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Wochenblatt für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt, Rabenstein und Rottluff : 05.06.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-06-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1067800220-191506054
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1067800220-19150605
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1067800220-19150605
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt, ...
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-06
- Tag 1915-06-05
-
Monat
1915-06
-
Jahr
1915
- Titel
- Wochenblatt für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt, Rabenstein und Rottluff : 05.06.1915
- Autor
- No.
- [2] - -
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„Fahren Sie zu! Nach dem Dragon d'Or. Ich fühle den Wunsch allein zu sein." Es war ihm unmöglich, nach dem, was er erfahem, im Kasino unter den Freunden zu speisen. Er wollt- seinen Schmerz austoben lassen, er mußte ungestört klagen können, wenn er nicht selbst den Verstand verlieren wollte. Desiree, seine geliebte, kluge Desiree wahnsinnig, unheil bar geistesgestört, dem Tiere gleich? Es war entsetzlich, unfaßbar, fast schwerer zu ertragen als die Todesnachricht. Gegen Abend hielt es ihn im Zimmer nicht mehr. Er schleuderte achtlos durch die Straßen und begegnete auf der Esplanade dem Leutnant Baldreich. „Nun Freundchen, sieht man Sie denn gar nicht mehr?" rief ihm dieser schon von weitem zu. „Wir erwarteten Sie mit Sicherheit zum Mittagessen." „Ich war nicht in gesellschaftlicher Laune, entschuldigen Sie", sagte Waldemar betrübt. „Ah, Sie haben sie nicht gefunden?" „Gefunden schon, aber nicht gesehen und gesprochen. Ich muß nochmals hinaus." „Zu dem unheimlichen Gesellen? Ich wüßte mir einen besseren Gastfreund." „Er empfing mich liebenswürdig und versöhnlich und versprach mir, mich abends zehn Uhr mit seiner Schwester, meiner Braut, zusammenzuführen." „Warum nicht gleich, wenn sie anwesend war?" „Das — kann — ich Ihnen nicht sagen", antwortete Waidemar schmerzlich bewegt. „Hm, hm," brummte der Bayer, „warum aber bei Nacht und Dunkelheit? Weshalb scheut der Bursche das Tageslicht?" „Auch hierauf muß ich Ihnen die Antwort schuldig bleiben", versetzte Waldemar mürrisch. „Ah, Sie glauben, ich sei neugierig", fuhr Herr Bald reich fort, an der Seite des sächsischen Offiziers dahin schreitend, indem er mit bayrischer Offenherzigkeit bemerkte: „Da befinden Sie sich bedeutend aus dem Holzwege. Ich traue dem Spitzbuben nicht. Ein Mädchen erst beim Lampen schein, wie eine geschminkte Balltänzerin, vorzuführen, hat gar keinen Sinn. Indessen, Sie sind ein freier Herr. Gehen Sie, aber nehmen Sie eine Patrouille mit, wenn ich Ihnen raten kann." „Ich werde allein gehen — ich habe es versprochen", antwortete Waldemar, unzugänglich für jeden guten Rat. „Behüt Sie Gott, Kamerad, und vielen Dank für den Empfang und Ihre Freundlichkeit." Er ging. Baldrcich blickte ihm kopfschüttelnd nach. „Sie sollen von meiner Freundlichkeit noch mehr ent zückt werden, Herr Kamerad", sagte er lachend, „ich Hab' 'ne Idee, und die führ' ich aus. Schau'» wir 'mal, was der Herr Kommandant dazu meint." Er ging geradewegs nach der Kommandantur und be gab sich von dort mit sehr vergnügtem Gesicht nach der Jnfanteriekaserne. 