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Dresdner Nachrichten : 07.05.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-05-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192205073
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19220507
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19220507
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-05
- Tag 1922-05-07
-
Monat
1922-05
-
Jahr
1922
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 07.05.1922
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Dresdner Nachrichten «Alltag ^ Sonntag, 7. Mai l922 Glück. Plauderei- ovu Helma v. He Iler mann. Soviel Mc>»chi.ii. soviel Meininige» — und soviel vcr- 'chiedene Definitionen »cs Beglisses „Glück". Feine und kluge Morte dnrüber fallen uns «in. Men aber liasiei ausnahmslos ein« ,rcwisse Sckwerinut an. ienes traurig- Laclicln »er Cileuiilnis dee Vera„ngttch7eii aller Tinge. .Immer wiiS «-> uns ,reA>ilbert. als etwas sc-hr Seltenes, ungeniein Zerbrechliches und Startes. das >ch-.»n der nächste Atemliau.» oeiioshen kann. ,Vu »ein wirtlich io? — Wir nennen es e-iwe gotiiiche <>>,we. Und schassen mit dieser Gincksaussassung einen uier- lmen 'Abgru-nü üblichen uns nnü dem «notresanell, dem alle Wcsenlieik »es Alls enttpringi. Sehnend strecke» wir die ttän-Se >rns nach Sonne. Mond und Skernen und seiien, fassen nicht »iv LÜ.'önhettcn, di« uns bei jedem »schritt duftend und lenchieiid »incklühen. Wir sprechen prahlerisch oonr Iwheii Weri des Meiischeittums nnd haben es noch nicht einmal >o meit gebrocht. die Einheit '.wischen diesem und der eigenen Persönliwiett berp.iNriien. den ivabren Glücks-- aucll in. uns selbst zu euldecken! Sv gewöhnt sind unsere Sinne an Wunder. bist sie abgestnmpi! sind für deren Herrlichkeit, und ais Glück nnr das empfi-uden. was ihnen der Ana»d>r.r eesfagi. Ist das einfache Sein nicht ein «glück. »i«>«s biuiaut-- ttttiiellende, herzivei'.'iide, jouci-zende E>esMl: Ich bi»? — Wenn wir in der Sonne sieden nnd ihre wurmende, stratt- sende -1>'Nr vis in die lewsten rstervenspitzen liinern oer- spüren, wenn wir dem Stnrnr eiitgegeittvandern, trotzig eigene Kraft der '.'inen entgegen»«»!»!«»- — Ist das nicht -cktttti? Wenn nn ere Seele beim Anblick irgendeiner Lchönheii in der Natur oder Kunst, beim Aniivren -er 'chioebenden Kl.'inqe. die wir „Musik" nennen, die a»S einer anderen Wett >n ildiiin.en scheinen nnd dennoch jede Regung unseres eigenen .cnircrn ivioerspiegeln» sich weites nnd NUS dein dumpfen Werliaa hlnaufftrovt gegen jene lichten Hüde», deren Sein sie selig enchancrnd ahnt — in das nickt «'stück? lln> «Llnck nicht der vollkommene Körper lichkett? Ern ivenen ein «Mich, «ln Sinn in Verlust uerlit, wenn Krnnlhrit unseren Schaffens.- und LebkNSdrang liemmt und niederhält. werden wir des Glückes gewahr, das wir nndewiis'.t besessen haben. Der Götz? des Maierinlisinns, dem lstutz-nttige mehr denn ie gehnldigi ivird. vermag seine D iener durchaus nicht -ei-lrs .'.n begliickeu. seine avldenen «gaben wecken nur altinvst en ize «Kivr nach vermehrtem Besitz. Unzirsrieden heil und Mts,auns». Fe gröber Wohlstand und Macht, ,e gröber die Sorge um ihre Erhaltung, je grober die Ver antwortlichkeit Nur allzu gern wird das vergessen. — lichtes, nirvergänjsiiches ctzlück läßt sich nicht erkaufen, nur »»sei Hera kann uns Len Weg zu seiner Heimat weis«». Glückliche Menschen sind heimliche Könige. Sic tragen ans ihren: erhobenen Haupte eine unsichtbare Krone, deren ienchtendei' Ltralri ihren ganzen Lebensweg