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r.-/- Montag 8. Juli 18S7. Tageblatt str Auterhaltuag Md Geschäftsverkehr. Mttredacteurr Theodor -rodisch. ^boonevenl' vierteljährlich -0 Rgr. bei umntgeldticher A— serimg inl Hau« Durch di« «uigl Post -terteljLhrlich « «W:. Ib>S«lu« Nu«««» 1 Ngr. S»se«te«pretse: ^ Mr den Raum eiu« gespalten«» Zeile: » 1 digr. Unter „Singe« ' l«lde- di, L«il, » «gL der Herauggeb«: tkkepfch 4k Nekchardt. — Verantwortlicher Nedaetnrrr IlllkUO RetchsrDt» »re»de«, d« 8. Juli. / » — Die Auszahlung der Vergütungen für die Kriegsein quartierung erfolgt in dieser Woche Montag, den 8. Juli, an die Quartiergeber in den Häusern der Rampeschen Straße, der Ritterstraße, der Räcknitzstraße, der Radebergerstraße; Dienstag, den 9. Juli, der Reitbahnstraßc Nr. 1 bis 26, der RHLnitzgasse Nr. 1 bis 22; Mittwoch, den 10. Juli, der Reitbahnstraße Nr. 27 bis 31, der Rhänitzgasse Nr. 23 bis 27, der Rosengasse, der Rosmarinstraße, des Rosenweges Nr. 1 bis 36; Donnerstag, den 11. Juli, des Rosenweges Nr. 37 bis 67, dgS RäcknitzplatzeS, der Schulgasse, der Schönefelder Straße, der kleinen Schießgasse, der Schanzenstraße ; Freitag, dm IS. Juli, der Scheffelgaffe, der Scheunenhöse, der SchGser- H»ffe, der Salzgaffe; Sonnabend, den 13. Juli, der Schäfer« straße Nr. I bis 41, der großen Schießgaffe, der Schuhmacher gaffe, von 8 Uhr Vormittags bis 2 Uhr Nachmittags im Ex- peditiorslocale der Einquartierungsbehördc: Scheffelgaffe Nr. 5 zweite Etage. — Nach der uns jetzt vorliegenden Nummer des „Moni teur", ist außer den Herren Johann Zimmermann in Chemnitz und Borfig in Berlin anläßlich der Weltausstellung zu Paris von deutschen Maschinenfabrikanten Niemand zum Ritter der Ehrenlegion vom Kaiser Napoleon ernannt worden. Die frühere Nachricht von der Ernennung des Herrn Commerzienrath Richard Hartmann war sonach eine unrichtige. — Bekanntlich sollte nach Dresden vom 1. Juli ab, der Druck und Debit der bis jetzt in Frankfurt a. M. in fran zösischer Sprache erscheinenden Zeitung „l'koropo' übersiedeln. Bis jetzt ist aber merkwürdigerweise der Nedacteur oder Unter nehmer unsichtbar geblieben. Man ist gespannt wie sich die Sache noch aufklären wird. — Mr. und Mme. Antoine van Hamme erste Solotänzer der ersten Theater Amerikas und Europas, werden heute dm 8. Juli in Nesmüllers Sommertheater ein 1 maliges Gastspiel beginnen. — In dem freundlichen Gartcnetabliffement von Nenner in der Marienstraße tritt heute die Coupletsängergesellschaft auf, in welcher wir namentlich Herrn Stahlheuer wiederfinden, der früher den Leipziger Coupletsängern angehörte. Wir erinnern bloS noch an „die langen Arme", mit denm er in dem Couplet „Könnt' Ihr mir was pumpen", und an sein humoristisches Fagotintermezzo, das jedesmal einen stürmischen Applaus hervorrief. — Auch in Kötschenbroda regt und rührt inan sich bereits, um dm unglücklichen Familien zu Lugau eine milde Spende zukommm zu lassen. Wie wir hören, beabsichtigt der dortige dramat. Verein „Concordia" nach dem rühmlichen Vorgänge der Dresdn. „Liedertafel" zu genanntem Zweck am 9. d. M. Abmds 7 Uhr eine Vorstellung in seinem Vereinslokale, dem Saale der Bahnhofsrestauration daselbst, zu geben. „Die Ge legenheit ist günstig" — auch für manchen Dresdner, der sich von dem Vorurtheile zu befreien suchen möchte, daß man außer halb der Stadtmauern keinen Sinn für Poesie finden könne. — Lugau, Sonnabend, den 6. Juli. AbmdS gegen 8 Uhr brachte mich der Chemnitzer Zug nach dem anmuthig ge legenen Lugau, das durch sein entsetzliches Unglück jetzt in Aller Munde ist. Wenn man sonst in dm Feierabendstundm durch sächsische Dörfer wandert, sitzen die Mädchen und Frauen plau dernd, die Männer rauchend vor der Thüre — in einem Berg arbeiterdorf, wo zu jeder TageS- und Nachtstunde ein Theil der Männer unterirdisch arbeitet, gewahrt man dies nicht so häufig, in einem Dorfe aber, wo