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02-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 20.06.1922
- Titel
- 02-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1922-06-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19220620022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1922062002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1922062002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-06
- Tag 1922-06-20
-
Monat
1922-06
-
Jahr
1922
- Titel
- 02-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 20.06.1922
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bene«, die für Aermere zahlen müssen, obwohl sie k-. '-st Grund haben, sich diesen zuzuzählen. Unklar ist bisher ge blieben, ob es sich bei der für die hohen Einkommen ge planten Mehrbelastung bloß um die Entziehung des Marke« Privilegs handeln soll, oder ob außerdem noch eine besondere Abgabe in Frage kommt, die zu einer weiteren Ermäßigung des MarkenbrvtpreiseS zu verwenden wäre, ^vte sie in Oesterreich eingefiihrt ist, wo die hohe« Einkominen eine gestaffelte Brottaxe für die Minderbemittelten zu zahlen haben. Inzwischen scheint sich auch in den Kreisen de» Zen trumS und der Demokraten, die bisher noch für die Umlage eintreten, die Erkenntnis durchzusetzen, daß die Umlage kür später nicht mehr zu halten ist und daß hinter den diesmali gen Versuch daS Schlußzeichen gesetzt werben muß. Für die Verbreitung dieser Anschauung ist bezeichnend, daß sogar oas „Verl. Tagebl." ohne Umschweife der Hoffnung Aus druck gibt, daß die jetzige Umlage die letzte sein werde. Wenn selbst ein so wenig landwirtschaftsfreundliches Organ rückhaltlos zugeben muß, daß sich „nicht geringe Wider stände" in den landwirtschaftlichen Kreisen der Demokratie und deS Zcmnimö gegen die Umlage geltend machen, so will es wenig besagen, daß der „BvrwärtS" diesen beiden Par teien mit dem Hinweis bange machen zu können glaubt, ihre BündniSfäbigkeit und ihre Werbekraft würden Einbuße er leiden, falls sie bei einer Entscheidung von so grundsätzlicher Tragweite auSeinanderficlen. Sollte der „Vorwärts" damit meinen, daß Demokratie und Zentrum durch bas Eintreten eines großen Teils ihrer Mitglieder gegen die Getreide Umlage ihre BitndniSfähigkeit nnd Werbekraft für sozial demokratische Gemüter vermiudern würde, so wäre das vom bürgerlichen Standpunkt aus nur mit größter Genugtuung zu begrüßen, da dann beide Eigenschaften der genannten Parteien gegenüber den bürgerlichen Kreisen eine ent sprechende Steigerung erfahren würden. Sind aber tatsäch lich die Tage der Getreidenmlage gezählt, so ist erst recht nicht einzusehen, warum sich der Reichstag justament bei diesem letzten zwangöwirtschastlichen Experiment noch in die unberechenbaren Möglichkeiten einer innerpolitischen Krise stürzen sollte. Regierungsrücktritt und Reichstagsauslösung ans solchem Anlaß? Die bürgerliche Presse glaubt durch weg nicht daran und ist allgemein überzeugt, daß man sich schließlich auf der Grundlage eines Kompromisses zn- sammensinden n»erde, in der Art, daß zur Schonung des KleingrundbesitzeS die umlagesreie Fläche vergröbert wird, nnd daß die Preisbildungsfrage eine Lösung erfährt, die den verbrauchenden Massen eine fühlbare Erleichterung bietet. Selbst wenn aber, wie anzunehmcn ist, die vermeintliche Krise sich in Wohlgefallen auslöst, so bleibt sic als Episode doch