erhellt, die graueste Serge, das tiefst« Held noch mir einem miidoer- whncnden Trosiesschiniiner ningibr. Soviel bleibt unser«» Wirnsth uns Hoffen hieiiteden i versagt — killten wir uns nicht wenigstens dies eine Gl-ück, irr venneßten. dankbaren Freude an Gegebenem zu erringen i rechten? I ——— j Der lönerne Apfel. Skiz.ze aus All Berlin von Lila Wvtff. Christian Söller sab mit »ntergeschlcigcnen Beinen aus ''ernen: Schneidertisch iu der groben Küche und stichelte emsig. Den Rock musste er morgen abliefern. Dir Qellampe aus Messing brannte nur trübe. Den ganzen Dag war es heule nicht richtig hell gewesen, das Schneegestöber war immer arger geworden Ob Karoline heute narb Hause kvmmt, wie sie ver sprochen hatte? stin Silvcsterabend ohne Karpfen nnd Mannkuchen mit Punsch war llberhanpl kein Silvester abend Da fingen die Glocken zu läuten an. Er borchle hinaus. So spät schon? Dann begann also jetzt der Abendgottes- dienst in der Parochialkirche. Suliü liest er die Nadel durch das hellgraue Tuch stiegen. Der neue, vornehme Kunde durfte nicht vergebens warten. langsam verrann Minute ans Minute des Jahres 185!'. Die Kaste »Uhr mit dem goldenen Zifferblatt lickte dumpf wie khwerer, mühsamer Herzschlag — — tick — tack — tick — lack Die Tür ging ans. „N' Abend Atter." Frau Kacvline S0Uer kam herein. Sic stellte die schwere, braune Tasche mit dem Nosenstrantz in feinster Kreuzsticharbeit nieder und liest sich auf de» Stuhl fallen. Erschöpft schnappte sie nach stuft und band die Btndebänder ihrer Samtschute auf. lieber den schwarzen Doubleeinantel hatte sie einen Hongschal ge bunden, eine riesige Muffe ans Hellem Nerz hing an dicker Schnur herab. Sie bückte sich und nahm ein Netz aus der Tasche. „Hier sind die Karpfen." Die Tiere zapvelien »och. »arvltne blieb sitzen. ,,Heut' werde ich nicht alt, das weist ich. Fmmerzu Nachtwachen, das hält man nickst lange ans. Die Pocken Hansen ja ganz grnslich. Ums Schönhauser Tor enm sterben die Menschen ja Hans bei Haus " „Hat's denn gelohnt?" fragte der Mann und rk'b Daumen und Zeigefinger der Rechten aneingnder. Sic lgngte die lederne Geldtasche mit dem runden Bügel aus dem Pompadour nnd liest ein paar Taler aneinander- llingetii. „Wieviel?" — „Vier!" „Vier Taler blvst? Tie Protzen rvnnte» dreist mehr jeden!" „Dn kriegst nie genug! Pro Tag 'n Taler ist viel Geld!" Sie stand aus und ging an den »Illaieiischranl. Klirrend liest sie die Silberstücke in einen grossen, tönernen Apfel sahen. Sie war noch immer in ihrem Dvubleemantel. Zetzr nahm sie die Schute ab, die n-rst von dem gerauten Schnee war, und strich den dunklen Sweitel glatt Es tlopke laut. „Nann, wer kommt denn jetzt noch?" Sie öffnete. Drausten stand ein Diener in blauer Hivrec. „Lina Sie die Frau Lütter?" fragte er ein bisschen von oben herab. „ Za, aber ich gehe gleich ins Bett. Was will er denn?" ..Sie niöchke» gleich zu Baron von B. lommen. Geheim- rat Wolf schickt mich. Die Kinder haben hohes Fieber, und die Herrschafr must aus den Hwvali." „Grüsten Se man den Herrn Geneimral, und ich mnst zum Federball!" Der statai sah sie verblllsft a». „Cs gibt noch mehr' Pflegerinnen in Berlin!" Frau Kglvline wollte die Tür ziimachen, aber der Livrierte hielt die Hand vor. „Fch bin schon überall gewesen Alle sind ie weg, weil doch die Pocken so herrschen. All» Holt, Arm» Söller», lommen Se doch man Das Kindermödel ist ausgeriickt, die dumme Pure denkt, sie kriegt denn auch die Pocken." „Tut mir leid, ich bi» auch otosi '» Menuh. Eben komme ich nach Hanse, wie