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Wochenblatt für Ar Fernsprecher: Amt Siegmar Nr. 244. Reichenbrand, Siegmar, Neustadt, Rabenstein und Rottluff. As 31. Sonnabend, den 27. Mai 1S11. Erscheint jeden Sonnabend nachmittags. Anzeigen werden in der Expedition Meichenbrand, Nevoigtstraße 11), iowie von den Herren Friseur Weber in Reichenbrand, Kaufmann Emil Winter in Rabenstein und Friseur Thiem in Rottluff entgegen genommen und pro Ispaltige Petitzeile mit 15 Pfg. berechnet. Für Inserate größeren UmfangS und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Aozeigeu-Auuahme st, der Expedition bis spätestens Freitags nachmittags ki Uhr, bei den Annahmestellen bis nachmittags 2 Uhr. Vereinsinserate müssen bis Freitags nachmittags S Uhr eingrgangen sein und lönnrn nicht durch Telephon aufgegcben werdrn. Bekanntmachung. Am 1. Juni L. o. wird der 2. Termin der Gemeindeanlagen und des Schulgeldes auf 1911 fällig. Es wird dies mit dem Bemerken zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß nach Ablauf der für die Bezahlung zugelassenen 14tägigen Frist gegen Säumige das Mahn- bez. Pfändungsverfahren eingcleitet werden wird. Reichenbrand, am 26. Mai 1911. Der Genicindevorstand. Bekanntmachung. Die nächste Reinigung der Schornsteine findet in hiesiger Gemeinde vom 26. Mai bis 3. Juni 1911 statt. Reichenbrand, am 22. Mai 1911. Der Gcmcindevorstand. I. V.: Enge, Gemeindeältester. Versteigerung. Donnerstag, den 1. Juni d. I., nachm. 2 Ühr sollen zirka 100 m Zement-Gartensockel und Säulen gegen sofortige Barzahlung öffentlich versteigert werden. Sammelplatz Gemeindeamt Reichenbrand. Reichenbrand, den 24. Mai 1911. Der Vollstreckungöbeamte. Bekanntmachung. Am I. Juni dieses Jahres wird der 11. Termin der diesjährigen Gemeindeanlagen und das gebracht, daß diese Anlagen zur Vermeidung des Zwangsvottstreckungsverfahrens und der damit ver- spätestens bis zum 14. Juni 1911 an die hiesige Gemeindekasse pünktlich abzuführen sind. Der Gcmcindcvorstaild zu Rabenstem, am 26. Mai 1911. Versteigerung. Donnerstag, den 1. Juni, nachm. 4 Uhr sollen im hiesigen Rathause 6 Flaschen Wein gegen sofortige Bezahlung versteigert werden. Rabenstekn, am 26. Mai 1911. Der Bollstreckungöbeamte. Bericht über die Sitzung des GcmcindcrateS zu Rottluff vom 16. Mai 1911. Anbrinj^ing von Entfernungsangadcn betr?; c) von der durch das Elektrizitätswerk a. d. Lungwitz beabsichtigten Erweiterung der Hoch spannungsleitung auf 10100 Volt Betriebsspannung; 6) von der cr- Gemeinden; e) von, der oberbeliördlicken Genehmiaunq des I. Nach trages zum baurechtlichen Ortsgcsetze; l) von einer Ministerial-Ver- ordnung, Ergänzung der ^sltzvercindcrungs-Abgaven-Rcgulattve belr.; 3. Der II. Nachtrag zum Ortsgesetze, die Herstellung vor, Straßen rc. betr., wird in der von der Aufsichtsbehörde geforderten Weise er- gänzt. V bA sch t K tn' d l ßt d' ^ Ein Gemeindeanlagen-Erlaß-Gesuch bleibt der Konsequenzen halber unberücksichtigt. 6. In der Ahlmann'schcn^Bausache (Ziegeltrockenschuppen betr.) ^ 9. Punkt eignet" sich nicht zur Veröffentlichung. 10. Zur Anbringung von Straßenschildern gibt man sein Ein verständnis. legung der Herren Hofmann und Schmiedel betr., läßt man unbeachtet. Man saßt vielmehr den ungesetzlichen Beschluß, die Herren Hosmann und Schmiedel von ihrem Amte als Gemeinderatsmitglied zu ent- 12. Trotz begründeter Vorlagen beschließt man den Straßenwärter Gcrstenberger und den Nachtschutzmann Schneider als pensionsberechtigte Gemeindebeamte nicht anzuerkennen. Kirchliche Nachrichten. Parochie Reichenbrmrd. Am Sonntag Exaudi den 28. Mai, vorm. '/»9 Uhr Predigt gottesdienst. Vorm. 11 Uhr Unterredung mit der konfirmierten Jugend. Parochie Rabenstem. Am Sonntag Exaudi den 28. Mai, vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst. Hilfsg. Gebhardt. 