ein so erschütternder Fall vor- grkoimnm, da war es trotz des köstlichen Abmds still und traurig. Nur selten sah man eine ernste Gestalt durch die Straßen des Dorfe« gehen, und wmn so ein düsterer Bergmann einer anderen gebeugten Gestalt begegnet», drückten sie sich schwei gend die Hände und wandertm nach der einen großen Oeffe, der Unglücksstätte zu. Ich schloß mich einem Paare an — nach dem ich im Gasthofe ein Quartier bestellt, denn die Bahnhofs- restauration war gefüllt mit technischen Beamtm auS allen kö niglichen und Privatwerken, welche eine lange Confermz hiel ten, um über wettere Schritte zu berathm — und gelangte nach halbstündiger Wanderung nach der Stätte des Unglücks. Wen ich sah und sprach von Denen, die einen Verwandten da drunten habm — und da ist fast kein Haus unbetheiligt — der zeigte mir im Ganzm ziemlich viel resignirte Fassung. Man hat fich in dm letzten fünf Tagm ausgrweint, die Thränen sind verfiecht, aber wie tief man ergriffen ist, da» sieht man an dem gebrochenen Gange, dem matten Blick, das merk man an dem dumpfm Brütm des Geistes. Vorbei führt der Weg an dem Schacht „Gottes Segen", wo die Werke im Gange warm und die Bergleute Kohlm zu Tage förderten, als ob nicht wenige Hunderte von Schritten daneben die schrecklichste Seite des Berg mannsberufes zu sehen wäre. Welch einen Anblick aber bietet , der Unglücksfchacht! Da stehen an die Hundert Menschen herum > um da» hohe Gebäude, meisten« leise flüsternd ; man vernimmt ein Schluchzen — eine Mutter rechnet vor, daß, wmn nicht von guten Menschen Hilfe käme, sie für ein Kind wöchentlich nur 17 Pfmnige Unterstützung auS der Knappschastskasse er hielte, und sie hat 6 Kinder! Vorüber — wenn auch das Herz blutet, näher an den Schacht heran! Eine unheimliche Gruppe sieht davor. Rußige Gestalten, halb nackt, ein Grubmlicht vor dem Winde schützend oder eine Pfeife anzündend, düster berathend, was weiter zu thun. Da auf einmal — ein Donnergetöse unter uns! Die Balkm neben mir zittern und unwillkürlich wirft man einen angstvollen Blick um sich. Wieder hat sich ein Stück losgelöst und ist prasselnd zur Tiefe gestürzt; es war heute schon das dreiunddreißigste Mal! Nicht lange daucrts, da kommen aus dem Fahrschacht ängstlich vier Bergleute geklettert; kaum sind sie obm, so werfen sie fich auf die Erde oder in die Arme ihrer Kameraden; dicht unter ihnm hatte sich das Erd reich abgelöst. Doch bald ist der Schrecken überwunden; in eine Tonne werden starke Pfosten geladen und im Förderungs schacht Hinabgelaffen und im Fahrschacht fahren wiederum mehrere beherzte Leute an, um immer tiefer das Gebälks des Schachtes zu verankern und fahrbar zu machen. — Ob sie noch leben? Ob sie zu retten sind? Man erörtert überall diese Frage, neuer dings ist aber die Hoffnung fast auf Null gesunken. ES wäre ein Wunder, wmn sie nicht durch die giftrgen Dünste, welche gerade in jenem Schachte so häufig warm, längst erstickt wären. Doch angenommm — sie leben noch, so giebt es jetzt, so viel ich mich unterrichten konnte, zwei Möglichkeiten, zu ihnen zu gelangm. Zunächst hat man auS Chemnitz eine kolossale Bohr maschine kommen lassen, die heute Morgen in Thätigkeit kom men soll. Dieselbe bohrt Löcher in einem Umfange von 1* , Ellen Rundung. Man beabsichtigt nun, durch das Gestein solch ein Loch zu bohren und dann Röhren von starkem Eisenblech in die gebohrte Oeffnung einzufügcn. Das herabgestürzte Ge stein hc.t sich bekanntlich 150 Fuß oberhalb des Tunnels, in dem die Verschütteten — lebend oder todt — sich befinden, ver sackt. Durch diese Röhren werden dann entweder Bergleute durch - kriechen und in den Tunnel zu gelangen suchen, oder, wenn das nicht möglich ist, wird man sich doch überzeugen können, ob die Verschütteten lebend oder todt sind. Lebm sie noch, so wird man ihnm so lange Lebensmittel und Luft durch die Röh ren zuführen, bis man zu ihnm gelangen