Sie sehen. Die ganze Woche seit dem zweiten Feiertag war ich weg — - —" Karotin«, du jelsst!" kam es da diktatonich von dein Lchueidenisch herab. „Wiest doch die Milderten» »ich im Stich lassen " Christian Sötter Schein der Oellawpe für'n Tag, de Nachte hinüber. „Aus Geld kommrs der Herrschaft überhaupt nicht an", sagte der hochmütig. — „Na also, Venn jehste, ua>oli»e'." - Sie stand unschlüssig ans. Dan» leiste sie !iü» nieder auf den Holzstnlst unst gähnte taut. „Ach Gott, ich sin doch so mli de — —" '.Nann, machen Se de Tnee ,u. et >ichk", t'ommanüierte der Schneider. Ter Diener trat ein und schloss die Tür. „Gehcnniat Wolf hat die Frau Sötter so sehe gelobt", begann er ihr zuznreden. „Fa doch, se jeht ja mit", erklärte Chmnan. ohne von seiner Näherei ailfznsehen. Für ihn war die Sache längst entschiede». — Frau Karvttne war eine stattliche, hübsche Frau, und «s ist zeitlebens ihr Geheimnis geblieben, wes- halb sie den buckligen Schneider mit der langen Mähne ge- ehelicht hatte. Und noch rätselhafter blieb es, dast sie sich von diesem »»gebildeten Mann tinannisiereti liest. Fn seiner Habgier gönnte er seiner Frau leine Ruhe, sie dürft« sich deshalb diese gute Gelegenheit nicht entgehen lassen. „Und was wird mit den Karmen?" spielte sie ihren letzten Drnnips aus. — „Die schlack»' ick. Duderdrnm jräin dir man «ich, KarUnelen" Fetzt wurde er zärtlich. „De Webern kochi se mir den» morje,, mittag, hem Hab' ich schon Molinsvielen von ihr jelriegt. und die Psanninche» wolltest du doch von Karchow n mitbringen." - ,.Fn der Tasche sind sic", sagte Fr,», Sötte, resigniert, sie hatte sich umsonst auf ihr Bett gefreut. Schwerfällig stand sie auf, nahm die groste Kaffeetasse mit der Vergissinclnnichtrauke und der Inschrift „Froh erwache ieden Morgen, trink' dein Lätzchen ohne Sorgen", und schenkte sich aus der braunen Bun,,lauer, die auf dem Herd warm stand, ein. Stehend trank sic. Daun setzte sie seufzend die Schute wieder auf. „Noch einen Angeubkick." Sie holte ein Paar hohe, schwarze Tuchschuhe mit kleiner Vacttavpe aus der Stube nebenan, dann zog sie die derben Lederschuhe ans und sah blaute ralerstücke vor sich un lanzeil. „AVer rrich untern Taler extra", sagte er dann z» dem Vaiai streifte sie über. Zuletzt kroch sie mit den Füßen noch in ein Paar grotze unförmige Galoschen. „Die tuten Schuhe bet das Wetter?" kam es wieder vorwurfsvoll von dem Schneidertisch herab. Ruhig schtvtz sie die Schnallen. „Die anderen sind »atz", sagte sie lakonisch. Sie band den Long-- schal wieder nm, wickelte Wäsche und eine reine, weihe Schürze sin und hängte den Pompadour über den Arm. Die Riesenmufs« vervollständigte die Ausrüstung. „Na, denn kommen Se man. Di« Lat«rne hat «r doch?" Hier in dieser Gegend war es nächtlicherweile sehr finster, nur in den vornehmen Strotzen brannten Laternen. „Adjes Sötter, komm' gut 'rein ins neue Fahr. Hoffen», ttch bin ich bald wieder da." „Adjes Karttneten, und last se ordentlich blechen hörst«?' Sie würdigte ihn keiner Antwort mehr. Wortlos ging sie hinaus, wortlos stapfte sie neben dem Mann durch den hohen Schnee. Hinter vielen Fenstern brannte der Christ bäum Musik und Lachen scholl ans einer Kneipe, an der sie vorbeikameu. In der Friedrichsiratze war viel Leben, trotz des Schneesglls. Als sie die Linden überquerten, fuhren Hvseouipagen au ihnen vorüber. — Tie Wilhelm ärgste war erreicht. Sie standen vor den, Palais des BarvnS von B. Der Diener nistrre sie sofort hinauf. Fm Zimmer vor der Kinderstube ging der -Herr des Haukes unruhig