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Zeichnet Spen-en siir iiie Stistung nni> fiir iien Bejirilsoerein..HeiMM". Einmal an jedem Tage wurde ihm in diesem Gefäng nisse etwas kalte Suppe und Brot gebracht. Und immer wartete Peter von Ruisdaelen, zu erfahren, was über ihn bestimmt werden möge: es war, als wäre er in diesem Kellerloch vergessen worden. Wenn er aber fragte, und wenn er es forderte, vor einen Gerichtshof gestellt zu werden, dann erhielt er nur immer die cinr Antwort: „Eilt es Ihnen denn schon so, vor die Mauer gestellt zu werden? Für Spione gibt es keine langen Verhand lungen. So mußte er wieder warten. Dabei waren seine Gedanken oftmals auch zu Martha Gyönghövy geeilt. Ja! Diese mußte ihn geliebt haben, da sie es sonst nicht gewagt haben würde, ihm jene Flucht durch das Fenster zu ermöglichen. Aber auch das Opfer hatte sie umsonst gebracht. Und sie war vielleicht froh und freute sich, daß sic ihm die Flucht ermöglicht hatte, weil sie ihn nun in Sicherheit glaubte. Nur das war hart, wenn sie auf eine Nachricht von ihm warten würde, auf ein dankbares Wort von ihm, dem sie einen Blick in ihr Herz gewährt hatte. Sie würde ihn für undankbar halten müssen, während seine Gebeine längst in afrikanischer Erde modern würden. So grübelten seine Gedanken über die verschiedensten Dinge. Da näherte sich einmal seiner Zelle zu einer ganz un gewohnten Stunde das Klirren von Schlüsseln. Erstaunt horchte er auf. Da wurde die Tür geöffnet. Ein höherer Offizier, ein Paar Beainte des Militär gerichts und im Hintergründe mehrere Soldaten tauchten am Eingänge auf. Da spielte um die Lippen von Peter von Ruisdaelen ein verächtliches Lächeln; er wußte, was diese Kommission bedeutete: ihm war es nicht fremd, wie ein französisches Kriegsgericht über Spione verhandelte. „Sie sind der Freiherr Peter von Ruisdaelen?" Dieser stand aufrecht. Keine Schwäche sollte ihn befallen. „Ja!" „Sie Ware» Kapitänleutnant der deutschen Marine?" „Ja!" „Sie lebten hier in Algier unter dem falschen Namen Peter Brandenstein und besaßen auch für diesen Namen Ausweispapiere?" - b," „Sic leugnen auch nicht, daß Sie aus der Flucht nach einem italienischen Schiffe verhaftet worden waren?" „Nein!" ' „Da zwischen Deutschland und Frankreich der Krieg erklärt wurde, so gelten Kriegsgesetze. Und nach diesen hat das Kriegsgericht auf Grund der Tatsachen und nach der unzweifelhaften Erklärung des Lords Beresford ein Schuldig der Spionage erkannt, worüber die Todesstrafe verhängt wird, die morgen bei Tagesgrauen zum Vollzug kommen wird." Lord Beresford! Er hatte sich nicht getäuscht. „Haben Sie darauf noch eine Erklärung zu geben?" „Gott schütze Deutschland." Der Offizier zog die Schultern hoch und entfernte sich dann aus der Zelle, worauf die übrigen Begleiter folgten. Morgen bei Tagesgraucn! Die Schlüssel klirrten wieder. Nun kannte Peter von Ruisdaelen seine Zukunft. VIII. „Ich gestehe es zu, daß Sie bei Ihren Unternehmungen entschieden Glück haben. Richtig war der Deutsche unten im Hafen aufgegriffen worden. Sic selbst haben nichts getan. Sie haben nicht eine Hand gerührt, Sir, und Ihr Gegner wird trotzdem sterben. Sie würden sogar vor jedem Richter noch den Patrioten spielen können, da Sie doch Frankreich retten wollten. Sicherlich haben Sie nur aus diesem Grund so gehandelt?" Wie waren diese Worte des Marquis gemeint? Der Franzose wußte wohl, wie Frankreich Englands Unterstützung im Kampfe gegen Deutschland nötig hatte, und wie auch England gegen seinen gefährlichsten Gegner auf dem Weltmärkte ohne Frankreichs Mithilfe wehrlos werden mußte, daß eben einer der Stütze des anderen um seiner selbst willen bedurfte, aber deshalb konnte zwischen diesen beiden Ländern doch keine