kann. Das könnte möglicher Weise mehrere Wochen dauern. — Auszuführen ist dieser ganze Plan, — ob aber in so kurzw Zeit, wie nöthig ist, damit die Verschütteten nicht inzwischen, wenn sie ja noch lebten, verhungern, das ist mehr als fraglich; denn cs ist der ganze Schacht, also 900 Fuß tief, erst zu verankern. Sollte sich nun Herausstellen, daß das unausführbar ist oder nur neue Opfer an Menschenleben kosten würde, so greift man zur letzten Alternative. Man stampft die ganze Masse, die sich eingesackt hat, durch Fallenlaffen kolossaler Gewichte von oben zusammen, daß sie ganz zu Boden stürzt, wenigstens an dem betreffenden Stölln vorbei. Ob dies gelingt und helfm wird, ist wieder eine Frage, über die vielleicht mein nächster Brief etwas mittheilen wird. — Zum Schluß nur die Bemerkung, daß die Arretur des Direktors des Schachtes Seiten der Staats anwaltschaft auf die gesammte Bevölkerung einm guten Eindruck gemacht hat. Der Gefangene ist nach Chemnitz abgeführt wor den; dort ist er wenigstens sicher vor den Ausbrüchen des em pörten Volkes. Auch seine Familie hat sich geflüchtet. Man hat schon seit einem Jahre auf den liederlichen Zustand des Schachtes hingewicsen, indeß hat namentlich der Steiger, der mit verschüttet ist, aus Eigennutz auf keine Reparaturen ge drungen. Der Direktor erhält nämlich von jedem zu Tage ge förderten Hunde Kohlen 5 Pf., der Steiger 2 Pf. Tantieme; der verunglückte Steiger hat immer die Reparatur widerrathen, weil dadurch die Förderung der Kohlen etwas unterbrochen wor den wäre. Am meisten ist man aber auf ihn deshalb erbittert, weil er drohte, jedem Bergmann 1 Thlr. abzuziehen, der seine Schicht nicht abwartete, sondern, als man Unrath merkte, hinauf wollte. So habm die Zimmerlinge berichtet, welche sich trotz des Verbotes des Steigers noch retteten. Nun ruht er wahr scheinlich im gemeinsamm Grabe! — Oeffentliche Gerichtssitzung am 6. Juli. Der Maurerlehrling Carl August Hohlfeld aus Neucoschütz wurde am 7. Mai d. I verhaftet, indem gegen ihn der Ver dacht, ausgezeichneten Diebstahl begangen zu habm, mtstanden war. Heute fand nun die Hauptverhandlung gegen ihn statt. Angeklagter ist 20 Jahr alt und noch nicht bestraft. Am 1. Mai kehrte der Handarbeiter Werner in Reucoschütz in seine Wohnung zurück und fand die Thüre, welche in die Küche führte, offen und das Verschlußmittel, einen Ricmm, beseitigt. Werner kam sofort auf den Gedanken, bestohlen worden zu sein, er sah in seiner Brieftasche nach, welche er in einem Schranke liegen hatte und fand, daß ihm 20 Thlr. in Papier geld abhanden gekommen war, das übrige seines Vermögens, vielleicht noch 80 Thlr. fand fich noch in der Brieftasche vor. ' Werner Mt an, daß er nach dem Geld mehrere Tag« nicht - gesehen habe, auch nicht wisse, ob am 1. Mai früh die Thür nach der Küche mit dem Riemen angebunden gewesen sei. Der Verdacht diesen Diebstabl begangen zu haben lenkte sich auf Hohlfeld der mit den Lokalitäten bekannt war, da er früher in derselben Stube mit seinen Eltern gewohnt und man in Er fahrung gebracht hatte, daß er in Besitz von Geld gewesen war, obgleich er in den Monaten Januar bis März sich ohne Ver dienst befunden hatte. Hohlfeld befand sich auf dem Ar beitsplätze in Gittersee, als am 7. Mai der Gensdarm dorthin kam, da soll nun Hohlfeld plötzlich sein Schurzfell und Hand werkzeug im Stiche lassend, eilig sich entfernt haben. Einige Stun den nachher fand seine Arretur statt und Hohlfeld wurde im Besitze von 7 Thlr. gefunden, über dessen Erwerb Hohlfeld an- gab, er habe in den ersten Tagm des Mai von seinem Vater 20 Thlr. geborgt erhalten, wovon er sich auch einen Rock für 8 Thlr. gekauft hätte. Hohlfeld stellte in Abrede, den Dieb stahl begangen zu haben, wmn er sich vom Arbeitsplätze am 7 Mai entfernt habe, so rühre dies davon her, weil ihm - schlecht geworden sei, den Gensdarm habe er damals gar nicht gcsehm. Die