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Der redliche Reinan war im Innersten empört über die Plane und Ansichten dieses Menschen. „Wie so, was heißt das, nicht kann?" fragte Leon, nachlässig die Asche von der Zigarre stiebend, die der Haus herr ihm angeboten. „Meine Mutter besaß ein großes Vermögen und unsere Familie, das heißt die meines Vaters, zählte von jeher zu den begütertsten des Landes. „Ich wußte schon als Knabe, daß wir reich sind." „Aber das ist nun alles vorbei! Ihr Vater hat bei dem Zusammenbruch der Kreditbank, welcher er sein ganzes Verniogcn anvertraut hatte, alles verloren! Da war nichts mehr zu retten. Der Verlust seines ganzen Vermögens warf ihn völlig nieder." Leon war so heftig von seinen Sitz in die Höhe geschnellt, daß der Stuhl mit lautem Gepolter umfiel. Seine Hände klammerten sich krampfhaft an der Tischplatte fest und die Augen hefteten sich starr wie in jähem Entsetzen ans den Sprecher. Ein wilder, häßlicher Ausdruck erschien auf seinem Gesicht, daß cs beinahe abstoßend aussah. Man merkte cs, was dieser Verlust für ihn bedeutete. Vorhin, bei der Nachricht von dem Tode seiner Mutter, da hatte er eine rein äußerliche Trauer geheuchelt, in Wirklichleit empfand er keinen Schmerz, die betrübende Nachricht störte nicht einmal seinen Appetit. Aber als er vernahm, daß es zu Hause nichts für ihn zu holen gab, da zeigte er erst sein wahres Gesicht. Mit einer heftigen Bewegung schleuderte er die Zigarre fort und ließ ein zorniges Auflachcn hören. Er schien ganz vergessen zu haben, wo er sich befand. „Das ist ja eine furchtbare, niederschmetternde Nachricht!" ries er endlich heftig. „Und Sie teilen mir das so ruhig mit, als handle es sich um einen Pappenstiel. Freilich, Sie, der reiche Mann, werden davon nicht betroffen! Was kümmert es Sie, wenn die ganze Zukunft anderer mit einem Schlage in Trümmer geht! Sie begreifen vielleicht nicht einmal, was das bedeutet!" „Es hilft Ihnen nichts, wenn Sie den Kopf verlieren, Leon," versetzte Rcinau ruhig, ohne den brutalen Ton be achten zu wollen. „Das Unglück hat viele Familien betroffen. Viele wurden dadurch ruiniert und niußten versuchen, sich eine neue Existenz zu schaffen. Sie werden sich sicher auch darein finden müssen." „Das kann ich nicht!" schrie der Erregte, „mein Erbteil will ich habe» — ich muß cs haben!" „Ja, wo nichts ist, hat selbst der Kaiser das Recht ver loren; erzwingen läßt sich da nichts." „Herrgott, wie konnte mein Vater so unvorsichtig sein, das ganze Kapital einer einzigen Gesellschaft anzuvertrauen! Er war es seinen Kindern schuldig, ihr Erbteil zu sichern und nicht leichtsinnig alles aufs Spiel zu setzen. Das ist unverantwortlich und ich werde Rechenschaft von ihm fordern! Ich habe noch nichts, gar nichts von ihm bekommen, habe mich zwölf Jahre lang durch die Welt geschlagen, ohne einen Pfennig von ihm zu verlangen! Hunger habe ich ge litten und barfuß bin ich gelaufen als meine Schuhe zerrissen warciri^knd ich glaubte, «inu-EkStril wer»« zst-»«rwatteL- Nun ich es holen will, muß ich erfahren, daß ich ein Bettler bin; nun stehe ich wieder da mit leeren Händen und meine schönen Pläne sind alle vernichtet! Wie soll ich mir da eine Zukunft gründen? Ohne Geld! Wer kein Geld hat, ist ein Lump, und wäre er der ehrlichste Kerl! Und ich kani mit einem Herzen voll guter Vorsätze! Demütigen