beachtlich, weil sie wieder einmal in der öffentlichen Meinung die Erinnerung wachruft, in was für abnormen parlamentarischen Verhältnissen wir im Reiche leben. Die drei Regierungsparteien bilden mit ihren 220 Stimmen ins gesamt nur eine Minderheit, die sich fortgesetzt von den vom Tische der Nachbarpartcien rechts und links fallenden Bro samen nähren muß. Eine sichere und zielbewußte Negie- rungspolitik kann bei einer derartigen parlamentarischen Gruppierung natürlich nicht Zustandekommen, sondern eS wird immer bloß „fortgewnrstelt", von der Hand in den Mund gelebt. Man „freitet sich durch" von einem Tage zum anderen, begnügt sich mit Augenblickserfolgen und sucht mit NücktrittSdrohungen nachzuhelfen, wenn die klapprige Maschine einmal ins Stocken zu geraten droht. Im Zu sammenhang mit diesen verfahrenen Verhältnissen hat sich die Zwangsidee heransgebildet, wenigstens auf seiten ge wisser Linkspolitikcr, daß die Mehrheitssvzialdemokratie ge wissermaßen der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht sei und daß sich eine NegierungSkoalttion im Reiche ohne Anteilnahme der Mehrheitssozialdemokratie überhaupt nicht denken lasse. Diesem durchaus verfehlten Gedanken wird auch jetzt wieder in einem Teil der demokratischen Presse Ausdruck verliehen, mit dem Hinzufügen, daß im Falle des Ausscheidens der Sozialdemokratie aus der Koalition nur die NeichStagSauflösung übrig bleibt. Das ist eine Auf fassung, der man vom demokratisch-parlamentarischen Stand punkt aus scharr entgegcntretcn muß. Würde die Sozial demokratie sich freiwillig der Anteilnahme an der Negie rungsmacht eniaußern, so käme zunächst die Bildung eines bürgerlichen Blocks in Betracht und erst, wenn dieser scheiterte, die Auflösung des Parlaments. Es tut wirklich not, daß die bürgerlichen Parteien bei aller Bereitwilligkeit, mit der Mehrheitssozialdemokratie zusammenzuarbciten, auch einmal ihren Willen zur Selbständigkeit bekunden und den Verdacht zerstreuen, als wollte sie der Sozialdemokratie nachlausen und sie an den Rockschössen festhalten, wenn sie sich selbst außerhalb des Kreises der gemeinsam am öffent lichen Wohle SchalsenSen stellt. Die Meinung, baß es im Reiche eine Koalition ohne Sozialdemokratie überhaupt nicht geben könne, darf nicht zum Dogma werden, und deshalb ist es als ein sehr erfreulicher und verheißungsvoller Zug in der neuesten innerpoliiischen Entwicklung zu bewerten, daß die Dentschnationale Volkspartei und die Deutsche VolkS- vartei sich wieder enger zusammeugeschlossen haben und mit vereinten Kräften ihre nationarcn Ziele verfolgen. Die Vorgänge, die sich aus Anlaß der Zwangsanleihe und der Getreidcumlage im demokratischen und Zentrumslager ab- spiclen, geben weiterhin der Hoffnung Raum, baß auch für diese bürgerlichen Parteien schließlich einmal der Zeitpunkt kommen werde, wo sie das ewige Techtelmechtel mit der Sozialdemokratie auf Kosten der nationalen nnd bürger lichen Interessen satt bekommen und eine Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie nur noch insoweit gutheißen, als diese jeden Anspruch aus Vorherrschaft preisgibt und sich in die Reihe der übrigen Parteien gleichmäßig einordnet. Der jetzt noch in Flor befindliche sozialdemokratische Größen wahn ist ein schweres Hemmnis für die Gesundung unserer innerpolitischen Zustände, und er kann nicht anders über wunden werden, als durch eine von Machtbewntztsein ge tragene bürgerliche Politik, die sich den Fanatismus und die „Katerideen" der mit sozialdemokratischem Stempel versehe nen Erfüllungspolittk nicht mehr gefallen läßt, sondern mit aller Energie dafür sorgt, baß endlich die so lange miß- achteten Interessen der eigenen deutschen Volksgenossen der Liebedieneret vor der Entente vorangestellt werden. Die Getreideumlage im Reichstag. 