11 Uhr 2. Christenlehre für Jünglinge. Hilfsg. Gebhardt Go. Jünglingsverein: 2 Uhr Radtour Hilfsg. Gebh. 8 Uhr Unterhaltung im Pfarrhause. Pf. Weidauer. Mittwoch den 31. Mai, abends 8 Uhr ev. Iungfrauenverein. Pf. Weidauer. Wochenamt vom 29. Mai—4. Juni. Hilfsg. Gebhardt. Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu Reichenbrand vom 2V. bis 26. Mai 1911. Geburten: Dem Tischler Gustav Mattin Scheibner 1 Mädchen. Eheschließungen: Der Stricker Fritz Eugen Förster mit Milda Marie Hempel, beide wohnhaft in Reichenbrand. Sterbefalle: Dem Zimmerer Friedrich Paul Zimmermann 1 Sohn, 28 Tage alt; dem Packer Paul Emil Aurich 1 Sohn, 2 Monate alt. Nachrichten des Kgl. Standesamtes zn Rabenstein vom 19. bis 26. Mai 1911. Geburten: Dem Maurer Adalbert Roncka 1 Sohn; dem Handschuh wirker Richard Otto Betthold 1 Tochter; dem Schraubendreher Earl Heinrich Bücher 1 Sohn; dem Gutsbesitzer Hermann Paul Richter 1 Sohn; und 1 unehelich geborenes Mädchen. Eheschließungen: Der Kutscher Bruno Willy Börngen mit Josefa Steiner, beide wohnhaft in Rabenstein. Sterbefalle: Der Privatmann Friedrich Wilhelm Veit, 75 Fahre alt. Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu Siegmar vom 18. bis 24. Mai I9II. Graupner 1 Tochter; dem Handarbeiter Paul Mar Kahl 1 Sohn. Aufgebote: Der Maschinenbauer Karl Oswin Kaiser, wohnhaft in Chemnitz, mit^der Schokoladengeschäftsinhabcrin Alma Maria verw. Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu Rottluff vom 19. bis 25. Mai 1911. Geburten: Dem Eisengießer Ernst Emil Kunze 1 Mädchen. Sterbefälle: Arthur Otto Müller, 11 Monate alt. Jugendfreundschaft. Roman von G. v. Schlippenbach. 1. Kapitel. Nach langen Jahren. Strandhos auf Rügen, 12. März 1890. Wirst du noch meine Ha,/schrift erkennen? Lange Jahre sind vergangen, seit wir uns sahen, seit wir uns zuletzt schrieben, aber ich hoffe, daß dir dieser Brief willkommen ist in Erinnerung an unsere ferne Jugendzeit. Weißt du noch wie wir uns Treue schworen, wie wir beim Abschied aus unserer Pension weinten? Seitdem ist die Zeit dahingeeilt, nahe an zwanzig Jahre sahen wir uns nicht. Das schreibt sich so leicht und doch, wie viel hat man erlebt! Viel Freude und viel Leid. Wir sind nicht mehr jung,, meine Thekla, und: „So mancher Schnitt ist mitten durchs Herz gegangen", so heißt es mit Recht im Liede. — Ich will dir nun berichten, was ich unterdessen erlebt habe. Als wir uns zuletzt sahen, war ich die Braut meines ge liebten Karl, der in Petersburg Direktor eines großen Eisenwerkes war; du warst schon mehrere Jahre glückliche Frau und Mutter. Du weißt, daß mein Mann Witwer war, als ich ihn kennen lernte, er war viel älter als ich, ich lernte ihn im Hause der russischen Familie kennen, in der ich Lehrerin war; ich stand ja seit meiner frühesten Kind heit als Waise allein. Unsere Ehe war so harmonisch und glücklich, wie es vielleicht bei dem großen Altersunterschied selten ist; wir haben Jahre reinsten Glückes verlebt. Meines Mannes Reichtum mehrte sich, zuerst kam ich mir wie die Prinzessin im Märchen vor, ich, die arm und abhängig ge wesen war. — Im sechsten Jahre unserer Ehe schenkte ich meinem Gatten eine Tochter, nun schien uns das Glück noch größer zu werden. Die Kleine wurde Karla getauft. Fast hätte die Wahl des Namens unser» ersten und letzten Streit hervorgerufen; mein lieber Mann wünschte unser Kind nach mir Anna zu nennen, ich stimmte für Karla, ein jeder wollte den Namen seiner geliebten Hälfte auf das zarte Geschöpf vererben. — Jetzt ist unser Liebling zu einem sehr lieblichen Mädchen erblüht, halb noch Kind, halb Jungfrau mit ihren fünfzehn Jahren. Ein Kreis von lieben Freunden und Bekannten versammelte sich in unserm gastfreien Hanse; seit der Geburt Karlas wünschte ich zuweilen weniger Verkehr, doch ließ es sich nicht mit Haidecks Stellung vereinbaren. Ich fühlte mich zum Schluß