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99. Jahrgang. O 429 Sennabend- 18. Oktober 1924 DradlanIchrM: Nachrichle» «re»»«». g»rn1pr»ch«r-Samme!numm«k: 2S 241. Nur tlir Nachlgelpriiche: 20 011. «rulk.» oomlv.dmZl Okt°d»rl9^1d„Utal.»w«>mal>ser3ui««Uuna>r,IÄau,l,so«o>»m»r» ÄözUZs^WLvUyt Poltdezuaepre» lür Monat Odloder > «otdmart» «tnj,ln»«»,r l» w»l»pl«n»t,. Die Anzeigen werden nach «oidmard derechneli di» emIpatUae 1! mm drei!» Zeile ZU Mg.. Mr au,w»rl» » Mg ffamilienonzeigen und SicUengeiuche ohne ÄNAtziKkU^^tLisL. Radalt lv P>., auberdaid 4: Mg., dt« uu n>m drelt« Nedlamezette llu Mg., auverdatb 2UU Mg. OltertengedÜdr IN Pta Au»w. Auitritg» gegen Dorausdezaht SchrUIIinlung und KauptgeichSttsileve: Mailenltrasie 38 40. «ruck » Vertag von Utepsch ch Aeicherdt IN «r-^den. Pl>!ttl!i«ch-Konto 1OS8 Drerde». Nachdruch nur m» deulticher oueUenanoauc ,^resi »k> '-.av.r' »iuitlo. - »verianate LchriUttucti» werden nichi autdewodrt. I-lolel Veüevus I^sckimittsgissi IVIittsg- unci /^bsncj- tsfsi suf cjsi- Isikssss im Tsstkm ttncj im IsmssssnsLs! sn c!sr Lide ösksnnts vo5nekime Isis! musik rlsciesi /^belics s^Sui^iori Mer Kabinettsfitze für die Jeutschnatiomlen Dr. Marx nunmehr zur einseitigen Erweiterung -es Kabinetts nach rechts entschlössen. Die Entscheidung für heute zu erwarten. — Der thüringische Slaalsbanklkandal in neuer Beleuchtung. Die Kulissenpolilik -er Linken. <D r a h I >» e l d u n g unsrer Berliner T ch r i s t l c l t u n g> Berlin. 17. Okt. Heule nachmittag fand der mehrfach verschobene Kabincttsrat stillt, in dem der Reichskanzler den Mitnltedern des Kabinetts Mitteilungen über seine letzten Verhandlungen zur Regierungskrise machte. Die Verhandlungen und Besprechungen mit den Führern der NcichStagSfraktivnen und auch mit politischen und wirtschaft lichen Persönlichkeiten, die dem Reichstage nicht angeboren, haben den ganzen heutigen Bor- und Nachmittag Uber an- gedaucrt. Die jetzigen Verhandlungen des Reichskanzlers stellen sich zunächst nur als ein Wechsel in der Belandlnngs» methodc der Krisis dar Während der Kanzler bisher ver suchte, eine einheitliche Beschlußfassung unter den Fraktionen zu erreichen und dann das Kabinett zusammenzuscben. will er zunächst die Erweiterung des Kabinetts versuche» und dann wieder mit den Fraktionen Fühlung nehmen. .Hinter diesem Wechsel der Methode stecken abc. starke politische Einflüsse der Linke«. Der Reichspräsident und auch der l i u k e F l ü g c l des Zentrums haben dem Reichskanzler in den letzten Tagen mehrfach «»gedeutet, das, eine, vom Reichskanzler ohne Demokraten gebildete Regierung leicht im Reichstag dadurch gestürzt werden könnte, das; Mitglieder der Zcnirumssraktivn gegen die NechtSkvalttion stimmen würde». Der Reichs kanzler scheint dadurch von der ursprünglich gewählten Linie der Verhandlungen über die Ncchtskoalttiv» abgekom men zu sei». lieber die Besprechungen mit dem Reichskanzler sollte noch heute in den Fraktionen der Koalitionspartcicn Bericht erstattet werden. Bo» den Fraktionen traten auch Volks- parket und Demokraten zusammen, doch brachen sie schon nach kurzer ' it die Beratungen ab, da noch keinerlei greif bare Ereignisse Vorlagen. Wichtiger als die negativen Be ratungen ist eine Sitzung der Dcntschnationale» Bolkspartci, die heute abend stattfiiidct. Erst nach dieser Sitzung wird überhaupt fcstgestellt werden können, inwieweit die dcntsch- nationalc Fraktion bei der Veränderung der Lage überhaupt noch die Be 'ebunaen des Reichskanzlers zur Bildung eines Kabinetts unter Heranziehung der Dentschnationalen unter» stützt. Die dentschnationalen Führer beim Kanzler. Der Kamps um Metzler. lDrahtmeldung unsrer Berliner Schrisrleltiing.I Berlin. >7. Okt. Was sofort hätte geschehen