1Dr«tzt»«ldu»a Berit»«» Gchristlettung.» Die Sachleislungsverlriige im Außen- Ausschuß. Berlin, 10. Juni. In der Sitzung deS Auswärtigen Ausschusses zur Ausführung des FrtedensvertrageS, über die wir bereits im wesentlichen berichteten, widersprach noch de: Abgeordnete Speichert (D.-N.) der Auffassung, daß die ReparationSaussuhr das freie Exportgeschäft fördere. Im Gegenteil gingen zahllose freie Exportgeschäfte ver loren, die uns aus der Devtsennot heraushelfen sollten. Redner fragte, was aus dem zweiten Wiesbadener Ab- kommen geworben sei. Die vorliegenden Abkommen brächten für die Jahre 1023 und 1S24 die Gefahr einer noch stärkeren Trtbutbelastung. Der Hauptfehler der Rathenauschen Reparationspolitik sei die freiwillige Uebernahme von Mehr leistungen. Die drei verschiedenen Verfahren des Repara tionswarenverkehrs sollten vereinheitlicht werben. — Staatssekretär Müller erklärte, daß die Wiesbadener Sach- lteferungSverträge noch bestehen. Frankreich werde wohl auch nicht so leicht darauf verzichten. Im Abkommen vom 7. Oktober sei ausdrücklich erklärt, daß dt« Beratungen hier über fortgesetzt werben sollen. « - Zum Schluß, beantwortete noch der Reichsministcr des «cußere» Dr. Rathenau in teilweise vertraulichen Aus- führungen mehrere Anfragen. U. a. betonte er. baß die zur Diskussion stehenden SachlteferungSabkommen die deutschen Verpflichtungen nicht erweiterten. Im Gegenteil. Ne setzen den unbeschränkten L'.eferungSgrvßen de» Londoner Ulti matum» eine beschränkte LteferungSpflicht geaenitber. Sie bedeuteten also «ine Begrenzung der Bürde des deutschen Volkes, (?) I» der «bstimmnug wurden die Sachlies«. r,«s«abk»»me» «ege« die Dentschnationale« nnd der Deutschen BolkS- -vartei vom Auswärtige« «nsschnß angenommen. Berlin, lv. Juni. Der Reichstag befaßte sich heute mit der ersten Lesung de» Gesetzentwurf» über die Erheb««, einer Getreidcumlage im Erntejahe, IN» Es soll, wie im Jahr« 1V21, rin« Getretbeumlage in Höhe von LS Millionen Tonne« erhoben werben. Abg. Krätzig (Soz.) nannte den Widerstand der Land» Wirtschaft gegen die Getretbeumlage einen .ckiffentltchen Skandal". Der Profithunger der Großagrarier sei aus» höchste gestiegen, «n den hohen Getretdepreisen sei aber auch -er „sogenannte ehrbare Handel" ganz erklecklich be teiligt. Seine Freunde verlangten die Regelung de» Ge treidebedarfs in vollem Umfange und forderten eine Ge treideumlage in Höhe von 2,S Millionen Tonnen. Wenn das Brot 50 Ml. koste, dann müßten Hunderttausende in Deutschland glatt verhungern. Dann komme der Bürger krieg. Abg. Dr. Roesicke (D.