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mieen. den Tboren der Stadt zutilend. Der von Fergola anbe- räumte Termin von 24 Stunden verlief am l. d. um 8 Uhr. und wenige Minuten nach fünf feuerte da« äußerste Fort, Don Bla«co genannt, 5 bi« 6 Schüsse in der Richtung südlich nach den nun mit allem Ernst betriebenen Batterie-Arbeiten Lialdinr'S außerhalb der Stadt Messina. Da diese Batterien jedoch für ge zogene Kanonen errichtet weiden, so liegen sie außer Schußweite der Kanonen de« Fort«, wa« wohl die Ursache gewesen sein mag, warum man da« Schießen nicht fortgesetzt. Heute, den 2. März pasfirten verschiedene Munitionsdampfer den Kanal, um ihre La- düngen in Gazzi zu löschen Die gegen die Sec gelegenen Forts feuerten auf dieselben, doch auch diese« Mal ohne Erfolg. Gegen Abend passirte eine Fregatte den Kanal, doch ohne Erneuerung de« so eben erwähnten Schauspiele«; wahrscheinlich batte man sich bei den ersten Versuchen hinreichend von der Unzulänglichkeit der Ge schütze überzeugt Die Fregatte legte gleichfall« bei Gazzi bei. Un- ser Hasen ist, mit Ausnahme einer amerikanischen und einer eng lischen Lorvetie, vollständig geräumt und bietet dabei einen eben so ungewohnten, als trostlosen Anblick Die Stadt ist gleichfalls veröret; alle Läden find geschlossen, und jede« Geschäft hat aufge- höct. Schon, fügt er hinzu, sei Alle« auf dem besten Wege g»« wesen, als «in französischer Legitimist erschienen und sich in die Ci- tadelte eingeschlichcn habe. Dieser Sendbote de« König« Franz, so werde versichert, habe es Fergola zur Pflicht gemacht, die Ci- tadelte zu halten, da die Restauration bald erfolgen werde. Die selbe Ansicht herrscht in Rom ' Au« Rom vom l. März wird der „B. Z." geschrie ben: ,In einer der belebtesten Straßen wurde Mittag« um 12 Uhr ein Kapitular von St. Peter, also ein hochgestellter Geist licher, inmitten eines Volkshaufens von einem wohlgeklcideten Herrn erstochen. Di« Priesterzunst erhob ein Zetergeschrei über die an dem Geweihten de« Herrn verübte Mordthat; al« aber den näheren Umständen nachgesorscht worden war, verstummten die guten Leute plötzlich und waren nur darauf bedacht, die Geschichte möglichst zu vertuschen. Es stellte sich nämlich her aus, daß jener würdige Kapitular sechs, sage sechs Kinder be saß, daß seine älteste Tochter die Gattin jene« Herrn, welcher den Mord verübt hatte, war, und daß man den Dolchstoß desselben als eine Züchtigung anzusehen hatte, welche der Schwie gersohn in Ermangelung anderer Strafmittel dem Schwieger vater crtheilte, weil der graue Sünder der eigenen Tochter nachgestelll hatte I Die Geschwüre de« kläglichen Staate« eitern verdeckt weiter, bis zuletzt kein Schleier mehr dicht genug ist, die allgemeine Berderbniß zu verhüllen.- Coneert von Herrn Ludwig Hartmann Wir lernten in Herrn Hartmann einen tüchtigen gut ge schulten Pianisten kennen, dessen Anschlag sauber und correct ist. je doch zuweilen etwas kräftiger sein konnte. Die Sonate für Pia noforle und Cello von Beethoven wurde von dem Concertgeber und Herrn Kammervirtuosen F. A. Kummer sehr gut vorge tragen, und bewährte sich namentlich Letzterer als gediegener Ve teran der jetzt lebenden Cellisten. — Das Trio von Franck, von den Herren Hartmann und O. und M. Kummer recht brav gespielt, konnte unser Interesse nur in geringem Grade erwecken. D e ganze Färbung dieser Composition ist ungemein düster, ja be nähe krankhaft zerrissen, und jedenfalls in der Form zu sehr ausgevehnt. Mit den Instrumenten der Herren Kummer konnten wir un- nicht recht befreunden, namentlich hatte die Violine zu- weilen einen eiwa« näselnden, scharfen Ton. Herrn Hartmann'« eigene Lompositionen, Ballade und Polonaise, wurden mit freund lichem, wenn auch nicht enthusiastischem Beifall ausgenommen; wir hätten hie und da eine etwa« energischere Vortragsweise gern gesehen. Die Liedervorträgi der Frau Bürde-Ney und de« Herrn Schnorr v. Carol«feld erfreuten sich der regsten Theil- nähme; ganz besonder« gefiel da« von Frau Bürde-Ney zu letzt gesungene L>ed. Zum Schluß spielte Herr Hartmann den Rakoczy-Marsch von Li«zt, welche Wahl wir jedoch nicht gut hei- tzen können; die Composition ist an und für sich