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331. «Erscheint: Täglich früh 7 Uhr. Inserat« werden angenommen: bis AbrndS 8,Sonn tags bi« Mittags 1L Uhr: Marirnstraß« 1L. «nzrig in diel. Blatte finden eine erfolgreiche Berbrritting. Auflage: »10»a» Eremplare. 8lnötftrr Iahrg. Mittwoch. L7.R-V. 18S7. Tageblatt für Unterhaltang mb GcschissMerkehr. Mitrel>acteur: Theodor Drobisch. Dnrck und Sigenkhnm der Herausgeber: Lirpsch öe Nrjchardt. - Beraiilwottlicher Redacteur: Julius Neichardtt Fbsnnemmt: Bietteljährtich 20 Ngr. bei unentgeltlicher Lie ferung in'« HauS Durch die Königl. Pofl vierteljährlich 22 Ngr- Einzelne Nummern 1 Ngr Inseratenpreise: Für den Raum einer gespaltene» Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" die Zeile 2 Ngr. DreDhe», den 27. November. — Se. Exc. der Herr Staatsminister Freiherr v. Friesen hat sich gestern auf einige Tage nach Berlin begeben, um den Sitzungen des BundesratheS des Norddeutschen Bundes bei zuwohnen. I). —Rudolf GenoeS Shakespeare-Borlesun ge rj Nachdem der bekannte Vorleser bereits einen Cyclus unter dem größten Beifall seiner Hörer beschloss.'», empfing er vielfache Anregung, noch zwei Abende dem „Othello" und „Julius Cäsar" zu widmen. Herr Gen-'e las deshalb vorgestern Abend im Saale des Hotel de Pologne den Othello, diese vollendete Geschichte der Eifersucht, von ihrem ersten Augen- oufschlag an bis zum letzten Nervenzucken ihrer Raserei. Vor trefflich versteht es der Vorleser, über die oft weilschichüge Exposition hinwegzukommcn, indem sein selbstgejchaffener Com- mentar gleich zur Entwickelung übergeht und mit Vortrag der Haupthandlung sich der Erreichung des Zweckes hingiebt. Trotz der Länge der Vorlesung, welche dritthalbe Stunde währte, blieb die Aufmerksamkeit der Hörer gespannt, und eS ist die Ausdauer eines Mannes zu bewundern, dessen rhetorische Kraft der Anforderung Nichts nachgiebt, was bei dem Vortrag des Othello um so höher zu schützen ist, weil die im Innern tobende Leidenschaft theilcheife zum Ausbruch kommen muß und somit der Redner in steter Gährung und Aufregung begriffen ist. Frsgen wir uns nach der Anhörung dieser Tragödie, sei eü von der Bühne oder vom Vorleserpult herab, nach dem Eindruck, den das Werk aus uns hervorgebracht und hinter- kaffen, so müssen wir, um der Wahrheit treu zu bleiben, Fol gendes bekennen. Bei aller Anerkennung des Großartigen, der unbedingten Musterhaftigkeit der Entwickelung einer unendlichen Kenntniß menschlicher Natur und jeder Stufe fortschreitender Leidenschaft, ist doch nicht zu leugnen, daß die Katastrophe etwas unendlich Peinigendes, gegen Zweck und Tragödie in uns zu rückläßt, daß der Selbstmord Oihello's, die Strafe Jago's uns nicht mit dem ungeheueren Opfer der Desdemona so ver söhnt, wie die auf den Gräbern ihrer gemordeten Kinder sich umarmenden Väter in Romeo und die dadurch zurückkehrende Ruhe eines ganzen Staates, besonders aber die glänzende, einem Volke eine schöne, kräftige Zeit, die nur durch dcssen Untergang möglich ist, versprechende gepanzerte Gestalt des FortinbraS. - — Zu den im Jahre 1868 in Anwendung gelangenden Paßkarten ist die blaßgrüne Farbe gewählt worden. — Vielseitig wird ausgesprochen, daß, wenn der große norddeutsche Bund mit einer Kammer genug habe, auch das kleinere Königreich Sachsen mit einer einzigen Kammer aus- kommen könne. Es ist daher nicht uninteressant zu vernehmen, wie unsere Regierung die Beibehaltung der Ersten Kammer in dem vorgelegten Wahlgesetze begründet: „Wie jede gesunde organische Reform sich aus dem Bestehenden zu entwickeln har, so wird auch die vorliegende sich an das seither Bestandene anzuschließen und nur Dasjenige auszuscheiden oder umzuge- stalten haben, was mit den veränderten Verhältnissen nicht mehr im Einklänge steht. Andererseits wird das Absehen darauf zu richten sein, daß den vaterländischen Institutionen, unbeschadet