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Das Berliner Bahnattentat ansgeklSrt. Ein Klempnerlehrling, der einmal ein Eisenbahnunglück erleben wollte. Vene Skrelkunrilhen in England. - Blutiger Aebersatt aus eine Polizeistreife in Wanne. - Dombenallenlak in einer Dank in Amerika. Der Dubenslreich eines ISiShrigen. Berlin, 28. Aug. Der Täter, der in der Nacht zum Dienstag anj der Berliner Borortsftrccke «ach Bern«« kurz ,or de« vahnhos Cnnow Steine ans die Gleise gelegt hat. so »atz der heraakommende Borortzng in Gefahr geriet, ist ver« tastet worden. Beim Absuche« deS LanbengelSndeS an der vahnstrecke wnrde gestern abend der 15jährige Klempner« lehrling B «mm, der ans der Lehre und von z« Hanse davon« ^lansen «ar. ansgegrisfe«. Unter dem Drucke deS Beweis» «aterialS gab er z«. die Schotter, und Feldsteine ans die Schienen gelegt »« habe«. Die Untersuchung ergab, baß eS sich diesmal um einen Dummenjungenstreich handelt«, der aber leicht ernste Folgen hätte haben können. Bumm wird als fleißiger, aber zu Phan tastereien neigender Bursche geschildert. Am Sonnabendnach mittag verließ er seine Arbeitsstätte, ging aber nicht in die elterliche Wohnung, angeblich, weil er sich zu strenggehalten fühlte, und unternahm zu Fuß einen Ausflug, wobei er an tt« Bernauer Bahnstrecke kam. Im Gespräch mit einige« am Seldrande spielende« Kinder«, das sich «m die Katastrophe »», Leiferde drehte, behauptete vnm«. es sei eine Klelnig» lest, eine« Zng -«« Entgleisen z« bringe». Me er setzt «gibt, sei ih« spätes plötzlich der Gedanke gekommen, er nicht« einmal eine» derartige« Unfall sehe«. So habe er ans t« Schotterung des Gleises Steine gelockert «nd diese dann «s die Schiene« gelegt. AIS er jedoch den fälligen Borort zug herankommen sah. habe ihn die Angst gepackt, und er sei gef.l sichlet. Der Junge wirb sich wegen Gefährdung «ine» Eisenbahntr-nSports vor dem Jugendgericht zu ver- antworten haben. Außerdem ist seine Uebersührung in eine ZwangSerztehungsanstalt bereits beantragt. Leiferde ein Racheakt. «Durch gunkloruch.» Hannover, 28. Aua. Bet der Staatsanwaltschaft in HildcSheim ist ein am kl. Ananst auf dem Postamt 4 in Berlin ansgegedener Bries eingctrosscn. der ossenbar mit »erstellter Handschrift geschrieben ist «nd die Unterschrift »Ult» r" trägt, «nd in dem erklärt wird, der Anschlag ans de« Berlin—Kölner Zug sei ein Racheakt eines ehemaligen Beamte«, der nege« geringer Bersehlnnge« entlasse« worden sei. sW. T. B.) Hannover, 28. August. Die Ermittlungen hakt«« bis zur Stunde noch kein greifbares Ergebnis. Auch d«r Arbeiter Walter Meyer a»S Grußendorf, den man für den Täter hielt, mußte wieder aus der Haft entlasten werde». Sin neuer Sisenbahmrnfall. Sattowitz, 25. August. Auf -er steil abfallenden Anschluß- strecke Ellguth—Jda-Weiche entgleiste gestern nachmittag ein mit Kohlen beladener Güterzug. Die Maschine und die KohlenivaggonS wurden zertrümmert. Menschenleben sind nicht zu beklagen. Di« Ursachedes Unglücks ist noch nicht geklärt. (W. T. B.) Ein „belangloser" Vorfall. Berlin, 28. Aug. Zu den Meldungen über einen neuen Bahnfrevel in Wille bei Minden ist festgestellt worben, daß sich der »an sich belanglose" Vorfall bereits in der Nacht zum 18. August im Gebiete der Kreisbahndirektion Minden, also einer privaten Kleinbahn, zugetragen hat. (WTB.) Unerhörter Uebersall aus Polizei. Hannover, kö. Aug. In Wanne-Eickel überfiele« gestern «acht mehrere Lente eine Polizeistreife. Bevor die Beamten sich gegen die Uebermacht znr Wehr setzen konnte«, wnrde« sie »ledergcstoche«. Einem Beamten wnrde die Gchädeldecke