19. Waldemar verließ Sedan »ach Dunkelwerden. Er fuhr mit seinem Wage» bis zur Parkmauer. Dort ließ er halten und begab sich, nachdem er dem Kutscher bedeutet hatte, er möge ihn um Mitternacht wieder abholen, zu Fuß nach dem Gartentor. Er fand es nur angelehnt. Seinem Eintritt stand nichts im Wege, aber niemand erwartete ihn. Rasch durchschritt er das Rondell. Als er die Vcrandastufen hinaufstieg, hörte er deutlich das Gartcngitter schließen. Es mußte also doch jemand auf seine Ankunft gepaßt haben. Die eigentümliche Maßnahme beunruhigte ihn nicht. Er war ja mit Säbel und Revolver wohl bewaffnet. In der Villa war Licht. Man erwartete ihn also. Mit schnellem Griffe öffnete er die Türe, durchschritt das dämmerige Vestibüle und befand sich Olivier gegenüber. Dieser stand aufrecht zwischen zwei stämmigen Burschen, welche in Livren gekleidet waren, die aber gar nicht zu den trotzigen, wilden Gesichtern paßten. „So wären Sie also wirklich gekommen?" sagte der Hausherr, nachdem er höfliche Grüße mit seinem Gaste gewechselt hatte. „Ich biete Ihnen nicht erst Platz an. Ich bin bereit, Sie zu Desiree zu führen." Sie kommen meinen Wünschen zuvor", sagte Waldemar, ganz von dem Verlangen, die Treue wiederzusehen, in An spruch genommen, so daß er für das Eigentümliche der Situation gar keine Aufmerksamkeit hatte. „Gehen wir sogleich!" „Meine Schwester schläft, wie ich vorher gesagt. Wir finden sie im Erkerzimmer links. Sie kennen es ja und auch den Weg dorthin. Bitte, nehmen Sie die Leuchter und gehen Sie voraus. Ich folge Ihnen, meine Diener werden mich unterstützen." Waldemar fand diese Anordnung natürlich und handelte nach ihr ohne Bedenken. Als er die Tür aufstieb, da er keine Hand frei hatte, mit dem Fuße, trat ihm eine zitternde Greisengestalt entgegen. Es war der Gärtner Laurence. „Gehen Sie nicht weiter, Herr Direktor", stotterte dieser mit einem ängstlichen Blick auf Olivier, der sich hoch auf bäumte, „denn — was ich sagen wollte —" „Was soll's mit dem Narren!" rief Olivier, sich von seinen Begleitern freimachend. „Können Sie mir diese Warnung erklären?" fragte Waldemar, sich an Olivier wendend, der rasend vor Zorn den unbequemen Warner in die Ecke des Zimmers geschleudert hatte. „Nichts leichter als das. Er ist wahnsinnig, wie meine Schwester. Als ihr Hüter hat er den Verstand verloren", antwortete der Gefragte schlagfertig. „Kehren Sie sich nicht daran." „Natürlich nicht. Aber der Alte hätte doch eine andere Behandlung verdient. Ich werde ihn schadlos halten indessen." Er gab den beiden Lakaien die Leuchter in die Hand, so bekam er seine Fäuste frei, und das schien ihm sehr an zeigt zu sein, denn der Zorn des Hausherrn hatte sein Mißkauen nun erregt. „Nun bitte ich Sie, vorauszuspazirrcn", sagte er nicht ohne Humor zu Olivier. „Ich entsinne mich doch des Weges nicht mehr." Herr Bourlier junior biß sich auf die Lippen. Es war so seine Gewohnheit, wenn er sich überlistet sah. Doch er zögerte nicht. Er nahm Laurences Arm, der sich inzwischen wieder aufgerichtet hatte und zu Tyrolt getreten war. „Führe mich Alter", sagte er drohend, „und sprich kein Wort mehr, sonst —" Laurence fügte sich bebend. Sie setzten sich in Bewegung, aber cs schien fast, als ob der Herr seinen Diener führte, der Schritt Oliviers war fest und zeigte von Lähmigkeit keine Spur. Waldemar bemerkte es kaum. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf den dunklen Korridor und die beiden, welche ihm leuchtend folgten. Alle schlugen die Richtung nach dem Erkerzimmer ein. Ihre Schritte hallten durch den öden Korridor. An der Türe angekommen, horchte Olivier. „Sie ist erwacht", sagte Olivier geheimnisvoll. „Sind Sie bereit?" „Ich bin es", antwortete Waldemar, den Revolver her vorreißend, denn im selben Moment ließen die Diener, wie auf Verabredung, die Leuchter fallen, daß die Kerzen er loschen. Olivier schob Laurence beiseite und stieb die Tür auf. Waldemar fühlte einen Anprall, der ihn in das Zimmer schleuderte, und hörte, während er ins Ungewisse hineinschoß, die Tür wieder ins Schloß fallen. „Du suchst Desiree, die ich nie gesehen, Du deutscher Narr", hörte er Oliviers Stimme höhnisch schallen. „Du wirst sie nicht finden, aber den Tod, wie Du ihn verdienst für Deine Dummheit!" Waldemar erwiderte den Schimpf mit einen, Schuß gegen die Türe, dann riß er seinen Säbel aus der Scheide, denn im Dunkeln schlichen die Meuchelmörder an ihn heran, das fühlte er, obgleich er sie nicht sehen konnte. Sein Stahl kas einen, daß er aufschrie, ein zweiter Hieb ging in die Luft, ein dritter saß in der Schulter eines Banditen, das sah der Angegriffene, denn ein aufblitzender Schuß erhellte auf Augenblicksdauer die Finsternis. Nun wußte Waldemar Bescheid. Hinter ihm war der Marmorkamin,- als er sich mit zwei Schritten dorthin zurückzog, stürzte ein Tisch zu Boden. Die Alabastertafel richtete er als Schutz vor sich auf, denn nun schossen die Angreifer zu gleicher Zeit. Einer hatte sich im Dunkeln herbeigeschlichen. Waldemar fühlte einen Stich im Rücken. Ein Revolverschuß streckte den Heimtückischen zu Boden. Aber cs war, als ob sein Schuß ein Echo fände. Knall auf Knall folgte. Aber diesmal kam es von den Fenstern her, deren Läden auf flogen, dem Mondlicht Einlaß gestattend. Mit Wucht wurden die Fenster eingeschlagen, mit einem deutschen Hurra schwangen sich vier bayrische Soldaten in den Salon und fielen über die Banditen her, welche, vor Ueberraschung kopflos geworden, die Türe nicht finden konnte. Zwei Kerle lagen verwundet am Boden, vier anderen schnürten die Soldaten die Hände auf dem Rücken zusammen. Leutnant Bald reich stand am Fenster und begrüßte den sächsischen Kameraden. „Habe ich nicht gesagt, der Bourlier ist ein Spitzbube", sprach er gemütlich. „Na, wir haben ihn glücklich erwischt, und wodurch? Durch Sie, Herr Kamerad, als Sie sich stellten. Sie glaubten dem Kerl und lockten ihn doch bloß in unsere Falle. So haben wir glücklich ein fettes Franktireur- und Räubernest ausgenommen. Danke schön, Herr Kamerad!" „An mir ist es, zu danken", antwortete Tyrolt, dem Bayer die Hand schüttelnd. „Sie kamen gerade zur rechten Zeit." „Natürlich, das machen wir Bayern immer so. Ein Glück, daß der Herr Kommandant die kleine Razzia bewilligt. Als ich den ersten Schuß hörte, hieß es „Los" und meine Leute gingen wie die echten Bajuwaren drauf und dran. Nun wollen wir nial Nachschau halten." Es zeigte sich, daß die Hilfstruppen gleichzeitig auf drei verschiedenen Wegen in das Schloß eingedrungen waren, durch das Erkerzimmer, über die Veranda und durch das Souterrain. Sie fanden zwanzig gut bewaffnete Franktireurs im Gebäude versteckt und nahmen sie samt den beiden Lakaien, die vergeblich ihre Zugehörigkeit leugneten, gefangen. Außer ihnen fand man den alten Laurence besinnungslos im Korridor liegend und Frau Madelon im oberen Stockwerke, welche anscheinend schlafend im Bette angetroffen wurde. Olivier war spurlos verschwunden. Baldreich nahm an, daß er sich in einem sicheren Versteck verborgen halte und ließ eine Wache in der Villa zurück. Alle, außer Laurence und Madelon, mußten der Patrouille folgen. Sie wurden geschloffen nach Sedan geführt. 