ihrer Unterordnung unter die Bestimmungen der Bundesverfassung, der Charakter eines selbstständigen Staats- organiSmuS erhalten bleibt. Von düsen Gesichtspunkten aut- gehrnd ist von der Regierung namentlich auch an der Thci- kung der Ständeversammlung in zwei Kammern sestg-h alten worden. Wenn von den Vertretern einer abweichenden An sicht auf die Bundesverfassung Bezug genommen wird, so ist nicht zu übersehen, daß auch dort der Bund esrath ein Mit telglied bildet, dessen Befugnisse in ihrem Geiammtersolge in vielen Beziehungen der Bestimmung der Ersten Kammer in dem StaatSorganiSmuS der einzelnen Länder an die Seite zu stellen ist." Die Regierung rechtfertigt we ter, warum sic ncht mehr eine Stände Vertretung vorschlage, warum sie den Be- ztrkSwahlzwang aufgehoben und an Stelle der inrirecten Wah len die direkten gesetzt wissen will. Besondere Beachtung ver dient die Stelle, worin eine kurze Parallele zwischen dem norddeutschen Wahlrecht und dem neuvorgeschlegcnen gezogen wird. Das erster« ist bekanntlich allgemein und gleich, aber ohne Diäten, für Sachsen soll ein Zwer-Thalcr-Census das aktive Wahlrecht begrenzen, dafür sollen aber Diäten gewährt werden. Versagung der Diäten und allgemeines, unbeschränk tes Wahlrecht bilden ein Ganz-S, das nicht willkührlich ge trennt werden kann. Eine Versagung der Diäten wäre in Sachsen wohl nicht durchzusetzen. „Man hat schon aus diesem Grunde die Uebertragung der Vorschriften über das Wahlrecht für den Reichstag auf das Stimmrecht und die Wählbarkeit für den Landtag nicht als geeignet erachtet. Allein auch abgesehen hiervon würde auö dem allgemeinen Stimmrechte für die Wahlen zum Reichstage noch nicht dessen Anwendbarkeit «uf die Wahlen zum Landtage gefolgert werden können, so mäßige und gerechte Basis für die Gtimmberechtigung in der Gemeinde anzuerkennen. Je allgemeinerer Natur die im Reichstage zu vertretenden Interessen sind und mit je umfas sendere« Machtbefugnissen baS Bundespräsidium und die Bun desregierung durch die Bundesverfassung bekleidet worden ist, um so weiter haben die Grenzen der Stimmberechtigung für die Reichs tagswahlen gesteckt werden können. Die Hauptauf gabe der Landtage der einzelnen Bundesstaaten wird dagegen nach wie vor in der gewissmhaften Controls des Staatshaus halts und der besonnenen Fortbildung bestehender Verhältnisse und Einrichtungen zu erblicke« sein. Es werden daher auch die Voraussetzungen des Stimmrechts verschieden sein und auch ferner darauf Rücksicht genommen werden müssen, daß bei den Wahlen für den Landtag zwar keine Classsn der Bevölkerung von dem Wahlrechte ausgeschlossen, zu demselben aber nur solche Personen berufen werden, welche ihren bürgerlichen Ver hältnissen nach zu der Annahme berechtigen, daß ihnen süc die nurgedachten Aufgaben das erforderliche Interesse beiwohnt." Uebrigenü hören wir, daß gerade von conservatioer Seite in der Zweiten Kammer gegen den CsnsuS von 2 Thalcrn sich Stimmen erheben werden. Man wird Anträge bringen, die sen CensuS auf 1 Thaler herabzusehen, um vielen Arbeitern und Gewerbsgehilfcn, die sonst kein Stimmrecht haben würden, ein solches zu gewähren. — Gerüchtweise verlautet, daß seit mehreren Tagen ein junger Mann vermißt wird, welcher in einem hiesigen Bank- Institut angestellt gewesen sein soll. Ob demselben ein Un glück zugestoßen ist, oder ob er sich aus anderen Gründen absichtlich entfernt hat, darüber werden wohl die nächsten Tage Aufklärung bringen. — — Die Chemnitzer Industrie-Ausstellung hat dem Ver nehmen nach ein Deficit von etwa 57,000 Thlr. zu decken. — In der Nacht vom 21. zum 25. d. wurde an dem Getreidchändler Gottlieb Seifert in Reichenbach i. V. ein Naubanfell verübt und ihm dabei die Summe von 80 Thlr. abgerwmmen. Ein der Thal verdächtiges Individuum ist be reits verhaftet worden. — Eine Bekanntmachung über die öffentliche Versteigerung