ans und ab, die Uhr in der Hand. Frau Sölier trat ei», sie hatte arausten abgelegt. Fu ihrem grauen Lüsterkleid mit der meiste» Smürze und dein kleinen weitzen Kragen sah sie -o appeiir.'ich und vertrauenerweckend ans dast der Baron allstamete. „Sind Sie die Frau Svlter, liebe Frau?" fragt« er freundlich. — „Zn dienen, Herr Baron." — Sr öffnete die Tür zum Kiilderzimmer. „Sugenie, di« Frau Sötter ist da." „Gott sei Tank!" Die Frau Baronin rauschte herein in voller Hostoiletie mit langer Schleppe, tief dekolletiert, Hals Und Frisur mit Brillanten geschmückt. „Sie sind uns so warm empföhle», worden, dast ich Ihnen die Kinder beruhigt überlasse." — „Gnädige Fra» Baronin tonnen ganz ohne Sorgen sein " Das Slierupgar ging, und Frau Svlter naum den Platz gm Bett des bald zweijährigen Töchterchcns ein. Der süße Lockenkopf mit den sieverheisten Bäckchen bewegte sich nn ruhig. Das .Kind wrinie viel im SchlrC Dazwischen »prall» das dreijährige Brüder!ein »as> iniau'hörlicki in seinen Delirien. Die Stunden vergingen. Wieder läuteten die Glocken von allen .Kirchen. Dir- alte Fahr war zur Ruhe gegangen Von der sonst so stillen Srratze he.-ani tönten laut« „Prosit. Neujavr!" R ne, Schöne knallten dazwischen. T er 'Berlin«, must seinen Radau haben, anders geh, es nicht. — Frau Sölier ttarl« sich in der Kinderstirb« nneiirbehrlick' gemacht. Die Kleinen «singen so an ihr. ,V.st sie nichr oie! nach der Mutter verlangten. Als nach lechs Tagen die grösst« Ge'ahr vorüber war. machte sich Frau Karotin« ans den Weg, uni nach ihrem NN au ,u sehen und och ae>e Wäsche und Kleidungsstücke zu holen. Sin merkwürdiger Geruch ström» ihr ans dem Flur enta-egen Die Küche wgr leer "nd kalt. Als sie die L>.:'>e bl rat. iah sie iure» Miau tot im Bette liegen: die Pocken h. tten ihn dahin?,erasir In den er kalteten. steife» Händen hielt er den tönernen Apfel Silber stücke lagen uns dein Deckbett nnd waren auf dl« Erbe ge-, rollt. ' Vier Tage vorher hatte man die Webern beerdig: An den Schneider hatte niemand mehr gedacht. Der tönern« Apfel steht noch heute in dem Glgs'ch'.'g!it meiner G'.osttwiue. Der MoZetthul. Von H a n s N a t v >> e l. Gin einziges Mal Nabe ich mich überreden iahen, me:».« Frau bei der Wahl ihres Hutes zu beraten. Ich werde es nie wieder tun ..... Der «rschnttelnde Vorgang ipicite sich in jenem apanen Raume ab. der den MoS«!lh-ttt«n Vorbehalten ist und der schon durch sein mondänes Aeusteres das Preisniveau zu erkenn«« gibt. Was «in Modellhut ist, wird einem männ lichen Gehirn schwerlich eingenen. Die Logik der Frau hin gegen erfaßt sehr rasch, das, das weientttch« Mcrlnral eines 'Modells der vierstellig« Preis ist, den der Mann zu be zahlen hat. ^ F„ einen Klubsessel gelehnt, liest ich den Dingen und meinen Gedanken ihren Lauf. Di« Präliminarien be gannen. Ein« kleine Direktrice, die ick, unter anderen Ver hältnissen scharmant zu nenne» nicht umhin gekonnt hätte, bracht« di« ersten Hüte heran: auf spitzen Fingern, schwer Die Jugend ist eine persönliche Gefälligkeit Gottes: sie ist immer da, wenn man an sie denkt. Das Aller ist der feinste Wellnrann, er tritt nicht ein, wenn man nicht „Herein!" ruft. Man bleidl jung, wenn man jung bleiben will, man bleibt jung, wenn man fort während der Natur treu bleibt und sich täglich noch ihrem Befinden erkundigt. Man muh nie fertig sein und die Bude des Herzens und des Geistes nie zuschliehen. Die Natur ist nie fertig, und nur wer zuschlieht, wird alt. Wer immer strebt, dem bleibt die Jugend. 