-N.) bedauert« die Borkingenom menbett -er Sozialdemokraten gegen die Landwirtschaft. G » ist. keine Rede davon, daß die Landwirte die Weltmarktpreise fordern. Wenn die Weltmarkt preise tatsächlich eintreten würden, dann würde gerade die Landwirtschaft in die schwierigsten Verhältnisse kommen. Der Krieg habe gezeigt, daß Zwangswirtschaft am wenigste» geeignet ist. die Produktion ,« steigern. Wir müssen die Prodnktio« steigern, ferner dafür sorgen, daß jedermann sein ansreichendes Brot, quantnm erhält, nnd »or alle« müsse« wir «ns »»« AnSlande sreimachen. Die Erfassung bringt uns keine Besserung. Dies kann nur die Förderung der Produktion. Sobald der Zwang aufhürt, hebt sich die Produktion. Denen, die das Brot nicht bezahlen ktfnnen, wird nicht dadurch geholfen, daß man die Landwirt schaft ruiniert. Das Gesetz ist völlig abwegig. ES bringt kein verbilligtes Brot, sondern cS verteuert e». Die AuS- sicht, daß die Umlage -es laufenden JahreS die letzte sein sollte, hat die Produktion be. reitS gehoben. Der Willkür der Länder und <ve- meindcn wird durch die Vorlage Tür und Tor geöffnet. Die Sonderbelastung der Landwirtschaft ist eine verschleierte Steuer. Sie soll deshalb erhoben werden, weil die Entente der Regierung verbietet, die Kretse zu unterstützen, die da- Brot nicht bezahlen können. Auch mit Rücksicht auf den schlechten Saatenstand läßt sich die Umlage in der geforderten Höhe nicht durchführen. Di« Preise, die die Lanbwirtschaft-ahlen muß, sind viel höher gestiegen, als die Preise, diesiebekommt. Schuld a« der Berteuernug ist die Entwertung der Mark infolge des Krieges nnd der ErsüllnngSpolitik. sSehr richtig! rechts.) Die landwirtschaftliche Arbeit, daS landwirtschaftliche Produkt wird heute geringer bewertet als früher. Die Landwirtschaft hat Vorschläge zur Sicherung der Vrotversorgung gemacht und wollte sich vervsltchten, daran mttzuarbeiten. Die Regierung hat das leider ab gelehnt. Hierdurch wird das Unglück des deutsche« BolkeS heranfbcschwore«. DaS Gesetz möge als Subsidiär - Gesetz «intreten, sobald die Zusicherungen der Landwirtschaft nicht gehalten werden. DaS Verständnis für die Absichten lin den guten Willen der Landwirtschaft dringt in immer wettere Kreise. SetneParteilehnedieUmlageab. Wird i« angenommen, dann mögen ihre Befürworter die Ver antwortung für die Folgen übernehmen. Aba. Horn-Slettln jUnabh.) nannte die ZwangSwirt- lchast «me Notmaßnahmr. Er fordert« eine Erhöhung her Umlage von 2H ans 4.S Millionen Tonne«. Darauf wurde ein Vertagungsantrag L«S Abaeordneie« Kopsch (Dem.) angenommen, da dt« meiste» Fraktionen tu Sitzungen ihre Stellung zur Umlage »och kläre« wollen. Dienstag 2 Uhr: Anfragen. Interpellation Hergt über die planmäßige Sicherung der LedenShaltuug der minderbemittelte» Bevölkerung, Getretbeumlage. Llne Mehrheit für die Setretdeumlaae? Berlin, IS. Juni. Zur parlamentarischen Konstellation zur Getreideumlage berichtet die „Dena". daß die Entschet- dung über die Krise bei den Unabhängigen ltege. ES sei vielleicht möglich, daß diese von der verstiegenen Forde- rung einer Umlage von 48 Millionen Tonnen absehen und sich der Regierungsvorlage anschließen, da sie, wie die ande- ren Parteien, im Sommer kein Interesse an Neuwahlen haben. Wenn die Sozialdemokraten, Zentrum und Unab hängige einigermaßen geschlossen für die Getreidenmlage stimmen, so wäre die ReaterungSmehrhett ge sichert: da die demokratische Fraktion vollständig gespal ten ist. so sei auf die sie keinerlei Verlaß. Morgen vormittag soll sich, falls die Zentrumsfraktton heute m» einem endgültigen Entschluß kommt, der tnterfrakttouelU Ausschuß noch mit der Lage beschäftigen. In parlamentarischen Kreisen nimmt man an, daß LiL Tagung deS Reichstages sich noch btS in den Jult htnetn» ziehen werde. Ans keinen Fall dürfte daS ArbeltSprogramv, bis zum 28. Juni erledigt werben. Die Ausschüsse würdet, mit der Zwangsanleihe allein etwa vierzehn Tage zu tu» haben, und auch dte kritische Frage der Getreibeumlag» werde im Ausschuß nicht t» wenigen Tagen erledigt «e» de» können. Die Krisis i« Deutschen Deamlen-uuö. (DrahtmeldunguusrerverltntrSchrtstlettnngck Berlin. 