eines Gutes im Reußischen bringt auch den Namen des bis herigen Besitzers des Grundstücks, welcher Leberwurst heißt. Alt kann das Geschlecht nicht sein, da die Leberwürste eine neuere Erfindung letzter Jahrhunderte sind. — In letzterer Zeit sind, wie uns mitgetheilt wird, mehr fache Diebstähle auf nicht vollendeten Neubauten vorgekommen. Die Diebe haben hierbei oft sogen. Arbeitsbuden erbrochen und Kleidungsstücke daraus entwendet, die die Arbeiter während dcr Arbeit zu tragen und außer der Arbeitszeit insbesondere über Nacht darin aufzubcwahren pslegen. — — Der innere Zwingerraum scheint auch bei dcr jetzigen rauhen Jahreszeit seine Anziehung! kraft auf die Jugend nicht ganz verlieren zu wollen. Leider aber ist die Jugend, die wir in den letztoerwichenen Wochen darin verkehren sahen, nicht gerade die wohlerzogenste. Dieselbe bclustigte sich näm lich damit, daß sic mit Lchnceballen nach den Scheiben der Fenster im Innern des Zwingers warf, und als ihr dies eines TageS von einem vorübergehenden Herrn verboten wurde, sich über dessen Einmischen in ihre V-rgnügungm noch lustig machte. Zum Unglück für die betheiligten Buben war der Herr nicht gewillt, sich von ihrer Ungezogenheit noch Veihöh. nung bieten zu lassen; deshalb ergriff er Einen derselben, d.r noch in seiner Gegenwart eine Fensterscheibe im dortigen Schil derhause einzewrrfen hatte, und führte ihn an einen Olt, wo die dem Burschen mit Recht gebührende Strafe sicher nicht lange auf sich warten lassen wird. — — Die außerordentliche Wohlthat der Lebens-Versiche rungs-Gesellschaften hat sich besonders in dem vcrhängnißvollen vorigen Jahre erwiesen, in welchem Krieg und Cholera große Verheerungen anrichteten und so manches noch kräftige Leben unerwartet hinwcgraffren, wie dicß aus einem General bericht des Bremer HrndelSblatteS deutlich hervorgeht. Dar nach find bei 32 Lebens-Versicherungs-Anstalten, welche Ende 1866 eine Gesammtsummc von 300,553.651 Thlr. versichert hatten, für 6573 Todesfälle 6,031,301 Thlr. im vergangenen Jahre zahlbar geworden. Wie viele Thränen banger Sorge sind damit getrocknet und welcher Trost ist in den Fällen ge bracht worden, wo nach dem Tode des Ernährers schwere Noth entstanden sein würde, wenn solche Hülfe nicht gekommen wäre, welche die treue Vorsorge deL Dahingeschiedenen bereitet und für diesen die höchste Dankbarkeit seiner Familie gestiftet hat. ES tritt damit an jeden Versorger die Mahnung heran, bei Zeiten dazu zu thun, daß für den Fall früheren Ablebens Weib und Kind vor NahrungSsorgen und Elend gewahrt, daß den Kindern, welche hinter bleiben, Mittel geboten werden, um den erwählten Berufen weiterfolgen zu können. Allerdings hat sich in den letzten Jahren die Anerkennung des WertheS dcr Le bensversicherungen gehoben, dennoch herrschen aber immer noch Mciir beieitiat werden würden, wenn man sich nur Mühe geben wollte, mit den Verhältnissen sich näher vertraut zu machen. Es giebt der respektablen Le bens-Versicherungs-Gesellschaften so viele, welche auf solidester Grundlage stehend, alle nur zu wünschende Garantie bieten. Die Prämien sind niedrig gestellt, und wird deren Abführung durch Annahme von halb- oder vierteljährlichen, auch noch be quemeren Ratenzahlungen so sehr erleichtert, daß j:der in nur einigermaßen arrangirten Verhältnissen Lebende die Versicherung einer seinen Umständen entsprechenden Summe zu erfüllen im Stande sein dürfte. — In den Promenaden auf der Bürgerwiese hörte man vorgestern gegen Abend den wiederholten Ruf: „Halt auf!" Es lief darüber viel Publikum zusammen, aber schließlich hatte Niemand den, der festgenommen werden sollte, angehatten. Wie man erfuhr, hatte ein Herr dort einen andern Herrn wegen Verdachts, ihm seinen Regenschirm gestohlen zu haben, veranlaßt, ihm auf die Polizei zu folgen: statt dessen aber war Letzterer ausgerissen, und auf die Wnse, daß er gleich