Aussagen des Verletzten, der nicht einmal be stimmt weiß, wie viel Geld er in der Brieftasche gehabt hat, sind unbestimmt und also auch für dm Angeklagten nicht sehr gravirend. Aus der Beweisaufnahme war auch nicht ersichtlich, wieder Dieb in die Wohnung, namentlich in die Küche gekommm ist^ indem der Schn des Verletzten angiebt, die Küchmthüre verschlossen vorgefunden zu haben und auch ein offenes Fenster nicht vorge funden wurde. Sehr belastend wirkt nun die Aussage des Vater« des Angeklagten, der bestimmt angiebt, seinem Sohn nicht 20 Thlr. geborgt zu haben, er sei nicht der Mann, der so viel Geld da liegen habe. Hohlfeld bleibt bei seiner Aussage stehen, und macht die Art und Weise, wie er seinem Vater gegenübrr tritt, einen höchst unangenehmen Eindruck. — Bei der Aus- suchung fandm sich noch mehrere Glassachen vor, über deren Erwerb Hohlfeld Angaben des Erwerbs macht. Herr Glas fabrikant Zechel bezeichnet sie als aus seiner Fabrik herrührend. Vom Vorsitzenden wird dm: Angeklagten eingehalten, daß er wohl nicht in der Lage gewesen sei, eine geschliffene Vase und Gläser sich anzuschaffen, auch würden in Glashandlungen fertige Sachen verkauft, während bei zwei vorgefundenm Sachen noch Etwas fehle. Die Glaswaarm sind auf 18 Ngr. geschätzt wordm. Staatsanwalt Roßteuscher kann nach den Ergebnissen der Hauptverhandlung nicht als erwiesen annehmen, daß ein ausgezeichneter Diebstahl vorliege und daß am 1. Mai die Ent wendung stattgefundm habe, in subjektiver Hinsicht sei zwar ein großer Verdacht gegen Hohlfeld vorhanden, aber doch nicht ein solcher, daß er einm bestimmten Antrag stelle. Hinsichtlich Ent wendung der Glaswaarm beantrage er aber Bestrafung. Di« Vertheidigung, vertreten durch Adv. I)r. Spieß, acceptirt bestens, daß von Seiten der Staatsanwaltschaft kein bestimmter Straf antrag bezüglich des ausgezeichneten Diebstahls gestellt wird; sie glaubt auch, daß hinsichtlich des Diebstahls der Glaswaarm der Beweis der Schuld nicht erbracht ist und beantragt Frei sprechung in beiden Fällen. Hohlfcld wurde zu 6 Monat S Tagen Arbeitshaus verurtheilt. Königliche- Hoftheater. Sonnabend, 6. Juli. v. — Zum ersten Male: „Gringoire", Schauspiel in einem Aet von Theodor de Banville, und hierauf das zweiactige Lustspiel: „Michel Perrin" nach Melesville und Duveyrier. — Gringoire und Perrin: Herr Lewinsky, vom k. k. Hof burgtheater zu Wim, als Gast. Als eine Bereicherung dcS RepertoirS kann die erstgenannte Novität nicht angesehen wer den, worin ein verbummeltes, auf Liebe und Hunger angcwie^ senes Dichtergenie nach vorangegangcner ellenlanger ExpositionS- scene die Hauptrolle spielt. Es ist dieser Pierre Gringoire sa ein Stückchen Narciß, und das mit Ludwig XI. in Verbindung gebrachte Schauspiel eben so zusammengeflickt, wie die Hosm drS armen Hungerleiders, welcher in Folge eines Spottgedichtes auf den König Aussicht hat, eine Stelle zwischen Himmel und Erde zu bekommen und ihm dann die Grabschrist werden kann: „Hier ruht er, wenn der Wind nicht weht". Wir wollen nicht wäter das Secirmesscr ansetzen und nur referiren, daß Herr Le winsky aus dem Gringiore eine treffliche Figur machte. Nach unserem Dafürhalten hätte er aber in der Scene mit derLoyse unbedingt auS dem Charakterspieler in dm feurigen, liebeglühen den Liebhaber übergehen müssen; denn ein junger Mensch, der nach vorhergegangenem Bekenntniß das Mädchen mit aller Glvkh der Leidenschaft liebt und ihr nun gegenübersteht, der giebt jedenfalls andere Regungm kund. Doch, rechten wir nicht mit dem hochbegabten Darsteller ob dieser Bluette, und wmdm wir uns zu Herrn Jaffv, der doch sonst die darzustellenden histori schen Persönlichkeiten auch imAeußcren treu wiederzugeben sucht. DaS war aber kein König Ludwig Xi., das war und blieb Herr Jaffö in einer Pelzschaube und in einer Pelzmütze. Wo blieb neben dem heuchlerischen, verbissenen, obgleich im Stück nur