so feste Treue bestehen, wie sie Deutschland mit Oesterreich verknüpft hatte. Immer war es, als belauerten sich jene beiden, ob keiner für sich den größeren Gewinn erlangen könne. Und gemäß diesem Empfinden, das in den beiden Nationen wurzelte, klang auch die Rede des Marquis de Ferner nicht völlig frei von überlegenem Spott. „Gewiß! Das französische Gericht mag urteilen und darüber die Verantwortung tragen. Ich tat nur, was" ich mußte, wenn ich meine Pflicht als Engländer gegen Frank reich Ernst nehmen wollte." Ohne den spöttischen Unterklang in den Motten des Marquis beachtet zu haben, hatte der Lord mit einem Ernste geantwortet, als trüge er in sich selbst die Ueberzeugung von der Wahrheit seiner Rede. „Dann müssen Sie befriedigt sein, auch wenn Ihnen nicht mehr die Gelegenheit geboten sein sollte, den begonnenen Erfolg auszunützen." „Wie soll ich das verstehen?" „Haben Sie nicht beobachtet, daß vor dem Hotel Gepäck stücke verfrachtet werden?" „Das geschieht doch hier alle Tage, wenn irgend jemand abreist!" war die Antwort darauf. „Gewiß! Nur ist es nicht immer gleich interessant, wer solche Absichten ausführen will. Heute ist es Graf Gyönghövy, der mit seiner Tochter Algier verlassen möchte. Die schöne Ungarin!" Mit einem Ruck hob Lord Beresford de» Kops: „So! Schade! Aber ich habe von Anbeginn erklärt, ich wüßte gar nicht, ob ich den Willen wirklich aufbringen könnte, Martha Gyönghövy für mich besitzen zu wollen." „Ich weiß! Aber damals im Pavillon hatten Sie doch mit einem Versuche begonnen." „Ohne Lust, den Versuch zur Machtprobe zu steigern. Ist der Besitz von Martha Gyönghövy ein «siel, das die hereinbrechenden Weltereignisse vergessen lassen könnte? Haben Sie die letzten Nachrichten bereits erhalten?" „Ja! Ich weiß, daß ein Krieg zwischen Deutschland, Rußland und Frankreich erklärt wurde, daß Oesterreich sich anschließen wird, und daß lediglich England noch keine bindende Erklärung abgegeben hat." Lord Beresford zögerte einen Augenblick, dann sagte er: „Ich weiß die Entscheidung." „Und wie lautet sie?" „Deutschland ist nach zwei Fronten abgesperrt: Rußland kann Deutschland von Millionen von Soldaten überfluten lassen, und auch Frankreich wird den Westen sperren. Wenn nun die Meere »och für Deutschlands Handel geschlossen sind, dann muß es verhungern. England kann nichts ver lieren, denn seine Flotte besitzt die vielfache Uebermacht. Die Küsten Englands aber werden für Deutschland unerreich bar bleiben. Also mutz England gewinnen mit Frankreich und Rußland." „Das hört sich an wie eine Geschäftskalkulation." „Es soll auch weiter nichts sein. Die Rechnung stimmt aber." „Ja, daran glaube ich selbst! Aber haben Sie schon eine geheime Nachricht erhalten?" Nein! Aber ich kann rechnen wie die englische Regierung. Und ich wette mit fünf zu eins, daß die Antwort so fallen muß." „Ich wette nicht! Da nun Frankreich natürlich jeden Mann braucht, so kehre ich auch schon dieser Tage dorthin zurück, um im Heere meinem Vaterlandc zu dienen. Tun Sie das nicht auch?" „Wir bezahlen unsere Soldaten." Mieder standen sich zwei fremde Weltanschauungen gegen über. Auch im Franzosen wurzelte die Ueberzeugung, daß es die Pflicht eines jeden Staatsbürgers sein müsse, dem Vaterlande selbst das Leben als Soldat zu opfern. Der Engländer erachtete es für ausreichend, Soldaten zu kaufen. „Sie wissen, daß ich Deutschlands Feind bin. Sie wissen, daß ich nur den Wunsch hege, Elsaß und Lothringen der Trikolore zurückzugewinncn, daß ich Deutschland als Franzose hasse, aber trotzdem habe ich die Ueberzeugung, daß sich in dieser Nation Hunderttauscnde freiwillig stelle» werden, um ihr Blut dem Vaterlandc zu opfern. Ich habe nur den glühenden Wunsch, bei uns in Frankreich möge