'August Keftner an seine Schwester Charlotte. Skernenhlmmel nn- Menschengemüt. Von Prof. Tr. Max Sch neide min. Unlängst las Ick in einem kleinen Aussatz „Nachts" von Sophie v. Adelung, wie sie in einer durch die Sorgen dieser 'chweren Zeit schlaflosen Nacht einmal ans Fenster tritt, zum Sternenhimmel emporschaut und Ruhe in ihre Seele ein- zielien fühlt, überwältigt von dem „unaussprechlich hehren Reigen", den öle Fixstern-Sonnen aus Unendlichkeiten ln Unendlichkeiten aufführen. „Ein Nichts tm Meere der Un- endltchlett ist ein armseliges Menschenleben." Beim Hinausbllücn dorthin schwindet alles Kleinliche, Menschliche. Seht hinauf: dort findet ihr Ruhe, dort Frieden für eure friedlosen Seelen. So sehr die kurzen Ausführungen durch sprachliche Schönheit fesselten, ich fühlte mich doch zu einigen Be merkungen zu dieser Verkündigung der Quelle des Scclcn- lricbens bewogen. Diese Empftnbungswetse dem Sternen- »immel gegenüber ist doch nur eine der möglichen und sehr verschiedenen, die er auslöscn kann. Am nächsten verwandt ist sie mit der Giordano Brunos, der zuerst, vom .Kopernilanismus ausgehend, die Unendlichkeit der Welt und die Zahllosigkeic der Sonnen mit ihnen zugehörigen Planeten auistcltte und sie im Sinne der Schönheitshcrr- lichleit der Welt verwertete. Einen „Reigentanz" und eine Harmonie der Sphären hatte» zuerst die Pythagoräcr ge lehrt, aber nur für die Planeten unseres Sonnensystems, deren Abstand voneinander sie so geordnet glaubten, daß er den Intervallen einer Oktave entspräche, daher auch eine ähnliche musikalische, aber nur für den Geist, nicht für das Ohr der Sterblichen vernehmbare Harmonie herovr- zubringen vermöchte. Für die Fixsterne etwas Gleiches anzuncbnicn, hätte auch der gewiegteste Astronom, so sehr er auch seiner Phantasie eine wissenschaftliche Betätigung ein- räumte, keinen Anhaltspunkt. Dte GchönhettSherrltchkeit der Welt kann aber für sich allst» gerade „Frieden" noch gar nicht gewähren. Sie erwidert ja nickr das Bedürf nis des Mem'ckcn, nberlianpt des Geistes, das sie allerdings vou seiten der Schönt,ettsherrlichkelt weit überircssen mag Mid überhonpt erst mit einem Inhalt, der gar nickt zu ahnen war, erfüllt, auch ihrerseits mit einem Grgcntlange des Verständnisses und der Liebe: sie weist erst hin auf ein noch höheres Prinzipium ihrer selbst und des Geistes, aus dem gutcrletzt allein Friede fließen könnte. Daß das Univer sum als solches für das religiöse Bedürfnis an die Stelle Gottes treten könnte, war ein Irrtum von David Strauß tin seinem Buche „Der alte und der neue Glaube" 1872), der sogleich von E. v. Hartmanu aufs eindringlichste wider legt wurde. Ucbrigens spricht uns auch der Reichtum der Schöpfung an unsäglich viel mannigfaltigerer Jnhaltsfülle zu Gemüte hier auf der Erde, wo sie sich anschaulich vor uns auSbreitet. als wo wir sie aus lichten Pünktchen am Himmel durch vage Phantasie erst hinzudenkeu müssen: nur an dem Eindruck der Majestät der Schöpfung übertrisft allerdings der Sternenhimmel tu den Gedanken, die wir aus jener Phantasie hinzusügen, bei weitem selbst das Hoch gebirge und das Meer. PcrivaivLi ist am nächsten jene Empfindungswcis« für den Sternenhimmel derjenigen, die Cicero in seinem „Traum des Seipio" hem Jüngeren dieser beiden großen Römer in den Mund legt: „Wenn ich zuim Sternenhimmel hinauf- schane. kann mir unser römisches Reich lew tim". Das heißt: Bcm der Größe -er überirdischen West übcnoaltigt, können wir von tiefer Gelassenheit erfüllt werden gegen unser« kleine Eodemvett, gegen die menschlichen