20. Tyrolt mußte einsehen, daß er in Sedan etwas Sicheres über Desiree nicht erfahren würde. Er nahm sich vor, so bald die Kämpfe, die in dieser Zeit gerade um den Besitz von Orleans tobten, zu Gunsten der vordringenden Deutschen entschieden sein würden, dort an Ort und Stelle weitere Nachforschungen anzustellen, und kehrte, ohne nochmals nach Brüssel zu reisen, auf dem kürzesten Wege nach der Heimat zurück. Obwohl verwundet, stellte er sich sofort zur Verfügung seiner Vorgesetzten Behörde in Dresden. Da er zur Zeit Halbinvalide war, schickte man ihn nicht zu seinem Truppenkörper, der vor Paris lag, sondem über trug ihm die Aufsicht über die in Dresden befindlichen Gefangenen. Diese lagen teils in der Neustädter Jnfanterie kaserne, teils in Baracken unterhalb der Stadt. In elfterer waren Kranke und Verwundete untergebracht. Alle befanden sich bei scharfer Bewachung durch sächsische Landwehrmänner viel weniger übel, als ihre Kameraden draußen auf den schriee- und eisbedecktcn Schlachtfeldern an der Loire, Seine und Somme. Freilich waren die Insassen der Kaserne eng zusammengepfercht. Es herrschten dort Krankheiten und die davon Ergriffenen konnten nicht leicht allein gelegt werden, um Ansteckung zu verhüten. In den Baracken sah es besser aus. Aber die verweichlichten Franzosen klagten über die herrschende Kälte und quälten den inspizierenden Offizier, wo er ging und stand, mit ihren Beschwerden. Als Waldemar seinen Dienst ankat, wurde es ihm bald klar, wie unangenehm und zudringlich die Gefangenen werden konnten. Offiziere und Gemeine, Hoch und Niedrig, stellten sich ihm in den Weg und klagten ohne Maß und Vernunft. Er war anfangs bemüht, jedem nach Kräften zu helfen, aber bald sah er ein, daß er eine Sisyphusarbeit übernommen und hielt sich die Lästigen vom Leibe. Eines Tages, als er über den Kasernenhof ging, be gegnete er einem Gefangenen, welcher mit auffallender Ehr erbietung das Käppi zog und zur Erde geneigt vor ihm stehen blieb. Schon wollte Waldemar dem Wachtposten einen Wink geben, den Zudringlichen zu entfernen, als dieser sich schnell aufrichtete und sein Gesicht zeigte. „Pumarquet", sagte Tyrolt, den Menschen erkennend. „Leben Sie noch?" „Sehr wohl, Herr Leutnant. Es ist zwar ein Hunde leben, aber bester, als gar keines. Eigentlich habe ich es auch nicht anders verdient. Weshalb plagte mich der Teufel, unter die Patrioten z» laufen? Aber welche sind hier, di es schlimmer haben, als ich, nach denen sollten Sie wirklich einmal sehen." „Ich kann mich nicht um den Einzelnen kümmern. Ihr seid zu viele." „Gott sei es geklagt und der heiligen Jungfrau, die besten Männer Frankreichs sitzen hinter deutschen Mauern. Wenn man gesund ist, Monsieur, dann geht's noch, aber krank! — Da- ist auf unserer Stube ein alter Herr, dem würden Sie gewiß helfen, wenn Sie ihn sehen möchten." „Gelegentlich, ich werde den Arzt schicken", sagte Tyrolt nervös. „Den Arzt", meinte Pumarquet, die Achseln zuckend, „damit ist dem alten Bourlier nicht gedient." „Von wem sprechen Sie, Mann?" fragte Tyrolt, er schrocken aufhorchend. „Von wem anders, als Herrn Jean Bourlier, bei dem wir beide in Brot waren." „Unsinn, Bourlier ist tot." „Nein, er lebt, mein Kommandant — das Leben ist auch darnach. Aus dem Lazarett von Mainz kam er