es ebenso werden. Ich ziehe als ei» Freiwilliger hinüber. Als Soldat! Begreifen Sic das?" „Als Soldat? Nein! Aber da ich doch ein Peer von England bin, so werde ich auf meine Kosten ein ganzes Regiment werben. Und mein Regiment wird mehr wert sein als das Leben eines einzelnen Freiwilligen." So weit gingen die Weltanschauungen auseinander und dennoch waren die beiden Verbündete, weil Haß und Neid zusammengehören, der alte Haß Frankreichs und der gierige Neid Englands. „Wir verstehen uns nicht." „Was liegt daran, wenn nur Deutschland vernichtet wird." „Wollen Sie jetzt nicht mit mir nach dem Frühstücks zimmer gehen?" „Ich muß leider ablehnen, da ich auf meinem Zimmer noch zu arbeiten habe." „Dann will ich nicht stören, Sir!" Der Marquis de Ferrier entfernte sich. Lord Beresford aber trat zunächst in das Vestibül des Hotels. Dort sah er, wie mehrere Niggerboys Reisekörbe fort trugen. „Wem gehören diese Sachen?" „Dem Grafen Gyönghövy, Sir." Lord Beresford entfernte sich langsam; und dabei murmelte er halblaut vor sich hin: „Noch habe ich nicht ausgespielt. Mir will es scheinen, als hätte ich nie so günstige Stiche in der Hand gehabt. Ich wette fünf gegen eins, daß der Graf Gyönghövy Algier heute nicht verlassen wird." Dann verschwand er in seinem Zimmer. Unterdessen herrschte in den Räumen, die von dem Grafen Gyönghövy und von seiner Tochter bewohnt wurden, eine ziemliche Erregung; zwar waren schon die großen, schweren Reisekoffer verschwunden, aber es standen immer noch mehrere Handtaschen und Hutschachteln umher. Martha Gyönghövy trug bereits ein taubengraues, ein fach gearbeitetes Reisekostüm, das aber doch deren Gestalt und Schönheit zur vorteilhaftesten Geltung brachte. Unter ihren großen, leuchtenden Augen lagen dunkle Schatten, die eine schlaflose Nacht verrieten; die Augen selbst wiesen leicht gerötete Ränder und wußten von Tranen zu erzählen. Sie hatte es ja sehen müssen, daß Peter Brandenftein wieder in die Hände der Soldaten geraten war. Ihre Angst aber dachte nur an das furchtbare Schicksal, das den nun treffen sollte, den sie von allen so gerne frei gewußt hätte. Gerade jetzt, da sie ihn vom Tode bedroht wußte, fühlte sie erst, wieviel ihr dieser Mann in so kurzer Zeit, fast in nur wenigen Stunden geworden war. Wenn sie zuerst geglaubt hatte, ihn hätte sie lieben können, in dieser Nacht hatte sie empfunden, daß sie ihn schon liebte. Und sie konnte ihn nicht retten! Immer wieder hatte es ihr der Vater erklären müssen, daß hier ein einzelner nicht eingreise» konnte, da nur das Kriegsgericht urteile» werde, daß er selbst am wenigsten einen Versuch wagen durfte, da er als Ungar und Oester- reicher ebenfalls zu den Feinden Frankreichs gerechnet werden würde. Immer wieder mußte er ihr dies sagen, und sie wollte es nicht verstehen. Slun stand er abermals vor ihr; auch er war schoß zur Reise fertig. „Wir können nichts ändern, dazu fehlt uns jede Mög- lichkeit. Aber auch jede! Du weißt, daß es sonst keinen Wunsch gibt, den ich Dir versagen würde. Aber es gibt Dinge, die weit — weit außerhalb unseres Willens liegen. Und wenn wir erst Algier hinter uns liegen haben werden, wenn in der Heimat wiederum neue Eindrücke zu wirken beginnen, dann wird dieses Erlebnis auch vergessen werden." * Wieviele Worte hatte Graf Gyönghövy schon verschwendet; er mochte es selbst fühlen, daß diesmal in seinem Kinde ein Gefühl erwacht war, das er bisher noch nie wahr genommen hatte. Ob aber Martha Gyönghövy alle Worte hörte? Ob diese an ihr nicht wie fremde Töne vorüberklangen? Sie wußte nur, daß sie den liebte, den sie nicht retten konntc, und daß sie an kein Glück mehr würde glauben können. Da war ein Niggerboy ins Zimmer getreten. „Ist alles besorgt?" „Ja, Herr!" „Und