Dinge. anS deren Schoß »ms sonst so viele Aufre-gunp, so rastlose« Sorgen und Mühen, so endlos« GemlltS-beiosgnng aller Art «rqnillk. Und an dieser Art der Einwirkung des Sternenhimmels auf unser Gemüt ist allerdings viel Richtiges. Diese Ge lassenheit ist nur «kn« Selbe der Wirkung der Größe der Sternenwclt: sie kann uns ja auch ganz niederschmettern, »nS erdrücken in dein Vergleiche der himmlischen Größe und der irdischen Kleinheit. Dieser Wirkung der „rnathenmbtschen ErhaSrnheit" des „bestirnten Himmels über mir" hat am ergreifendsten Ausdruck gegeben unser Kant in der be rühmtesten Stelle seiner Werk«, die auch seiner Grabstätte als Inschrift gegeben ist. wo er lim Beschluß seiner „Kritik der praktischen Vernunft") spricht von Sen „zwey Dingen, di« das Gemüt mit immer neuer un- zunehmender Be wunderung und Ehrfurcht erfüllen, der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz fn mir". Dort sagt er dann auch in der weiteren Ausführung: „Der Anblick Ljner. iybllol«» Wettenmeng- vernichtet gleichsam mein« Wichtigkeit, als et«« tierische» Geschöpfes,./«, die MnKrke. aus der es ward, dem Planeicu leincin bloßen Punkt im Weltall« wieder zurnügeben must, nachdem es eine kurz« Zeit im an weiß nicht, wie) mit Lebenskraft versehen ge wesen". Dies ist eine die Vernunft des Lebens bedrohende und deshalb furchtbare, nicht erhebende Möglichkeit der Ein» Wirkung des Sternenhimmels als die Mcnschenieele. Wir müssen »ns schlechterdings von ihr losznreitzen suchen. Denn mag außer der Erde sein, was da will, wir gehören der Erde an, hier haben wir unsere Aufgaben, hier betreiben wir unsere Angelegenheiten. Und das innerliche Mittel zu dieser Losreißmig, sofern es nicht schon in diesem eben ausgesprochenen Gedanken liegt, gibt Kant sogleich im weite ren Verfolg seiner Betrachtung: „DaS moralische EKsctz in mir erhebt dagegen meinen SSert, als einer Intelli genz. unendlich, durch meine Persönlichkeit, in welcher das moralische Gesetz mir ein von der Tierheit und selbst von der ganzen Sinnenwelt unabhängiges Leber offenbart" Kleider. Betrachtung von AnnaDix - Zittau, Es ist nicht wahr, daß Kleider Leute machen. Scham euch doch Sie teuren Hüte an über den niedrigen Stirnen init den dreisten Augen. Seht doch die kostbaren „neuesten Mantelschöpfungen" über aufgeschwemmtcn Gestalten mit unbeherrschten Bewegungen. Nein, — eS ist nicht wahr, daß Kleiber Leute machen! Und dazwischen pilgern in bescheidener Würde die Un auffälligen. die stillen Kämpfer in ihren bejahrten, sorgsam geschonten und gewendeten Sachen. Umschwebt nicht jede reizvolle, begehrenswerte Frauengestalt in ärmlichen nn- modischeil Kleidern die Weihe der Unvcrkäuslichkeit, — jene ernste Weihe, welche die Genüßlinge, die Faulen und Feilen niemals begreifen werden? Es ist lehrreich, die Gesichter in einem, von elegantem Publikum gefüllten Lokal zu beobachten beim Eintreten einer edlen Fraucngrstalt in schlichten, altmodischen Klei bern, — einer Fraucngestalt, auf den seinen vergeistigten Zügen die Bläffe manchen Verzichtes, in den maßvollen Be wegungen die unnachahmliche Anmut der Unschuld . . . Und die geputzten, frisierte», nach Parfüm und Zigaret ten duftenden Dämchen umher fühlen, wenn auch unbewußt: — hier schreitet an ihnen eine Welt vorüber, dte sie längst ver lasse» haben und niemals wieder betreten werden — die stille, heilige Welt der Unberührtheit, die schwer ist von Kampf und Leiden. — aber erfüllt vou Verheißungen nn» Wnnderu. » ! '
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