vollständig zertrümmert; er erhielt auch mehrere Lnngenstiche. Der andere Beamte wnrde edcnsallS schwer verletzt. Anschcinend handelt es sich »m eine» systematiische« Uebersall. da vorher keine AuS, einandersetznng stattgesunde» hatte. Acht Tater konnte« fest« genommen werde«. ' Die Wirkungen -er Sehe gegen -le Justiz. Breslau, 25. Aug. Wegen gemeinschaftlicher Körper- Verletzung hatten sich vor dem Großen Schöffengericht der Steinsetzer Schindler und der Arbeiter Kirchner» beide Kommunisten, zu verantworten. Bet Verkündung des Urteils, diP bei Schindler auf fünf Monate Gefängnis lautete, während Kirschner freigesprochen wurde, kam eS im Zuhörer- raum zu ungeheuren Tumülten. ES erschollen Rufe: »Hoch der Kommunismus! Hoch die Rätediktaturl Rieder mit de« Richtern!" Nur mit großer Mühe konnte der Saal geräumt werden. Der Verurteilte will gegen das Urteil Berufung ein- legen. sW. T. B.) Da» Aelchsbanner rück»! von Len (SewaMalen seiner Mitglieder ab. Theorie «nd Praxis. BerN«, 28. Aug. Am 14. August war in einem holsteini schen Orte ein landwirtschaftlicher Arbeiter von einem Mitglied des Reichsbanners Schwarz-Rot,Gold nach vorangegangeuem Streit erschlage« worden. Die Gauleitung Schleswtg-Hol- stein deS Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold erläßt nun eine Erklärung, die besagt, daß der Geist ihrer Organisation mit einem solchen Verbrechen nicht- zu tun habe. Das Reichs- bavner Schwarz-Rot-Gold bekämpfe aufs schärfste jeden pol«, tischen Mord und jede politische Gewalttätigkeit und müsse daher auch jede Verantwortung des Bundes für diese ge meine Tat ablehnen. Die Finanzkvnserenz i« Evian. Me-er -ie Mobilisierung -er Aeichsbaha- Obligakionen. Paris, 28. August. Ueber den Aufenthalt der Finanz- leute in Evian, wo sich bekanntlich der amerikanische Schatz- sckretär Mellon, der Präsident der Federal Reserve Bank, Strong, der Generalagent für die Reparationen, Parker Gilbert, und der ehemalige Schatziekretär Horne, auf halten, glaubt der »Petit Parisien" zu wissen, daß Mellatz ge- nicinsam mit Strong die Frage prüfe, welche sinanztelle Unter st ützung Frankreich zuteil werden könne, wenn das Schuldenabkommen ratistztert werde. Mellon habe mit einem französischen Politiker die Möglichkeit der Mobilisierung eines Teils der dentschc« Eisenhahnodligatio» »en für den Fall einer Ratifizierung des Schuldenabkommens durch das französische Parlament untersucht. Die Schwierig keiten ans diesem Gebiet, so führt daS Blatt auS, seien groß, da diese Obligationen «nr verkauft werde« können, wen« die dentsche Regierung ln eine Aendernng deS Zahlungsplanes einwilllge. Die deutsche Regierung würde solche Bersprechnn» licn aber nur argen politische Zugeständnisse machen. Ferner habe Parker Gilbert mit Mellon die Frage besprochen, wie die Summe verwendet werden könne, die in Berlin auf Grund des DaweS-Planes zur Bezahlung der amerikanischen Kriegs lasten angesammclt würde. Wie daS «Petit Journal" mitteiit. sind auch italienische Persönlichkeiten in Evian eingctrosfen. und man hält es für sicher, daß die Italienische Negierung die Revision de« SchnldenabkommenS mit Amerika in Anregung bringen wird. <T. U.) 62 S Millionen Dawes.Zahlunq der Industrie. Berlin. Ai. August. Die Bank iür bentlche Industrie« »bllaationen hat beute die zweite Aalbiabresrate der Industrie, »rlaftnna in Höhe von «2.8 Millionen Goldmark srift, «nd »rdnnngSgemäß dem Generalaaenten für RevarationS. zahlnnge« kür Rechnung deS Treuhänders s«r dentsche ftndnftrieobligatlone« überwiesen. lW T. B l Abrüstung -er Well o-er verstärkte Rüstung