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M Mitredacteur: Theodor Drodtfch. »«: LS, D-nnerft-k. dm 18. AuM 1864. Dresden, dm 18. August. — Die Erste Kammer hat die Berathung über das Eisen- bahndeeret beendigt. Auch sie ist bezüglich der Linien Leipzig- Döbeln-Dresden, Zittau-Großschönau, Chemnitz. Leipzig und Glauchau-Wunen-Wittenberg, Kieritzsch-Borna, Zittau über Böh- misch.Friedlanv nach Rabirhau in Schlefien, Brunn-Greiz, Meuselwitz und sächfisch-bayrrsche StaatSbahn, Gößnitz-Gera — dm von der Zweiten Kammer gefaßten Beschlüssen beigetretm. — Die Zweite Kammer hat gestern die B-rathung über das Jmmobiliarbrandverficherungt decket beendigt. Außerdem be schäftigte sie sich noch mit Berathung mehr« Differenzbeschlüfse zwischen beiden Kammern und Petitionen. — Königliches Hoftheater. Dienstag, dm 16. August gab Herr Lehfeld vor reichlich besetztem Hause sein letztes Gastspiel als König Richard III. ES war gewiß lein kleines Wagniß, sich auf der Dresdner Bühne in einer Rolle zu »eigen, die Herr Dawison gerade unter allen ShakeSpeare- Charalterm am großartigsten zu gestalten wußte Wenige mochten unter dm Zuschauern sein, denen Dawison's Darstellung nicht bekannt und in der Erinnerung gegmwärtig war. Man» chem, der sich ihrer geistvollen Umrisse noch deutlich bewußt war, mag eS schwer geworden sein, sie Zug für Zug gegen das ebenso berechtigte und vollendete Charakterbild Lehfelds umzutau schen ; aber eS würde ihm ganz sicherlich mit Dawison's Richard III. nicht besser ergangen sein, falls ihm zufällig d« des Herrn Lehfeld früher bekannt geworden wäre. Der Erfolg rechtfertigte da» Wagniß Herrn Lehfeld's vollkommen. Von den vier gro ßen Heldengestalten, in denen sich uns derselbe während seines hiesigen Gastspiel- vorführte, erachten wir diese am meisten in sich abgeschlossen und vollendet. Man mußte erstaunen, wie zwei Künstler in Auffassung derselben Rolle so vielfach von einander abweichen und jeder doch in seiner Weise Recht be halten könnm. Herr Dawison ist als Richard III. der groß artige Jntriguant, Herr Lehfeld mehr der intriguante Held Die Verstellung und Tartüfferie, die bei Herrn Dawison einen Grundbestandtheil dieses Charakters auSmacht, ist bei Herrn Lehfeld nur eines der Attribute Seiner teuflischen Hoheit. Anstellung ist ein Putz, dm auch er anzulegen versteht, ab« im Gefühl seiner Kraft ist er nicht allzu beflissen, sein Thun mit gefälligem Schein zu umhüllen. Er zeigt eS in seiner nackten Häßlichkeit. Bei Herrn Dawison war umgekehrt das Heidenmäßige oft nur äußerlich, usurpirt wie sein Purpur mantel. Schon in dem ersten wunderbaren Monolog zeigt Herr Lehfeld mehr diabolische Kraft, grausame Heftigkeit und Energie. Welche Verschiedenheit dann in der Auffassung beider Künstler in der Scene, wo Richard III. um die Königin Anna wirbt! H«r Dawison war hier in dem erotischen Theil d« Aufgabe^ in d« verstellten Bewunderung und Zärtlichkeit unvergleichlich. Man brachte dagegm, wie Herr Lehfeld den Hellebardieren ent gegentritt und ihnen befiehlt, die Bahre niederzusetzen. Er zeigt sich hi« als Held vom Wirbel bis zur Sohle, und es ist M Wunder, daß die „Bettler" zittern. Wir empfinde», daß der Eindruck seiner Erscheinung auf Anna mächtig sein muß- daß er jetzt schon mehr a!S die Hälfte sein« Arbeit gethan hat, und eS nicht mehr des halben Aufwandes von zärtlich« Dialektik bedürfen wird, um seinen Sieg üb« das wankelmüthige Weib zu vollenden. Es war auch ein trefflich angebracht« Zug, daß Herr Lehfeld nach dem Abgänge Anna» dem Leichen- condukt noch eine Strecke mit erheucheller Trauer folgte, um dann, auf die vordere Scene zurückkehrend, in das satanische Gelächter auSzubrrchen: „Ward je in dies« Laun' ei» Weib gefreit!" Die beiden nachherigen Auftritte vor den PairS und den Aldermännern (im 3. Akte) waren meister haft gespielt. Ein satanisch« Humor waltete besonders in dem zweiten. Herr Lehfeld wurde nach diesem Auftritt zwei Mal hervorgerufen. — Sein Coflüm, Marke, Mienen- und Geberden spiel konnten überhaupt kaum vollendeter und charakteristisch« gedacht werden Bei dem KrönungSact erschien er voll Hoheit. In der nachherigen Zwiesprache mit Buckingham war uns nur auffällig, daß er diesen zu zornig anherrschte, während er, wie uns bedünkt, leisetretend und lauernd dessen Meinung über daS Leben des Prinzen Eduard ausforschen müßte. In grellem Con- trast hierzu steht dann die unverhohlene Aeußerung sein« Mord lust in der nachherigen Scene mit Thrrel. DaS Anschnalle» der Rüstung am Schluß des 3. Aktes, eine Ausschmückung, auf die Herr Dawison viel Werth zu legen schien, verschmähte Herr Lehfeld gänzlich, und wir müssen gestehen, daß diese Scene hierdurch nur an Größe gewann, und daß sich Herr Lehfeld bei dem Rufe: „ins Feld! in- Feld!" zu ein« wahrhaft im posanten Wirkung «hob. — Ebenso loderte in seiner letzten Anrede an die Krieger eine wahrhaft kriegerische Wildheit; es war mit Pulver versprengter Granit, und verlor nur leid« an Wirkung durch Undeutlichkeit der Sprache. Am Schluß endlich ließ sich Herr Lehfeld einen wohlberechtigten Effect entgehen, indem « sich im Zweikampf mit Richmond auf der Scene selbst, sofort nach dem Ausrufe: „Ein Königreich für ein Pferd!" niederstrrcken ließ. Es ist ohne Zweifel wirksamer, wenn Richard bei diesem verzweifelten Ausrufe üb« die ganze Scene rennt, wenn dann eine momentane Stille eintritt, welche die bang« Erwartung des Zuschauers steigert, worauf Richard wieder im Hintergründe mit Richmond fechtend «scheinen und verschwinden, und endlich hint« der Scene ein dumpf tönend« Kall d« Phantasie des Zuschauer-, nicht seinen Sinnen, den Tod des furchtbaren Helden ankündigen muß. — Wir haben hi« di« höchst bedeutende Leistung Lehfelds nur in ihren allgemeinsten Umrissen charakteristren wollen, manchen unwesentlichen Einwand fallen lassen, aber auch Vieles, das uns in sein« Darstellung über- raschend und nea war, wegen der Beschränktheit des unS ver gönnten Raumes nicht hnvorheben können. Ohne Zweifel gab uns Herr Lehfeld in dieser Rolle den glänzendsten Beweis seines Talents und hohen KunststrebenS. — Wir gedsnken schließlich noch der Frl. Berg in d« Rolle der Margarethe von Anjou» di« bei dies« Aufführung — freilich nur halb — wieder zu Ehren gebracht, «nd vo» Frl, Berg höchst ergreifend und