sollen, und auch hätte geschehen können, wenn der Reichskanzler nicht »ist seinem wenig glücklichen Plan der Volksgemeinschaft von rechts bis links ausgetreten wäre, nämlich direkte Ver handlungen mit den D c u t s ch n a t i o n a l e n über dir Frage ihrer Teilnahme, ist nun heute erfolgt, nachdem alle anderen Wege sich als ungangbar erwiesen haben. Der Reichskanzler hat heute die Führer der Deutschnationalen Polkspartei empfange« und mit ihnen konferiert. Der amtlicherscits ansgegebene Bericht besagt folgendes: Nachdem sich die Unmöglichkeit ergeben hatte, auf dem Wege der Verlmudlungen mit den Fraktionen des Reichs tages zu der notwendig gewordenen Erweiterung der Reichsregierung zu gelangen, hat der Reichskanzler nach Beratung mit oen Ncichsministern heute abend die Beauf tragten der Dcntschnationale« Bolkspartei zu Verhandlun gen über die Einbeziehung deutschnationaler Parteimitglieder in die Reichsregicrung empfangen. Zu einem Ergebnis haben die heutigen Besprechungen noch nicht geführt, sic sollen vielmehr am Sonnabend ortgesetzt werden. Die Möglichkeit, das Kabinett durch cutschnationale Fachleute, die nicht ausgesprochene Partei führer sind, zn ergänzen, wurde bald aufgcgeben, da dleS so wohl bei den Dentschnationalen als auch bei der Deutsche« Bolkspartci auf Widerspruch stietz. Man scheint sich aber in zwischen daran gewöhnt zu haben, Schwierigkeiten um sich zu haben, denn es soll, wie verlautet, das Zustandekommen einer nach rechts erweiterten Regierung von den entscheidenden Negicrungssstfilen an die Bedingung geknüpft worden sein, daß der demokratische Retchswehrrninister Dr. Metzler trotz des Beschlusses seiner Fraktion als Fa chm int st er dem Kabinett weiter an gehört. Die demokratische Neichstagsfraktion hielt in einer Fraktionssitzung von kurzer Dauer an ihrem Beschlüsse fest, keinem Demokraten die Zugehörigkeit zu einem Kabi nett zu gestatten, in dem die Dentschnationalen eine einflutzrciche Stellung einnehme«. Netchswehrminister Dr. Metzler erklärte gleichfalls, datz er unbedingte Parteidisziplin wahren wolle. Es verlautet je doch, datz ans den Kreisen der Reichswehr auf Dr. Metzler ein st a r k e r Druck dahin ausgettbt werde, er möge im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung auch in einem nach rechts erweiterten Kabinett seinen Rosten wciterverwalten. Die entscheidende Fraktionsfihung. lDrahtmeldung unsrer Berliner Schrtftlettung-I Berlin, 17. Skt. Nach dem Empfange der deutschnatio- nalen Führer beim Reichskanzler, der noch zu keinem end gültigen Ergebnis geführt hatte, trat die deutscbnatio- nale Neichstagsfraktion sofort zu einer Sitzung zusammen. Es verlautet in parlamentarische» Kreisen, datz der Reichskanzler den Dcntschnationale «vier Sitze im Neichskabiuctt zuge standen habe. Die Be, ratnngen der Deutschnationalen erstreckten sich auf die ^er, sönlichkciten, die eventuell in das Kabinett von der Fraktion zn entsenden seien. Als künftige dcntschnationale Minister wurden genannt die Reichstagsabgeordncten Hcrgt und Leopold, der Landtagsabgeordnete von Kries und das Mitglied des NcichoratcS für Ostprentzcn Freiherr v. Mayl. Die Beratungen der Fraktion dehnten sich bis in die Nachtstunden aus. Während ursprünglich vorgesehen war. dem Reichskanzler schon um !>,.'