wollte ich mich, — um Verzeihung bitten, — nun hat der Alte mir abzubitten, was er mir angetan! O, er soll mich kennen lernen!" „Ich bitte Sie, Leon, beruhigen Sie sich. Ihr Vater litt selbst schwer unter dem Unglück. Sie müssen doch wahr haft cinsehen, daß er unschuldig daran ist. Kein Mensch ahnte etwas von deni Zusammenbruch der Bank. Das hohe Ansehen, das unbedingte Vertrauen, das der Leiter der Bank genoß, machten es eben möglich, daß das Unglück so groß wurde. Die höchsten Summen wurden ohne Bedenken hingegeben und verschwanden auf Nimmerwiedersehen in dem unersättlichen Rachen, der alles verschlang! Anfangs hoffte der Direktor vielleicht alles wieder gewinnen zu können, er spekulierte und wagte immer mehr, bis zuletzt nichts mehr zu retten war. Jetzt ist man wohl klüger geworden und jeder fragt sich, wie man so blind und vertrauensvoll hat sein können, aber es ist nun eben zu spät. Doch mit Ihrem armen Vater dürfen Sie nicht rechten! Es wäre Sünde wollten Sie dem alten Mann deswegen nur ein hartes Wort sagen!" ^ Leon hatte den Kopf in beide Hände gestützt. Er rührte sich auch nicht, als Reinau wieder anhub: „Sie sind ja noch jung und dürfen nicht so schnell verzagen. Nach meiner Berechnung zählen Sie etwa 28 Jahre. Da kann man schon nochmal von vorn anfangen. Vielleicht gelingt es Ihnen in der Heimat besser als in der Fremde. Was ich für Sie tun kann, soll gewiß gern geschehen. Ich tue cs schon aus alter Freundschaft. Wenn Sie guten Rat brauchen, kommen Sie zu mir! Ich bin ein erfahrener Mann und kann Ihnen vielleicht helfen. Für tüchtige, fleißige und strebsame Menschen gibt cs immer Beschäftigung. Also Kopf hoch und mit festem Blick in die Zukunft geschaut. Wer wird sich denn vom Schicksal so niederwerfen lassen!" Eine Weile blieb es still im Zimmer nach den letzten Worten. Endlich richtete Leon sich auf und, den glühenden Blick auf Maja heftend, sagte er leidenschaftlich: „Gewiß können Sie helfen, — das ist meine letzte Hoffnung! — Aber jetzt niuß ich fort. Mir ist, als sollte ich ersticken. Leben Sie wohl!" — kbl Er reichte Rcinau die Hand und dann preßte er die zarten Finger Majas so heftig zwischen den seinen, daß es sie schmerzte. Darauf eilte er hinaus. Maja atmete er leichtert auf, als sich die Türe hinter ihm geschloffen. Sic war froh, daß er nicht darauf bestand, mit ihr nach Neulinden zu fahren. Wenn er zu Fuß ging, konnte sie viel früher dort sein, dann blieb ihr wenigstens Zeit, Sylvia und deren Vater vorzubcreiten. Denn wenn Leon so unvermutet vor den leidenden Mann hintrat, so konnte das wieder einen der gefürchteten, schlimmen Anfälle zur Folge haben und die arme Sylvia war dann für Wochen hinaus an das Zimmer gefesselt. Das durfte nicht geschehen. VIII. Der Winter war gekommen mit Schnee und Eis. Auf dem Lande fühlte man sich jetzt doppelt einsam. Kein Wunder, daß die Bewohner des alten Herrenhauses verdrossen und mürrisch herunigiugcn. Seit Leon hier weilte, schien es bei nahe, als sei die Stimmung noch trüber geworden. Still und einförmig flössen die Tage dahin, ohne eine Abwechslung oder Zerstreuung. Leon saß mehr bei der Tante als oben bei dem Vater, dessen Anblick er kaum ertragen konnte. So alt und verfallen hatte er sich den einst so kräftigen Mann doch nicht vorgestellt. Was war in den zwölf Jahren seit Leons Abwesenheit aus ihm geworden! Wie