des Winters so angegriffen, daß unser Arzt mich auf mehrere Wochen nach Rügen schickte. Namen los schwer fiel mir der Abschied von meinem Manne, es war wie eine Vorahnung trauriger Tage. — Unvergeßlich ist mir der erste Eindruck Rügens geblieben, im Schein der Abendsonne lag dieses schöne Fleckchen Erde vor mir. Die Kreidefelsen Stubbenkammers, die Bläue des Meeres und die grünen Buchenwälder einten sich zu einem herrlichen Bilde. Noch che ich das Schiff verließ, fühlte ich, daß ich die Scholle lieben werde, die seitdem meine dauernde Heimat geworden ist. Ich durchstreifte die Gegend um Saßnitz und fuhr nach Binz hinüber, jeden Tag fühlte ich mich erstarken. Da ries mich eine Drahtnachricht plötzlich nach Peters burg zurück. Mein Mann hatte einen schweren Unfall ge habt, er war aus dem Wagen so unglücklich geschleudert worden, daß er das Rückgrat verletzt hatte, eine Gehirn erschütterung kani hinzu. — Laß mich über meinen Schmerz schweigen, Liebste, da hat es auch für mich geheißen: „So mancher Schnitt ist mitten durchs Herz gegangen. Die berühmten Aerzte, die ich fragte, wünschten ein besseres Klima für den Kranken, es mußte ein stiller, welt ferner Ort sein, ich allein mußte alles bestimmen, denn Haidcck war willenlos wie ein Kind geworden, sein einst Heller Verstand hatte gelitten. Und eines Nachts, als ich mit meinem Kummer schlaflos rang, als ich mich noch nicht in Gottes Willen ergeben gelernt, da kam mir blitzartig der Gedanke: „Zieht nach Rügen, dort findet Ihr, was Ihr braucht, Ruhe und Stille, keine neugierigen Menschen, deren Mitleid oft so verletzend ist." So siedelten wir hierher über, den Sommer verlebte» wir auf Rügen, im Winter zogen wir nach Berlin, damit Haideck von den besten Aerzten behandelt würde. Er war an den Rollstuhl gefesselt, immer mehr umnachtete sich sein Geist, — so ging es sehr lange Jahre. Zuletzt war es nur noch ein trauriges Vegetieren. Was ich dabei litt, kann ich dir nicht beschreiben. Als wir ihn begruben, habe ich trotz meines gebrochenen Herzens doch sprechen können: „Was Gott tut, das ist immer recht getan." Ja, meine Thekla, ich habe mich unter heißen Kämpfen zum innigen Glauben durchgerungen. Karla war ja noch ein Kind, als sie den Vater verlor, aber ihr weiches Gemüt hat dieses erste, große Weh tief gefühlt. Wir schloffen uns noch inniger aneinander und blieben fortan ganz in Rügen, wo ich das Grab meines teuren Gatten in der Nähe habe. Ich kaufte eine schöne, grobe Villa bei Saßnitz und taufte sie Strandhof, später kaufte ich noch eine kleinere Villa, die Petersburg heißt. — Und die Zeit verging, Karla ist bald erwachsen. — Soll ich sie dir beschreiben? Es liegt ein Hauch von Reinheit und Poesie über ihrem Wesen, etwas sehr Sensitives, das mir oft Sorge macht. Wie wird das rauhe Leben sich ihr zeigen? Mein Kind könnte an einer Enttäuschung zu Grunde gehen. Karla ist von Mittelgröße, sehr schlang und anmutig, sie soll mir gleichen, ich aber finde, daß sie auch vom Vater manchen Zug hat. Eine tüchtige Lehrerin unterrichtet meine Tochter, die recht hübsch die Geige spielt. Ich gehe mit dem Plan um, eine dritte Villa zu kaufen, um ein Krankenhaus zu gründen, das hier fehlt; ich danke Gott, der mich mit den dazu nötigen Mitteln gesegnet hat. Nun habe ich dir viel erzählt, liebe Thekla und bitte dich, mir bald zu antworten und mir recht genau über Erich zu berichten. Ich sah nur deine beiden ältesten Kinder, die jetzt schon erwachsen sind, von den jüngeren weiß ich nichts. Könnte ich dich und die deine hier zum Sommer haben, hier atmet man freier als in der Stadt und erholt sich an Leib und Seele. Karla grüßt unbekannterweise deine Töchter, sie hat den lebhaften Wunsch, sie bald kennen zu lernen. Viel Liebes deinem guten Mann und deinen Kindern! In alter treuer Freundschaft Anna Haideck. (Fortsetzung folgt).