10. Juni. Die am Sonntag tn Leipzig voll zogene Gründung eines BeamtenbunbeS auf freigewerk- schaftltcher Grundlage hat die erwartete Krise tm Deut schen Beamtcnbund zur Auslösung gebracht. Der Hanptvorstand des Deutschen Beamtenbundes wird am Mttt- woch und Donnerstag tn Berlin zusammentreten, um zu der neugeschaffenen Lage Stellung zu nehmen. Mau tft tm Deutschen Bramtenbunb der Ansicht, Laß -te RetchSgewerk- schüft nunmehr selbst ihren Austritt erklären wird, um der BundeSlettung den sonst notwendig werbenden Ausschluß zu ersparen. Der Behauptung, daß zwölf andere Beamten- verbände sich der Gründung der freien Gewerkschaft ange schlossen haben, begegnet man im Deutschen Beamtenvmrd mit Skepsis. Besonder- wird die Meldung bestritten, daß dte Mehrzahl der Postbeamten sich dem Vorgehen der Eisen- bahner anschließen und den Deutschen Beamtenbund ver lassen werde. Man gibt zu, daß tn Berlin, Leipzig oder amburg seit längerer Zeit in den Reihen der unteren vstbeamtcn Neigungen bestehen, sich den freie» Gewerk schaften -uzuwenden, doch dürft« e- sich babet nur «m ver hältnismäßig geringe Absplitterungen bau- dein. Der Deutsche Bramtenbunb will keine offizielle Tagung einbcrufen, um zu der gegenwärtigen Krise Stel- lung zu nehmen, doch dürften voraussichtlich tn kurzer Zelt die Führer der einzelnen Unteroraanisattonen in Berlin zu- sammcntreten, um zur Lage Stellung zu nehmen. Der Leipziger Gewerkschasisksngreß. lSianer DrabtbertLt der „DreSbn. R a L r i <b t e n".) Leipzig, IS. Juni. In der Nachmittagssitzung deS Ge werkschaftskongresses wurde eine Reihe geschäftlicher Fragen- erledigt. Die Geschäftsordnung sieht in Punkt S vor, daß eine namentliche Abstimmung erfolgen soll, wenn ein dahingehender Antrag die Unterstützung von SO Delegier ten findet. Die Zahl wird nach ausgedehnter Aussprache gegen eine starke Opposition auf 100 erhöht. Sodann wurden Wahlen für die Kommissionen vorgenommen. Kommuni stische Anträge auf Erhöhung der Zahl der KommtssionSmit- glteder, um die „drei Strömungen" gleichmäßig zu berück- ichtigen, wurden mehrfach abgelehnt. Der Kongreß beriet alsdann die zur Tagesordnung vorliegenden Anträge. Ein Antrag „Die Durchführung der 10 Forderungen des A. D. G. B. und der Ufa als dritten Punkt auf dte Tagesordnung zu setzen und dazu einen Referenten und einen Korreferenten zu bestellen", den Teichgräber-Letpztg begründete, wurde abgclehnt, desgleichen ein Antrag der Gemeinde- und Transport arbeiter, von Schumann.Halle begründet, „Die Taktik der Gewerkschaften tn den gegenwärtigen Kämpfen und die Stellung zum Staat und zur ReparattonSfrage" als be sonderen Punkt auf dte Tagesordnung zu setzen. Ebenso fand der Antrag einer kommunistischen Versammlung, die am Sonntag im „Felsenkeller" tn Leipzig getagt hatte, keine Mehrheit. Dieser Antrag wollte die Frage „WaS müssen die Gewerkschaften tun, um bei, nationalistischen Treibereien entgegenzutreten?" behandelt wissen. Dagegen gelangte auf Antrag des BerbandstageS der Bauarbeiter das Thema „Die Gemetnwtrtschaft im