auch die Schiffskarten bestellt?" „Ja, Herr!" „Gut! Schasst auch noch diese Sachen dorthin. Dann besorge einen Wagen!" „Den Wagen sogleich, Herr?" „Ja!" Der Nigger verschwand wiederum. Aber cs währte nicht lange, als sich an der Tür ein Pochen bemerkbar machte. Auf einen Zuruf trat ein französischer Offizier in das Zimmer. Etwas erstaunt über solchen Besuch sragte ihn der Graf »ach seinen Wünschen. „Sie sind doch Graf Koloman Gyönghöyy?" „Ja!" „Ich nehme an, daß Sie darüber ausreichende Legiti mationen besitzen." „Gewiß! Sic können in dieselben Einsicht nehmen." „Das wird noch geschehen! Ich brauche Ihnen wohl nicht mehr zu erklären, daß aucki zwischen Oesterreich und Frankreich eine Kriegserklärung erfolgte. Frankreich hat sich aus diesem Grunde veranlaßt gesehen, alle Angehörigen Deutschlands und Oesterreichs in eine Schutzhast zu nehmen. Ich muß Sie daher auffordern, mir als Gefangene zu folgen." „Als Gefangene? Muß man als solcher nicht erst irgendeiner Tat angeklagt werden?" „Nein! Die Regierung geht nur von der Voraussetzung aus, daß Sie nach der Rückkehr in Ihre Heimat Ihre Kraft gegen Frankreich gebrauchen könnte». Ilm diesem vorzu beugen, werden Sie in Schutzhaft genommen." „Ich werde mich darin sügen, wen» ich es auch nicht begreife. Aber meine Tochter?" „Sie kommt in das Lager der gefangenen Frauen und Kinder." „Wie ist das denkbar? Führt denn Frankreich Krieg auch gegen Frauen und Kinder?" „Ich habe nur meinen Auftrag auszuführen." Da blickte Graf Koloman Gyönghövy aus seine Tochter, als wollte er in deren Augen einen Rat suchen, einen Willen lesen. Aber in Martha Gyönghövy war schon der Entschluß gefaßt, sich dem Unvermeidlichen zu fügen: „Wir haben nicht die Macht, Väterchen, hier Widerstand zu leisten. Wir müssen uns dem fügen, was Frankreich gegen alte Männer, gegen Frauen und Kinder für gerecht hält." „Aber man wird uns trennen." „Es kann dies nicht für immer sein." „Gut! Ich folge; aber ich ersuche nur noch, Bestim mungen treffen zu dürfen, was mit meinen! Eigentum geschehen soll." „Darüber können Sie von dem Gefangenenlager aus verfügen!" Und dann wurden Gras Koloman Gyönghövy und seine Tochter von schwarzen Soldaten gleich Verbrechern aus dem Hotel sortgeführt. IX. Aus der Oase von Tidikelt war ein Truppenzug von Legionären zurllckgekommen, die gegen die aufständischen Senusst Ben Schamai gekämpft hatten. Ermüdet sahen diese Menschen aus mit den hagere» Gesichtern und den brennenden Äugen; sie hatten sehen und erleben müssen, wie wieder so viele von den Ihrigen, mit denen sie vielleicht schon in Luang-Prapang oder in Kambodscha gekämpft hatten, gefallen waren, und die sie nun im Wüsten sand verscharrt hatten. Wie schwerfällig die Schritte klangen! Nach Monaten draußen in den Sandwildniffen, wo sie von heimlichen Uebcr- sällen feindlicher Stämme ebenso häufig bedroht waren wie von nächtlichen Einbrüchen hungernder Löwen, sollten sie wiederum oben auf der Kasba wenigstens für ein paar Wochen ausruhen dürfen. Dort würden sie dann auch wieder etwas davon hören, was unterdessen in der Welt geschehen war. Es hatten dafür allerdings nur sehr wenige ein Interesse. Die meisten davon, die in diesen Truppenverbänden der Legionäre standen, hatten mit der eigenen Vergangenheit längst abgeschlossen. Und als sie in ihre Quartiere gewiesen worden waren, da lagen die meisten bald aus den Matratzen, nur um aus zuruhen und an nichts zu denken. „Nun, Lambroisc, willst Du zunächst nicht auch schlafen?" Die Frage galt einem sehnigen Burschen, dessen Gesicht über der rechten Schläfe von einer Narbe zerrissen wgr und dessen Haut so verbraunt aussah, wie gegerbtes Leder. „Nein. Ich will Menschen wieder sehen, ich will mir Luftschlösser bauen."