ein Greis von siebzig Jahren sah er aus. Die Heimkehr des Sohnes rüttelte ihn zwar etwas aus dem trüben Hinblicken auf, aber das dauerte nicht lange. Am ersten und zweiten Tage hatte er sich lebhaft interessiert für das, was Leon draußen erlebt, was er gearbeitet und gelernt in der langen Zeit. Immer kehrte die Frage wieder: „Hast du auch nichts getan, was auf die Ehre unseres Namens irgend einen Schatten werfen könnte? Hast du dich rein gehalten von dem Schmutz, dem Laster?" Und dabei sah er den Sohn so durchdringend an, als wollte er dessen geheimste Gedanken erraten. Leon konnte dem forschenden Blick nicht standhalten. Dennoch glaubte der Vater seiner eifrigen Versicherung: „Aber gewiß, Papa, wie kannst du glauben, daß ich die Grundsätze, die du mich von Jugend auf gelehrt hast, jemals außer acht ließ?" Der Alte atmete dann sichtlich erleichtert auf. Aber er machte sich Sorgen um den Heimgekchrten, denn oft fragte er: „Was willst du denn jetzt eigentlich beginnen?" Leo» zuckte sorglos die Achseln. „Das wird sich finden, Papa, warten wir es ab. Vorerst UVchtc-rch-na'ch een wc»ig-akeSrich«e.-" — Auch Sylvia hatte schon so manches von dem Bruder zu erfahren gesucht. Ob er in Berlin gewesen wäre, wollte sic wissen und noch so Verschiedenes. Sie wurde natürlich kürzer abgefertigt als der Vater. Was ging sie denn seine Vergangenheit an? Er liebte derartige „Verhöre" nicht. Daß Sylvia mit einer wahren Herzensangst in seine» Zügen forschte, bemerkte er nicht ohne Groll. „Was siehst du mich denn immer so an?" fragte er dann barsch. Und als sie einmal wissen wollte, wie er zu der Narbe auf seiner Stirn gekommen sei, lachte er gezwungen auf und riel: „Ich werde mich gestoben haben! Wie soll ich das heute noch wissen? Das kann dir doch ganz gleich- giltig sein!" — Es war aber etwas in dem Wesen des Bruders, das ihr nicht gefiel. Er konnte mitunter so roh auflachen und führte Redensarten, die beinahe abstoßend wirkten. Wenn er von dem Vater sprach, so geschah dies meist in sehr respektwidriger Weise. Nur wenn Maja dabei war, nahm er sich zusammen. Dann versuchte er, einen andern Ton anzuschlagcn. Eben saß er am Fenster des Parterrezimmers. Seine Tante, Frau v. Schmcttwitz ihm gegenüber mit einer Hand arbeit beschäftigt. „Wie Ihr das so aushaltet, begreife ich nicht", äußerte er unmutig. „Das ist doch kein Leben, was Ihr hier führt, man sieht oft tagelang keinenMenschen, ich komme inir wie ein Gefangener vor!" „O, wir sind es so gewöhnt, da geht es ganz gut", äußerte die Dame ruhig. „Ich werde es aber nie gewöhnt", fuhr Leon unge stüm auf. „Geduld — Geduld mein Sohn", beschwichtigte sie, die merkwürdigerweise sehr gut mit ihm auskam. „Denke an unfern Plan; ich meine, der wäre es wert, daß man einige Zeit auf dem Lande aushält." Leon seufzte. „Ich bin noch um keinen Schritt vorwärts gekommen, Tante!" „Vor einigen Tagen sagtest du anders", lächelte Frau v. Schmettwitz. „Ja, da glaubte ich auch, es ginge ganz gut. Die kleine Maja ließ sich herab, mit mir spazieren zu gehen. Als wir drüben ain Waldrand, wo das kleine, einsame Häuschen steht, neben einander hcrschritten, da war sie so liebenswürdig und nett zu mir, da lachte und plauderte sie in einem fort. Dabei blickte sie mich mit den Schelmcnaugen so neckisch an, daß mir ganz heiß dabei wurde.. Ich hätte sie am liebsten gleich auf der