Wohnungswesen" zur Besprechung. Weiter fand ein Antrag Annahme, der verlangt, baß zu dem Referat Tarnow-Berlin über „Organtsationsfragen und Methoden -er Gewerkschafts bewegung" und Wissel-Berlin über „Arbeitsgemein schaften und Wirtschaftsräte" Korreferenten zngelassen wer ben, und zwar zu dem erster«« D i ß m a n n - Stuttgart (Metallarbeiter-Vertreter) und zu dem letzteren Simon- Nürnberg (Schuhmacher). Zu Punkt 2 der Tagesordnung erstattete der 1. Bor- sitzende, Theodor Leipart, den Bericht des Bundesvor standes. Er gedachte zunächst der Oberschlesier, die tn diesen Tagen endgültig vom Reiche loSgcrtssen werden, und wtd- mete ihnen tm Namen deS GewerkschastsbunbeS warme Ab- schtedSworte. Sodann kam der Redner auf dt« Borwürfe zu sprechen, daß der A. D. G. B. beim letzten Eisenbahner, streik mangelnde» Gemeinschaftsgefühl be wiesen habe. Er wie« diese Borwürfe scharf zurück. Der Vorstand -es A. D. G. B. steh« auf dem Standpunkt, daß ei» Eisenbahnerftreik «nr znläsfis sei, wenn dt« letzte« Mittel erschöpft seien. Er gab sodann dem entschlossenen Wille» der Arbeiterschaft Ausdruck, den Achtstundentag nicht zu opfern, auch nicht zur Erfüllung und Durchführung der Reparationen. Wenn die Reparationen ohne Beseitigung des Achtstundentages nicht durchgesührt werde« könnten, so müßten eben die Repa rationen in Einklang mit dem Achtstundentag gebracht werden. (Sehr richtig.)- Einen breiten Raum nahmen die Ausführungen des Vorsitzenden über die bekannten zehn Punkte ein, dte der Bundesvorsttzende -nr Steuer frage cnckgestellt hat. Diese betreffen: 1. Beteiligung deS Reiches an den Sachwerten. 2. Sozialisierung des Kohlenbergbaues. 8. Neuordnung der BerkehrSunternehmungen. 4. Erfassung der Export- bevisen. v. Einfuhrbeschränkungen. 6. Erfassung der Balutagewinne. 7. Einziehung des Reichsnotopfer». 8. Sofortige Einziehung der Steuern. 0. Besteuerung der Devtsengewtnne. 10. Monopolkontrolle. Der Redner erklärte den Borwurf, der Bundesvorstand set tn der Durchsetzung dieser Forderungen zu lax gewesen, für unberechtigt. Man müsse bedenken, daß die zehn Forde rungen «in Programm bedeuten, dessen Durchführung Zeit brauche. In seinen weiteren Ausführungen kam Leivgrt auf da» Verhalten der Gewerkschaften beim Kapp-Putsch zu sprechen und schloß mit der Aufsorbe rung, der Gewerkschaftsbewegung noch Fernstehende zu ge- wtnnen. Der Bericht fand starken Beifall. Dte «nSsprache über den Bericht findet DienLtag vormittag statt. Freiwillige »der Zwangscmleihe? Bon Dr. Reichert, M. b. R. Bekanntlich enthält da» das sogenannte Steuerkompromitz enthaltende Gesetz über Aenderungen im Finanzwesen vom 8. April d. I. die Bestimmung, daß ein« ZwangS- an leihe in Höhe von 1 Milliarde Goldmark flüssig ge macht werden soll. Zu dem nunmehr vorliegende« Regie rungsentwurf wird in der Begründung seitens der Regie rung behauptet, die Zwangscmleihe sei ein Mittelding zwischen Anleihe und Steuer. Es tft richtig, baß die ZwangS- anleihe wesentliche Unterschiede gegenüber den bisherigen Reichs- und Staatsanleihen aufweist. Der Unterschied liegt jedoch nicht darin, baß sie, wie die Regierungsdenkschrift behauptet, auch als eine Steuer aufzufassen tst, sondern als eine Konfiskation von BermögenStetlen. Dt« Zmangsanleihe ist somit dem Gedanken der Denkschrift deS ReichSwtrtschaftSmintsteriumS verwandt, die eine Erfassung der sogenannten Gold- und Sachwerte