>(> Uhr bestimmte Vorschläge zu machen, stellte sich aber die Notwendigkeit heraus, die lekte Entscheidung noch hinauszuschieben. Am Sonnabend vormittag sollen aber die Vertreter der deutschnationalen Neichstagsfraktion in der Reichskanzlei bereits die festen Beschlüsse der Dentschnationalen Bolkspartei vorlegcn. Die innere Rüstung sür den Darves-Kamps. Sir Eric Geddes, der Präsident des Ncichsvcrbandes der englischen Industrie hat in diesen Tagen eine hochbedcutsamc Rede gehalten, in der er die Londoner Abmachungen über den Dawcs-Plan als ein Experiment bezeichnet, von dessen Auswirkung auf die britische Industrie es abhängc, ob Eng land Megenwirk ungen nachdrücklichster Art er greifen müsse. Damit ist faktisch die englische Industrie in die große internationale Abwehrsront der englischen Berg arbeiter und der ganzen internationalen Arbeitsorganisation eingerückt. die ihr Hauptziel darin erblickt. Deutschland durch schärfste wirtschaftliche Megcnmatznahmcn und durch die Fesseln des Washingtoner Arbcitszcitabkommens an der völligen Entfaltung seiner Produktion zu hindern. Daneben hat sich längst im stillen der Aufmarsch der englisch-ameri kanischen Finanz vollzogen, um die rohstoffarme, auf den Roh stoffbezug angewiesene deutsche Wirtschaft von den internatio nalen Rohstoffquellen abzuschneiden. Auf diese Maulwurss- arbeit wirft ein Aufsatz der „Berl. Börscn-Ztg." ein bezeich nendes Licht, indem er die Ohnmacht darlcgt, zu der ein so bedeutendes Rohstoffland wie Mexiko trotz seinem bemerkens werten Willen zu regen Wirtschaftsbeziehungen mit Deutsch land durch die Grotzsinanz verurteilt ist.. Deutschland braucht im Augenblick Rohfilber in ungewöhnlichem Umfange zur Verarbeitung und Hartgeldprägung sür seine neue Währung. Amerika und England haben sich aber derartige Kon- zcssionsvcrträge über die mexikanischen Silbcrlager gesichert, datz Deutschland von keiner anderen Seite Silber bekommen kann als von der englisch-amerikanischen Gruvve. die nur veredeltes Silber verkaufen und der deutschen Arbeit die Vorteile der Vercdelungsarbeit nehmen will. Dasselbe Bild bei der Kupfer- und Zinkerzproduktion, die für die führende deutsche Stellung in der elektrischen und Metallindustrie lebenswichtig sind. Die deutschen Kupferhütten sollen ohne Beschäftigung bleiben, nnd eine künstliche Verknappung sorgt dafür, daß die Preise beträchtlich in die Höhe gehen. Der Kampf der ausländischen Wirtschaften nnd der Finanz gegen das uns aufgczwnngcne Dawes-Snstem ist in vollem Gange, und nichts ist für unsere danicderlicgende, aus- gcsogene, überteuerte und überorganisierte Wirtschaft dringen der als die restlose Ausschöpfung und Nutzbarmachung aller Produktionsqucllcn, als ein inniges Handinhandnrbciten der beiden großen Träger -er Produktion: Unternehmer schaft und Arbeit. Rücksichtslosester Kampf nach nutzen und ein zersetzender, jede Aktionsfähigkeit lähmender Wirtschafts kampf nach innen sind für keine Wirtschaft erträglich. Sie muß dabei unbedingt auf der Strecke bleiben. Gerade im Innern beuten sich aber Gefahrcnmomente bedenklichster Art an. Mehr und mehr verschärft sich der Kamps um die Arbeits zeit, und wenn jetzt das Lohnabkommen des größten deutschen Wirtschaftsbetricbcs der Reichsbahn zum 1. November ge kündigt morden ist. so bedarf es keiner besonderen wirtschaft lichen Erleuchtung, um zu erkennen, datz das der Auftakt zu einem alle Wirtschaftszweige ergreifenden gewaltigen Lohn kampf werden mutz, der bei der ungeheuren, durch die drücken den Anleihebedingungcn noch verschärften Vorbelastung der deutschen Wirtschaft zu unabsehbaren Erschütterungen führen mutz. Gewaltsam scheint damit znm AuStrag gebracht wer den zu sollen, wiis ohne Schade» für die Allgemeinheit nur durch entgegenkommende Verständigung gelöst werden kann: der Streit um den Gewinnanteil des deutschen Produktions prozesses. Niemand kann darüber im Zweifel sein, datz bei dem Tiefstand der Wirtschaft, ihrer völligen Verarmung, ihrer ungeheuren Belastung durch die umfangreichen Auslands- kredit«, die von vornherein einen wesentlichen Teil des Arbeitsertrages als Tribut an das Ausland bedeuten, ihrer sozialen Steuer- nnd Neparationslaftcn der