seinem Verfolger vor sich her „Halt auf" geschrieen, ent kommen. — — In der Mittwoch » Sitzung der Ersten Kammer wird der Kronprinz als Vorstand der Finanzdeputation Bericht über die Behandlung des Budgets erstatten. Sein Antrag geht dahin, nach früherer Praxis das Budget abschnittweise zur Berathung zu bringen. Da wichtige Posten (indirecte Steu ern, Zölle und Postnutzungen sowie der Militair-Etat), jetzt der Bewilligung der Stände entzogen sind, so glaubt der hohe Berichterstatter, daß diesmal das Budget schneller erledigt wer den wird. Der Kronprinz nimmt bekanntlich an den Land tagsarbeiten sehr thätigen Antheil, namentlich wendet er sein Interesse dem Budget zu und vertheilte neulich die einzelnen Budgetposten in der Finanzdeputation an die einzelnen Be richterstatter. — Eine Gesetzesvorlagc an den Landtag legt sämmtlichen Gemeinden des Landes die Verpflichtung auf, das Gesetzblatt des norddeutschen Bundes zu halten. Das Abonnement wird jetzt auf 10 Bogen Text 10 Ngr. betragen. Diese kleine Be steuerung dcr Communlofsen ist nothwendig, damit die Bevöl kerung rechtzeitig , von den Bundesgesetzen Kenntniß erhält; ein Abdruck derselben im sächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt« würde noch theurer sein und zu juristischen Zweifeln Anlaß geben können. Die Personen und Behörden, welche daS Ge setz- und Verordnungsblatt bisher unentgeltlich bekamen, werden auch das norddeutsche Gesetzblatt unentgeltlich erhalten. — Eine große Birne wurde vorgestern Abends in der Restauration bei Gaßmeier der Gegenstand einer Vcrlossung zum Besten des Wiederaufbaues der Schule zu Joha angeorgen» stadt. In kurzer Zeit waren mehr als 50 Loose rr 5 Pf. vergriffen und 1 Thlr. 15 Ngr. eingenommen, die der Re daktion dieses Blattes übergeben wurden. — Heute hält im wissenschaftlichen Cyclus Herr »r Ncntzsch, Secrctär dcr Handelskammer, seinen im Programm auf 18. Dccember angcsctzten Vortrag über Müaz- und Maß- Einheit, weil Herr Professor ttr. Michael durch Krankheit ge hindert ist, heute vorzutcagcn. — Die Dresdner Papierfabrik har in ihrem Rechnungs jahr I866s67 2,263,361 Pfd. Papier 60,257 mehr als im letztvorhergcgangenen Jahre producirt. Der Absatz aber ist um 3"-,5u3 Thlr. gegen das Vorjahr zurückgeblieben und be tragt 266,068 Thlr. Dcr geringere Absatz erkläre sich aus dem vorjährigen Kriege und aus den mancherlei volitischcn Wirren des lausenden JahreS. Von dem erzielten Gewinn- Überschuß im Betrage von 35,781 Thlr gehen 16,300 Thlr. für Abschreibungen und 1600 Thlr. als Beitrag für dm Rr- se.vesond ab, 16,680 Thlr. werden als Dividende zu 6 Pro cent vcrthcilt und dcr unthcilbare Nest von 1201 Thlr. wird auf neue Rechnung vorgetragen Dcr seit dem 27. April im Betriebe befindliche zweite artesische Brunnen, dcr eine Tiefe von 250 Ellen hat, übcrtrifft an Wafserrcrchthum und an Reinheit des Wassers alle Erwartungen. Veioe Brunnen pl- sammen decken das Bedürsniß dcr Fabrik überreichlich. — Heute Abend 7 Uhr wird dcr aus Armenien gebürtige Missionar Abraham, der sich aus der Durchreise nach Constan- tinopel hier befindet, in der Waisenhauslirche einen Vortrag über die evangelisch lutherische Kirche in Armenien hatten. (Vgtt Inserate.) — Einer uns zugekommencn Mittheilung von Hans Wachen- Husen aus Paris entnehmen wir, daß von den ersten Hostheatern Deutschlands nur Dresden die Aufführung der Oper „Mignon" vorläufig abgelehnt hat, wahrscheinlich in Folge des zweifelhaften Erfolges der Oper „Romeo und Julie", der übrigens von Paris aus als unvermeidlich vorausgesagt war. „Mignon" ist bekannt lich von allen neuen französischen Opern die einzige, welche in Deutschland Glück machen könnte und wird in Wien, Berlin, Hannover, Weimar in Scene gehen. Fräulein Nathalie Hämisch verläßt nach derselben Mittheilung dieser Tage Paris, um nach DreSdrn lurückiukebren. Sowohl von ihren Lehrern Delorte»