Amerikas. Ne«york, 2V. August. Der Vorsitzende de- FlotdenauS- schusteS tan Repräsentantenhaus«, -er Republikaner Butler, sprach sich in einer Rede sehr beunruhigt darüber aus, daß Europa sein« Zustimmung zu einer wirklichen AbrüstungS- konferenz anscheinend nicht geben wolle. Amerika werde da« durch wahrscheinlich z« einem verstärkte« Flottenbanprogramm gezwungen sei«. Amerika könne, wenn eS um den Ausbau seiner Berteid-tgun« gehe, für sich selbst sorge». Entweder würde« dnrch gegenseitige Abmachungen die Rüstungen hernntergesetzt »der Amerika werde seine BerteidignngSmittel anSbane«. Butler erklärte weiter, er beobachte die Vorgänge in Europa sehr intensiv, könne aber nur das Fehlschlagen aller Bemühungen für ein« Abrüstung feststellen. (T. U.) Die Slellimg de» MRchle zur Rüslungskoukrvlle. Englische Kritik an de« Genfer AbrüstunaSverbandlunge». London, 28. August- Der diplomatische Korrespondent des „Daily Telegraph" stellt fest, daß die vorbereitende Ab- rüstungSkommission tu keinem Punkte von größerer Be deutung einmütige Beschlüsse habe fasten können. Dieser Fehlschlaa müsse im Lichte der kürzlich von dem amertkani- schen Staatssekretär Kellogg gehaltenen Rede betrachtet werden. Topisch für die üblichen Meinungsverschiedenheiten sei die Abstimmung der Unterkommission in der Frage der Kontrolle der nationalen Nüstunaen durch tnter- nationale Kommissionen gewesen. Die Mehrheit zugunsten dieses Vorschlages habe auS folgenden Mitgliedern bestanden: Frankreich als einzige Großmacht und den kleinen Staaten Bulgarien, Belgien. Finnland. Polen. Tschecho- Slowakei und Rumänien, die Minderheit, bi« eine derartige Einschränkung ber nationale« Souveränität ablehnt-, nm« sabtc Amerika, Großbritannien. Italien. Deutschland «nb Japan- Ein Kommentar hierzu sei überflüssig. lT-U.) Am -ie Dalkanhegemome. (Von unserem Wiener Mitarbeiter.) ^ Belgrad, Ende August. Wenn man es als Hauptaufgabe des Vertrages von Locarno bezeichnte, am Rhein eine Atmosphäre des Friedens und der Verständigung zu verbreiten, so ist man in Süd osteuropa, auf dem Balkan und an der Adria von diesem Ziele noch himmelweit entfernt; und gerade die Ereignisse der jüngsten Zeit — weniger der jugoslawisch-bulgarische Konflikt, als ble sich verschärfende Rivalität zwischen Italien und Frankreich im östlichen Mtttelmeer — beweisen, baß eS ver fehlt wäre, den Friedensschlüssen von ISIS Dauerwerte beizu- legen. Wenn daS Balkanproblem als solches erst seit un gefähr Jahresfrist in den Vordergrund rückt, so deshalb, da bisher oie Politik der Balkanstaaten mehr nach außen als nach der Balkanhalbtnsel selbst hin gerichtet war. Rumä nien und Jugoslawien fürchteten die Restauration in Ungarn und schloffen zu deren Abwehr mit der Tschecho. Slowakei die kleine Entente: Rumänien drückte überdies die Sorge um Beffarabien, Griechenland die Sorge um den klein- asiatischen Besitz, der schließlich verlorenging. AIS sich Griechenland wieder aus sich selbst besinnen mußte und die Furcht vor Ungarn oder Sowjetrußland abslaute, da lebte Ausbruch des Weltkrieges der Fall war. Man denke nur an bas Jahr 1878 zurück, als der Berliner Kongreß die von Ruß land befürwortete Schaffung eines Groß-Bulgarien einschließ lich Mazedoniens zunichte machte: Ostrumelten wurde da mals zwar bulgarisch, Mazedonien aber blieb türkisch: eS wurde der klassische Schauplatz der blutigen Bestrebungen der Balkanstaaten nach Befreiung ihrer mazedonischen Stammes- und GlauLenöbrüder. In Serbien nährte man die Erinne rung vn das Reich Kaiser Duschans, während Bulgarien» daS 1885 Serbien niedcrzwang, sich