hier her, und trotz seiner Epaulettes und seines Kapitänskäppi haben sic ihn auf ein Mannschaftszimmer gelegt, weil der Alte mit allem zufrieden war." - Tyrolt glaubte bei dieser Mitteilung, daß die Gebäude der Jnfanteriekaserne einen Rundtanz vor seinen Angen ausführten, so begann sich plötzlich alles um ihn im Kreise zu drehen. Er mußte sich auf seinen Säbel stützen, um nicht zu Boden zu fallen. „Stuf welcher Stube liegt er?" hörte er sich fragen, und seine Stimme klang wie aus weiter Ferne. „Korridor fünf, Stock drei, Stube fünfzehn", war die Antwort. „Es ist gut", sagte Waldemar und ging eilig über den Hof mit einer Miene, daß die Gefangenen bcssettewichen. Aber unser Held wußte selbst nicht, was für ein Gesicht er machte. Er lief nur, um irgendwo allein zu sein und Nachdenken zu können. Bourlier war in seiner Nähe, ein Gefangener freilich, aber heil und lebend. Nun konnte er sich vor ihm recht- fertigen, den alten Freund durch die Botschaft, daß sein Sohn noch lebe, aufrichten. Freilich, Desiree? Also, Olivier und Bourlier waren gerettet worden. In diesem Augen blick wurde es ihm fast zur Gewißheit, daß seine Braut nicht tot sei. Die Blume Hoffnung hatte plötzlich einen fruchtbaren Boden gefunden, um üppige Blüten treiben zu können. Vor allem hieß es, die Wahrheit der Meldung Pumar- quets festzustellen. Throlt ließ sich die Gefangenenlisten vorlegen und fand nach kurzem Suchen den Namen Jean Bourlier, aber ohne Charge. Der Feldwebel, welcher die Aufsicht in dem. hetreffenden Stockwerk hatte, meldete: „Bourlier ist ein stiller, wie es scheint gebildeter Mann. Vergrämt, durch eine Wunde belästigt, verkehrt er mit nie manden, hockt zumeist tiefsinnig in einer Ecke der mit zehn Mann belegten Stube, welche er fast nie verläßt, auch nicht, wenn alle seine Kameraden auf den Korridor oder in den Hof gehen, um sich Bewegung zu machen und zu plaudern." Waldemar nickte befriedigt. Das kam seiner Absicht sehr zu statten. „Lasten Sie die Leute von Nr. 15 heraustreten, stören Sie aber den Bourlier nicht, wenn er Zurückbleiben will. Ich wünsche den Mann ohne Zeugen zu sprechen", sagte er. Der Befehl wurde ausgeführt, Pumarquet machte ein sehr verschmitztes Gesicht, als der Kommandeur des Arrest hauses bei der im Korridor versammelten Belegschaft von Nr. 15 vorbeischritt. Aber er verriet nichts. Er wünschte, daß sein ehemaliger Herr das Zimmer verlassen solle, denn wie leicht konnte er verraten, daß Pumarqet gar nicht Soldat gewesen. Als Waldemar in der Stube eintrat, benahm ihn die übelriechende Luft fast den Atem. Zuvörderst öffnete er ein Fenster, daß die frische Winterluft Eingang erhielt. Vourlier, welcher in der Ecke neben den Ofen saß, schien weder den Tempcraturwechsel, noch die Anwesenheit des Offiziers zu spüren. Dieser betrachtete ihn mit mitleidigen Blicken. Wie elend, wie gedrochen sah der Aermste aus? Die Haare waren dünn und weiß geworden, der Bart wirr und grau, die Wangen und die Schläfen eingefallen, die Stirne voller Falten. „Herr Bourlier", sprach Tyrolt auf ihn zuketend, mit weicher Stimme, „lieber Herr Bourlier, kennen Sie mich nicht mehr?" Der Angeredete zuckte zusammen. Langsam erhob er sein gramdurchfurchtes Gesicht, das einen finstere», menschen feindlichen Ausdruck zeigte. Die linke Hand legte er grüßend an das Käppi, die rechte hing in einer Binde. „Zu Befehl, Herr Leutnant Tyroli. Sie sind der
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