-Duc und seine angebliche Feindseligkeit gegenüber der Genueser Konferenz erklärt«, sein« Rede in Bar-le-Duc sei in England mißverstanden worden. Sie bedeute in keiner Weise eine Drohung ans seiten deS ctncn Alliierten gegen den anderen Alliierten. Er habe nicht den Wunsch, die Genueser Konferenz zu tor- vc Vieren, wie gewisse Blätter brbauvtet hätten. Was Rußland anbetrcsse, so werde Frankreich in der Frage der V o r k r i e g ssch ul d e n fest bleiben. Hinsichtlich der tat sächlichen Kriegsschulden sei eS jedoch für Zugeständnisse, ainearö sagte anßerden», er sehe keine Notwendigkeit, den bersten Rat vor Anfang Juni zusammenzn- berufen. Zu diesem Zeitpunkte würden die Alliierte» in der Lage fein, endgültig zu wissen, ob Deutschland innerhalb der ihm gewährten ZciMrenze bis zu« »l. d. M. beabsichtige, di« Entscheidung der RcparatlonSkommlsfion anznnehme«.