eine aus Kirche und Schule basierte Propagandaorganisation in Mazedonien schuf, die immer schärfere Formen annahm und seit 1895 mit Dynamit, Feuer und Schwert arbeitete. Die türkische Regierung stand diesen Kämpfen so lange teilnahmslos gegenüber, bis die grobbulgarische Bewegung einen staatSgesährltchen Charakter annahm. Auf Grund der Mürzsteaer Vereinbarung von 1903 zwischen Ocstcrreich-Nngarn und Rußland kam es zur Schaffung einer international zusammengesetzten eigenen Balkangcndarmerie für Mazedonien. Der Erfolg blieb aus, die serbische Agitation erhielt alsbald das Uebergewicht über die bulgarische und konnte im zweiten Balkankriege von 1913 auch durchdringcn: Mazedonien wurde größtenteils zu Serbien geschlagen. Der Frtedensschluß von Ncuilly (1919) hat den bulgarischen Anteil an Mazedonien noch mehr ver kleinert. Aber die Ruhe ans dem Balkan ist damit alles eher denn hergestellt. In Südwestbnlgaricn an der Grenze gegen Serbisch-Mazedonien hat sich eine tatkräftige mazedonische Emigration gesammelt, welche die Befreiung ihrer Brüder vom serbischen Joch angcstrebt und der es auch gelang, den groß- bulgarischen Gedanken ihrer Agitation vorzuspannen. Ja, der Einslutz dieser Mazedonier ging vor drei Jahren so weit, einen ihrer Vertrauensleute, Professor Zankow, als bul garischen Ministerpräsidenten bnrchzusctzen: dessen nunmehr regierender Nachfolger Liapschew favorisiert die mazedonische Bewegung weniger, konnte aber immerhin mit Rücksicht aus die Stimmung in Bulgarien die Bandenbewegung an ber mazedonischen Grenze nicht unterdrücken. So kam cö zu den bekannten Ereignissen In ber jüngsten Zeit, und schließlich zu dem Schritte Jugoslawiens, Rumä niens und Griechenlands In Sofia, wobei der erst spät ver öffentlichte Wortlaut der Note eine auffallende Milde aufwcist. Dieser Umstand-ist wichtig: er beweist, daß das Schwergewicht der Balkanfrage nicht so sehr in der mazedonischen Banden- bewegung liegt, als in der sich verschärfenden Rivalität zwi» )e« Frankreich «nd Italien im östliche« Mittelmcer. Diese tvalität bestand schon früher: nun hat sie auch aus den Balkan übergegriffen, wo diese beiden Staaten an die Stelle von Oesterreich-Ungarn und Rußland getreten sind. Die durch die mazedonische Bandenbcmcgung verursachte Unruhe auf dem Balkan bietet nun den beiden Mächten willkommenen Anlaß, ihre Position auf dem Balkan entsprechend zu ver stärken. Der italienische Brückenkopf jenseits der Adria ist be- kanntltch Albanien, daS nicht viel mehr als eine italie nische Kolonie ist. Auch der Einfluß Italiens auf Jugo« slawien ist nicht zu unterschätzen: er leitet sich aus der Inter« essengemeinschaft ber Italiener und Serben gegenüber dem Kroatentum her, weshalb denn auch die parlamentarisch« Opposition in Jugoslawien jüngst erst eS schärsstenS kritisierte, baß sich Jugoslawien seinen besten Freund. Frankreich, wegen deS Paktterens mit Italien entfremdet habe. Frankreich wiederum will sich hauptsächlich aus Rumänien stützen und hat mit diesem Staate jüngst auch das bekannte Abkommen geschloffen,- in welchem sich die beiden Partner die gegen, wärtigen Grenzen garantieren und auch ihre Bereitwilligkeil zu gemeinsamer Außenpolitik betonen. Ein besonderer Erfolg der französischen Außenpolitik ist In diesem Bertraa nicht zu erblicken, der nur abgeschlossen scheint, um der sich anbahnen« den rumänisch-italienischen Annäherung zuvorzukommen. Wenn in den nächsten Tagen der rumänische Ministerpräsident AvereScu nach Nom reist, so gilt dies, um die Anerkennung Italiens für die Annexion Beffarabiens zu erreichen: Jia«