Stelle geküßt. Aber man muß bei ihr sehr vorsichtig sein, sie ist ein gar scheuer Vogel. Ihre Liebens würdigkeit dauerte ja allerdings nicht lange, aber mich cni- zückte sie doch; denn ich glaubte mich auf den: besten Wege, ihre Gunst zu erringen. Aber als ich einige Tage später Besuch machte, da zeigte sie sich so kühl und unnahbar, so wortkarg und verschlossen, daß mir der Mut völlig sank." „Nur nicht so schnell verzagen," tröstete die Tante. „Es wird schon kommen mit der Zeit. Die Hauptsache ist, daß Maja ihr Herz noch an keinen andern verschenkt hat. Da hast du doch leichtes Spiel. Sie ist ja noch ein halbes Kind und wenn du die Sache nur geschickt anpackst, dann muß cs gelingen, die Kleine zu erobern. Wenn du den Goldfisch aber erst gefangen hast, dann bist du aller Sorgen ledig, dann bist du geborgen und die deinen mit dir! Dann erlebt dein alter Vater auch noch gute Tage und das ist ihm zu gönnen." (Fortsetzung f-tgt.t üvlLSVt?» Gasthaus mit Konzertpark Mittelbach. -HW Telephon Nr. 10. Medter Mslugrort. !eIienLVüri>ige SsrtenLnlLgen. Morgen Sonntag nachm, von >/z4 Uhr an ßMesrtztk Missliche HMpM. Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu Reichendrand vom 7. bis 14. August 1S«8. Geburten: Dem Handarbeiter Georg Volkmar Schaale 1 Knabe; dem Schlosser Max Emil Rhlig 1 Knabe; dem Rundstuhlarbeiter Alwin Hartmann Gottschalk 1 Knabe. Eheschließungen: Der Kaufmann Arno Mar Großer in Raben stein mit Ella Hulda Haase in Reichenbrand. Nachrichten de« Kgl. Standesauttes^zu Siegmar Geburten: 1 Tochter dem Bleichereiarbeiter Otto Emil Neumaun. Eheaufgebote: Der Maschinenschlosser Franz Willi Claus in Reichenbrand mit Ella Resch in Siegmar, der Fabrikhandarbeiter Karl Wilhelm Gorld in Reichenbrand mit Marie Alma Kunze in Siegmar. Nachrichten des König!. Standesamtes zu Neustadt vom 7. bis 14. August 1V08. arbeiter Ernst Hermann Mülln 1 Sohn. Sterbefalle: Dem Handarbeiter Josef Rieger 1 Sohn. 2 Tage alt; dem Eisendreher Mar Albert Landrock 1 Sohn, 3 Monate 2 Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu Rabeufiem vom 7. bis 14. August 1SV8. Geburten: In Ravenstein: 1 Sohn dem Stellmacher Paul Richard Steinbach; 1 Tochter dem Handschuhstricker Karl Richard Quellmalz ; Robert Köhler und 1 unehel. geb. Knabe. Eheaufgebote: Der Eisenformer Friedrich Oskar Kunze in Chemnitz mit Lina Martha Tetzner in Ravenstein. Eheschließungen: Der Geschäftsreisende Ernst Alfred Schlenker in Pulsnitz mit Auguste Anna Maria Pöge in Rabenstein; der Maschinenformer Carl Richard Marlin in Chemnitz mit Elsa Elfrieda Müller in Rottluff; der Kaufmann Florenz Arno Köhler in Chemnitz mit OlHa Frieda Uhlich in Rabenstein. Sterbefalle: 1 Sohn des Handarbeiters Guido Johannes Weisbach, 8 Monate alt und des Materialists Paul Gustav Richter, 10 Wochen alt; beide in Rottluff. Kirchliche Nachrichten. Parochie Reicheubrand. Am 9. Sonntag p. Inn. den 16. August vorm. >/»9 Uhr Predigtgottcsdienst. Parochie Rabeuftein. Am 9. Sonntag p. Tein. d. 16. August 9 Uhr Predlgt- lesegottesdienst. 8 Uhr ev. Jünglingsverein. Mittwoch d. 19. August: Bibelstunde fällt aus. Für die uns anläßlich unserer Vermahlung in so überaus großem Maße von Freunden, Bekannten und Nachbarn zu teil gewordenen Ehrungen und Geschenke, sagen wir hiermit unseren herzlichsten Dank. 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