verlangt bat. ES besteht nur der Unterschied, daß jene von marxistischem Geiste erfüllte Denkschrift sofort mit einer Enteüanung von 20 bis 80 Prozent des Privateigentums beginnen wollte, während im vorliegenden Gesetzentwurf eS sich um eine S btS lOprozentige Wegnahme deS Vermögens bandelt. Auch der Zweck, dem dte Zwanasanleihe bienen soll, tst derselbe, den dte erwähnte Denkschrift deS RetchSwirt- schaftSministertums tm Ginne hat, nämlich dte Forderungen der Feinde auf weitere Trtbutlet st ungen zu erfüllen. Somit wirb die Belastung be» deutschen Privat- eigentu ms mit der Erfüllung deS Ver sailler Vertrags und de» Londoner Ultima- tumS verquickt. Hier bandelt eS sich um eine grund sätzlich bedenkliche und höchst gefährlich« Maßnahme, den« der Versailler Vertrag gibt den Fein den keine Handhab«, über da» Reichs- und GtaatSvermügen hinan» die Hand auch noch auf daS deutsche Privat eigentum zu legen. Umso unbegreiflicher ist e» daher, baß Re deutsche Negierung einen solchen Schritt unternimmt und selbst in den Schutzwall für da» deutsche Privat vermögen eine Bresche schlägt. Deutschland tft im Ver sailler Vertrag «. a. da» Diktat auferlegt worden, minde stens ebenso hohe Steuern einzuztehen, als e» die Entente länder selbst tun. Diese Bedingung ist schon lange erfüllt, und wenn nunmehr dte IS vom Reichstag verabschiedeten Steuergesctze durchgesührt werben, so wirb dte bereits be- stehende BorauSbelastung unseres Einkommen» und unseres Besitzes noch schlimmer werben. ES ist daher be- greiflich, baß die Deutschnationale Bolksvartet von vorn herein von dieser ZwangSanleihe abgerückt tst und Liese Art ErfüllungSpolttik mißbilligt, solange nicht durch «tue Endlösung der qualvollen feindlichen Politik eine Grenze gesetzt wirb. Dagegen hat es dte erwähnte Partei nicht daran fehlen lassen, dem Reich diejenigen Mittel zu bewtl- kigen, die eS zur AuSbalanzterung seine» inneren Etat» be nötigt. Daher werden sich die Deutschnationalen gegen «ine Anleihe an sich nicht stemmen, aber die Reaterung vor die Frage stellen, ob sie au» den erwähnte» schwerwiegen den außenpolitischen Gründe« nicht eine freiwillige Anletbe einer ZwanaSkonfiSkation vorziehen will. Auch bei einer freiwilligen Anleihe kan« daS Ziel eines „weithin sichtbaren Opfers" deS Besitze» erreicht werden. Ich würbe r» darin erblicken, wenn eine solche freiwillige Anleihe al» eine unverzinsliche Anleihe aus geschrieben wird. Di« großen Ersparnisse für daS Reich lägen auf der Hand. Allerdings würben dann die noch über Ersparnisse verfügenden VolkSkrelse von der Negierung mit Recht verlangen können, daß ihnen wenigsten» die Sicher heit für dte Erhaltung threS htnzugebenbrn DermügenSbesttzeS gegeben wird. Ein« solche Sicherheit wäre tn der Auflegung etner Goldanlethe zu erblicken. Ich denk« also an ein« Anleihe, die tn Gold gezeichnet, aber je nach dem Stand be» Werte» der Gold- zur Paviermark etn,»zahlen wäre. Wenn beispielsweise zurzeit der Auflegung der Goldwert 70sach über dem Reichs markwert steht, so hätte der Zeichner für 1000 Golbmark dem Reich den Betrag von 70 000 Paptermark zur Ver fügung zu stellen. In das Risiko, da» tn der Veränderung unsere» Geldwertes liegt, tetlen sich Reich «ub Zeichner. Sollt« der wert unserer Paptermark wetterhü» falle«, so daß 80, SO oder schließlich 100 Reichsmark einer alten
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