überhaupt zu ver teilende Gewinn erheblich kleiner geworden ist. Wollte nun jeder Stand, jede Schicht durch verschärften Kampf sich die Er haltung des früheren Gewinnanteils zn sichern versuchen, so würden nicht nur wertvollste wirtschaftliche Energien, die im Kampf nach außen so bitter notwendig sind, vergeudet, sondern auch der karge Gewinn selbst erneut geschmälert werden. Die einzige Aussicht auf Steigerung des Arbeitsertrages, die allein durch die Zusammenfassung und Ausschöpfung aller Kräfte erreicht werden kann, würde dadurch nur immer ge ringer. Wir leben in einer furchtbaren Notzeit, und werden noch lange in ihr leben. Wir können sie aber nur überwinden, wenn sich im deutschen Volk bas Bewußtsein der Volksgemein schaft durchsetzt, der Schichten- und Klassenstandpunkt in de» Hintergrund tritt, und praktisch durch eine Ncubelevung und M undurchsichtige Rolle der Reichspräsidenten. Der Einstich des Reichspräsidenten. Berlin, 17. Oktober. In parlamentarischen Kreisen er wartete man die Entscheid»«« des Kabinetts über die Art der „endgültigen" Lösung der Regierungskrise für den hcnttgen Nachmittag. Viel besprochen wird der plötzliche Umschwung der Lage, der sich vom Mittwoch abend znm Donncrstaa früh vollzogen hat. Nach der M ittwochabcndsitzung der Zentrums- fraktion mutzte man aus Anslassungcn führender Zcntrnms- abgcordnetcr annchmcn, datz die Erweiterung des Kabinetts nach rechts nun vom Zentrum angenommen sei, und auch Vertreter der Deutschen Vvlküpartct hatten nach einer Unter redung mit dem Reichskanzler offenbar den Eindruck, datz Dr. Marx entsprechend der bisher von ihm eingenommenen Haltung keinen anderen Ausweg zur Vermeidung der KrisiS und zur Auslösung des Reichstags mehr sah. Nach der Be sprechung des Kanzlers mit den Vertretern der Deutschen Volkspartei erfolgte die Einladung der deutschnationalen Fraktionsstihrer zn einer Verhandlung mit dem Kanzler am Donnerstag vormittag. Im Lause des Abends ist dann Dr. Marx zum Reichspräsidenten gernsc» morden, mit dem er eine lange Unterredung hatte. In politischen Kreisen glaubt man die Wirkung der Unterredung darin zu sehen, datz die Besprechungen mit den deutsch, nationale« Fraktionsstihrer« abgesagt wnr« den, nachdem die Zcntrnmssraktion am Donnerstag vor mittag überraschenderweise ihren ablehnenden Beschluß ge faßt hatte. Ein lahmes Dementi. Berlin, 17. Okt. Die „T.-U." verbreitete eine Nachricht, wonach der Reichskanzler am Mittwoch abend zum Reichspräsidenten berufen worden wäre, mit dem er eine längere Unterredung gehabt hätte. Die Wirkung dieser Aussprache glaube man in der Absage an die zu einer Besprechung mit dem Reichskanzler geladenen Dcntschiiatio- nalcn und dem überraschenden ablehnenden Beschluß der Zc»- trumsfraktion zu erblicken. Im Anschluß an diese Meldung werden in mehrere» Blättern Angriffe gegen den Reichspräsidenten gerichtet. Demgegenüber wird von zuständiger Seite fest- gestellt, datz der Reichskanzler selbstverständlich dem Reichs präsidenten über den Verlauf seiner Verhandlungen zwecks Erweiterung der Regierung mehrfach Bericht erstattet hat. Auch am Mittwoch abend hat der Reichskanzler um eine Unterredung mit dem Reichspräsidenten nachgcsucht. Datz der Reichspräsident dabei den Reichskanzler in dem von der „T.»U." angcdeutctcn Sinne beeinflntzt habe, ist falsch. Bon der Einladung der Dentschnationalen — es waren übrigens auch die sozialdemokratischen Fraktionsführer zu einer Be- sprechnng gebeten worden — hat der Reichspräsident über. Haupt nichts gewußt. Diese Besprechungen, die am Donners tag X10 Uhr vormittags beginnen sollten, mutzten hinauS- geschoben werden, weil der Reichskanzler durch „andere dringlichere" s?I) Verpflichtungen zurückgehaltcn wurde. sW.T. v.)