zu unbedeutend, und will un- für den Concertsaal nicht recht paffend erscheinen. Dem Rosenkranz'schen Flügel schienen solch« Foreetouren nicht recht zuzusagen, denn die Klangfarbe diese« Instrumente« eignet« sich mehr für den ruhigen gesangreichen Vortrag. Sehr tadelnd müsst« wir noch erwähnen, daß einig« Damen den Saal während de« Vortrag« der letzten Pi-ce verließen; konnten sich dieselben unbe merkt entfernen, so stand e« in ihrem Belieben — an dem au«füh- renden Künstler aber unmittelbar vorüber zu gehen, halten wir, gelind gesagt, für unartig. F«, Feuilleton und Vermischtet. * Ein Wörtchen über Küsse Die Küsse kann man in vier Hauptklaffen theilen, al«: Seelenküsse. Sinnenküsse, Gewohnheitsküsse und Bestechung-küss«. Der Seelen kuß weiß Nicht- von den sinnlichen Organen seine- Körper«. Er drängt die Geister gegen einander, die auf den Lippen, al« dem zartesten und reinsten Theil ihrer irdischen Hülle, sich vereinigen. Hier offenbart sich di« Göttlichkeit der reinen Liebe, die selbst die nothwendige Thätizkeit der sinnlichen Organ«, al« sich untergeord net, veredeln wird. Den Sinnenkuß wollen wir überspringen und gleich auf den Gewohnheitskuß übergehen, der, wenn wir nicht irren, unter Eheleuten auch in Dresden recht heimisch ist. Er wird vorzüglich angebracht, wenn Freunde oder Verwandte zugegen find, damit diese Leutchen glauben sollen, e« — wäre im mer so. Da sagt der Mann: Mein Herzchen, mein Puttchen! und giebt seiner angetrauten lieben Ehehälfte ein Schwätzchen um'« andere. E« geht zu wie in einem Taubenschlage, und wenn der Besuch fort ist, spielt da« .gute Männchen" vielleicht wieder die Bcummgeige. Sin Dritter hat wieder die Gewohnheit, seiner Frau einen Kuß auf die Lippen zu drücken, wenn er da« Hau« verläßt, quer über die Straße zum Nachbar läuft und nach zehn Minuten wiederkehrt, wo da- Manöver auf's Neue beginnt. Ein solcher Gewohnheit-kuß vertritt bei vielen Eheleuten die Stelle, welche die Brodsupp« bei dem Hunde einnimmt. Beide Eheleute sind an ihre Kußoperationin gewöhnt. Beide wissen, daß e« nur da- Frohngeld der Gewohnheit ist, und doch wollen sie diese Per« sonalfleuer nicht einziehen, au« Furcht, ihrer längst baufällig ge wordenen Liebe dadurch einen gar zu heftigen Stoß zu geben. — Nummer Vier: der Bestechungskuß, stark angebracht vor Anbruch eine« Geburtstage« oder kurz vor Weihnachten, verdient vor dem letzteren sogar noch den Vorzug, denn ist er auch nur ein Bettelgeld uni «in neue« Ballkleid, einen Muff oder einen Sommerhut zu erlangen, so affectirt er wenigsten« den Reiz der Herzlichkeit, denn der betrogene, in den meisten Fällen den Betrug verdienende Mann, nimmt da« falsche Geld für baare Münz« und glaubt noch einmal den Reiz der Jugendkraft m seinem längst zertrümmerten Nervensystem zu empfinden. * Die landwirthschaftlich« Lehranstalt zu Lützschena wird von Ostern an nach Plagwitz bei Leipzig verlegt werden. * Ein Kanonikus zu Chambery in Frankreich wurde unlängst deshalb in Haft gebracht, weil der fromme Mann eine Judenfamllie zum Christenthum bekehrt und die Verpflichtung über nommen hatte, für die beiden Töchter Sorge zu tragen. Ließ erfüllte der Herr Kanonikus nun dadurch, daß er die Mädchen in ein Kloster steckte und denselben auf seine Weise Zucht und Sitte beibrachte. Damit waren aber die Aeltern der Mädchen durchaus nicht einverstanden und trugen auf Auslieferung der Kinder an. Die Sache kommt vor die Asfisen. * Ambulante Bühnen, da« heißt, reisende Theatergesell- schasien. befinden sich jetzt in Sachsen nicht mehr als 23, deren Direktoren und Directrieen da« Leipziger Kreis- und Verordnungs blatt mit Namen angiebt Die älteste Concefsion datirt vom Jahre 1836, di« jüngste vom 2 Juni 1860. — Wie hierzu die Redaktion der „Allgemeinen Theater-Chronik" bemerkt, machen Etliche dieser The-pi-karrenführer von der Concefsion keinen Ge brauch und ein ebenfalls mit angeführter Direktor Linker ist be reit« vor mehrerer» Jahren in Amerika gestorben. * Eine sonderbare Bemerkung enthält ein Exemplar der vor un« liegenden Petersburger Zeitung Am Schluß dersel ben steht: »Zum Druck erlaubt, Petersburg, den 11. Februar 1861. Zensor Obert". — Ländlich, sittlich!